BT-Drucksache 17/6843

Rechtsauffassung der Bundesregierung zu den Verschlechterungsverboten des EWG-Türkei-Assoziationsrechts (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/5884)

Vom 23. August 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6843
17. Wahlperiode 23. 08. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Niema Movassat,
Wolfgang Neskovic, Frank Tempel, Alexander Ulrich, Halina Wawzyniak,
Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Rechtsauffassung der Bundesregierung zu den Verschlechterungsverboten
des EWG-Türkei-Assoziationsrechts
(Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf
Bundestagsdrucksache 17/5884)

Die Bundesregierung erklärte in ihrer Vorbemerkung auf Bundestagsdrucksache
17/5884 zur Umsetzung der Verschlechterungsverbote des Assoziationsrechts
EWG/Türkei:

„Die Bundesregierung sieht es nicht als ihre Aufgabe an, ihre vorgenannten
Schlussfolgerungen aus der textlichen Fassung des ARB 1/80 sowie aus der
Rechtsprechung des EuGH fortlaufend zum Anlass von Detailstellungnahmen
zu einzelnen Äußerungen oder Argumenten juristischer Autoren oder aus dem
politischen Raum zu machen und insofern in einen juristischen Fachdisput ein-
zutreten, zumal die Rechtsanwendung in den Feldern, in denen diese Schlussfol-
gerungen zum Tragen kommen könnten, überwiegend den Ländern obliegt.“

Inzwischen liegt allerdings eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes
des Deutschen Bundestages vom 21. Juni 2011 vor („Anwendungsbereiche und
Auswirkungen der Stillhalteklausel im Assoziationsrecht der EU mit der Tür-
kei“, WD 3 – 3000 – 188/11), die die Bundesregierung dazu veranlassen sollte,
ihre in Beantwortung zahlreicher Kleiner Anfragen der Fraktion DIE LINKE.
(vgl. beispielhaft die Bundestagsdrucksachen 17/5884, 17/5732 zu den Fragen
17 bis 19, 17/5693 zu Frage 26, 17/5684, 17/4623 und 17/413) geäußerte
Rechtsauffassung zum Anwendungsbereich der Verschlechterungsverbote zu
überprüfen. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages kommt
auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)
und der Fachliteratur zu dem Ergebnis, dass die restriktive Rechtsauffassung der
Bundesregierung in nahezu allen Punkten nicht haltbar ist (vgl. „Grenzfall“,
Süddeutsche Zeitung vom 7. Juli 2011, S. 1). Dies ist auch insofern von Bedeu-
tung, als das Bundesministerium des Innern derzeit die Allgemeinen Anwen-
dungshinweise zum ARB 1/80 aus dem Jahr 2002 überarbeitet (vgl. Bundestags-
drucksache 17/5884, Antwort zu Frage 1).
Der „juristische Fachdisput“ ist von enormer politischer Bedeutung, denn es
steht der begründete Verdacht im Raum, dass viele der maßgeblichen auf-
enthaltsrechtlichen Verschärfungen der letzten Jahre gegen verbindliches EU-
Recht verstoßen. Jedenfalls sind sie nicht auf assoziationsberechtigte türkische
Staatsangehörige anwendbar, etwa die Regelung der Sprachanforderungen beim
Ehegattennachzug, die Verlängerung der Mindestehebestandszeit für ein eigen-
ständiges Aufenthaltsrecht (dies hat die Bundesregierung zum Teil anerkannt,

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vgl. Bundestagsdrucksache 17/4623, Antwort zu Frage 1) und die Anforderung
von Sprachnachweisen für eine mehr als einjährige Aufenthaltserlaubnis. Es ist
nach Ansicht der Fragestellerinnen und Fragesteller auch absehbar, dass der
EuGH die höchst umstrittene Rechtsauffassung der Bundesregierung, wonach
eine Visumfreiheit für türkische Staatsangehörige nur im Rahmen der aktiven
Dienstleistungsfreiheit gelten soll (vgl. hierzu Bundestagsdrucksache 16/
14028), infolge eines Vorlage-Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Berlin-
Brandenburg in näherer Zukunft zurückweisen wird.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der vorliegenden Aus-
arbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages vom
21. Juni 2011 „Anwendungsbereiche und Auswirkungen der Stillhalteklausel
im Assoziationsrecht der EU mit der Türkei“ (WD 3 – 3000 – 188/11), die
ihren unter anderem auf der Bundestagsdrucksache 17/5884 (aber auch auf
den anderen in der Vorbemerkung genannten Bundestagsdrucksachen) zum
Ausdruck kommenden Rechtsauffassungen in weiten Teilen widerspricht
(bitte begründen), und in welchen Punkten korrigiert die Bundesregierung
gegebenenfalls ihre bisherige Rechtsauffassung (bitte differenziert darle-
gen)?

2. Inwieweit wird die Bundesregierung den Bundesländern diese wissenschaft-
liche Ausarbeitung zur Verfügung stellen und zur Berücksichtigung bekannt
geben, damit verbindliches Europarecht in der Praxis umfassend, informiert
und korrekt angewandt werden kann, und falls die Bundesregierung diese
Ausarbeitung den Bundesländern nicht zur Berücksichtigung bekannt geben
will, wie begründet sie dies, und wie wäre dies damit vereinbar, dass nach
Auffassung der Bundesregierung den Bundesländern die Beachtung und Um-
setzung der assoziationsrechtlichen Verschlechterungsverbote obliegt und sie
deshalb über fundierte wissenschaftliche Abhandlungen zum Thema umfas-
send informiert sein sollten?

3. Gab es mit den Bundesländern bereits Gespräche und Beratungen über mög-
liche Konsequenzen aus der vorliegenden wissenschaftlichen Ausarbeitung
bzw. was ist diesbezüglich geplant (bitte konkret angeben, und wenn nein,
warum nicht)?

4. Inwieweit wird die Bundesregierung die vorliegende wissenschaftliche Aus-
arbeitung bei der Überarbeitung der Anwendungshinweise zum ARB 1/80
berücksichtigen, und wie ist der genaue Stand der Überarbeitung und der
diesbezügliche Zeitplan (bitte darlegen)?

5. Mit welcher Begründung hält es die Bundesregierung für angebracht, zur
Frage der Reichweite der assoziationsrechtlichen Verschlechterungsverbote
nicht „in einen juristischen Fachdisput einzutreten“, obwohl es hierbei zum
Beispiel um die Frage geht, ob Eingriffe in individuelle Grund- und Men-
schenrechte (etwa das Recht auf familiäres Zusammenleben im Rahmen der
Regelung der Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug) durch deutsche
Behörden tausendfach zu Unrecht erfolgen – wofür angesichts der vorliegen-
den Rechtsprechung des EuGH, der Kommentarliteratur und wissenschaftli-
chen Ausarbeitungen zu diesem Thema vieles spricht?

6. Inwieweit ist es mit Artikel 4 Absatz 3 des EU-Vertrags und dem Grundsatz
einer effektiven Umsetzung von Unionsrecht vereinbar, wenn die Bundes-
regierung auf Bundestagsdrucksache 17/5884 erklärt, die Umsetzung des
Assoziationsrechts und Berücksichtigung der diesbezüglichen EuGH-Recht-
sprechung sei entsprechend der föderalen Strukturentscheidung des Grund-

gesetzes „zunächst Sache der zuständigen Landesbehörden“, wobei es „sys-
tembedingt“ sei, dass „es hierbei zu Unterschieden in der Rechtsanwendung

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6843

kommen kann“, obwohl nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH (vgl.
z. B. Urteil vom 15. Dezember 2005 – C-67/05, Rn. 9) „sich ein Mitgliedstaat
nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechts-
ordnung einschließlich solcher, die sich aus seinem bundesstaatlichen Auf-
bau ergeben, berufen [kann], um die Nichteinhaltung der in einer Richtlinie
festgelegten Verpflichtungen und Fristen zu rechtfertigen“ und obwohl das
EWG-Türkei-Assoziationsrecht nach der Rechtsprechung des EuGH Vor-
rang gegenüber Rechtsakten des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts hat (vgl.
Soysal-Urteil des EuGH, Rn. 59), so dass bezüglich einer möglichst effek-
tiven Umsetzung und Beachtung des Assoziationsrechts nicht weniger gelten
kann als bezüglich der Umsetzung von EU-Richtlinien, die stets Gesetzesän-
derungen erfordert, soweit bestehende Normen der Richtlinie widersprechen
(bitte ausführlich begründen)?

7. Inwieweit hält die Bundesregierung vor dem Hintergrund der vorherigen Frage
an ihrer Auffassung fest, gesetzliche Klarstellungen zur Umsetzung des Ver-
schlechterungsverbots nach Artikel 13 ARB 1/80 seien nicht erforderlich, zu-
mal auch alle drei von den Regierungsfraktionen geladenen Sachverständigen
im Rahmen einer Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages
am 27. Juni 2011 erklärten (vgl. Anhörungsprotokoll der 45. Sitzung), dass
eine unmittelbare Anwendung von EU-Recht ohne klare gesetzliche Regelun-
gen im nationalen Recht schwierig bzw. erschwert sei (Prof. Dr. Daniel Thym
– S. 41 des Protokolls – hält es „nicht für die beste Regelung“, wenn „man
dann immer noch zusätzlich in die Richtlinie schauen muss, um zu verstehen,
was der deutsche Gesetzgeber regeln sollte“; Prof. Dr. Winfried Kluth – S. 5
seiner Stellungnahme 17(4)282 – erklärt, die bloße Bezugnahme auf eine
Richtlinie statt einer gesetzlichen Regelung sei eine „Umsetzungstechnik“,
„die nicht der Leitvorstellung transparenter Gesetzgebung entspricht“, zumal
damit „Bürokratiekosten“ verbunden seien, „da die zuständigen Mitarbeiter
… zwei Normen konsultieren müssen“; Dr. Hans-Eckhard Sommer vom
Bayerischen Staatsministerium des Innern – S. 23 – erklärte, dass es „für die
Ausländerbehörden … ungeheuer schwierig“ sei, „EU-Recht, auch wenn man
dazu Dienstanweisungen gibt, unmittelbar anzuwenden“ und plädierte des-
halb für eine möglichst schnelle gesetzliche Regelung; bitte in Auseinander-
setzung mit den Argumenten der Sachverständigen, die auf die Umsetzung
unmittelbar geltenden Assoziationsrechts übertragbar sind, antworten)?

8. Inwieweit hält die Bundesregierung an ihrer Behauptung fest, wonach nach
Ansicht des EuGH im Bereich des Familiennachzugs angeblich ein Ver-
schlechterungsverbot fehle (vgl. Bundestagsdrucksache 17/3393, Antwort zu
Frage 22) bzw. wonach der EuGH „die Begrenzung des sachlichen Schutz-
bereichs auf Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit … nicht aufge-
hoben“ habe (vgl. Bundestagsdrucksache 17/6712, Antwort zu Frage 5), vor
dem Hintergrund, dass der EuGH z. B. im Toprak-Urteil vom 9. Dezember
2010 den Einwand der niederländischen Regierung, die Standstill-Klausel
des Artikels 13 ARB 1/80 sei nicht anwendbar, weil die „umstrittene Rege-
lung nicht die Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt betreffe, son-
dern Rechte ausländischer Ehegatten in Bezug auf Familienzusammenfüh-
rung“, ausdrücklich zurückgewiesen hat (Rn. 37 ff. des Urteils), und zwar mit
dem Argument, dass auch Regelungen dem Verschlechterungsverbot unter-
fallen, die sich „nicht unmittelbar auf ausländische Arbeitnehmer“ beziehen,
sondern z. B. auf deren Ehegatten (Toprak-Urteil, Rn. 40 f.), und vor dem
Hintergrund, dass der EuGH zuvor in seinem Urteil C-92/07 vom 29. April
2010 klarstellte, dass Artikel 13 ARB 1/80 „der Einführung neuer Beschrän-
kungen der Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit … einschließlich sol-
chen entgegensteht, die die materiell- und/oder verfahrensrechtlichen Vor-

aussetzungen für die erstmalige Aufnahme türkischer Staatsangehöriger …
betreffen, die dort von dieser Freiheit Gebrauch machen wollen“ (vgl. dort

10. Inwieweit stützt sich die Bundesregierung bei der Frage der Vereinbarkeit
der Regelung der Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug mit dem
assoziationsrechtlichen Verschlechterungsverbot in Bezug auf türkische
Staatsangehörige (noch) auf das Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsge-
richts vom 30. März 2010, das die beiden entscheidenden, in der vorherigen
Frage benannten Urteile des EuGH aus zeitlichen Gründen noch gar nicht
berücksichtigen konnte und insofern veraltet ist (bitte ausführen und be-
gründen)?

11. Für wie wahrscheinlich hält es die Bundesregierung inzwischen – in Kennt-
nis der genannten Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deut-
schen Bundestages zu diesem Punkt (S. 11 f.) –, dass der EuGH aufgrund
des Vorlagebeschlusses des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg
eine Visumfreiheit für türkische Staatsangehörige auch im Rahmen der pas-
siven Dienstleistungsfreiheit konstatieren wird?

12. Wie und wann wurde der mutmaßliche Ausgang dieses Vorlage-Verfahrens
zur Visumfreiheit für türkische Staatsangehörige in den Gremien der EU be-
wertet und diskutiert, und wie ist gegebenenfalls die Einschätzung des Ju-
ristischen Dienstes des Rates für Inneres und Justiz der EU zu dieser Frage,
und welche etwaigen Aktivitäten sind geplant (bitte möglichst detailliert
antworten)?

13. Hält es die Bundesregierung angesichts des in absehbarer Zeit zu erwarten-
den bzw. jedenfalls möglichen Urteils des EuGH, wonach türkische Staats-
angehörige auch zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen visumfrei
nach Deutschland einreisen können, für zulässig, verhältnismäßig und ver-
antwortbar, weiterhin türkischen Staatsangehörigen, die zu touristischen
Zwecken nach Deutschland einreisen wollen, die Einreise zu verwehren, sie
strafrechtlich wegen vermeintlich illegaler Einreise zu verfolgen oder sie
Drucksache 17/6843 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Rn. 49 f.; bitte ausführlich begründen), das heißt, dass nach der Rechtspre-
chung des EuGH bereits der Wille, von der Arbeitnehmerfreizügigkeit Ge-
brauch zu machen, z. B. auch von Ehegatten assoziationsberechtigter türki-
scher Staatsangehöriger, die noch nicht in Deutschland leben, für die
Anwendung des Verschlechterungsverbots nach Artikel 13 ARB 1/80 aus-
reicht, während die Frage, ob es sich um Regelungen im Rahmen des Fami-
liennachzugs oder anderen Bereichen handelt, irrelevant ist (auch dies bitte
ausführlich begründen)?

9. Welche Bedeutung bemisst die Bundesregierung ihrer wiederholten Aus-
sage zu, der EuGH habe seine Aussage im Demirel-Urteil von 1987, das As-
soziationsrecht treffe „zum Bereich der Familienzusammenführung als sol-
chem keine Festlegungen“, „bis heute nicht revidiert“ (vgl. z. B. ihre
Vorbemerkung auf Bundestagsdrucksache 17/5884), nachdem der EuGH in
seinem Urteil C-186/10 vom 21. Juli 2011 (Rn. 28 f.) erneut die Wirkungs-
weise der Stillhalte-Klauseln im Assoziationsrecht erklärt hat, die nämlich
keine „materiell-rechtliche Vorschrift“ als solche schaffen (also auch nicht
z. B. im Bereich der Familienzusammenführung), sondern „eine gleichsam
verfahrensrechtliche Vorschrift“ darstellen, „die in zeitlicher Hinsicht fest-
legt, nach welchen Bestimmungen der Regelung eines Mitgliedstaats die
Situation eines türkischen Staatsangehörigen zu beurteilen ist“, und somit
„lediglich festgelegt“ wird, „anhand welcher Bestimmungen der Zuwan-
derungsregelung“ eines Mitgliedstaats „die nationalen Behörden über den
Antrag“ türkischer Staatsangehöriger auf Erteilung einer neuen Aufent-
haltserlaubnis „zu entscheiden haben, ohne der inhaltlichen Beurteilung
dieses Antrags in irgendeiner Weise vorzugreifen“ (bitte ausführlich be-
gründen)?
gar aufgrund eines fehlenden Visums in Gewahrsam zu nehmen und/oder
abzuschieben, vor dem Hintergrund, dass die Visumfreiheit bei einem ent-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/6843

sprechenden Urteil des EuGH auch rückwirkend gelten wird (bitte begrün-
den)?

14. Wird das Bundesministerium der Justiz (BMJ) die genannte Ausarbeitung
des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages den Justizbe-
hörden der Länder und/oder den Gerichten zur Kenntnis geben, damit diese
bei entsprechenden richterlichen Entscheidungen berücksichtigt werden
kann, und wenn nein, warum nicht?

15. Wird das BMJ die Justizbehörden der Länder und/oder die Gerichte darüber
in Kenntnis setzen, dass mit einem Urteil des EuGH zu rechnen ist bzw. dies
jedenfalls möglich erscheint, wonach türkische Staatsangehörige im Rah-
men der passiven Dienstleistungsfreiheit visumfrei nach Deutschland ein-
reisen dürfen bzw. schon immer durften, insbesondere um absehbar oder
möglicherweise rechtswidrige Ingewahrsam- und Zwangsmaßnahmen ge-
genüber diesen Personen vermeiden zu können, und wenn nein, warum
nicht?

16. Welche Schlüsse und Konsequenzen zieht das Auswärtige Amt (AA) aus der
genannten Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen
Bundestages in Bezug auf die Visumfreiheit für türkische Staatsangehörige,
und inwieweit hat das AA die Visa- und Konsularabteilungen darüber un-
terrichtet, dass in absehbarer Zeit mit einem Urteil des EuGH zur Frage der
Visumfreiheit für türkische Staatsangehörige zu touristischen bzw. Besuchs-
zwecken zu rechnen ist, infolge dessen die bisherige Praxis – auch rückwir-
kend – als rechtswidrig beurteilt werden könnte, und welche Konsequenzen
hat das AA hieraus gezogen?

17. Inwieweit sind die Auslandsvertretungen bzw. das AA mit Ersuchen türki-
scher Staatsangehöriger zur visumfreien Einreise im Rahmen der passiven
Dienstleistungsfreiheit befasst, wie ist der Stand der Rechtsprechung zu
dieser Frage, und wie ist der Stand der diesbezüglich anhängigen Schaden-
ersatz-Prozesse?

18. Wie ist der Hinweis der Bundesregierung auf die Geschäftsordnung der
Bundesministerien als Antwort zu Frage 25 auf Bundestagsdrucksache 17/
5884 nach einer etwaig abweichenden Rechtsauffassung des BMJ gegen-
über dem Bundesministerium des Innern genau zu verstehen (bitte aus-
führen), und ist die Schlussfolgerung zutreffend, dass offenkundig ab-
weichende Rechtsauffassungen zwischen beiden Bundesministerien zum
Anwendungsbereich und Inhalt der Verschlechterungsverbote bestehen,
und wenn ja, in welchen Punkten gibt es unterschiedliche Auffassungen?

19. Wie ist die Position der Beauftragten der Bundesregierung für Migration,
Flüchtlinge und Integration zum Anwendungsbereich und Inhalt der asso-
ziationsrechtlichen Verschlechterungsverbote in Kenntnis der genannten
Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages,
aber natürlich auch der ihr zugrunde liegenden Rechtsprechung des EuGH,
und welche diesbezüglichen Initiativen unternimmt sie gegebenenfalls?

Berlin, den 23. August 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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