BT-Drucksache 17/6933

Einführung einer gemeinsamen Unternehmensteuer in Deutschland und Frankreich bis 2013

Vom 6. September 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6933
17. Wahlperiode 06. 09. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Harald Koch, Richard Pitterle,
Johanna Voß und der Fraktion DIE LINKE.

Einführung einer gemeinsamen Unternehmensteuer in Deutschland
und Frankreich bis 2013

Auf dem deutsch-französischen Sondergipfel vom 16. August 2011 haben die
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und der französische Staatspräsident
Nicolas Sarkozy beschlossen, eine gemeinsame Unternehmensteuer in beiden
Ländern bis 2013 umzusetzen. Dieses Vorhaben ist auch in dem Brief der beiden
Staatschefs an den Präsidenten des Europäischen Rates Herman Van Rompuy
vom 17. August 2011 enthalten. Darin wird festgehalten, dass die gemeinsame
Unternehmensteuer eine Harmonisierung der Bemessungsgrundlage und der
Steuersätze umfasst. Die Bundeskanzlerin hat im Kontext dieses Beschlusses
auf der Pressekonferenz zum Sondergipfel angekündigt: „Die deutschen Unter-
nehmen müssen nicht damit rechnen, dass sich für sie etwas verschlechtert. […]
Für die französischen Unternehmen verschlechtert sich auch nichts.“ (vergleiche
Meldung des manager magazin „Großes Symbol, geringer Nutzen“ vom 18. Au-
gust 2011). Diese Zusicherung der Bundeskanzlerin ist vor dem Hintergrund zu
sehen, dass die effektive Steuerbelastung von Unternehmen in Frankreich höher
als in Deutschland ausfällt. Nach Berechnungen des Zentrums für Europäische
Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW) im Auftrag der Europäischen Kommission
betrug der effektive Durchschnittssteuersatz der Unternehmensbesteuerung
(EATR – effective average tax rate) im Jahr 2009 28 Prozent in Deutschland
im Vergleich zu 34,6 Prozent in Frankreich (vergleiche ZEW/European Com-
mission, Report 2009: Effective Tax Levels Using The Devereux/Griffith
Methodology, 2010).

Die höhere Steuerbelastung von Unternehmen in Frankreich ist auch ein Grund
für das höhere Aufkommen aus der direkten Besteuerung von Kapitalgesell-
schaften in Frankreich. Laut Berechnungen von Eurostat betrug dieses im Jahr
2009 in Frankreich 24 Mrd. Euro im Vergleich zu 16,4 Mrd. Euro in Deutsch-
land (vergleiche European Commission: Taxation trends in the European Union.
Data for the EU Member States, Iceland and Norway; 2011 edition). Es stellt
sich somit insbesondere die Frage, welche Aufkommenswirkungen aus der Ein-
führung einer gemeinsamen Unternehmensteuer in Deutschland und Frankreich
resultieren, wenn zugleich weder die deutschen noch die französischen Unter-

nehmen schlechtergestellt werden sollen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Vorteile sieht die Bundesregierung in der Einführung einer gemein-
samen Unternehmensteuer in Deutschland und Frankreich (bitte mit Begrün-
dung)?

Drucksache 17/6933 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Welche Schwierigkeiten sieht die Bundesregierung bei der Einführung
einer gemeinsamen Unternehmensteuer in Deutschland und Frankreich
(bitte mit Begründung)?

3. Welche wesentlichen Unterschiede bei Steuersatz und Bemessungsgrund-
lage existieren bei der Besteuerung von Unternehmen, insbesondere Kapi-
talgesellschaften, zwischen Deutschland und Frankreich?

4. Welche Steuerarten in Deutschland werden von der geplanten Einführung
einer gemeinsamen Unternehmensteuer in Deutschland und Frankreich ab
dem Jahr 2013 voraussichtlich betroffen sein (bitte mit Begründung)?

5. Können die geltenden gesetzlichen Regelungen zur Gewerbesteuer bei der
Einführung einer gemeinsamen Unternehmensteuer in Deutschland und
Frankreich ab dem Jahr 2013 unangetastet bleiben (bitte mit Begründung)?

Falls nein, welche Änderungen bei der geltenden Gewerbesteuer werden
durch die Einführung einer gemeinsamen Unternehmensteuer in Frankreich
und Deutschland mindestens erforderlich (bitte mit Begründung)?

6. Können die geltenden gesetzlichen Regelungen zur Einkommensteuer bei
der Einführung einer gemeinsamen Unternehmensteuer in Deutschland und
Frankreich unangetastet bleiben (bitte mit Begründung)?

Falls nein, welche Änderungen bei der geltenden Einkommensteuer werden
durch die Einführung einer gemeinsamen Unternehmensteuer in Frankreich
und Deutschland mindestens erforderlich (bitte mit Begründung)?

7. Welche Änderungen umfasst die Einführung einer gemeinsamen Unterneh-
mensteuer in Deutschland und Frankreich für deutsche Personenunterneh-
men mindestens (bitte mit Begründung)?

8. Plant die Bundesregierung mit der Einführung einer gemeinsamen Unter-
nehmensteuer in Deutschland und Frankreich eine Abkehr vom Weltein-
kommensprinzip bei der Besteuerung von Unternehmen, oder erwartet die
Bundesregierung von Frankreich eine Abkehr vom Territorialitätsprinzip,
die dort bisher bei der Unternehmensbesteuerung angewandt wird (bitte mit
Begründung)?

9. Plant die Bundesregierung mit der Einführung einer gemeinsamen Unter-
nehmensteuer in Deutschland und Frankreich eine Übernahme der steuerli-
chen Förderung von Forschungsausgaben mittels einer Steuergutschrift für
Forschungsaufwendungen (crédit d’impôt recherche – CIR), wie sie in
Frankreich existiert (bitte mit Begründung)?

10. Sieht die Bundesregierung die Einführung einer gemeinsamen Unterneh-
mensteuer zwischen Deutschland und Frankreich in Konkurrenz zum von
der EU-Kommission vorgelegten Vorschlag für eine Richtlinie des Rates
über eine Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungs-
grundlage (GKKB) (bitte mit Begründung)?

11. Folgt aus dem Vorschlag im Brief an den Präsidenten des Europäischen
Rates Herman Van Rompuy, wonach die Verhandlungen der EU-Mitglied-
staaten über den Vorschlag der EU-Kommission zu einer Gemeinsamen
konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage vor Ende 2012
abzuschließen seien, dass die Bundesregierung die Einführung einer Ge-
meinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage
gegenüber einer Gemeinsamen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage
ohne Konsolidierung (GKB) präferiert und/oder favorisiert (bitte mit Be-
gründung)?

12. Welcher Zeitplan liegt der Planung und Umsetzung der gemeinsamen Un-

ternehmensteuer in Deutschland und Frankreich bis 2013 zugrunde?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6933

13. Ist die deutsch-französische Initiative für eine gemeinsame Unternehmen-
steuer auch für die Teilnahme weiterer EU-Länder offen (bitte mit Begrün-
dung)?

14. Sind der Bundesregierung ähnliche Bestrebungen in bzw. zwischen anderen
EU-Staaten bekannt, bilateral das Steuersystem zu harmonisieren (falls ja,
bitte die Länder und die betroffenen Steuerarten nennen)?

15. Warum schließt die Bundesregierung, gemäß der in der Vorbemerkung
zitierten Ankündigung der Bundeskanzlerin, mit der Einführung einer ge-
meinsamen Unternehmensteuer in Deutschland und Frankreich eine höhere
steuerliche Belastung der deutschen Unternehmen von vornherein aus,
obwohl die bis dato höhere effektive Steuerbelastung der französischen
Unternehmen Spielraum für eine solche lässt?

16. Beinhaltet die in der Vorbemerkung zitierte Ankündigung der Bundeskanz-
lerin, wonach sich durch die geplante gemeinsame Unternehmensteuer
weder etwas für die deutschen noch für die französischen Unternehmen ver-
schlechtere, angesichts der höheren effektiven Belastung von Unternehmen
in Frankreich, dass Frankreich komplett oder größtenteils das deutsche Kör-
perschaftsteuersystem übernimmt (bitte mit Begründung)?

17. Beinhaltet die in Frage 16 genannte Ankündigung der Bundeskanzlerin an-
gesichts des im Vergleich zu Deutschland erheblich höheren Aufkommens
aus der Besteuerung von Kapitalgesellschaften, dass bei einer Umsetzung
der geplanten gemeinsamen Unternehmensteuer der französische Staat
Mindereinnahmen in Kauf nehmen muss (bitte mit Begründung)?

18. Gilt die in der Vorbemerkung zitierte Aussage der Bundeskanzlerin einer
Nichtschlechterstellung der deutschen Unternehmen durch die gemeinsame
Unternehmensteuer für jedes einzelne Unternehmen in Deutschland, oder
gilt sie nur für alle Unternehmen zusammen, so dass es für einzelne Unter-
nehmen zu Mehr- und Minderbelastungen kommen kann (bitte mit Begrün-
dung)?

19. Beinhaltet die in der Vorbemerkung zitierte Aussage der Bundeskanzlerin
einer Nichtschlechterstellung der deutschen Unternehmen durch die gemein-
same Unternehmensteuer auch umgekehrt den Ausschluss einer steuerlichen
Nettoentlastung für die deutschen Unternehmen insgesamt durch die ge-
meinsame Unternehmensteuer (bitte mit Begründung)?

20. Beabsichtigt die Bundesregierung vor oder mit der Einführung einer ge-
meinsamen Unternehmensteuer in Deutschland und Frankreich eine steuer-
liche Entlastung von Unternehmen (bitte mit Begründung)?

21. Welche Auswirkungen hat die geplante Einführung einer gemeinsamen Un-
ternehmensteuer in Deutschland und Frankreich im Jahr 2013 auf den von
der Bundesregierung für den Herbst 2011 angekündigten Entwurf eines
Steuervereinfachungsgesetzes für Unternehmen (bitte mit Begründung)?

22. Plant die Bundesregierung aufgrund der beabsichtigten Einführung einer
gemeinsamen Unternehmensteuer in Deutschland und Frankreich eine Ver-
schiebung des für den Herbst 2011 angekündigten Entwurfs eines Steuer-
vereinfachungsgesetzes für Unternehmen (bitte mit Begründung)?

23. Welche Auswirkungen hat die geplante Einführung einer gemeinsamen Un-
ternehmensteuer in Deutschland und Frankreich im Jahr 2013 auf die von
der Bundesregierung beabsichtigte Ersetzung der bisherigen körperschaft-
und gewerbesteuerlichen Organschaft durch ein modernes Gruppenbesteu-
erungssystem (bitte mit Begründung)?

Drucksache 17/6933 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
24. Welche Auswirkungen hat die geplante Einführung einer gemeinsamen
Unternehmensteuer in Deutschland und Frankreich im Jahr 2013 auf die
von der Bundesregierung geplante Neuordnung der steuerlichen Verlustver-
rechnung (bitte mit Begründung)?

25. Beabsichtigt die Bundesregierung mit der geplanten Einführung einer ge-
meinsamen Unternehmensteuer in Deutschland und Frankreich im Jahr
2013 auch eine Ausweitung der Möglichkeiten zur grenzüberschreitenden
Verlustverrechnung zwischen den beiden Ländern (bitte mit Begründung)?

26. Welche Aufkommenswirkungen (volle Jahreswirkung) ergeben sich aus
einer vollumfänglichen Zulassung der grenzüberschreitenden Verlustver-
rechnung zwischen Frankreich und Deutschland, wenn für die steuerrecht-
liche Konzernbildung die finanzielle Eingliederung nach § 14 Absatz 1
Nummer 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) (Mehrheit der Stimm-
rechte) vorausgesetzt wird (bitte differenzieren nach Steuerarten und Steuer-
gläubigern)?

27. Favorisiert die Bundesregierung für die geplante Einführung einer gemein-
samen Unternehmensteuer in Deutschland und Frankreich ab dem Jahr
2013 die Einführung einer für die beiden Länder geltenden Gemeinsamen
konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage oder die Einfüh-
rung einer für die beiden Länder geltenden Gemeinsamen Körperschaft-
steuer-Bemessungsgrundlage ohne länderübergreifende Konsolidierung
(bitte mit Begründung)?

Falls eine GKKB favorisiert wird, nach welchem Verteilungsmechanismus
soll die Bemessungsgrundlage oder das Steueraufkommen zwischen den
beiden Ländern aufgeteilt werden?

Falls eine GKB favorisiert wird, soll die Abgrenzung der Besteuerungs-
rechte zwischen Deutschland und Frankreich weiterhin durch Regelungen
zu Verrechnungspreisen sowie den Fremdvergleichsgrundsatz erfolgen
(bitte mit Begründung)?

28. Welche Auswirkungen hat die geplante Einführung einer gemeinsamen
Unternehmensteuer in Deutschland und Frankreich auf das Maßgeblich-
keitsprinzip (Handelsbilanz ist maßgeblich für die Steuerbilanz), bzw. in
welchem Umfang kann dieses Prinzip, auch vor dem Hintergrund der
ambitionierten Umsetzung bis 2013, aufrechterhalten werden (bitte mit Be-
gründung)?

29. Bedürfen nach Einführung einer einheitlichen Unternehmensteuer in
Deutschland und Frankreich gesetzliche Änderungen an dieser, beispiels-
weise an der Bemessungsgrundlage oder den Steuersätzen, einer bilateralen
Vereinbarung zwischen Deutschland und Frankreich, oder können die ge-
setzlichen Regelungen dieser Unternehmensteuer auch unilateral geändert
werden (bitte mit Begründung; falls diese Frage noch offen ist, bitte mit Be-
antwortung, warum diese offengehalten wurde)?

Berlin, den 2. September 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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