BT-Drucksache 17/6798

Wirtschaftlichkeitsprüfungen in der vertragsärztlichen Versorgung nach § 106 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch

Vom 16. August 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6798
17. Wahlperiode 16. 08. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgitt Bender, Dr. Harald Terpe, Maria Klein-Schmeink,
Elisabeth Scharfenberg, Katja Dörner, Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann,
Markus Kurth, Beate Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Wirtschaftlichkeitsprüfungen in der vertragsärztlichen Versorgung nach
§ 106 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch

Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Regresse werden bei künftigen Ärztinnen und
Ärzten laut einer Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV)
unter 12 000 Medizinstudierenden als eines der größten Investitionshemmnisse
für die Niederlassung als Vertragsarzt/Vertragsärztin empfunden. Eine weitere
Umfrage der KBV belegt jedoch auch, dass im Schnitt weniger als 1 Prozent der
Ärztinnen und Ärzte von Regressen betroffen sind. Bei 2,7 Prozent der nieder-
gelassenen Ärztinnen und Ärzte wurde im Jahr 2007 ein Richtgrößenverfahren
eingeleitet. Diese Diskrepanz zwischen der wahrgenommenen Existenzbedro-
hung und den tatsächlichen Regressen verhindert eine objektive Diskussion der
Problematik und trägt zur Verzerrung des Gesamtbildes bei.

Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind dem Wirtschaftlichkeitsgebot ver-
pflichtet. Arzneimittel, Heil- und Hilfsmittel dürfen nur in einem bestimmten
Umfang verordnet werden. Zur Sicherstellung einer wirtschaftlichen vertrags-
ärztlichen Versorgung vereinbaren die Landesverbände der Krankenkassen und
die Kassenärztlichen Vereinigungen fachgruppenspezifische fallbezogene
Richtgrößen. Gleichzeitig sind die Krankenkassen und Kassenärztlichen Verei-
nigungen (KV) dazu verpflichtet, die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen
Versorgung durch Beratungen und Prüfungen zu überwachen. Die Wirtschaft-
lichkeit der Versorgung wird geprüft durch die arztbezogene Prüfung ärztlich
verordneter Leistungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina nach § 84
des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – SGB V – (Auffälligkeitsprüfung) sowie
durch die arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen
auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben,
die mindestens 2 Prozent der Ärztinnen und Ärzte je Quartal umfassen (Zufäl-
ligkeitsprüfung).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. a) Trifft es zu, wie die Umfrage der KBV nahelegt, dass anders als dies etwa
künftige Ärztinnen und Ärzte vermuten, nur ein geringer Anteil der nie-
dergelassenen Ärztinnen und Ärzte von Regressen betroffen ist?

Wenn ja, worauf führt die Bundesregierung die Diskrepanz zwischen tat-
sächlicher und empfundener Betroffenheit zurück?

Drucksache 17/6798 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

b) Wenn es zutrifft, auf welche Weise will die Bundesregierung in der nieder-
gelassenen Ärzteschaft sowie bei angehenden Ärztinnen und Ärzten auf
eine bessere Information über den tatsächlichen Umfang von Regressen
hinwirken?

c) Welche Maßnahmen der KV und der KBV sind der Bundesregierung be-
kannt, in der niedergelassenen Ärzteschaft Transparenz über den tatsäch-
lichen Umfang von Regressen herzustellen?

d) Wie häufig werden inzwischen Softwareprogramme eingesetzt, die zeit-
nah eine Einschätzung erlauben, ob das Verordnungsverhalten der Praxis
zu einer Überschreitung der Richtgrößenvolumina führt?

2. Liegen der Bundesregierung konkrete Erkenntnisse darüber vor, wie viele
Auffälligkeitsprüfungen nach § 106 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 SGB V seit
der Einführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung pro Jahr und Bundesland
durchgeführt worden sind?

Falls ja, welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus?

3. a) Liegen der Bundesregierung konkrete Erkenntnisse darüber vor, wie viele
Zufälligkeitsprüfungen nach § 106 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 SGB V seit
der Einführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung pro Jahr und KV durchge-
führt worden sind?

Falls ja, welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus?

b) Wie groß ist der Anteil der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, deren
Verordnungen pro Quartal einer Zufälligkeitsüberprüfung unterzogen
werden (bitte pro KV und Arztgruppe aufschlüsseln)?

4. a) Wie hat sich die Zahl der Prüfverfahren seit der Einführung der Wirt-
schaftlichkeitsprüfung entwickelt?

b) Wie hat sich die Zahl der gezielten Beratungen nach § 106 SGB V ent-
wickelt?

c) Wie hoch war bisher der Anteil von gezielten Beratungen aufgrund einer
Überschreitung der maximale Verordnungsmenge

– bei Erst- und Folgeverordnungen von Heilmitteln,

– von Hilfsmitteln, die über den Standard nach dem Hilfsmittelverzeich-
nis hinausgehen,

– bei Arzneimitteln?

d) In wie vielen Fällen erfolgten nach der Stellungnahme der Ärztinnen und
Ärzte keine weiteren Maßnahmen, und aus welchen Gründen?

e) In wie vielen Fällen wurde ein Regressverfahren eingeleitet?

f) Wie viele Regresse wurden ausgelöst infolge der Überschreitung der maxi-
malen Verordnungsmenge bei

– Erst- und Folgeverordnungen von Heilmitteln,

– Hilfsmitteln, die über den Standard nach dem Hilfsmittelverzeichnis
hinausgehen,

– bei Arzneimitteln?

g) Wie viele Ärztinnen und Ärzte erhielten einen Regressbescheid, und in
welcher Höhe (bitte Spannbreite angeben)?

h) Welchen Anteil haben die jeweiligen Arztgruppen bei den Regressbe-
scheiden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6798

i) Welche Aussagen können zu Häufungen von Regressen getroffen werden,
beispielsweise ob diese eher in städtischen oder ländlichen Regionen vor-
kommen?

j) Wie hoch ist der Anteil von verordnenden Ärztinnen und Ärzten, die Pra-
xisbesonderheiten geltend machen?

k) Wie häufig werden Praxisbesonderheiten, die zu einem Vorwegabzug von
Verordnungskosten führen, erst im Nachhinein im Rahmen eines Prüfver-
fahrens geltend gemacht?

5. Welchen jeweiligen Anteil bei den Regressen infolge von Wirtschaftlich-
keitsprüfungen nach § 106 Absatz 2 Nummer 2 SGB V haben die in § 106
Absatz 2a SGB V genannten Maßstäbe?

6. a) Werden die von den Prüfungsstellen und Beschwerdeausschüssen nach
§ 106 Absatz 7 SGB V einmal jährlich zu erstellenden und der jeweiligen
Aufsichtsbehörde vorzulegenden Übersichten über die Zahl der durchge-
führten Beratungen und Prüfungen sowie die von ihnen festgesetzten
Maßnahmen veröffentlicht?

Falls ja, wo werden sie veröffentlicht?

b) Falls nein, warum werden diese Übersichten nicht veröffentlicht?

c) Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Veröffent-
lichung dieser Daten (unter Berücksichtigung des Datenschutzes) geeig-
net wäre, mögliche Ängste in der niedergelassenen Ärzteschaft oder bei
künftigen Ärztinnen und Ärzten auszuräumen?

7. Welchen Einfluss haben die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf
die Arznei- und Heilmittelvereinbarungen?

8. Sind der Bundesregierung Forschungsvorhaben bekannt, die das Ziel haben,
Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Regresse auszuwerten?

Falls ja, wie interpretiert die Bundesregierung die Ergebnisse?

Falls nein, will die Bundesregierung entsprechende Forschungsvorhaben för-
dern?

Berlin, den 15. August 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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