BT-Drucksache 17/686

Reformbedarf des Kinderzuschlags

Vom 10. Februar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/686
17. Wahlperiode 10. 02. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Diana Golze, Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, Heidrun
Dittrich, Katja Kipping, Jutta Krellmann, Ingrid Remmers, Jörn Wunderlich,
Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Reformbedarf des Kinderzuschlags

Gerade einmal ein Jahr nach der letzten Reform des Kinderzuschlags erklärt
die Bundesregierung, sie wolle diesen erneut weiterentwickeln. Die Gründe
hierfür sind die gleichen wie bei der letzten Reform. Die Höchsteinkommens-
grenze führt bei manchen Familien zu sinkendem Haushaltseinkommen. Die zu
geringe Höhe des Kinderzuschlags sowie die mangelhafte Abstimmung des
Kinderzuschlags mit den Leistungen aus dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
(SGB II) führen dazu, dass viele Familien, insbesondere jedoch Alleinerzie-
hende, vom Kinderzuschlag nicht profitieren können. Deren Einkommen liegt
auch mit Kinderzuschlag unterhalb des Hartz-IV-Anspruchs. Es ist möglich,
dass Familien alleine deshalb wieder auf Hartz IV verwiesen werden, weil bei-
spielsweise eines ihrer Kinder Geburtstag feiert. Ein weiterer Grund für den
anstehenden Reformbedarf sind die unverändert hohen Verwaltungskosten.
Diese rügte zuletzt auch der Bundesrechnungshof.

Die Reformvorschläge der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend, Dr. Kristina Köhler, belaufen sich auf drei Vorschläge: Erstens, eine er-
neute Absenkung der Mindesteinkommensgrenze um 100 Euro auf 800 Euro
für Paare und 500 Euro für Alleinerziehende. Zweitens, ein Verzicht auf die
Höchsteinkommensgrenze. Und drittens ein Wahlrecht, nachdem zukünftig alle
Familien den Kinderzuschlag auch dann beziehen dürfen, wenn ihre Hilfebe-
dürftigkeit nach dem SGB II dadurch nicht überwunden wird.

Mit der Ausweitung des Wahlrechts werden neue Fragen aufgeworfen. Ob und
inwiefern das von der Bundesregierung vorgeschlagene Wahlrecht geeignet ist,
Familien besser zu stellen, angesichts der Tatsache, dass sie dann materiell
weniger als Hartz IV erhalten, bleibt offen. Offen ist auch die Frage, ob die
Vorschläge nicht eher geeignet sind, den Bundeshaushalt zu konsolidieren und
die offizielle Zahl an Hartz IV beziehenden Familien zu senken, statt diese
Familien materiell besser zu stellen. Außerdem bedarf die Bewertung der
Reformvorschläge einer vernünftigen Datengrundlage.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch waren die Gesamtausgaben für den Kinderzuschlag pro Kalender-
jahr in den Jahren 2005 bis 2009 (bitte getrennt für Bundesgebiet und
Bundesländer angeben)?

Drucksache 17/686 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Wie hoch waren die durchschnittlichen (arithmetisches Mittel und Median)
Ausgaben je kinderzuschlagsberechtigtem Haushalt sowie kinderzuschlags-
beziehendem Kind und Kalenderjahr in den Jahren 2005 bis 2009 (bitte
getrennt für das Bundesgebiet und die Bundesländer angeben)?

3. Wie hoch waren in den Kalendermonaten der Jahre 2005 bis 2009 (bitte
getrennt für Bundesgebiet und Bundesländer angeben)

a) die Zahl der kinderzuschlagsberechtigten Personen (getrennt nach
Geschlecht) sowie der kinderzuschlagsbegründenden Kinder,

b) die durchschnittliche (arithmetisches Mittel und Median) Höhe des aus-
gezahlten Kinderzuschlags je Kind,

c) die durchschnittliche (arithmetisches Mittel und Median) Höhe des
Kinderzuschlags je Kind nach Zahl der zuschlagsbegründenden Kinder
(bitte aufschlüsseln nach Anzahl der zuschlagsbegründenden Kinder im
Haushalt – nach einem, zwei, drei und vier oder mehr Kindern getrennt –
und dem jeweiligen Familienstand – alleinerziehend, verheiratet und
geschieden/verwitwet/ledig/alleinstehend; beispielsweise alleinerziehend
mit einem Kind etc.)

d) die durchschnittliche (arithmetisches Mittel und Median) Höhe des elter-
lichen Bedarfs i. S. d. § 6a Absatz 4 Satz 1 und 2 des Bundeskindergeld-
gesetzes (BKGG) und

e) die durchschnittliche (arithmetisches Mittel und Median) Höhe des an-
rechenbaren elterlichen Einkommens i. S. d. § 6a Absatz 4 Satz 1 BKGG?

4. Wie viele Alleinerziehende nehmen das Wahlrecht nach § 6a Absatz 1
Nummer 4 Satz 2 BKGG in Anspruch?

Wie viele dieser Alleinerziehenden bezogen zuvor Leistungen nach dem
SGB II, waren zuvor in einer Lebensgemeinschaft ohne Anspruch auf Leis-
tungen nach dem SGB II, waren zuvor erwerbstätig, bezogen zuvor Leistun-
gen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch, bezogen aus sonstigen be-
kannten Gründen zuvor keinen Kinderzuschlag oder bezogen vorher aus
unbekannten Gründen keinen Kinderzuschlag?

5. Wie hoch waren die Gesamtausgaben im Kalenderjahr und in den jeweiligen
Kalendermonaten des Jahres 2009, die durch die Inanspruchnahme des
„kleinen Wahlrechts“ (§ 6a Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 BKGG) entstanden?

Welche Beträge sind hierdurch im Rahmen der Leistungen nach dem SGB II
eingespart worden bzw. wären angefallen, wenn die Familien statt des
Kinderzuschlags die Leistungen nach dem SGB II in Anspruch genommen
hätten?

6. Welche Veränderungen der Gesamtausgaben pro Jahr ergäben sich jeweils
im Rahmen des SGB II für den Kinderzuschlag und das Wohngeld, für den
Fall, dass das „kleine Wahlrecht“ (§ 6a Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 BKGG)
– wie beispielsweise von der Bundesministerin für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend Dr. Kristina Köhler angestrebt – verallgemeinert würde,
zukünftig also § 6a Absatz 1 Nummer 4 BKGG gestrichen oder so angepasst
wird, dass Anspruchsvoraussetzung für den Bezug des Kinderzuschlags
nicht mehr die Überwindung der Hilfebedürftigkeit i. S. d. SGB II ist?

Wie verteilen sich diese Veränderungen der Gesamtausgaben auf den Bund,
die Länder und die Kommunen?

7. Wie viele Anträge auf Kinderzuschlag wurden im Jahr 2009 abgelehnt, da
die Mindesteinkommensgrenze von 900 Euro für Paare und 600 Euro für
Alleinerziehende nicht erreicht wurde?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/686

8. Würden Paare mit einem Einkommen von 800, 850 bzw. 900 (i. S. d. § 6a
Absatz 1 Nummer 2 BKGG) und einem, zwei, drei oder vier und mehr
Kindern bei Wohnkosten, die den durchschnittlichen Kosten der Unter-
kunft (KdU) des jeweiligen Haushaltstyps entsprechen und zu 80 Prozent
wohngeldfähig sind, zusammen mit Kindergeld, Kinderzuschlag und
Wohngeld ihre Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II überwinden (bitte
getrennt für die einzelnen Fälle angeben)?

Wenn nein, um wie viel läge das monatliche Haushaltseinkommen bei
Bezug des Kinderzuschlags in den jeweiligen Haushaltstypen unterhalb des
Einkommens bei Bezug des SGB II?

9. Würde eine Alleinerziehende mit einem Einkommen von 500, 550 bzw.
600 (i. S. d. § 6a Absatz 1 Nummer 2 BKGG) und einem, zwei, drei oder
vier und mehr Kindern bei Wohnkosten, die den durchschnittlichen KdU
des jeweiligen Haushaltstyps entsprechen und zu 80 Prozent wohngeld-
fähig sind, zusammen mit Kindergeld, Kinderzuschlag und Wohngeld ihre
Hilfebedürftigkeit i. S. d. SGB II überwinden (bitte getrennt für die einzel-
nen Fälle angeben)?

Wenn nein, um wie viel läge das monatliche Haushaltseinkommen bei
Bezug des Kinderzuschlags in den jeweiligen Haushaltstypen unterhalb des
Einkommens bei Bezug des SGB II?

10. Hält es die Bundesregierung für einen angemessenen Eingriff in die Grund-
rechte der Kinder, wenn der Gesetzgeber vorsieht, dass Eltern auf Leistun-
gen nach dem SGB II zugunsten des Kinderzuschlags verzichten dürfen,
auch wenn hierdurch das Haushaltseinkommen geringer ausfällt und so die
finanzielle Lage der Kinder verschlechtert wird?

Berlin, den 10. Februar 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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