BT-Drucksache 17/6546

Aufklärung über verschwundenes SED/PDS-Vermögen

Vom 7. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6546
17. Wahlperiode 07. 07. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hans-Joachim Hacker, Rolf Schwanitz, Klaus Brandner,
Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Dr. Peter Danckert, Petra Ernstberger, Iris
Gleicke, Bettina Hagedorn, Klaus Hagemann, Petra Merkel (Berlin), Johannes
Kahrs, Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Joachim Poß, Carsten Schneider (Erfurt),
Ewald Schurer, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Aufklärung über verschwundenes SED/PDS-Vermögen

Die Diskussion über die Veruntreuung von Geldern aus dem Bereich des Ver-
mögens von Parteien und Massenorganisationen der DDR lebt fort. In seiner
Ausgabe 17/2011 berichtet das Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“, dass es
Hinweise dafür gibt, dass Gelder aus dem SED-Vermögen der Zeitung „Neues
Deutschland“, dem einstigen Zentralorgan der SED, zugeflossen sind. „DER
SPIEGEL“ beruft sich hierbei auf bislang unbekannte Dokumente aus dem
Archiv des Demokratischen Sozialismus.

Die Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien
und Massenorganisationen in der DDR (UKPV) hatte bereits festgestellt, dass
alleine zwischen dem 1. Oktober 1989 und dem 31. August 1991 4 Mrd. Mark
aus dem SED/PDS-Vermögen transferiert wurden. Eine „heiße Spur“ führte zur
Ungarischen Außenhandelsbank AG (MKB). Hauptgesellschafter ist seit Mitte
der 90er-Jahre zu 80 Prozent eine Tochtergesellschaft der Bayerischen Landes-
bank.

Mit den Regierungen Horn und Orban wurde in Verhandlungen sondiert, ob
von der UKPV beauftragte Wirtschaftsprüfer in die entsprechenden Unterlagen
Einsicht erhalten können. Im Jahr 2003 hielt die UKPV in einem Bericht jedoch
fest, dass es erhebliche Widerstände von Seiten der ungarischen Bank gibt und
die Ermittlungen dadurch behindert würden (Bundestagsdrucksache 15/1777).

Die UKPV vermutete 2004, dass in der Zeit des Zusammenbruchs der kommu-
nistischen Regime in Ungarn und der DDR ein dreistelliger Millionenbetrag
aus dem Vermögen der SED/PDS auf Konten der ungarischen National- und
Außenhandelsbank geparkt wurden.

Für die Überprüfung des Verbleibs nach Ungarn verbrachten oder über Ungarn
verschobenen Geldes aus dem Vermögen der SED/PDS und anderer Massen-
organisationen ist 2004 in Budapest eine deutsch-ungarische Kommission ein-
gerichtet worden. Diese Gemeinsame Kommission nahm ihre Tätigkeit am

24. Februar 2004 unter der Leitung des damaligen Staatssekretärs im Bundes-
ministerium der Finanzen und dem damaligen Staatssekretär im ungarischen
Finanzministerium auf. Auf deutscher Seite waren vertreten: Unabhängige
Kommission Parteivermögen, Bundesministerium der Finanzen, Botschaft
Budapest, Deutsche Bundesbank, Bundesnachrichtendienst, Bundeskriminalamt
sowie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young GmbH.

Drucksache 17/6546 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Nach einjähriger Arbeit der Gemeinsamen Kommission wurde ihr Mandat im
Anschluss an einen Bericht an beide Regierungen vom 21. Februar 2005 auf-
grund der Fülle an rechtlichen und tatsächlichen Problemen sowie wegen des
enormen, auszuwertenden Dokumentenmaterials um ein weiteres Jahr, bis zum
28. Februar 2005, verlängert. Grundsätzlich waren die Arbeiten der Kommis-
sion mühsam. Sie blieben ohne zählbaren Erfolg. Wesentliche Ursache aus
deutscher Sicht war die vielfach beanstandete, absprachewidrig große Passivi-
tät der ungarischen Seite. Im Wesentlichen war keine aktive ungarische Eigen-
initiative feststellbar. Die überwiegende Mehrzahl der Arbeitsanstöße musste
von deutscher Seite gegeben werden. Aus diesem Grund erklärte die deutsche
Seite – nach Entscheidung des damaligen Chefs des Bundeskanzleramtes –
Mitte Dezember 2005, die Arbeiten planmäßig zum 28. Februar 2006 zu be-
enden und eine erneute Verlängerung des Mandats der Gemeinsamen Kommis-
sion wegen Aussichtslosigkeit nicht anzustreben.

Im Verfahren der gegen die AKB Privatbank Zürich AG, letztes Verfahren zum
Novum-Komplex, hat das Obergericht in Zürich am 25. März 2010 der Klage
Deutschlands stattgegeben. Danach müsste die Bank unter Berücksichtigung
der seit 1994 aufgelaufenen Zinsen und einer Prozesskostenentschädigung ins-
gesamt rund 230 Mio. Euro an die Bundesrepublik Deutschland zahlen. Das
Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Darüber hinaus läuft in der Schweiz noch die Klage gegen die griechische
Druckerei Typoekdotik A.E., die ein Darlehen durch eine Auslandsfirma der
SED erhalten hatte. Im Falle des Obsiegens fließen die Mittel nicht den öffent-
lichen Haushalten zu. Das Vermögen der Parteien- und Massenorganisationen
der DDR (PMO) ist ein Sondervermögen im Bereich der wirtschaftlichen Um-
strukturierung und für investive und investitionsfördernde Maßnahmen im
sozialen und kulturellen Bereich in den neuen Ländern einzusetzen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über die Gründung einer Auf-
fanggesellschaft mit Hilfe von SED/PDS-Finanzmitteln vor, die mit dem
Ziel etabliert wurde, den Übergang der Tageszeitung „Neues Deutschland“
in die Marktwirtschaft zu sichern?

2. Sind hierfür Finanzströme nachgewiesen worden, und wenn ja, in welcher
Höhe?

3. Welche Ermittlungen wurden wann dazu geführt, und werden diese fortge-
setzt?

4. In welcher Höhe konnte bisher ehemaliges SED/PDS-Vermögen aus wel-
chen Ländern zurückgeholt bzw. gesichert werden?

5. Inwieweit befinden sich neben Finanzvermögen darunter auch Immobilien
und andere Sachwerte?

6. Wie ist die personelle Verantwortlichkeit für rechtswidrige Finanzverfügun-
gen aus dem Vermögensbestand der SED/PDS zuzuordnen, und gibt es ein
Zusammenwirken zwischen Führungspersonen der SED/PDS mit Personen
aus dem Bereich der Wirtschaft im In- und Ausland?

7. Wie ist der Stand bei der Durchsetzung der Rechtsansprüche der Bundes-
republik Deutschland auf die Herausgabe der finanziellen Vermögenswerte
der ehemaligen SED-Vertreterfirma „Novum“, und welche Hemmnisse gibt
es hierbei gegebenenfalls noch?

8. Ist das Verfahren gegen die griechische Druckerei Typoekdotik A.E. abge-
schlossen, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, wann rechnet die Bundesregierung mit der Entscheidung durch
das Gericht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6546

9. Welche finanziellen Erlöse aus den Verfahren gemäß den Fragen 7 und 8
sind der Bundesrepublik Deutschland bislang zugeflossen, und mit wel-
chen weiteren Zahlungen wird derzeit gerechnet?

10. Für welche konkreten Verwendungszwecke wurden die Mittel aus der
Sicherung von Vermögenswerten der Parteien und Massenorganisationen
der DDR verwendet?

11. Gibt es neue Erkenntnisse über Finanzströme aus SED/PDS-Vermögen
nach oder über Ungarn, und wenn ja, worin bestehen diese?

12. Strebt die Bundesregierung weitere Verfahren an, und wenn ja, gegen wen
und aus welchem Grund?

13. Verfügt die Bundesregierung über Erkenntnisse zu weiteren rechtswidrigen
Verfügungen über Vermögenswerte der SED/PDS?

14. Welche Erkenntnisse erbrachte die Auswertung der im Juli 2010 von der
Schweiz an Deutschland überreichten Bankenunterlagen zu vermuteten
Transaktionen rechtswidriger Art von Vermögenswerten von Parteien und
Massenorganisationen der DDR?

15. Welche DDR-Firmen und welche Geschäftsführerinnen und Geschäfts-
führer wurden im Rahmen dieser Bankenüberprüfungen festgestellt, und
welche Verfahren wurden in Auswertung dieser Unterlagen eingeleitet?

16. Ist über die Liquidation des KoKo-Unternehmens Kunst und Antiquitäten
GmbH ein Abschlussbericht erstellt worden mit exaktem Nachweis der
Vermögensverhältnisse, und ist hierbei ein Nachweis über die vollständige
Klärung der In- und Auslandskunden des Unternehmens dokumentiert
worden?

17. Erfolgte im Zuge der Liquidation der Kunst- und Antiquitäten GmbH die
Übertragung des Vermögens oder von Vermögensanteilen auf Erwerber
(juristische oder natürliche Personen), und wer hat ggf. die Nachfolge
angetreten?

Berlin, den 6. Juli 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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