BT-Drucksache 17/676

Kulturtourismus in Deutschland stärken

Vom 10. Februar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/676
17. Wahlperiode 10. 02. 2010

Antrag
derAbgeordnetenChristophPoland,Rita Pawelski,WolfgangBörnsen (Bönstrup),
Peter Altmaier, Dorothee Bär, Klaus Brähmig, Helmut Brandt, Heike Brehmer,
Gitta Connemann, Ingrid Fischbach, Michael Frieser, Dr. Michael Fuchs, Ingo
Gädechens, Dr. Peter Gauweiler, Reinhard Grindel, Monika Grütters, Ansgar
Heveling, Ernst Hinsken, Christian Hirte, Jürgen Klimke, Michael Kretschmer,
Dr. Günter Krings, Ingbert Liebing, Hans-Georg von der Marwitz, Maria Michalk,
MarleneMortler, StefanMüller (Erlangen),BeatrixPhilipp,AnitaSchäfer (Saalstadt),
Johannes Selle, Carola Stauche, Erika Steinbach, Thomas Strobl (Heilbronn),
Antje Tillmann, MarcoWanderwitz, Dagmar Wöhrl, Volker Kauder, Dr. Hans-Peter
Friedrich (Hof) und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Helga Daub, Reiner Deutschmann, Patrick Meinhardt,
Jens Ackermann, Florian Bernschneider, Sebastian Blumenthal, Nicole
Bracht-Bendt, Sylvia Canel, Heinz Golombeck, Miriam Gruß, Heiner Kamp, Patrick
Kurth (Kyffhäuser), Sibylle Laurischk, Lars Lindemann, Horst Meierhofer,
Burkhardt Müller-Sönksen, Dr. Martin Neumann (Lausitz), Dr. Peter Röhlinger,
Jimmy Schulz, Dr. Claudia Winterstein, Birgit Homburger und der Fraktion der FDP

Kulturtourismus in Deutschland stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit seinem reichen, einzigartigen kulturellen Erbe und seiner Vielzahl kulturel-
ler Angebote ist Deutschland ein beliebtes Reiseziel für Kulturtouristen aus aller
Welt. In den letzten Jahren ist Deutschland zum zweitbeliebtesten Kulturreise-
land in Europa nach Frankreich aufgestiegen. Dabei haben die Kulturreisen
nach Deutschland um rund 30 Prozent zugenommen. Außerdem werden von
den Deutschen pro Jahr etwa 80 Millionen Kulturausflüge unternommen. Ziel
der Besucher sind unter anderem die 33 UNESCO-Welterbestätten, 1 100 histo-
rische Stadt- und Ortskerne mit besonderer Denkmalbedeutung, zahlreiche
Kunstschätze und einzigartige Bauwerke, 6 000 Museen, 130 Berufsorchester,
180 thematische Straßen, Kulturwege und historische Routen, 360 öffentliche
und private Bühnen sowie 12 000 Kultur- und Volksfeste. Daneben sind auch
die Kirchen ein bedeutender Bestandteil des kulturellen Lebens in Deutschland:
Besonders mit Konzerten und Ausstellungen sprechen sie kulturinteressierte
Besucher an.

Weltweit hat Deutschland einen herausragenden kulturellen Ruf: In 34 reprä-
sentativ befragten Nationen des Anholt-GMI-Nation-Brands-Index 2006 sehen
62 Prozent der Befragten Deutschland als Land mit großem kulturellen Erbe.
Dass Deutschland ein reiches architektonisches Erbe hat, bestätigen weltweit
63,3 Prozent. Gut die Hälfte aller Befragten sieht Deutschland als Ort mit auf-

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regender zeitgenössischer Kunst. Im „Travel & Tourism Competitiveness
Index“ nimmt Deutschland bezogen auf das Thema Kultur und Natur sogar
Platz eins ein. Für 87 Prozent aller ausländischen Urlaubsgäste zählt der Be-
such von Sehenswürdigkeiten zu den wichtigsten Aktivitäten in Deutschland,
70 Prozent besuchen Museen und Ausstellungen. Auch unter den inländischen
Gästen ist das Interesse mit 70 Prozent bei Sehenswürdigkeiten und 52 Prozent
bei Museen und Ausstellungen sehr hoch. Die Deutsche Zentrale für Tourismus
(DZT) hat maßgeblich zu dem guten kulturellen Ruf beigetragen.

Der Kultur- und Städtetourismus ist einer der sich am stärksten entwickelnden
Bereiche im Deutschlandtourismus und hat als Wirtschaftszweig einen hohen
Stellenwert: Der jährliche Bruttoumsatz, der durch Städte- und Kulturtourismus
in Deutschland erwirtschaftet wird, liegt bei 82 Mrd. Euro, und 1,56 Millionen
Menschen bestreiten ihr Einkommen in diesem Bereich. Nach aktuellen Infor-
mationen erweist sich der Städtetourismus als Teil des Segmentes Städte- und
Kulturtourismus auch vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise als vergleichs-
weise stabil. Außerdem können strukturschwache Gebiete durch den Kultur-
tourismus ihre Attraktivität steigern, ihr Profil schärfen und ihre Vermarktungs-
fähigkeit erhöhen. In ländlichen Regionen mit schrumpfenden Bevölkerungs-
zahlen bietet er zudem Erwerbschancen und kann auch ein wichtiger Grund für
die Aufrechterhaltung der öffentlichen Infrastruktur sein.

Kultur und Tourismus haben sich in den letzten Jahren zunehmend angenähert
und erfolgreiche Ansätze für gemeinsames Handeln gefunden. Beide Bereiche
stehen vielerorts in enger Wechselwirkung. Auf der einen Seite führt ein florie-
render Tourismus zu einer Steigerung der Besucherzahlen bei den Kulturein-
richtungen und damit zu einer höheren Eigeneinnahmequote. Der Tourismus ist
damit auch ein wichtiger Faktor für die privatwirtschaftlich orientierte Kultur-
und Kreativwirtschaft, die die Bundesregierung im Rahmen der Initiative „Kul-
tur- und Kreativwirtschaft“ fördert. Auf der anderen Seite ist Kultur ein Allein-
stellungsmerkmal, auf das die Tourismusbranche im weltweiten Wettbewerb
um Kunden angewiesen ist.

Welchen Erfolg die Zusammenarbeit und Vernetzung von Kultur und Touris-
mus bringen kann, zeigt das Beispiel des UNESCO-Welterbestätten Deutsch-
land e. V. In diesem Verein sind alle 33 deutschen Welterbestätten und die
jeweiligen touristischen Organisationen zusammengeschlossen. Denkmalschüt-
zer und Touristiker wirken zusammen. Daneben gibt es zahlreiche weitere kul-
turtouristische Erfolgsgeschichten wie die Thüringer Bachwochen, die Docu-
menta in Kassel, die MoMA-Ausstellung in Berlin, die „Straße der Romanik“
in Sachsen-Anhalt oder die Festspiele in Mecklenburg-Vorpommern, die
Dresdner Musikfestspiele und das Netzwerk „Garten Eden“ in Ostfriesland.

Mit der europäischen Kulturhauptstadt RUHR.2010 hat für den Kultur- und den
Tourismusbereich in Deutschland ein herausragendes kulturtouristisches Ereig-
nis von internationaler Bedeutung begonnen. Ein weiterer bedeutender inter-
nationaler kulturtouristischer Höhepunkt in Deutschland ist das Reformations-
jubiläum 2017 mit der im Jahre 2008 begonnenen Luther-Dekade.

Auf der Grundlage von Kulturabkommen und anderen Regierungsvereinbarun-
gen führt Deutschland regelmäßig bilaterale Kulturkooperationen mit verschie-
denen Staaten über den Zeitraum eines Jahres oder in Form von Deutschland-
wochen durch. Mithilfe dieser Veranstaltungen werden neue Kooperations-
projekte angestoßen, die kulturellen Besonderheiten sowohl der deutschen Ge-
sellschaft als auch der Gesellschaft des jeweiligen Partnerlandes im Dialog
miteinander vermittelt und im Ergebnis Vertrauen, Verständigung und Verständ-
nis zwischen den Ländern aufgebaut. Diese Formen der Kulturkooperation sind
zugleich kulturtouristisch von großer Bedeutung, führen sie doch zu vielen Rei-
sen, Besuchen und Begegnungen.

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Trotz der positiven Beispiele und offensichtlichen Vorteile sind beim Zusam-
menwirken von Kultur und Tourismus noch nicht alle Potenziale gewinnbrin-
gend genutzt. Oftmals sind Berührungsängste und Vorurteile festzustellen, die
auf den unterschiedlichen Bedürfnissen und Abhängigkeiten beider Seiten be-
ruhen. So ist die Tourismusbranche auf die Vermarktungsfähigkeit der Kultur-
Produkte angewiesen – eine solche Kundenorientierung ist auf der Kulturseite
aber nicht immer gegeben. Als Vermarktungshemmnisse werden von den Tou-
ristikern vor allem die Kurzfristigkeit von Programmplanungen, Probleme bei
der Bereitstellung von festen Kontingenten, die mangelnde Bereitschaft bzw.
Möglichkeit für Provisionszahlungen an Reiseveranstalter oder auch das Feh-
len mehrsprachiger Besucherinformationen erkannt.

Die Kulturakteure machen dagegen deutlich, dass Kultur- und Kunstangebote
als ein öffentliches Gut über ihre Bedeutung für den Tourismus hinaus auch
einen Wert an sich haben. So erfüllen kulturelle Angebote wie Kulturdenk-
mäler und Kultureinrichtungen neben der Präsentation von Kunst und Kultur
auch gesellschaftliche und wissenschaftliche Aufgaben. Wenn die Kulturein-
richtungen auf lange Sicht ihren Stellenwert im kulturellen und wissenschaft-
lichen Leben erhalten sollen, dürfen diese Aufgaben nicht zu Gunsten des Tou-
rismus vernachlässigt werden. Um für diese unterschiedlichen Interessenlagen
auf beiden Seiten Verständnis zu schaffen und Lösungen für gemeinsames,
vernetztes Handeln zu finden, ist ein intensiver Dialog auf Augenhöhe notwen-
dig – Kultur und Tourismus müssen sich noch mehr als bisher als Partner ver-
stehen.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt,

1. dass die Bundesregierung auf Grundlage der Initiative der Fraktionen CDU/
CSU, FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Ausschuss für Kultur
und Medien zum Thema „Kulturwirtschaft als Motor für Wachstum und
Beschäftigung“ (Bundestagsdrucksache 16/6742) und der Empfehlungen
der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ (Bundestagsdrucksache
16/7000) die „Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft“ gestartet hat, mit der
Kultur und Kreativität als bedeutende Wirtschafts- und Standortfaktoren an-
erkannt und in ihrer Entwicklung unterstützt werden. Er begrüßt zudem, dass
die Bundesregierung im Rahmen der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft
im November 2009 das „Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft
des Bundes“ in Eschborn eingerichtet hat und weitere acht regionale Kontakt-
und Anlaufstellen folgen werden. Eine florierende Kultur- und Kreativwirt-
schaft ermöglicht einen starken Kulturtourismus – und von einem starken
Kulturtourismus profitiert die Kultur- und Kreativwirtschaft;

2. dass die Bundesregierung Kultureinrichtungen von nationaler Bedeutung för-
dert, sich an der Restaurierung und Instandsetzung von Bau- und Kulturdenk-
mälern beteiligt, die Bewahrung des baukulturellen Erbes in historischen
Stadt- und Ortskernen fördert und die Bewahrung und Erneuerung kultureller
„Leuchttürme“ unterstützt. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang
die Förderung der Hauptstadtkultur sowie der Kultur in den neuen Bundeslän-
dern. Bedeutend für den Kulturtourismus ist zudem die Unterstützung der
„Konferenz Nationaler Kultureinrichtungen“ (KNK) durch die Bundesregie-
rung, zu der sich 23 international bedeutende und für Kulturtouristen interes-
sante Museen, Sammlungen und Archive aus den neuen Bundesländern mit
dem Ziel zusammengeschlossen haben, gemeinsam kulturelles Erbe zu erhal-
ten und die Bedeutung ihrer historischen Orte und Sammlungen nachhaltig im
Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern. Darüber hinaus stellte der Bund
40 Mio. Euro für das Denkmalschutz-Sonderprogramm zur Restaurierung
und Instandsetzung von nationalen Kulturdenkmälern sowie 2009 insgesamt
26,35 Mio. Euro zuzüglich 1 Mio. Euro Sondermittel für die Auslandsver-

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marktung durch die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) zur Verfügung.
Mit diesen Mitteln konnte die DZT ihre bisher schon sehr erfolgreiche Wer-
bung u. a. um Kulturtouristen im Ausland weiterentwickeln und das Kultur-
image Deutschlands in der Welt stärken;

3. dass die Bundesregierung für den Erhalt und die Sanierung der deutschen
UNESCO-Welterbestätten bereits 150 Mio. Euro zur Verfügung gestellt hat
und eine Fortsetzung der Förderung plant. Ferner begrüßt er die institutionelle
Förderung von Welterbestätten im Rahmen des Leuchtturm-Programms in
den neuen Ländern.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. Gespräche mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden aufzu-
nehmen, mit dem Ziel, sich auf ein gemeinsames Kulturtourismuskonzept zu
verständigen, welches die kommunale Selbstverwaltung und die Länderinte-
ressen wahrt. Im Rahmen dieses Konzeptes ist die Vermarktung von Kultur-
angeboten in den Städten und ländlichen Regionen in gleichem Maße zu be-
rücksichtigen;

2. die von der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ empfohlene Aus-
lobung eines regelmäßigen Wettbewerbs „Kulturregion Deutschland“ zu prü-
fen. Damit soll das besondere Engagement von Städten und Regionen für ein
vielfältiges kulturelles Angebot gewürdigt und ein weiteres Engagement ge-
fördert werden;

3. den Dialog zwischen den im Rahmen der Initiative „Kultur- und Kreativwirt-
schaft“ betrachteten Branchen, öffentlichen und intermediären Kulturanbie-
tern und der Tourismusbranche zu fördern sowie Kulturanbieter in Vermark-
tungsfragen zu sensibilisieren;

4. gemeinsam mit Ländern und Kommunen die Bildung von Kulturclustern zu
fördern, in denen die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft ihre Ressour-
cen bündeln und so ihre Attraktivität für den Kulturtourismus steigern kön-
nen;

5. die von der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ empfohlene
Schaffung einer Plattform für strategisches kulturtouristisches Marketing von
Bund und Ländern unter Einbeziehung der Dachverbände aus Kunst, Kultur
und Tourismus zu prüfen. Die Akteure aus Kunst, Kultur und Tourismus soll-
ten auf freiwilliger Basis Maßnahmen zur Stärkung des Kulturtourismus ver-
abschieden und dabei touristische wie kulturelle Belange berücksichtigen;

6. das Reformationsjubiläum 2017, die bereits begonnene Luther-Dekade 2008
bis 2017 und die derzeitige europäische Kulturhauptstadt RUHR.2010 weiter-
hin als herausragende Ereignisse des Kultur- und Tourismusstandortes
Deutschland zu vermarkten;

7. das baukulturelle Erbe durch das UNESCO-Welterbeprogramm sowie das
Bund-Länder-Programm Städtebaulicher Denkmalschutz zu nutzen, um die
gewachsenen Identitäten von historischen Städten und Kulturlandschaften zu
bewahren, zu entwickeln und in der öffentlichen Wahrnehmung zu stärken.
Die baukulturellen Leistungen von Denkmalpflege, Architektur und Städte-
bau, Freiraumgestaltung und Ingenieurbaukunst sind für den Städtetourismus
aktiv zu erschließen;

8. bei der Förderung und Vermarktung von kulturtouristischen Angeboten auf
den Aspekt der Barrierefreiheit hinzuwirken;

9. die Medien und insbesondere die Deutsche Welle für die Bedeutung des Kul-
turtourismus für Deutschland stärker zu sensibilisieren;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/676

10. die Vermarktung kulturtouristischer Angebote insbesondere durch die Deut-
sche Zentrale für Tourismus (DZT), deutsche Kulturinstitute und deutsche
diplomatische Vertretungen im Ausland noch intensiver zu unterstützen;

11. sich dafür einzusetzen, dass Tourismusanbietern über Aus- und Weiterbil-
dungsangebote noch mehr Informationsmöglichkeiten zur Vermarktung kul-
turtouristischer Angebote bereitgestellt werden;

12. regelmäßig Deutschlandwochen und Deutschlandjahre, deren Schwerpunkt
in der kulturellen Komponente liegt, im Ausland durchzuführen, um auch
für die Kulturdestinationen Deutschlands zu werben;

13. die vorgenannten Maßnahmen im Hinblick auf die aktuelle Haushaltslage
ohne zusätzliche Belastungen des Bundeshaushaltes zu planen und durchzu-
führen.

Berlin, den 10. Februar 2010

Volker Kauder, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) und Fraktion
Birgit Homburger und Fraktion

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