BT-Drucksache 17/754

Klage des Energiekonzerns Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland

Vom 17. Februar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/754
17. Wahlperiode 17. 02. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Lötzer, Dr. Barbara Höll, Eva Bulling-Schröter,
Harald Koch, Ralph Lenkert, Richard Pitterle, Michael Schlecht, Dr. Axel Troost
und der Fraktion DIE LINKE.

Klage des Energiekonzerns Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland

Das Energieunternehmen Vattenfall hat im April 2009 ein internationales
Schiedsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Gegen-
stand des Verfahrens ist eine Beschwerde über die Umweltauflagen für ein im
Bau befindliches Kohlekraftwerk an der Elbe im Wert von 2,6 Mrd. Euro. Ort
der Beschwerdeführung ist das bei der Weltbank eingerichtete Internationale
Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID). Gefordert
werden von Vattenfall Schadenersatzzahlungen in Höhe von mindestens 1,4 Mrd.
Euro.

Im Jahr 2007 stimmte die Stadt Hamburg einem vorläufigen Vertrag mit Vatten-
fall über den Bau der Anlage zu. Die Bedingungen dieses Vertrags wurden
allerdings von der endgültigen Genehmigung abhängig gemacht. Im September
2008 folgte die endgültige Baugenehmigung mit weiteren Auflagen bezüglich
der Auswirkungen der Anlage auf die Elbe. Während die Stadt Hamburg diese
Auflagen für nötig hält, um die EU-Wasserrahmenrichtlinie zu erfüllen, vertritt
Vattenfall die Auffassung, die Anlage würde durch die wasserrechtlichen Vor-
schriften unwirtschaftlich und die Auflagen würden über den 2007 vereinbarten
Rahmen hinausgehen, wodurch der Konzern die internationale Energiecharta
verletzt sieht. Die internationale Energiecharta sieht einen umfassenden Schutz
ausländischer Investoren im Energiesektor wie Gewährleistung einer fairen und
gerechten Behandlung sowie garantierte Ausgleichszahlungen im Enteignungs-
fall vor. Darüber hinaus erteilt er den Investoren der Vertragspartner das Recht,
andere Vertragsparteien in den Ländern gerichtlich zu belangen, in denen sie
Investitionen getätigt haben. Da Deutschland diesen Vertrag ratifiziert hat, wird
die Bundesrepublik von Vattenfall in die Haft genommen, obwohl sich die Be-
schwerde im Wesentlichen gegen die Stadt Hamburg richtet.

Die Klage von Vattenfall kann aus mehreren Gründen als Präzedenzfall gese-
hen werden. Sie richtet sich erstens direkt gegen Umweltauflagen, die wie-
derum Umsetzung des EU-weiten Rechts sind. Wird nun die Durchführung in-
ternational vereinbarter Maßnahmen angreifbar, werden Umweltvorschriften
und Umweltpolitik insgesamt schwierig durchsetzbar. Hinzu kommt zweitens,

dass potentiell drohende Schiedsverfahren einen Abschreckungseffekt haben
können, so dass Standards entweder niedriger angesetzt oder gar nicht erst ein-
geführt werden. Und drittens würden die Schadenersatzzahlungen von 1,4 Mrd.
Euro das öffentliche Budget erheblich belasten.

Drucksache 17/754 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie ist der aktuelle Stand im Prozess Vattenfall gegen die Bundesrepublik
Deutschland vor dem ICSID?

2. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass gesetzliche Umweltaufla-
gen von privaten Investoren nicht einklagbar sein dürfen, und dass Klagen
wie jene von Vattenfall vor dem ICSID in Zukunft durch eine Änderung des
Investitionsrechts verhindert werden sollen?

3. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Öffentlichkeit ein
Recht darauf hat, über den aktuellen Stand des Prozesses sowie ähnlicher
Prozesse informiert zu sein, und dass daher der Ausschluss der Öffentlichkeit
vom Prozess und die vollständige Geheimhaltung des Verfahrens nicht ge-
rechtfertigt sind?

a) Wenn ja, welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus im
Hinblick auf die Ausgestaltung bestehender und zukünftiger Investitions-
abkommen?

b) Wenn nein, warum nicht?

4. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Einhaltung von inter-
nationalen Umweltstandards keine Enteignung oder Verletzung des Fair-
ness- und Gerechtigkeitsstandards eines Investors darstellt, und dass Tribu-
nalsentscheide auf Grundlage von Investitionsabkommen, denen dieses Ver-
ständnis zugrunde liegt, in eine falsche Richtung weisen?

a) Wenn ja, welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus im
Hinblick auf die Ausgestaltung bestehender und zukünftiger Investitions-
abkommen?

b) Wenn nein, warum nicht?

5. Sollen ausländische Investoren die Möglichkeit haben, unter Berufung auf
die internationale Energiecharta vor internationalen Tribunalen zu klagen,
obwohl das deutsche Recht deutschen Investoren eine entsprechende Klage-
möglichkeit nicht gewährt?

6. Will die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass immer häufiger in In-
vestitionsabkommen auch ein Klagerecht privater Investoren gegen Staaten
aufgenommen wird, angesichts der problematischen Klage von Vattenfall
vor dem ICSID dennoch an der Verankerung entsprechender Klagerechte in
zukünftigen Investitionsabkommen festhalten?

Berlin, den 17. Februar 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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