BT-Drucksache 17/7509

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/6052, 17/7505 (neu) - Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts

Vom 26. Oktober 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7509
17. Wahlperiode 26. 10. 2011

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Ralph Lenkert, Katrin Kunert, Eva Bulling-Schröter,
Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. Barbara Höll, Dorothee Menzner, Sabine Stüber
und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/6052, 17/7505 (neu) –

Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die im Dezember 2008 in Kraft getretene EU-Abfallrahmenrichtlinie (2008/98/
EG) hätte bis zum 12. Dezember 2010 in nationales Recht umgesetzt werden
müssen.

Ein Grund für die deutliche Überschreitung der Umsetzungsfrist ist der Streit
um die Überlassungspflichten von Abfällen. In dem vorgesehenen Gesetz zur
Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts sind deutliche Beein-
trächtigungen für öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger durch gewerbliche
Sammlungen zu erwarten. Die vorgesehene Einschränkung des kommunalen
Zuständigkeitsbereichs ermöglicht gewerblichen Entsorgern die Erfassung von
lukrativen Wertstoffen aus privaten Haushalten. Aufgabe und Pflicht der
Kommunen bliebe die kostenintensive Beseitigung des Restmülls. Mit dieser
ordnungspolitischen Weichenstellung geht der Gesetzentwurf über die in der
Richtlinie geforderte Umsetzung hinaus. Andere Mitgliedstaaten der EU (z. B.
Österreich) haben bereits Umsetzungsakte erlassen, die keine vergleichbaren
Regelungen zu gewerblichen Sammlungen enthalten. Durch die Neuregelung
würde der bisherige Kostenausgleich zwischen den Einnahmen aus der Wert-
stofferfassung und den Kosten der Restmüllentsorgung bei den Kommunen ent-
fallen. Eine deutliche Erhöhung der Müllgebühren wäre die zwangsläufige
Folge. Da die sichere Entsorgung von Abfällen zu sozial verträglichen Ge-
bühren im Interesse der Allgemeinheit liegt, zur Grundversorgung gehört und
unabhängig von wirtschaftlichen Gesichtspunkten garantiert werden muss, ist

sie als originärer Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge unter kommu-
naler Hoheit zu gewährleisten. Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des
Artikels 28 Absatz 2 des Grundgesetzes schützt auch die Befugnis der Kommu-
nen, selbst zu entscheiden, wie sie ihre Aufgaben organisieren wollen. Soweit
der Gesetzentwurf den Kommunen faktisch die Möglichkeit nimmt, sich recht-
lich gegen gewerbliche Sammlungen zur Wehr zu setzen, greift er in die kom-
munale Selbstverwaltungsgarantie ein.

Drucksache 17/7509 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Bundesrat hat am 27. Mai 2011 mit überwältigender Mehrheit den geplan-
ten Angriff auf die kommunale Daseinsvorsorge zurückgewiesen und den
Gesetzentwurf an die Bundesregierung zurückgegeben. Der Bundesrat hat sich
dabei die Kernaussage des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18. Juni 2009 zu
eigen gemacht, in der es heißt, „dass das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz
kein Einfallstor zur Etablierung paralleler privater Entsorgungs- und Verwer-
tungsstrukturen beim Hausmüll schaffen wollte“.

Trotz dieses eindeutigen Bundesratsvotums legt die Bundesregierung jetzt
ihren Gesetzentwurf vom 15. April 2011 erneut in nahezu unveränderter Fas-
sung vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Beschluss vom 4. Juli 2011 betont,
dass die derzeit geltenden Regelungen zu den kommunalen Überlassungs-
pflichten und zur gewerblichen Sammlung europarechtskonform seien. Damit
hat es sein Grundsatzurteil zur gewerblichen Sammlung aus dem Jahr 2009 be-
stätigt und der Bundesregierung widersprochen.

Weitere Kritik bezieht sich auf die Nichteinhaltung der in der EU-Richtlinie ge-
forderten fünfstufigen Abfallhierarchie „1. Vermeidung, 2. Vorbereitung zur
Wiederverwendung, 3. Recycling, 4. sonstige, auch energetische Verwertung,
5. Beseitigung“, die nur formal in § 6 des Gesetzentwurfs enthalten sind. Real
werden die Stufen 2 bis 4 in § 8 aber gleichgestellt. So steht es den Entsor-
gungsunternehmen frei, gut brennbare Abfälle zu verbrennen, zu recyceln oder
wiederzuverwenden. Diese Regelung ist nicht zielführend, wenn es, wie der
Gesetzestitel vermuten lässt, darum geht, Rohstoffe im Kreislauf zu führen. Ge-
fördert wird dadurch die Vernichtung wichtiger Rohstoffe, bei deren Verbren-
nung zusätzlich unnötig klimaschädliche Treibhausgase freigesetzt werden.
Ebenso enthält das Gesetz keine festen Müllvermeidungsziele.

Weiterhin ist das in der EU-Abfallrahmenrichtlinie vorgeschriebene Näheprin-
zip, welches die Abfallbehandlung in der nächstgelegenen Anlage fordert, nicht
umgesetzt. Dadurch wird der unnötigen Verbringung von Abfällen und der da-
mit einhergehenden Umweltbelastung nichts entgegengesetzt.

Der oft betonte Beitrag der Abfallwirtschaft zum Klimaschutz wird im Gesetz
nicht untermauert.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

die gesetzlichen Grundlagen der Abfallbewirtschaftung so zu verbessern, dass
die kommunale Hoheit über die Siedlungsabfälle gewährleistet ist, dem Res-
sourcenverbrauch entgegengewirkt wird und die Abfallwirtschaft auf Umwelt-
und Klimaschutzbelange sowie auf Abfallvermeidung und Recycling ausge-
richtet ist. Dafür sind insbesondere folgende inhaltliche Ergänzungen und Än-
derungen im Gesetz notwendig:

1. Ausdrückliche Definition der Abfallentsorgung als Teil der öffentlichen Da-
seinsvorsorge und Stärkung dieser kommunalen Daseinsfürsorge durch un-
eingeschränkte Überlassungspflichten an Kommunen für Siedlungsabfälle;

2. Einhaltung der EU-rechtlich geforderten Abfallhierarchie gemäß Artikel 4
der Richtlinie 2008/98/EG und damit Reduzierung der Verbrennung von
Abfällen;

3. konsequente Umsetzung des „Näheprinzips“ gemäß Artikel 16 der Richt-
linie 2008/98/EG für Erfassung, Umschlag und Verwertung von Abfällen;

4. explizite Verankerung von „Klimaschutz“ als Gesetzesziel;

5. Förderung der Abfallvermeidung durch Verteuerung der Neuinanspruchnah-

men von Ressourcen, beispielsweise mittels Steuern oder Abgaben und Wie-
derverwendung durch Bonussysteme;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7509

6. Abschaffung des dualen Systems und Einführung einer allgemeinen, stoff-
abhängigen Verpackungsabgabe zur Finanzierung der Erfassung und Rück-
führung von Verpackungsmaterialien in den Wirtschaftskreislauf;

7. Einführung einer Anzeigepflicht für Abfälle, die als Gewerbegüter weiter
gehandelt werden sollen (Ende Abfalleigenschaft) mit dem Ziel, eine
schadlose Weiterverwendung zu gewährleisten;

8. Verpflichtung zur Produktkennzeichnung mit Entsorgungshinweisen;

9. Einrichtung eines Pfandsystems für technische Geräte;

10. Förderung der Entwicklung von sinnvollen Einsatzmöglichkeiten für Re-
cycling-Kunststoffe;

11. Einrichtung der Möglichkeit, die Kosten, welche durch die Absicherung
der Entsorgungspflicht für kommunale Entsorger entstehen, als fixe Be-
triebskosten abzurechnen, soweit sie nachweislich angemessen sind;

12. nachweispflichtige Entsorgung für Nichtsiedlungsabfälle.

Berlin, den 25. Oktober 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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