BT-Drucksache 17/7154

Dokumentation von Wasserwerfereinsätzen

Vom 26. September 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7154
17. Wahlperiode 26. 09. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Neskovic, Petra Pau, Jens Petermann,
Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Dokumentation von Wasserwerfereinsätzen

Einsätze von Wasserwerfern gegen Personen bergen das Risiko gravierender
Verletzungen. Einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deut-
schen Bundestages zufolge ist die Datenlage zwar „äußerst spärlich“, die weni-
gen Untersuchungen über mögliche Gesundheitsgefährdungen sind jedoch
ernst zu nehmen. So heißt es in einer vom Europäischen Parlament veröffent-
lichten Studie, dass Wasserstöße Knochenbrüche, Hämatome und Gehirn-
erschütterungen verursachen können. Besonders bedroht sind die Augen. So
besteht die Gefahr, dass Augäpfel herausgerissen werden. Aus Großbritannien
wird ein Fall von zwei Personen geschildert, die aus einer Entfernung von
weniger als fünf Metern mit Wasserstrahlen aus einem Feuerwehrschlauch ins
Gesicht getroffen wurden. Der Druck entsprach mit 10 bar dem gängigen
Druck aus deutschen Wasserwerfern. Eine der Personen trug eine dauerhafte
Beschädigung des Sehvermögens davon. Zuletzt kam es beim Einsatz von Was-
serwerfern nach Kenntnis der Fragesteller im September 2010 zu einem schwe-
ren Vorfall, bei dem ein Mann, der gegen das Bauprojekt „Stuttgart 21“ protes-
tiert hatte, sein Augenlicht weitgehend verloren hat.

In einem „Gutachten über die biomechanische Wirkung von Wasserstrahlen aus
Wasserwerfern“, das 1985 im Auftrag der Deutschen Hochschule der Polizei
entstanden ist, kam der Verfasser hinsichtlich der Risiken für die Augen zu der
Schlussfolgerung, man werde „ganz grob abschätzen können, dass Drücke im
bar-Bereich nicht mehr toleriert werden.“

Angesichts der Gefährlichkeit von Wasserwerfereinsätzen müssen sie einer
Überprüfung zugänglich sein, um zu beurteilen, ob ggf. gesetzgeberische Initia-
tiven erforderlich sind.

Die Abgeordnete Ulla Jelpke hatte sich im Juli 2011 mit folgender Schriftlichen
Frage an die Bundesregierung gewandt:

„Wie hoch war bei den letzten 25 Wasserwerfereinsätzen der Bundespolizei,
bei denen Demonstranten oder Störer beschossen wurden, der Druck des Was-
serstrahlers und wie groß war bei diesen Gelegenheiten die Entfernung zu den
betroffenen Störern bzw. Demonstranten (bitte für jeden der Einsätze im Ein-

zelnen angeben)?“

Die Bundesregierung erteilte daraufhin folgende Antwort:

„Im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei ist der Wassereinsatz von Was-
serwerfern die Ausnahme. Zu den in der Frage erbetenen Angaben zur Art und
Weise der Wasserabgabe werden keine statistischen Daten erhoben.“ (vgl. Bun-
destagsdrucksache 17/6589, zu Frage 3).

Drucksache 17/7154 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Fragesteller greifen die Frage in dieser Kleinen Anfrage auf. Sie weisen
darauf hin, dass hier keineswegs „statistische Daten erhoben“ werden müssen.
Vielmehr ist es so, dass die länderübergreifend verbindliche Polizeiliche
Dienstvorschrift (PDV) 122 umfassende interne Dokumentationen von Wasser-
werfereinsätzen vorsieht. So ist der Führer eines Wasserwerfertrupps dafür ver-
antwortlich, unter anderem den Wasserdruck und die Entfernung zu den Störern
zu dokumentieren. Die Fragesteller sehen in der bloßen Abfrage bereits doku-
mentierter Angaben keine „statistische Erhebung“. Etwaige Recherchearbeiten
bzw. Einsichtnahme in die Dokumentationen sind der Bundesregierung zur Er-
füllung des parlamentarischen Auskunftsrechtes zuzumuten.

Die Fragesteller machen darüber hinaus darauf aufmerksam, dass sie Angaben
auch zu jenen dokumentierten Einsätzen begehren, die von der Bundespolizei
außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs durchgeführt worden sind, d. h. etwa im
Bereich der Amtshilfe für Länderpolizeien.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung die in der PDV 122 vorgesehe-
nen Dokumentationspflichten bei Einsätzen von Wasserwerfern der Bundes-
polizei vollumfänglich erfüllt, und wenn nein, warum nicht, und welche
Konsequenzen sind aus Sicht der Bundesregierung daraus zu ziehen?

2. Wo verbleiben die entstandenen Dokumentationen?

a) Wie lange werden die Dokumentationen aufbewahrt?

b) Inwiefern werden diese ausgewertet?

c) Wer nimmt die Auswertungen vor, und inwiefern werden die Ergebnisse
der Auswertung festgehalten?

d) Wem werden die Auswertungen zugleitet, und wie wird darüber hinaus
sichergestellt, dass die Erfahrungen bei Wasserwerfereinsätzen regelmä-
ßig in Fortbildungen usw. einfließen?

e) Kann die Bundesregierung allfällige Auswertungen dem Deutschen Bun-
destag zugänglich machen, und wenn nein, warum nicht?

3. Welche Angaben enthalten die Meldungen über Wasserwerfereinsätze der
Länderpolizeien, die dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des
Deutschen Bundestages zufolge nach einem bundeseinheitlichen Melde-
system quartalsmäßig gegenüber der Bundespolizei gemeldet werden, im
Einzelnen, und in welcher Form erfolgen diese Meldungen?

4. Verbleiben Dokumentationen von Wasserwerfereinsätzen, welche die Bun-
despolizei im Rahmen der Amtshilfeerbringung für Polizeien der Länder
durchgeführt hat, in den jeweiligen Ländern oder bei der Bundespolizei bzw.
bewahrt die Bundespolizei ein Doppel der Dokumentation auf?

5. Welche Regelungen über Dokumentationspflichten, Verbleib der Dokumen-
tationen und Aufbewahrungsfristen gelten bei Wasserwerfereinsätzen der
Bundespolizei, die im Ausland durchgeführt werden (wie etwa beim NATO-
Gipfel 2009 in Strasbourg)?

6. Inwiefern sind aus den in der Vorbemerkung genannten Untersuchungen
bzw. Gutachten zur möglichen Gesundheitsgefährdung von Wasserwerfern
Konsequenzen für die Durchführung von Wasserwerfereinsätzen gezogen
worden?

a) Gibt es für den Bereich der Bundespolizei Regelungen zum Verhältnis
von Entfernung zum polizeilichen Gegenüber und dem Wasserdruck, und

wenn ja, welche?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7154

b) Gelten diese Regelungen auch bei Einsätzen im Rahmen der Amtshilfe
unter Führung von Länderpolizeien?

7. Über welche Möglichkeiten der audiographischen und videographischen
Dokumentation von Wasserwerfereinsätzen verfügen die von der Bundes-
polizei genutzten Wasserwerfer?

a) Welche Regeln für Verbleib und Aufbewahrungsdauer dieser Dokumen-
tationen gelten für Einsätze innerhalb und außerhalb des eigenen Zu-
ständigkeitsbereiches?

b) Welche Dokumentationsmöglichkeiten gehen mit der Anschaffung
neuer Wasserwerfer des Typs WaWe 10.000 einher?

8. Wie häufig wurden Wasserwerfer der Bundespolizei in den letzten fünf
Jahren

a) im eigenen Zuständigkeitsbereich,

b) im Rahmen der Amtshilfeerbringung für Länderpolizeien,

c) im Ausland

eingesetzt, und bei welchen dieser Einsätze (bitte im Einzelnen ange-
ben) waren dem Wasser Reizstoffe beigemischt?

d) Inwiefern ist es zu dokumentieren, wenn Wasserstöße die Köpfe von
Personen treffen, und welche Angaben kann die Bundesregierung zur
Frage machen, bei wie vielen der abgefragten Einsätze dies der Fall
war?

e) Wann und wo fanden diese Einsätze jeweils statt, und was war der je-
weilige Anlass?

9. Wie hoch war bei diesen Einsätzen (sofern möglich, auch Angaben zu Ein-
sätzen außerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs machen), bei denen
Demonstranten oder Störer beschossen wurden, der Druck des Wasser-
strahlers, und wie groß war bei diesen Gelegenheiten die Entfernung zu
den betroffenen Störern bzw. Demonstranten (bitte für jeden der Einsätze
im Einzelnen angeben)?

10. Welche Angaben sind bei diesen Einsätzen für die Art des Wassereinsatzes
und für den Wasserdurchfluss dokumentiert?

11. Welche Sprachverstärker wurden bei diesen Einsätzen jeweils verwendet?

In welchen Fällen unterblieb eine Warnung durch Sprachverstärker bzw. in
welchen Fällen unterblieb sie völlig?

Berlin, den 26. September 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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