BT-Drucksache 17/6596

Stand der Umsetzung des Koalitionsvertrags im Bereich Wirtschaft und Technologie

Vom 13. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6596
17. Wahlperiode 13. 07. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Garrelt Duin, Doris Barnett, Klaus Barthel, Klaus Brandner,
Martin Dörmann, Ingo Egloff, Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Hubertus Heil (Peine),
Rolf Hempelmann, Ute Kumpf, Manfred Nink, Thomas Oppermann,
Wolfgang Tiefensee, Andrea Wicklein, Dr. Frank-Walter Steinmeier
und der Fraktion der SPD

Stand der Umsetzung des Koalitionsvertrags im Bereich Wirtschaft
und Technologie

„WACHSTUM, BILDUNG, ZUSAMMENHALT“ – diese Ziele haben CDU,
CSU und FDP in ihrem Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode festge-
legt. Die Bundesregierung wollte mit ihrem Koalitionsvertrag „Mut zur Zu-
kunft der Verzagtheit entgegenstellen“ und „unserem Land eine neue Richtung
geben“. Daraus ist nicht viel geworden. Es regiert Verzagtheit und eine über-
zeugende neue Ausrichtung der Politik ist nicht zu erkennen.

Nach rund der Hälfte der Legislaturperiode ist es an der Zeit, eine Zwischen-
bilanz der Arbeit der schwarz-gelben Bundesregierung in der Wirtschaftspolitik
zu ziehen: Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen,
um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken? Was plant die Bundes-
regierung, um die Zukunftsfragen der Wirtschaft unseres Landes zu beantwor-
ten? Wie sieht eine Wirtschaftspolitik aus, in der als Konsequenz aus der
Finanzkrise Investitionen Vorrang vor Spekulationen haben sollten? Wie kön-
nen die industrielle Basis erneuert und neue Potenziale für Dienstleistungen er-
schlossen werden?

Antworten bleibt diese Bundesregierung jedoch weitestgehend schuldig: Der
Bundesregierung fehlt – trotz Wirtschaftsaufschwungs – ein klares Konzept für
die Wirtschaftspolitik. Denn die grundlegenden Zukunftsfragen unserer Volks-
wirtschaft sind schon im Koalitionsvertrag ausgeklammert worden. Darüber
hinaus sind an entscheidenden Stellen des Koalitionsvertrags im Bereich Wirt-
schaft und Technologie Festlegungen nicht erfolgt, notwendige Entscheidungen
wurden vertagt und lediglich Prüfaufträge erteilt. Stattdessen eine Politik der
Kehrtwenden – zuletzt in der Energiepolitik im Wege der Bereinigung von
Irrtümern aus dem „Herbst der Entscheidungen“ des vergangenen Jahres mit
einer Rückkehr zu den rot-grünen Beschlüssen aus dem Jahr 2000.

Die Koalitionäre wollten unser Land „aus der Krise heraus zu einem neuen

Aufbruch in das neue Jahrzehnt führen“ und „dass Deutschland mit wirtschaft-
licher Leistungskraft und in sozialer Verantwortung wieder international an der
Spitze steht“. Ergebnis ist, dass Deutschland in Europa deutlich an Ansehen
verloren hat und dass die Bürger eine Problemlösungskompetenz im Regie-
rungslager nicht mehr erkennen.

Drucksache 17/6596 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Bundesregierung hat bisher nur wenige konkrete Maßnahmen aus dem
Koalitionsvertrag umgesetzt. Dies wird den vielfältigen wirtschaftspolitischen
Herausforderungen nicht gerecht. Mit Blick auf die nächste Bundestagswahl
verbleiben dafür nicht einmal mehr zwei Jahre. Die Tatenlosigkeit von heute
begründet die wirtschaftlichen Risiken von morgen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was gedenkt die Bundesregierung angesichts des Rückstandes bei den öf-
fentlichen Investitionen im europäischen Vergleich – die Investitionstätig-
keit ist in keinem Mitgliedstaat bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt so
gering wie in Deutschland – zu tun, zumal nach dem Wortlaut des Koaliti-
onsvertrags „die Investitionsbereitschaft der Unternehmen jetzt nicht durch
[…] Kürzungen bei öffentlichen und privaten Investitionen gefährdet wer-
den“ dürfen?

2. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung eine steuerliche For-
schungsförderung additiv zur Projektförderung bisher nicht eingeführt, und
wann in der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages wird sie dieses
Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umsetzen?

3. Wie will die Bundesregierung ihr Ziel, 15 Prozent aller öffentlichen Inves-
titionen über Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) abzuwickeln, errei-
chen?

4. Plant die Bundesregierung, das in der 16. Legislaturperiode nicht vollstän-
dig abgeschlossene Gesetzgebungsverfahren über das zweite ÖPP-Gesetz
wieder aufzunehmen und zum Abschluss zu bringen, und wenn ja, bis
wann wird sie dies tun, und wenn nein, warum nicht?

5. Welche konkreten gesetzlichen Maßnahmen hat die Bundesregierung er-
griffen, um die Möglichkeiten der Mitarbeiterkapitalbeteiligung zu erwei-
tern?

6. Hat die Bundesregierung ein so genanntes Frühwarnsystem mit einer Ge-
setzesfolgenabschätzung für europäische Regelungen implementiert, und
wenn nein, warum nicht, und wird sie dies nachholen?

7. Konnte die Bundesregierung die Einsetzung eines unabhängigen Rates für
Bürokratieabbau bei der EU-Kommission mit den Vorgaben des Normen-
kontrollrates durchsetzen, und wenn nein, warum nicht?

8. Inwieweit hat die Bundesregierung bei den Verhandlungen zu neuen Rege-
lungsvorhaben der EU plausible Folgekostenschätzungen durchgesetzt,
und wenn nein, warum nicht?

9. Welche Genehmigungsverfahren, die bundesgesetzlich geregelt sind,
konnte die Bundesregierung beschleunigen, und mit welchem Ergebnis hat
die Bundesregierung die Prüfung abgeschlossen, wo Initiativen ergriffen
werden können, um Genehmigungsverfahren zu verkürzen.

10. In welchen Bereichen konnte die Bundesregierung dabei dem so genannten
Anzeigeverfahren – wie vorgegeben – ein größeres Gewicht einräumen?

11. Welche Genehmigungsverfahren konnten in Abstimmung mit den Ländern
gestrafft werden, und wo konnten Umfang und Breite der gerichtlichen
Überprüfungskompetenz untersucht und auf das notwendige rechtliche
Maß zurückgeführt werden?

12. Hat die Bundesregierung wie angekündigt das bestehende Vergaberecht da-
hingehend reformiert, dass ein neues leistungsfähiges, transparentes, mit-

telstandsgerechtes und unbürokratisches Vergaberecht geschaffen wurde,
und wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6596

13. Inwieweit hat die Bundesregierung zur Erleichterung des Zugangs zu den
Beschaffungsmärkten und zur Stärkung eines offenen und fairen Wett-
bewerbs um öffentliche Aufträge das bestehende Vergaberecht geändert,
und wenn nein, warum nicht?

14. Hat die Bundesregierung die Verfahren und die Festlegung der Vergabe-
regeln vereinfacht und transparenter gestaltet, und wenn ja, durch welche
Maßnahmen, und wenn nein, warum nicht?

15. Hat die Bundesregierung zur Reform des Vergaberechts einen Gesetzent-
wurf – wie angekündigt bis Ende 2010 – vorgelegt, und wenn nein, warum
nicht?

16. Mit welchem Ergebnis hat die Bundesregierung das Bauforderungssiche-
rungsgesetz hinsichtlich der Zielerreichung umfänglich überprüft, und wie
gedenkt sie das Gesetz anzupassen?

17. Hat die Bundesregierung das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
novelliert, und wenn nein, warum nicht?

18. Wird die Bundesregierung in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung
ein Entflechtungsinstrument mit aufnehmen, und wenn nein, warum nicht?

19. Wie hat sich die Bundesregierung zur Sicherung freier und fairer Märkte
für ein unabhängiges europäisches Kartellamt eingesetzt, und mit welchem
Ergebnis?

20. Mit welchem Ergebnis hat die Bundesregierung die Beteiligungen der
öffentlichen Hand generell überprüft, und welche Konsequenzen zieht sie
daraus?

21. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung für eine mittel-
standsfreundliche Überarbeitung der internationalen Rechnungslegungs-
vorschriften ergriffen?

22. Welche neuen Elemente hat die Bundesregierung bei der Gründerkam-
pagne seit ihrer Regierungsübernahme geschaffen, und wie hat sie die
Nachfolgeproblematik bei der Betriebsübernahme berücksichtigt?

23. Durch welche Initiativen hat die Bundesregierung dafür gesorgt, dass der
Mittelstand auf ein ausreichendes Angebot an eigenkapitalnahem Mezza-
ninkapital zurückgreifen kann?

24. Hat die Bundesregierung einen Hightechgründerfonds II als Öffentlich Pri-
vate Partnerschaft aufgelegt, und wenn nein, warum nicht?

25. Wie hat die Bundesregierung privates Kapital für deutsche Venture Capital
Fonds mobilisiert?

26. Wird die Bundesregierung Kürzungen beim Gründungszuschuss für
Arbeitslose vornehmen, und wenn ja, wann und in welchem Umfang?

27. Mit welchen konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung bessere Rah-
menbedingungen für Chancen- und Beteiligungskapital geschaffen?

28. Hat die Bundesregierung – um Gründern nach einem Fehlstart eine zweite
Chance zu eröffnen – die Zeit der Restschuldbefreiung verkürzt?

29. Inwieweit hat die Bundesregierung die Pfändungsfreigrenzen für die
Altersvorsorge Selbständiger regelmäßig angepasst?

30. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die
Energieeffizienz, insbesondere in Privathaushalten, in der Energieerzeu-
gung, in der Industrie und im Gewerbe, zu erhöhen?
31. Hat die Bundesregierung Maßnahmen für eine Energieinitiative Mittel-
stand (Investitionsanreize durch Änderungen im Mietrecht und im Energie-

Drucksache 17/6596 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

contracting, Fortsetzung der Programme zur Energieberatung, kostenneu-
trale Vereinfachung der Fördermodelle in der Gebäudesanierung) beschlos-
sen, und wenn nein, warum nicht?

32. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um An-
reize zu schaffen, ein Energieeinsparcontracting für Haushalte und Unter-
nehmen auf den Weg zu bringen?

33. Hat die Bundesregierung konkrete Maßnahmen zum Ausbau der Kraft-
Wärme-Kopplung (KWK) im Rahmen ihrer Energiepolitik ergriffen?

34. Welche Maßnahmen und in welcher zeitlichen Schiene wird die Bundes-
regierung ergreifen, um einen weiteren Ausbau der KWK zu ermöglichen?

35. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die deutschen
Übertragungsnetze in einer unabhängigen und kapitalmarktfähigen Netz-
gesellschaft zusammenzuführen?

36. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die
nachhaltige Sicherung und den weiteren Ausbau der eigenständigen natio-
nalen Fähigkeiten auch im Bereich der Luftfahrtindustrie – insbesondere
zukünftiger unbemannter Luftfahrtsysteme – voranzutreiben?

37. Welche konkreten zukunftsweisenden Raumfahrtmissionen sind geplant,
bei denen Deutschland eine klare Führungsrolle hat?

38. Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen – Deutschland ist in
wichtigen internationalen Spitzenfunktionen der Raumfahrt nicht mehr
personell vertreten –, um Deutschlands Position insoweit zu stärken?

39. Konnte die Bundesregierung einen zügigen Fortgang bei der Doha Welt-
handelsrunde erreichen, und welche konkreten Maßnahmen hat sie dies-
bezüglich ergriffen?

40. Hat die Bundesregierung bereits mit der angekündigten Evaluierung der
außeruniversitären gemeinnützigen Forschungseinrichtungen in den ost-
deutschen Ländern begonnen?

Wenn ja: Wie ist der Stand?

Wenn nein: Warum nicht?

41. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um
Möglichkeiten der Förderung und der gemeinsamen Nutzung von Infra-
strukturen für Breitband noch deutlich zu verbessern?

42. Inwieweit hat die Bundesregierung die Maßnahmen von Bund und Ländern
für den Breitbandausbau enger miteinander verzahnt?

43. Warum sind die weißen Flecken, trotz des Zieles der Breitbandstrategie der
Bundesregierung, bis Ende 2010 alle Haushalte mit 1 Mbit/s zu versorgen,
noch nicht beseitigt?

44. Weshalb greift die Bundesregierung bei der Darstellung der Breitbandver-
sorgung in Deutschland unkritisch auf den ungenauen Breitbandatlas zu-
rück, der auf freiwilligen, nicht überprüften Unternehmensangaben beruht
und lediglich theoretische Maximalwerte darstellt?

45. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um das von ihr
unlängst erklärte Ziel, bis zum Jahr 2018 alle Haushalte mit Übertragungs-
raten von 50 Mbit/s zu versorgen, zu erreichen?

46. Gibt es Überlegungen in der Bundesregierung, welche Kosten notwendig
sind, um den Ausbau hochbitratiger Breitbandanschlüsse mit Übertra-
gungsraten von mindestens 50 MBit/s zu realisieren?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/6596

47. Hat die Bundesregierung die gesetzlichen Regelungen zur Verantwortlich-
keit im Telemediengesetz fortentwickelt, und wenn nein, warum nicht?

48. Hat die Bundesregierung Maßnahmen ergriffen, die von Arbeitgebern aus-
zustellenden Bescheinigungen und Entgeltnachweise bis spätestens 2015 in
ein elektronisches Verfahren zu überführen?

49. Ist es zutreffend, dass die Bundesregierung plant, das ELENA-Verfahren
(ELENA = elektronischer Entgeltnachweis) im Hinblick auf den Start der
Datenabrufphase zu verschieben?

Wenn ja, aus welchen Gründen?

Wann wird eine entsprechende gesetzliche Umsetzung erfolgen?

Berlin, den 13. Juli 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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