BT-Drucksache 17/6497

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung -17/6053- Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex b) zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP -17/5470- Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex

Vom 6. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6497
17. Wahlperiode 06. 07. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 17/6053 –

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien
der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften
an den EU-Visakodex

b) zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
– Drucksache 17/5470 –

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien
der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften
an den EU-Visakodex

A. Problem

Auf der Grundlage des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,
der zum schrittweisen Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des
Rechts die Umsetzung von Maßnahmen in den Bereichen Asyl, Einwanderung
und zum Schutz der Rechte von Drittstaatsangehörigen vorsah (seit dem 1. De-
zember 2009 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union), sind im
Zeitraum von April 2008 bis Juli 2009 mehrere Richtlinien und Verordnungen
im Bereich des Ausländerrechts erlassen worden. Diese Richtlinien bedürfen der
Umsetzung in das nationale Recht, soweit dieses nicht bereits mit den Regelun-
gen der Richtlinien in Einklang steht. Die Verordnungen gelten unmittelbar, zum
Vollzug sind jedoch Anpassungen beziehungsweise Konkretisierungen im na-
tionalen Recht erforderlich.

Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung der folgenden Richtlinien in das inner-
staatliche Recht:
1. Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mit-
gliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger
(ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98) – so genannte Rückführungsrichtlinie –,

2. Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen

Drucksache 17/6497 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt be-
schäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24) – so genannte Sanktionsricht-
linie –.

Ferner dient der Gesetzentwurf der Anpassung des innerstaatlichen Rechts an
die Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (ABl. L 243 vom
15.9.2009, S. 1) – so genannter Visakodex –.

B. Lösung

Zur Umsetzung beziehungsweise zum Vollzug der genannten Rechtsakte wer-
den insbesondere das Aufenthaltsgesetz, das Asylverfahrensgesetz, das
Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und die Aufenthaltsverordnung angepasst.

Den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie entsprechend werden punktuelle Än-
derungen im Recht der Aufenthaltsbeendigung vorgenommen, insbesondere in
Bezug auf die Zurückschiebung (§ 57 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG), die
Abschiebung (§ 58 AufenthG), die Abschiebungsandrohung (§ 59 AufenthG),
das Einreise- und Aufenthaltsverbot (§ 11 AufenthG) sowie die Abschiebungs-
haft (§§ 62, 62a AufenthG).

Um die illegale Beschäftigung von Ausländern zu verhindern beziehungsweise
zu sanktionieren, fordert die Sanktionsrichtlinie im Wesentlichen die Ausdeh-
nung der Arbeitgeberhaftung im Sinne von § 66 AufenthG auf Generalunterneh-
mer und zwischengeschaltete Unternehmer, erhöhte Nachweispflichten für Ar-
beitgeber und die Einführung von zwei neuen Straftatbeständen. Darüber hinaus
ist ein befristeter Aufenthaltstitel für Opfer illegaler Beschäftigung einzuführen,
um ihre Mitwirkung als Zeugen im Strafverfahren zu ermöglichen.

Wegen einiger Regelungen des Visakodex (insbesondere zur Erforderlichkeit
der Begründung von Visumsversagungen sowie zur Anfechtbarkeit der Visums-
versagung) sind im Wesentlichen Anpassungen der Form- und Verfahrensvor-
schriften des Aufenthaltsgesetzes notwendig. Daneben ist die Verweisungsnorm
des § 6 AufenthG anzupassen.

Im Zusammenhang mit den genannten Anpassungen an europäische Rechtsakte
werden zur Klarstellung und zur Bereinigung von Unstimmigkeiten technische
und redaktionelle Anpassungen aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vorgenom-
men, die sich auf unterschiedliche Regelungsbereiche des Aufenthaltsgesetzes,
das Gesetz über das Ausländerzentralregister (AZR-Gesetz), die Aufenthalts-
verordnung (AufenthV) und die AZRG-Durchführungsverordnung (AZRG-DV),
erstrecken.

Darüber hinaus hat der Innenausschuss beschlossen, den Gesetzentwurf im We-
sentlichen in folgenden Punkten zu ändern bzw. zu ergänzen:

– Verlängerung der Bedenk- und Stabilisierungszeit für die Opfer von Men-
schenhandel und illegaler Beschäftigung von einem auf drei Monate (§ 59
Absatz 7 AufenthG),

– Neuformulierung der Regelung zum Besuch von Abschiebungsgefangenen
durch Hilfsorganisationen (Soll- statt Kann-Regelung, nur bei Wunsch des
Gefangenen: § 62a Absatz 4 AufenthG),

– Ausnahme von den Übermittlungspflichten an die Ausländerbehörden für
Schulen sowie Bildungs- und Erziehungseinrichtungen (§ 87 AufenthG),

– sozialrechtliche Folgeänderungen zum „aufenthaltsrechtlichen Paket“ (Drit-

tes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III –, Aufstiegsfortbildungsförderungsge-
setz – AFBG –, Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6497

Annahme des zusammengeführten Gesetzentwurfs auf Drucksachen 17/
6053 und 17/5470 in geänderter Fassung mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Keine.

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand

Keine.

2. Haushaltsausgaben mit Vollzugsaufwand

Im Zuge der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie entsteht den Ausländerbe-
hörden ein erhöhter Vollzugsaufwand durch die mit der Neufassung von § 77
AufenthG erweiterten Formerfordernisse an aufenthaltsbeendende Maßnahmen
(Ausweitung des Schriftformerfordernisses, Erteilung einer Rechtsbehelfsbe-
lehrung, Erfordernis einer kostenfreien Übersetzung auf Antrag des Auslän-
ders). Dieser Vollzugsaufwand kann derzeit noch nicht beziffert werden.

Durch die vor einer Abschiebung erforderliche Unterrichtung illegal beschäftig-
ter Ausländer über ihre Rechte nach der Sanktionsrichtlinie (vergleiche § 59 Ab-
satz 8 AufenthG) können den Ausländerbehörden Kosten entstehen, die derzeit
noch nicht beziffert werden können. Da die zuständige Ausländerbehörde diese
Unterrichtung in einem standardisierten Verfahren durchführen kann, wird sich
der Mehraufwand voraussichtlich in einem überschaubaren Rahmen halten.

Die in Umsetzung der zuvor genannten Sanktionsrichtlinie eingeführte Aufent-
haltserlaubnis nach § 25 Absatz 4b AufenthG führt zu einer Erweiterung der
im Ausländerzentralregister zu speichernden Datensätze (Änderungen in Ab-
schnitt I Nummer 10 der Anlage zur AZRG-DV). Dies führt im Aufgabenbe-
reich des Bundesverwaltungsamtes voraussichtlich zu einem Mehraufwand in
Höhe von ca. 60 000 Euro. Dieser wird aus den vorhandenen Haushaltsansätzen
erwirtschaftet. Dies gilt auch für gegebenenfalls weiteren anfallenden Mehrbe-
darf (Sach- und Personalkosten) im Geschäftsbereich des Bundesministeriums
des Innern.

Im Zuge der Umsetzung des Visakodex entsteht beim Auswärtigen Amt ein er-
höhter Vollzugsaufwand durch die mit der Neufassung von § 77 AufenthG
erweiterten Formerfordernisse für die Ablehnung von Visa (Ausweitung des
Schriftformerfordernisses, Begründung der Ablehnung, Erteilung einer Rechts-
behelfsbelehrung). Gleiches gilt infolge der erforderlichen Änderung des § 83
AufenthG, wodurch gegen die Versagung eines Schengen-Visums zu touris-
tischen Zwecken ein Rechtsmittelverfahren eingeführt wird. Der durch den
Visakodex im Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts entstehende Mehrauf-
wand kann derzeit noch nicht beziffert werden und wird gegebenenfalls Gegen-
stand von Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2012 sein.

E. Sonstige Kosten

Die vorgesehenen Regelungen sind nicht mit zusätzlichen Belastungen für die
Wirtschaft und die sozialen Sicherungssysteme verbunden. Auswirkungen auf

Einzelpreise, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwar-
ten.

Drucksache 17/6497 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

F. Bürokratiekosten

Für die Wirtschaft wird eine Informationspflicht neu eingeführt; es werden keine
Informationspflichten geändert oder abgeschafft. Die Schätzung der zu erwar-
tenden Bürokratiekosten ergab eine Gesamtbelastung von insgesamt 156 750
Euro.

Für die Bürgerinnen und Bürger wird eine Informationspflicht neu eingeführt
und es werden keine Informationspflichten geändert oder abgeschafft. Die
Schätzung des zu erwartenden bürokratischen Aufwands für die Bürgerinnen
und Bürger ergab eine Gesamtbelastung von insgesamt ca. 3 333 Stunden.

Für die Verwaltung werden neun Informationspflichten neu eingeführt und kei-
ne geändert. Es wird keine Informationspflicht abgeschafft.

Kosten (Abschnitt D bis F), die sich durch die vom Innenausschuss auf Grund-
lage des Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP
auf Ausschussdrucksache 17(4)293 beschlossenen Änderungen bzw. Ergänzun-
gen ergeben, wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/6497

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

die Gesetzentwürfe auf Drucksachen 17/6053 und 17/5470 zusammenzuführen
und mit folgenden Maßgaben, im Übrigen unverändert anzunehmen:

1. Artikel 1 wird wie folgt geändert:

a) Nummer 1 wird wie folgt geändert:

aa) Nach Buchstabe a wird folgender Buchstabe b eingefügt:

‚b) Nach der Angabe zu § 90b wird folgende Angabe eingefügt:

„§ 90c Datenübermittlungen im Visumverfahren über das Aus-
wärtige Amt“.‘

bb) Der bisherige Buchstabe b wird Buchstabe c.

b) In Nummer 32 Buchstabe b werden in § 59 Absatz 7 Satz 2 die Wörter
„einen Monat“ durch die Wörter „drei Monate“ ersetzt.

c) Nummer 35 wird wie folgt geändert:

§ 62a Absatz 4 wird wie folgt gefasst:

„(4) Mitarbeitern von einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungs-
organisationen soll auf Antrag gestattet werden, Abschiebungsgefangene
auf deren Wunsch hin zu besuchen.“

d) In Nummer 37 werden nach Buchstabe b die folgenden Buchstaben c und d
angefügt:

‚c) In Nummer 7 wird der Punkt am Ende durch ein Komma ersetzt.

d) Es wird folgende Nummer 8 angefügt:

„8. für die Neuausstellung eines Dokuments nach § 78 Absatz 1, die
auf Grund einer Änderung der Angaben nach § 78 Absatz 1 Satz 3,
auf Grund des Ablaufs der technischen Kartennutzungsdauer, auf
Grund des Verlustes des Dokuments oder auf Grund des Verlustes
der technischen Funktionsfähigkeit des Dokuments notwendig
wird: 60 Euro.“‘

e) Nummer 48 wird wie folgt geändert:

aa) Dem Buchstaben a werden die folgenden Buchstaben a und b voran-
gestellt:

‚a) In Absatz 1 werden nach den Wörtern „Öffentliche Stellen“ die
Wörter „mit Ausnahme von Schulen sowie Bildungs- und Er-
ziehungseinrichtungen“ eingefügt.

b) In Absatz 2 Satz 1 werden nach den Wörtern „Öffentliche Stel-
len“ die Wörter „im Sinne von Absatz 1“ eingefügt.‘

bb) Die bisherigen Buchstaben a und b werden die Buchstaben c und d.

f) Nach Nummer 49 wird folgende Nummer 50 eingefügt:

‚50. Nach § 90b wird folgender § 90c eingefügt:

„90c
Datenübermittlungen im Visumverfahren über das Auswärtige Amt

(1) Die Übermittlung von Daten im Visumverfahren von den Aus-
landsvertretungen an die im Visumverfahren beteiligten Behörden
und von diesen zurück an die Auslandsvertretungen erfolgt automati-
siert über eine vom Auswärtigen Amt betriebene technische Vorrich-

tung zur Unterstützung des Visumverfahrens. Die technische Vorrich-
tung stellt die vollständige, korrekte und fristgerechte Übermittlung

Drucksache 17/6497 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

der Daten nach Satz 1 sicher. Zu diesem Zweck werden die Daten
nach Satz 1 in der technischen Vorrichtung gespeichert.

(2) In der technischen Vorrichtung dürfen personenbezogene Daten
nur erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, soweit dies für den in
Absatz 1 Satz 1 und 2 genannten Zweck erforderlich ist.

(3) Die nach Absatz 1 Satz 3 gespeicherten Daten sind unverzüg-
lich zu löschen, wenn die Daten nicht mehr zu dem in Absatz 1 Satz 1
und 2 genannten Zweck benötigt werden, spätestens nach Erteilung
oder Versagung des Visums oder Rücknahme des Visumantrags.“‘

g) Die bisherigen Nummern 50 bis 58 werden die Nummern 51 bis 59.

h) Die neue Nummer 56 wird wie folgt geändert:

aa) Dem Buchstaben a wird folgender Buchstabe a vorangestellt:

‚a) Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 wird wie folgt gefasst:

„2. jede Auslandsvertretung eine Datei über beantragte, erteilte,
versagte, zurückgenommene, annullierte, widerrufene und
aufgehobene Visa sowie zurückgenommene Visumanträge
führen darf und die Auslandsvertretungen die jeweils dort ge-
speicherten Daten untereinander austauschen dürfen sowie“.‘

bb) Die bisherigen Buchstaben a und b werden die Buchstaben b und c.

2. Nach Artikel 10 wird folgender Artikel 11 eingefügt:

‚Artikel 11
Änderung sozial- und leistungsrechtlicher Gesetze

1. In § 63 Absatz 2 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Ar-
beitsförderung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I
S. 594, 595), das zuletzt durch … geändert worden ist, wird nach den Wör-
tern „§§ 23a, 25 Absatz 1 oder 2, den §§“ die Angabe „25a,“ eingefügt.

2. In § 8 Absatz 2 Nummer 1 des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes
in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Juni 2009 (BGBl. I S. 1322,
1794), das zuletzt durch … geändert worden ist, wird nach den Wörtern
„§§ 23a, 25 Absatz 1 oder 2, den §§“ die Angabe „25a,“ eingefügt.

3. In § 8 Absatz 2 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes in
der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Dezember 2010 (BGBl. I
S. 1952), das zuletzt durch … geändert worden ist, wird nach den Wörtern
„§§ 22, 23 Absatz 1 oder 2, den §§ 23a, 25 Absatz 1 oder 2, den §§“ die
Angabe „25a,“ eingefügt.‘

3. Die bisherigen Artikel 11 und 12 werden die Artikel 12 und 13.

4. Der neue Artikel 12 Nummer 10 wird wie folgt geändert:

a) Buchstabe a wird aufgehoben.

b) Die bisherigen Buchstaben b und c werden die Buchstaben a und b.

Berlin, den 6. Juli 2011

Der Innenausschuss

Wolfgang Bosbach
Vorsitzender

Reinhard Grindel
Berichterstatter

Rüdiger Veit
Berichterstatter

Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Berichterstatter
Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Josef Philip Winkler
Berichterstatter

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat in seiner 43. Sitzung am 29. Juni 2011 mit den Stimmen liche Stellen“ durch die Wörter „Polizei- und
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen
der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN empfohlen, den Gesetzentwurf auf Drucksache
17/6053 anzunehmen, und deshalb einvernehmlich empfoh-

Ordnungsbehörden sowie öffentliche Stellen
mit der Aufgabe der Strafverfolgung und
-vollstreckung“ ersetzt.

bb) In § 87 Absatz 2 werden die Wörter „Öffent-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/6497

Bericht der Abgeordneten Reinhard Grindel, Rüdiger Veit, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Ulla Jelpke und Josef Philip Winkler

I. Zum Verfahren

1. Überweisung

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 17/6053 wurde in der
114. Sitzung des Deutschen Bundestages am 9. Juni 2011
und der Gesetzentwurf auf Drucksache 17/5470 in der
105. Sitzung des Deutschen Bundestages am 14. April 2011
an den Innenausschuss federführend sowie an den Auswärti-
gen Ausschuss, den Rechtsausschuss, den Finanzausschuss,
den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, den Aus-
schuss für Arbeit und Soziales, den Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend und den Ausschuss für die An-
gelegenheiten der Europäischen Union zur Mitberatung
überwiesen.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 42. Sitzung am
6. Juli 2011 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme der
Gesetzentwürfe auf Drucksachen 17/6053 und 17/5470 emp-
fohlen.

Der Rechtsausschuss hat in seiner 54. Sitzung am 29. Juni
2011 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Gesetz-
entwurf auf Drucksache 17/6053 anzunehmen, und deshalb
einvernehmlich empfohlen, den Gesetzentwurf auf Drucksa-
che 17/5470 für erledigt zu erklären.

Der Finanzausschuss hat in seiner 55. Sitzung am 29. Juni
2011 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme der Gesetz-
entwürfe auf Drucksachen 17/6053 und 17/5470 empfohlen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat in sei-
ner 49. Sitzung am 29. Juni 2011 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
empfohlen, den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/5470 an-
zunehmen, und deshalb einvernehmlich empfohlen, den Ge-
setzentwurf auf Drucksache 17/6053 für erledigt zu erklären.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner 71. Sit-
zung am 6. Juli 2011 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die
Annahme der Gesetzentwürfe auf Drucksachen 17/6053 und
17/5470 empfohlen.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat in seiner 44. Sitzung am 6. Juli 2011 mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stim-
men der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN die Annahme des Gesetzentwurfs auf Druck-
sache 17/6053 und einstimmig Erledigterklärung des Ge-
setzentwurfs auf Drucksache 17/5470 empfohlen.

3. Beratungen im federführenden Ausschuss

Der Innenausschuss hat in seiner 41. Sitzung am 25. Mai
2011 beschlossen, eine öffentliche Anhörung zu dem Richt-
linienumsetzungsgesetz durchzuführen.

Die öffentliche Anhörung hat der Innenausschuss in seiner
45. Sitzung am 27. Juni 2011 durchgeführt. Auf das Proto-
koll Nummer 17/45 der Anhörung, an der sich sieben Sach-
verständige beteiligt haben, wird hingewiesen. Die Stellung-
nahme des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Ent-
wicklung auf Ausschussdrucksache 17(4)276 hat sowohl bei
der Anhörungssitzung als auch bei den Beratungen vorgele-
gen.

Der Innenausschuss hat die Gesetzentwürfe auf Druck-
sachen 17/6053 und 17/5470 in seiner 47. Sitzung am 6. Juli
2011 abschließend beraten und empfiehlt mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen
der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN diese zusammenzuführen und in der Fassung des
Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU
und FDP auf Ausschussdrucksache 17(4)293 anzunehmen.

Zuvor wurde der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen
auf Ausschussdrucksache 17(4)293 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen SPD und DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.

a) Der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Aus-
schussdrucksache 17(4)289 wurde mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen
der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN abgelehnt.

Der Änderungsantrag auf Ausschussdrucksache
17(4)289 hat einschließlich Begründung folgenden Wort-
laut:

1. Artikel 1 wird wie folgt geändert:

a) Nummer 48 wird wie folgt gefasst:

,§ 87 wird wie folgt geändert:

aa) In § 87 Absatz 1 werden die Wörter „Öffent-
len, den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/5470 für erledigt
zu erklären.

liche Stellen“ durch die Wörter „Die in Ab-
satz 1 genannten Stellen“ ersetzt.

Drucksache 17/6497 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

cc) Absatz 3 wird aufgehoben.

dd) § 87 Absatz 4 wird zu Absatz 3.

ee) § 87 Absatz 5 wird zu Absatz 4.

ff) In Absatz 3 Satz 1 werden das Wort „Verfah-
rens“ durch das Wort „Strafverfahrens“ und
das Wort „Verfahrenserledigungen“ durch
die Wörter „Erledigung des Straf- oder Buß-
geldverfahrens“ ersetzt.

gg) In Absatz 4 Nummer 1 werden nach der Anga-
be „§ 25 Abs. 4a“ die Angabe „oder 4b“ ein-
gefügt und die Angabe „§ 50 Absatz 2a“
durch die Angabe „§ 59 Absatz 7“ ersetzt.‘

b) Nummer 52 wird wie folgt geändert:

‚aa) Nach Buchstabe b wird folgender Buchstabe c
eingefügt:

c) In § 95 wird nach Absatz 1a folgender Absatz 1b
eingefügt:

„Handlungen, die der Unterstützung eines Aus-
länders dienen, der eine Handlung nach § 95 Ab-
satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2, Absatz 1a oder
Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe b oder Nummer 2
begeht, stellen kein Hilfeleisten im Sinne des § 27
Strafgesetzbuch dar, sofern der Unterstützende
dafür keinen Vermögensvorteil erhält oder sich
versprechen lässt.“‘

Nach Buchstabe c wird folgender Buchstabe d ein-
gefügt:

d) In § 99 Absatz 1 Nummer 14 werden nach dem
dritten Halbsatz folgende Wörter eingefügt: „und
die zu übermittelnden Daten nicht bereits von der
abschließenden Regelung des § 87 erfasst sind“.‘

2. Artikel 3 wird wie folgt geändert:

a) Vor das Wort „In“ wird die Nummerierung „1.“
gesetzt.

b) Nach Nummer 1 wird folgende Nummer 2 ein-
gefügt:

‚In § 11 Absatz 3 wird folgender Satz 3 einge-
fügt:

„Satz 2 gilt nicht für Leistungsberechtigte nach
§ 1 Absatz 1 Nummer 5.“‘

Begründung:
Zu Nummer 1. a):

Zu aa):

§ 87 Absatz 2 Nummer 1 verpflichtet jede öffentliche Stel-
le dazu, unverzüglich die zuständige Ausländerbehörde
zu unterrichten, wenn sie im Zusammenhang mit der Er-
füllung ihrer Aufgaben Kenntnis von dem Aufenthalt
eines Ausländers erlangt, der keinen erforderlichen Auf-
enthaltstitel besitzt und dessen Abschiebung nicht
ausgesetzt ist. Ausländer ohne Aufenthaltstitel oder Dul-
dung vermeiden daher den Kontakt zu öffentlichen Stel-
len. Die Übermittlungspflicht in dieser Form existiert in

sonders praxisrelevant ist der Zugang zu gesundheit-
licher Versorgung, zu Bildung und zu arbeitsgerichtli-
chem Rechtsschutz.

In Bezug auf Gesundheitsversorgung ist festzuhalten,
dass Ausländer ohne Aufenthaltsstatus gemäß § 1
Nummer 5 Asylbewerberleistungsgesetz einen Anspruch
auf medizinische Leistungen des Asylbewerberleistungs-
gesetzes haben. Doch nehmen sie diesen oft aus Angst vor
Entdeckung nicht wahr. Denn die jeweilige Leistung muss
vorher beim Sozialamt beantragt werden. Dieses ist ge-
mäß § 87 Absatz 2 Nummer 1 gegenüber der Ausländer-
behörde übermittlungspflichtig. Deshalb sehen Aus-
länder ohne Aufenthaltstitel oder Duldung aus Angst vor
Entdeckung meist davon ab, die entsprechenden Leistun-
gen in Anspruch zu nehmen.

Die vorherige Beantragung der Behandlung beim So-
zialamt ist der Regelfall. Nur für den Ausnahmefall der
Notfallbehandlung ist jüngst durch die Allgemeinen Ver-
waltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz (BR-Drs.
669/09) eine gewisse Verbesserung erreicht worden.
Wenn das Sozialamt die Kenntnis von einem der in § 88
Absatz 2 genannten Geheimnisträger erhält, so darf es
die Daten nicht an die Ausländerbehörde übermitteln.
Schon lange war anerkannt, dass Ärzte zu diesen Ge-
heimnisträgern zählen. Umstritten war aber, ob auch die
Abrechnungsstellen öffentlicher Krankenhäuser, die die
Daten an das Sozialamt weiterleiten, Geheimnisträger in
diesem Sinne sind. Nunmehr sind auch die berufsmäßig
tätigen Gehilfen dieser Berufsgruppen, das mit der Ab-
rechnung befasste Verwaltungspersonal öffentlicher
Krankenhäuser, über den sogenannten verlängerten Ge-
heimnisschutz in den Kreis der Geheimnisträger einbe-
zogen. Doch die direkte Weitergabe der Daten durch die
Abrechnungsstellen erfolgt nur in Notfällen, wenn vor-
her keine Beantragung beim Sozialamt möglich ist. In al-
len anderen Fällen bleibt es beim beschriebenen Pro-
blem.

Im Bereich des Zugangs zu Schulen gilt, dass dieser
grundsätzlich Ländersache ist. Doch dort, wo das Schul-
recht der Länder bei der Anmeldung zum Schulbesuch die
Erhebung der aufenthaltsrechtlichen Daten zur Aufgabe
des Schulleiters macht, ist auch dieser übermittlungs-
pflichtig. In Nordrhein-Westfalen, Hessen und Hamburg
sind zwar in jüngster Zeit landesrechtliche Klarstellun-
gen erfolgt, wonach die Erhebung der aufenthaltsrecht-
lichen Daten nicht zu den Aufgaben der Schulleitung
zählt. Dann entfällt auch die Übermittlungspflicht. Doch
in den Ländern, in denen Schulleiter den Aufenthalts-
status abfragen müssen, sehen viele Eltern davon ab, ihre
Kinder zur Schule zu schicken. Es ist unangemessen, dass
Kinder, obwohl nicht sie, sondern ihre Eltern die Ent-
scheidung zum illegalen Aufenthalt zu vertreten haben,
von einem grundlegenden Recht wie dem diskriminie-
rungsfreien Zugang zu schulischer Bildung ausgeschlos-
sen werden.

Im Bereich arbeitsgerichtlichen Rechtsschutzes ist festzu-
halten, dass auch illegal aufhältige und damit illegal be-
schäftigte Ausländer einen einklagbaren zivilrechtlichen
Anspruch auf ihren Arbeitslohn haben. Doch in der Pra-
keinem anderen EU-Mitgliedstaat und führt in der Praxis
zu einschneidenden Problemen für die Betroffenen. Be-

xis sehen sie auch hier aus Angst vor Entdeckung davon
ab, entsprechende Klagen zu erheben. Denn der Arbeits-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/6497

richter ist übermittlungspflichtig. Das führt nicht nur zu
einer unbilligen Belastung der Betroffenen, sondern auch
zu einer nicht gerechtfertigten faktischen Besserstellung
der Arbeitgeber, die Ausländer ohne Aufenthaltstitel oder
Duldung beschäftigen. Sie können sich, wenn sie Lohn
nicht auszahlen, vor arbeitsgerichtlichen Konsequenzen
sicher wähnen.

Die Änderung dient auch der Umsetzung der Richtlinie
2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen
und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsange-
hörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen. De-
ren Artikel 6 Absatz 2 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten
Mechanismen einrichten, mittels derer illegal aufhältige
Ausländer Ansprüche gegen ihren Arbeitgeber geltend
machen können oder sich an die zuständige Behörde des
betreffenden Mitgliedstaats wenden können, um ein Ver-
fahren auf Beitreibung ihres Lohnes einzuleiten, ohne
dass sie in diesem Fall selbst einen Anspruch geltend ma-
chen müssen. Artikel 6 der genannten Richtlinie könnte
keine effektive Wirkung entfalten, wenn nicht die Über-
mittlungspflicht für Arbeitsrichter aufgehoben würde
oder alternativ ein anonymisiertes Verfahren über eine
innerstaatlich einzurichtende Stelle geschaffen würde,
das es erlaubt, die Ansprüche ohne Angst vor Übermitt-
lung über diese Stelle durchsetzen zu können.

Die hier vorgenommene Änderung schafft einen ange-
messenen Ausgleich zwischen dem öffentlichen Interesse
an der Durchsetzung der Ausreisepflicht und dem indivi-
duellen Interesse von Ausländern ohne Aufenthaltstitel
oder Duldung auf eine menschenwürdige Minimalversor-
gung.

Die Durchsetzung der Ausreisepflicht dient der öffent-
lichen Ordnung. Bei Behörden, deren originäre Aufgabe
die Gefahrenabwehr ist, kann es daher als Bestandteil
ihrer Aufgaben angesehen werden, die Durchsetzung der
Ausreisepflicht ggf. durch Übermittlung zu fördern.

Bei öffentlichen Stellen, deren originäre Aufgaben in der
Gewährleistung sozialer Rechte bestehen, werden eben
diese Aufgaben gefährdet, wenn die Betroffenen aus
Angst vor Entdeckung davon absehen, sich an diese Stel-
len zu wenden.

Deshalb wird die Übermittlungspflicht nunmehr so for-
muliert, dass nur die öffentlichen Stellen erfasst sind, bei
denen die Übermittlungspflicht die Wahrnehmung der ei-
genen Aufgaben nicht gefährdet. Unter Achtung der öf-
fentlichen Aufgabenzuweisung trägt die Änderung dem
legitimen Interesse der Gefahrenabwehr Rechnung, ver-
meidet aber eine Vereitelung der Inanspruchnahme ele-
mentarer Leistungen.

Zu bb)

Es gilt das zu aa) Gesagte entsprechend.

Zu cc)

Die bisherige Regelung des Absatzes 3 stellt eine Ein-
schränkung der Übermittlungspflicht der Beauftragten
der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und In-
tegration dar. Sie ist nach der Neuregelung nicht mehr

Zu dd)

Die Änderung dient der redaktionellen Anpassung an die
Aufhebung von Absatz 3.

Zu ee)

Die Änderung dient der redaktionellen Anpassung an die
Aufhebung von Absatz 4.

Zu ff) und gg)

Es werden die in Drs. 17/4320 enthaltenen Änderungsbe-
fehle übernommen. Zur Begründung vgl. BT-Drs. 17/
6053, S. 78 f.

Zu Nummer 1 b)

Die Beihilfe zum illegalen Aufenthalt wurde als qualifi-
zierter Straftatbestand gemäß § 96 Absatz 1 Nummer 2
a.F. bereits 2007 durch das Gesetz zur Umsetzung aufent-
halts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen
Union (BGBl I 2007 Nummer 42 vom 27.8.2007) auf-
gehoben. Doch auch wenn die speziell strafbewehrte Bei-
hilfe nach § 96 Absatz 1 Nummer 2 alter Fassung entfällt,
ist die Strafbarkeit einer Beihilfehandlung nach § 95 Ab-
satz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 27 StGB weiterhin
grundsätzlich möglich. Dies bedeutet fortbestehende
Rechtsunsicherheit für alle humanitär motivierten Men-
schen, die Migranten unabhängig von ihrem aufenthalts-
rechtlichen Status in Notsituationen helfen. Unabhängig
davon, ob es in der Praxis tatsächlich zu Ermittlungsver-
fahren, Anklagen oder Verurteilungen kommt, führt die
geltende Rechtslage zu erheblicher Rechtsunsicherheit
auf Seiten der humanitär motivierten Helfer.

Die Änderung knüpft an die Formulierung des § 96 Ab-
satz 1 Nummer 2 an. Darin sind die Voraussetzungen ge-
nannt, unter denen die Beihilfe zum Aufenthalt als straf-
würdig im Sinne eines eigenen qualifizierten Tatbestands
erachtet wird. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden,
werden alle Handlungen, die nicht unter diesen Tat-
bestand fallen, auch aus dem Anwendungsbereich des
§ 27 Strafgesetzbuch herausgenommen.

§ 99 Absatz 1 Nummer 14 ermächtigt das Bundesministe-
rium des Innern zum Erlass einer Rechtsverordnung, mit
der die in § 99 Absatz 1 Nummer 14 genannten Stellen
zur Mitteilung personenbezogener Daten und sonstiger
Erkenntnisse über den Ausländer angehalten werden, so-
weit diese Angaben zur Erfüllung der Aufgaben der Aus-
länderbehörden nach diesem Gesetz und nach ausländer-
rechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen
erforderlich sind. § 87 ermächtigt allein die dort genann-
ten Stellen zur Übermittlung der dort genannten Daten.
Die hier vorgenommene Änderung passt die Reichweite
der Verordnungsermächtigung nach § 99 Absatz 1 Num-
mer 14 an die nunmehr begrenzte Reichweite des § 87 an.

Zu Nummer 2 a):

Es handelt sich um eine redaktionelle Anpassung.

Zu Nummer 2 b)

§ 11 Absatz 1 Satz 2 Asylbewerberleistungsgesetz erlaubt
es der für die Gewährung von Leistungen nach dem Asyl-
bewerberleistungsgesetz zuständigen Behörde, einen Da-
tenabgleich mit den bei der Ausländerbehörde gespei-
von der Übermittlungspflicht erfasst. Deshalb wird die
bislang geltende Ausnahmeregelung überflüssig.

cherten Daten vorzunehmen. Dies dient der Prüfung der
Frage, ob der Antragsteller leistungsberechtigt ist.

Drucksache 17/6497 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Mit der vorliegenden Änderung werden Ausländer ohne
Aufenthaltstitel von der Ermächtigung zur Datenüber-
mittlung ausgenommen. Zum einen läuft der Datenab-
gleich hier ins Leere, weil die in Satz 2 genannten Daten
wegen des nicht dokumentierten Aufenthaltes in der Re-
gel nicht bei der Ausländerbehörde gespeichert sind.
Zum anderen soll die neu eingeführte Beschränkung der
aufenthaltsrechtlichen Übermittlungspflichten nach § 87
Absatz 1 Aufenthaltsgesetz gewährleisten, dass auch
Ausländer ohne Aufenthaltsstatus Gesundheitsleistungen
nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Anspruch neh-
men können. Das würde ins Leere gehen, wenn Ausländer
ohne Aufenthaltsstatus diese Leistungen aus Angst vor
Entdeckung durch die Ausländerbehörde nicht in An-
spruch nähmen.

b) Der gemeinsame Änderungsantrag der Fraktionen SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Ausschussdruck-
sache 17(4)290 wurde mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN abgelehnt.

Der Änderungsantrag auf Ausschussdrucksache 17(4)290
hat einschließlich Begründung folgenden Wortlaut:

In Artikel 1 wird in Nummer 31 folgender Buchstabe d
angefügt:

,d) Nach Absatz 3 wird folgender Absatz 4 eingefügt:

„Die Überwachung von Abschiebungen unter Beteili-
gung privater oder kirchlicher Träger wird sicherge-
stellt.“‘

Begründung:

Art. 8 Abs. 6 RL 2008/115/EG ordnet an: „Die Mitglied-
staaten schaffen ein wirksames System für die Über-
wachung von Rückführungen.“ Die Änderung gewähr-
leistet die im Entwurf aus BT-Drs. 17/5470 bislang nicht
vorgesehene Umsetzung.

Dabei soll auf die bisherigen Erfahrungen mit den Ab-
schiebungsbeobachtungsstellen zurückgegriffen werden,
die es in Düsseldorf seit 2001, in Frankfurt a. M. seit
2006 und in Hamburg seit 2010 gibt. Sie bestehen aus
zwei Bestandteilen. Zum einen ist bei Abschiebungen auf
dem Luftwege ein Abschiebungsbeobachter oder -beob-
achterin zugegen. Diese Person beobachtet den Prozess
der Abschiebung und berichtet über eventuell zu bean-
standende Geschehnisse oder Missstände. Auch kann sie
die Bundespolizei auf eventuell zu berücksichtigende ge-
sundheitliche Probleme des oder der Abzuschiebenden
aufmerksam machen. Dadurch sorgt die Abschiebungs-
beobachtung für Transparenz und wirkt befriedend in
einem Bereich, der üblicherweise der Öffentlichkeit ent-
zogen ist.

Zum anderen wurden Gesprächsforen eingerichtet, die
mit Vertreterinnen und Vertretern von Behörden ebenso
besetzt sind wie mit Vertreterinnen und Vertretern von
Kirchen, UNHCR und Nichtregierungsorganisationen.
Sie erörtern auf Grundlage des Berichts des oder der Ab-
schiebungsbeobachters oder -beobachterin vergangene
Abschiebungen, erarbeiten Standards und klären Grund-
satzfragen im künftigen Vollzug von Abschiebungen. Die

und der Länder die Finanzierung entsprechender Projek-
te sicherzustellen haben. Um dabei eine zu starke finan-
zielle Belastung öffentlicher Stellen zu vermeiden,
können diese auf Mittel aus dem Europäischen Rückkehr-
fonds zurückgreifen (Entscheidung Nr. 573/2007/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Mai
2007 zur Einrichtung des Europäischen Flüchtlingsfonds
für den Zeitraum 2008 bis 2013 innerhalb des Generellen
Programms „Solidarität und Steuerung der Migrations-
ströme“ und zur Aufhebung der Entscheidung 2004/904/
EG des Rates, 2007/575/EG, ABl. L 114/45).

Gleichzeitig verweist der Gesetzestext auf die Beteiligung
privater oder kirchlicher Träger. Diese Form der Träger-
schaft gewährleistet eine unabhängige und damit effekti-
ve Überwachung. Dieser Ansatz dient insofern der von
der Richtlinie geforderten Wirksamkeit der Über-
wachung. Zudem steht er in Übereinstimmung mit dem
jüngsten Vorschlag der Kommission, die auf eine
Überwachung „von unabhängiger Seite“ abstellt
(KOM(2010) 61 endgültig, Artikel 9 Absatz 2, S. 28). Zu-
letzt knüpft dieser Ansatz an die allseitig als positiv be-
werteten Erfahrungen in Düsseldorf, Frankfurt und
Hamburg an, wo die Abschiebungsbeobachterinnen und
-beobachter bei kirchlichen Trägern angestellt sind.

c) Die Änderungsanträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN auf Ausschussdrucksache 17(4)292 A bis H
wurden in Einzelabstimmung mehrheitlich abgelehnt.

Der Änderungsantrag auf Ausschussdrucksache
17(4)292 A wurde mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthal-
tung der Fraktion DIE LINKE. abgelehnt.

Der Änderungsantrag auf Ausschussdrucksache
17(4)292 B wurde mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktionen SPD und DIE LINKE. abgelehnt.

Die Änderungsanträge auf Ausschussdrucksachen
17(4)292 C, 17(4)292 D, 17(4)292 E, 17(4) 292 G und
17(4)292 H wurden mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab-
gelehnt.

Der Änderungsantrag auf Ausschussdrucksache
17(4)292 F wurde mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktion der SPD abgelehnt.

Die Änderungsanträge auf Ausschussdrucksache
17(4)292 A bis H haben einschließlich Begründung fol-
genden Wortlaut:

Ausschussdrucksache 17(4)292 A

Artikel 1 (Änderung des Aufenthaltsgesetzes) wird wie
folgt geändert:

Nummer 14 wird wie folgt gefasst:

§ 25 wird wie folgt geändert:

a. Abs. 4a wird wie folgt gefasst:
Formulierung „wird sichergestellt“ verdeutlicht, dass
die für Abschiebungen zuständigen Behörden des Bundes

„(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat
nach den §§ 232, 233, 233a des Strafgesetzbuches

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/6497

wurde, ist abweichend von § 11 Absatz 1, auch wenn
er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorüber-
gehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis zu er-
teilen, wenn

1. die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers
im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen die-
ser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem
Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil
ohne seine Angaben die Erforschung des Sachver-
halts erschwert wäre, und

2. der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in
dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge
auszusagen.

b. Nach Abs. 4a werden folgende Abs. 4b und 4c einge-
fügt:

„(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat
nach § 10 Absatz 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungs-
gesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlas-
sungsgesetzes wurde, ist abweichend von § 11 Absatz
1, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für
einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthalts-
erlaubnis zu erteilen, wenn

1. die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers
im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen die-
ser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem
Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil
ohne seine Angaben die Erforschung des Sachver-
halts erschwert wäre, und

2. der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in
dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge
auszusagen.

(4c) Die Aufenthaltserlaubnis gemäß Absatz 4a und
4b soll ferner erteilt oder verlängert werden, wenn
dem Ausländer die zustehende Vergütung oder der zu-
stehende Schadensersatz noch nicht vollständig ge-
leistet wurde.“

Begründung
Die in dem Regierungsentwurf formulierten Vorschriften
zur vorübergehenden Aufenthaltserlaubnis für Opfer von
Schwarzarbeit setzen zwar den von der Sanktionsrichtli-
nie eröffneten Mindeststandard um. Sie werden aber we-
gen ihrer restriktiven Ausgestaltung nicht wesentlich da-
zu beitragen, dass die Betroffenen verstärkt in Straf- und
Zivilverfahren gegen ihre Arbeitgeber aussagen und da-
durch die Schwarzarbeit effektiv bekämpft wird.

Die hier vorgeschlagene Erteilung der Aufenthaltser-
laubnis nach den Absätzen 4a und 4b wird als Anspruchs-
norm ausgestaltet. In beiden Absätzen wird zudem auf die
Voraussetzung verzichtet, dass der Ausländer oder die
Ausländerin jede Verbindung zu den Personen, die be-
schuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abge-
brochen hat. Denn der Kontakt zu den beschuldigten Per-
sonen ist oft zur Geltendmachung bestehender Ansprüche
der Opfer im Rahmen eines Zivilprozesses oder eines au-
ßergerichtlichen Vergleichsverfahrens erforderlich.

Mit dem neuen Absatz 4c wird für die Opfer der in Ab-

zung von Lohnansprüchen sowie Entschädigungsansprü-
chen für im Rahmen des ausbeuterischen Arbeitsverhält-
nisses erlittene Verletzungen eingeführt. Es besteht ein
öffentliches Interesse an der Bekämpfung der Schwarzar-
beit nicht nur durch die strafrechtliche Verfolgung von
Arbeitgebern, sondern auch dadurch, dass die illegale
Beschäftigung wirtschaftlich unattraktiv gemacht wird.
Damit wird zugleich Artikel 6 Absatz 2 der Sanktions-
richtlinie umgesetzt, der vorschreibt, dass die Mitglied-
staaten wirksame Verfahren und Mechanismen einrichten
müssen, um den irregulär Beschäftigten die Durchset-
zung von Lohnansprüchen zu ermöglichen. Die Durch-
setzung von Lohnansprüchen aus dem Ausland ist für die
Betroffenen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden:
Häufig verfügen sie nicht über ausreichend Wissen und
finanzielle Mittel um aus der Distanz eine gerichtliche
Auseinandersetzung zu führen. Auch ist ihnen ein vom
Gericht angeordnetes persönliches Erscheinen wegen
des Einreiseverbotes nach § 11 AufenthG nicht möglich.

Die Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 4c wird auch Be-
troffenen von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung
und zur Arbeitsausbeutung gewährt. Gerade Opfer von
Menschenhandel erleben schwerste Formen von Ausbeu-
tung und Verletzungen weiterer Rechte. Eine unterschied-
liche Behandlung der Opfer von Menschenhandel wäre
sachlich nicht gerechtfertigt. Dies gilt umso mehr, als
Artikel 15 Absatz 3 und 4 der Europaratskonvention ge-
gen Menschenhandel die Staaten verpflichtet, Opfern von
Menschenhandel Entschädigungsansprüche einzuräu-
men und deren Durchsetzung auch tatsächlich zu ermög-
lichen.

Ausschussdrucksache 17(4)292 B

In Artikel 1 wird unter Nummer 35 § 62a Absatz 1 wie
folgt gefasst:

„Die Abschiebungshaft wird in speziellen Hafteinrich-
tungen vollzogen. Die Unterbringung in gewöhnlichen
Haftanstalten ist unzulässig; sind spezielle Einrichtun-
gen in einem Bundesland nicht vorhanden, ist die über-
gangsweise Unterbringung in Justizvollzugsanstalten bis
höchstens zum 30.06.2012 zulässig. Die Abschiebungs-
gefangenen sind in jedem Fall getrennt von Strafgefange-
nen unterzubringen.“

Begründung:
Gemäß Art. 16 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie hat die
Abschiebehaft grundsätzlich in speziellen Hafteinrich-
tungen zu erfolgen. Damit soll ausgeschlossen werden,
dass Abschiebehäftlinge in regulären Strafvollzugsan-
stalten festgehalten werden. Von dieser Voraussetzung
darf nach RL 2008/115/EG eine Ausnahme nur dann ge-
macht werden, wenn „in einem Mitgliedstaat solche spe-
ziellen Einrichtungen nicht vorhanden“ sind.

Die Rückführungsrichtlinie meint mit „Mitgliedstaat“
die Bundesrepublik Deutschland und nicht etwa einzelne
Bundesländer. Damit verkennt der Gesetzentwurf die In-
tention der Rückführungsrichtlinie und dehnt die Aus-
nahmeregelung des Artikel 16 Absatz 1 in unzulässiger
Weise aus.
satz 4a und 4b genannten Straftaten ein Regelanspruch
auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Durchset-

Auch aus der Sicht der Europäischen Kommission stellt
der Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 klar auf das Gesamtterri-

Drucksache 17/6497 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

torium eines Mitgliedstaates ab. Das Nichtvorhan-
densein spezieller Hafteinrichtungen in einem regionalen
Teilbereich eines Mitgliedstaats – während in einem an-
deren Teilbereich solche vorhanden sind – kann daher
eine Unterbringung in einer gewöhnlichen Haftanstalt
nicht rechtfertigen. (Schreiben der Generaldirektion In-
neres vom 11. Mai. 2011)

In Deutschland sind spezielle Hafteinrichtungen in meh-
reren Bundesländern vorhanden. Die weitere Unterbrin-
gung von Abschiebungshäftlingen in gewöhnlichen Haft-
anstalten ist demnach unzulässig; zumindest werden in
den Bundesländern, die Abschiebungshaft in Strafvoll-
zugseinrichtungen vollstrecken, in angemessener Frist
entsprechende spezielle Hafteinrichtungen zu schaffen
sein.

Ausschussdrucksache 17(4)292 C

In Artikel 1 werden unter Nummer 9 in § 11 Abs. 1 Satz 3
die Worte „auf Antrag“ gestrichen.

Begründung:
Die Beibehaltung des Antragserfordernisses ist mit
Unionsrecht nicht vereinbar. Nach Art. 11 Absatz 2 Satz 1
RL 2008/115/EG wird die Dauer des Einreiseverbots
festgesetzt. Danach hat die Ausländerbehörde bereits in
der Rückkehrentscheidung, anderenfalls nachträglich
von Amts wegen eine Frist festzusetzen. Einer Antragstel-
lung bedarf es nicht.

Ausschussdrucksache 17(4)292 D

In Artikel 1 werden unter Nummer 35 in § 62 a Abs. 4 die
Worte „kann auf Antrag gestattet werden“ durch die
Worte ersetzt: „wird ermöglicht“.

Begründung:
Durch den vorliegenden Antrag wird Art. 16 Abs. 4 der
Rückführungsrichtlinie korrekt umgesetzt.

Denn nach der Richtlinie ist es internationalen und
Nichtregierungsorganisationen zu ermöglichen, Abschie-
bungshafteinrichtungen zu besuchen. Besuche können fa-
kultativ von einer Genehmigung abhängig gemacht wer-
den

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung dreht das Regel-
Ausnahme-Verhältnis um, indem er bestimmt, dass ein-
schlägig tätigen Hilfsorganisationen auf Antrag der Be-
such gestattet werden kann.

Das Genehmigungserfordernis dient indessen nur dazu,
die Vereinbarkeit der Besuche mit den Abläufen der Ein-
richtung herzustellen; es darf nicht als Mittel dienen, den
von der Richtlinie gewollten Zutritt der Organisationen
über Gebühr zu beschränken. Entsprechend sollte in
§ 62a Absatz 4 AufenthG-E das „kann“ durch ein „wird“
ersetzt werden.

Ausschussdrucksache 17(4)292 E

In Artikel 1 wird Nummer 9 wie folgt geändert:

c) Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 3 eingefügt:

„3) Absatz 1 Satz 1 findet keine Anwendung auf

nen keine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche
Sicherheit und Ordnung ausgeht.“

Begründung:
§ 11 AufenthG-E regelt die Einreise- und Aufenthaltsver-
bote neu. Dabei werden die Vorgaben der Rückführungs-
richtlinie jedoch nur zum Teil umgesetzt. Art. 11 Abs. 3
der Rückführungsrichtlinie sieht vor, dass gegen Betrof-
fene des Menschenhandels – unter bestimmten Ausnah-
men – kein Einreiseverbot verhängt werden darf, wenn
ihnen auf der Grundlage einer Zeugenaussage in einem
Strafverfahren gegen die Täter/innen eine Aufenthaltser-
laubnis erteilt wurde. Der fehlenden Umsetzung soll mit
dem vorliegenden Änderungsantrag abgeholfen werden.

Ausschussdrucksache 17(4)292 F

In Artikel 1 wird unter Nummer 34 in § 62 Abs. 1 folgen-
der Satz 4 angefügt:

„Unbegleitete Minderjährige dürfen nicht in Abschie-
bungshaft genommen werden.“

Begründung:
Die Anordnung von Abschiebungshaft gegenüber unbe-
gleiteten Minderjährigen ist mit der UN-Kinderrechts-
konvention (KRK), insbesondere Art. 3 Abs. 1, Art. 20
und Art.37 b), nicht vereinbar.

Art. 20 KRK begründet für unbegleitete Minderjährige
einen Anspruch auf den besonderen Schutz und Beistand
des Staates. Die Bestimmung greift die konkrete Notsitu-
ation von Kindern auf, die aufgrund fehlenden familiären
Schutzes auf alternative Betreuung angewiesen sind. Im
Übrigen steht es im Widerspruch zu Art. 37 b) KRK, un-
begleitete Minderjährige zum Zweck ihrer Abschiebung
zu inhaftieren.

Ausschussdrucksache 17(4)292 G

Artikel 1 (Änderung des Aufenthaltsgesetzes) wird wie
folgt geändert:

Nummer 48 wird wie folgt gefasst:

§ 87 wird wie folgt geändert:

a. In Abs. 1 werden die Wörter „Öffentliche Stellen“
durch die Wörter „Polizei- und Ordnungsbehörden
sowie öffentliche Stellen mit der Aufgabe der Straf-
verfolgung und -vollstreckung“ ersetzt.

b. In Abs. 2 Satz 1 werden die Wörter „Öffentliche Stel-
len“ durch die Wörter „Die in Abs. 1 genannten Stel-
len“ ersetzt und der letzte, mit „das Jugendamt“ be-
ginnende Halbsatz aufgehoben.

c. Abs. 3 wird aufgehoben.

Begründung
Die Mehrheit der Sachverständigen hat in der Anhörung
des Innenausschusses zum Richtlinienumsetzungsgesetz
bestätigt, dass die Übermittlungspflicht der Arbeitsge-
richte an die Ausländerbehörden das größte Hindernis
bei der Durchsetzung von Lohnansprüchen ist. Diese
Sachverständigen waren sich einig, dass Menschen ohne
Opfer des Menschenhandels, denen nach § 25 Abs. 4a
eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, sofern von ih-

Aufenthaltsstatus von der Durchsetzung ihrer Ansprüche
absehen, weil die Gerichte übermittlungspflichtig sind

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/6497

und daher mit Einreichung einer Klage die Statusauf-
deckung droht. Insofern verstoße die Übermittlungs-
pflicht von Arbeitsgerichten gemäß § 87 Abs. 2 AufenthG
gegen die Vorgabe des Art. 6 Abs. 2 der Sanktionsricht-
linie, wirksame Verfahren sicherzustellen, damit illegal
Beschäftigte ihren Lohn und ggf. Entschädigungsansprü-
che gerichtlich durchsetzen können.

Die Übermittlungspflichten behindern aber nicht nur den
Zugang zu den Arbeitsgerichten. Menschen ohne Aufent-
haltsstatus vermeiden den Kontakt mit allen staatlichen
Einrichtungen aus Furcht, dass dadurch ihr Aufenthalt in
Deutschland bekannt wird. So kommen ihnen Leistungen,
auf die sie einen Anspruch haben, nicht zugute. Das gilt
insbesondere für den Zugang zur medizinischen Versor-
gung und den Kindergarten- und Schulbesuch.

Mit dem Änderungsantrag sollen die Übermittlungs-
pflichten gemäß § 87 AufenthG auf die öffentlichen Stel-
len, die der Gefahrenabwehr und Strafrechtspflege die-
nen, begrenzt werden. Andere öffentliche Stellen dürfen
personenbezogene Daten über Ausländerinnen und Aus-
länder ohne Aufenthaltsstatus nicht mehr an die Auslän-
derbehörden weitergeben. Dadurch soll insbesondere öf-
fentlichen Stellen, deren Kernaufgabe die Gewährung
sozialer Rechte ist, die Datenübermittlung untersagt wer-
den, denn die Übermittlungspflicht steht der Erfüllung ih-
rer Aufgaben entgegen. Nur wenn Anspruchsberechtigte
sicher sein können, dass die Ausländerbehörden über ih-
ren Aufenthalt nicht informiert werden, werden sie sich
an die Leistungsträger wenden, um ihre Rechte wahrzu-
nehmen.

Ausschussdrucksache 17(4)292 H

In Artikel 4 wird nach Ziffer 3 folgende Ziffer 4 eingefügt:

㤠34 Abs. 2 wird aufgehoben

Die bisherigen Ziffern 4 und 5 werden die Ziffern 5
und 6.“

Begründung:
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
(EGMR) hat in der Entscheidung M.S.S. gegen Belgien
und Griechenland im Januar 2011 unmissverständlich
klargestellt, dass die Haft- und Lebensbedingungen für
Flüchtlinge in Griechenland gegen die Menschenrechte
verstoßen. Andere europäische Staaten dürfen Asylsu-
chende daher nicht nach Griechenland überstellen. Das
Gericht hat auch festgestellt, dass ein Schutzsuchender in
jedem Fall vor einer Rückführung in einen anderen EU-
Mitgliedsstaat die Möglichkeit einer effektiven recht-
lichen Überprüfung mit aufschiebender Wirkung haben
muss. Eine solche Möglichkeit gibt es aber nach gelten-
dem deutschen Recht nicht.

Seit den mit dem 1. EU-Richtlinienumsetzungsgesetz
2007 eingeführten Änderungen wurde über § 34a Abs. 2
AsylVfG der einstweilige Rechtsschutz gegen Entschei-
dungen im Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung ge-
nerell ausgeschlossen. Vom Ausland aus kann ein effekti-
ver Rechtsschutz vor deutschen Verwaltungsgerichten
nicht greifen. Ein Rechtsbehelf ist nur dann wirksam,

richtlicher Überprüfung eintreten können, soweit als
möglich ausgeschlossen werden können.

Die große Mehrheit der Verwaltungsgerichte setzt sich
inzwischen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschut-
zes gegen Abschiebungsanordnungen des Bundesamtes
für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über den Wort-
laut des § 34a Absatz 2 AsylVfG hinweg. Sie nehmen da-
mit – entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Rege-
lung – einen Entscheidungsspielraum in Anspruch, der
demjenigen gleicht, den das Bundesverfassungsgericht
für die Aussetzung des Vollzugs von Abschiebungsanord-
nungen im Rahmen des Erlasses von einstweiligen An-
ordnungen gemäß § 32 BVerfGG für sich in Anspruch
nimmt. Zur Begründung wird von den Gerichten ausge-
führt, die Bestimmung des § 34a Absatz 2 AsylVfG sei
verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass sie
entgegen ihrem Wortlaut die Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes im Zusammenhang mit geplanten Ab-
schiebungen auf der Grundlage der Dublin-II-Verord-
nung nicht generell verbiete.

Es erscheint dringend geboten, die menschen- und euro-
parechtswidrigen Bestimmungen des deutschen Rechts
aufzuheben und im deutschen Recht effektiven Rechts-
schutz gemäß der Europäischen Menschenrechtskonven-
tion und europarechtlichen Vorgaben festzuschreiben.

d) Darüber hinaus hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN auf Ausschussdrucksache 17(4)302 einen
Änderungsantrag zum Antrag der Koalitionsfraktionen
auf Ausschussdrucksache 17(4)293 gestellt. Dieser
wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt und hat folgen-
den Wortlaut:

Nach Artikel 8 wird folgender Artikel 9 eingefügt:

Artikel 9
Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch

Nach § 6 Absatz 2 S. 1 des Achten Buches Sozialge-
setzbuch – Kinder und Jugendhilfe – (Artikel 1 des Geset-
zes vom 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) in der Fassung
der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I
S. 3134), zuletzt geändert durch Artikel 3a des Gesetzes
vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453), wird folgender
Satz 2 eingefügt:

„Die Einschränkung nach Satz 1 gilt weder für den An-
spruch auf Förderung in Tageseinrichtungen und in Kin-
dertagespflege gemäß § 24 noch wenn das Kindeswohl
die Inanspruchnahme von Leistungen erfordert.“

Begründung
Mit dem Änderungsantrag der Fraktionen CDU/CSU
und FDP werden Schulen sowie Bildungs- und Erzie-
hungseinrichtungen von der Übermittlungspflicht gemäß
§ 87 AufenthG ausgenommen, damit Kinder und Jugend-
liche ohne Furcht vor Statusaufdeckung Kindertagesein-
richtungen und Schulen besuchen können. Das ist ein
Schritt in die richtige Richtung, jedoch nicht ausrei-
chend, um den Zugang zu Kindertageseinrichtungen für
wenn irreparable Folgen, wie sie durch die sofortige
Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme vor deren ge-

alle Kinder sicherzustellen. Denn eine weitere Regelung
steht dem Besuch einer Kindertageseinrichtung im Weg.

Drucksache 17/6497 – 14 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Nach § 6 Abs. 2 SGB VIII sind Kinder ohne Aufenthalts-
status von der Kinder- und Jugendhilfe ausgeschlossen.
Sie haben also keinen Anspruch auf den Besuch einer
Kindertageseinrichtung gemäß § 24 SGB VIII. Mit der
vorgeschlagenen Änderung wird dieses Hindernis besei-
tigt. Durch die Änderung wird überdies sichergestellt,
dass auch Kinder ohne Aufenthaltsstatus Anspruch auf
weitere Leistungen nach dem SGB VIII haben, wenn ihr
Wohl dies erfordert.

Sowohl das Grundgesetz als auch verschiedene inter-
nationale Menschenrechtspakte verpflichten Deutsch-
land, für das Wohl von allen in Deutschland lebenden
Kindern zu sorgen. Insbesondere die UN-Kinderrechts-
konvention schreibt vor, dass das Kindeswohl bei allen
staatlichen Entscheidungen vorrangig berücksichtigt
werden muss. Das deutsche Recht steht mit diesen Vorga-
ben nicht in vollem Umfang in Einklang, denn nach § 6
Abs. 2 SGB VIII sind Kinder in der aufenthaltsrecht-
lichen Illegalität von Leistungen der Kinder- und Jugend-
hilfe ausgeschlossen.

II. Zur Begründung
Zur Begründung allgemein wird auf die Drucksachen
17/5470 und 17/6053 hingewiesen. Die auf Grundlage des
Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen auf Ausschuss-
drucksache 17(4)293 vom Innenausschuss vorgenommenen
Änderungen begründen sich wie folgt:

Zu Nummer 1

Zu Buchstabe a (Artikel 1 Nummer 1)

Bei der Anpassung der Inhaltsübersicht handelt es sich um
eine Folgeänderung zur Einfügung des § 90c in das Aufent-
haltsgesetz.

Zu Buchstabe b (Artikel 1 Nummer 32)

Die in § 59 Absatz 7 Satz 2 geregelte Ausreisefrist wird im
Interesse der Opfer von Menschenhandel und illegaler
Beschäftigung auf mindestens drei Monate verlängert, um
ihnen ausreichend Bedenk- und Stabilisierungszeit zu ge-
währen. In den Fällen des Satzes 3, der unverändert bleibt,
kann die Ausländerbehörde von einer Ausreisefrist absehen,
sie aufheben oder verkürzen.

Zu Buchstabe c (Artikel 1 Nummer 35)

§ 62a Absatz 4, der Artikel 16 Absatz 4 der Rückführungs-
richtlinie umsetzt, wird dahingehend präzisiert, dass Mit-
arbeitern von einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungs-
organisationen der Besuch von Abschiebungsgefangenen im
Regelfall gestattet werden soll, allerdings nur dann, wenn
der Gefangene dies wünscht.

Zu Buchstabe d (Artikel 1 Nummer 37)

Mit dem elektronischen Aufenthaltstitel werden die Aufent-
haltstitel im Hinblick auf Form sowie Antrags- und Ausga-
beverfahren grundlegend modernisiert und es wird ein höhe-
rer Sicherheitsstandard erreicht. Auf Grund der technisch
aufwändigeren Herstellung des elektronischen Aufenthalts-

gegenüber den bisherigen Aufenthaltstiteln als Klebeetiket-
ten an.

Die Kosten für einen elektronischen Aufenthaltstitel, die an
den Dokumentenhersteller künftig auch in den Fällen der
Neuausstellung abzuführen sind, belaufen sich auf
30,80 Euro. Neben diesem Anstieg der Produktkosten muss
der festzulegende Rahmen für den Gebührenhöchstsatz es
ermöglichen, auch den zu erwartenden erhöhten Bear-
beitungsaufwand und damit die Verwaltungskosten an-
gemessen zu berücksichtigen.

Bei Festsetzung der in Fällen der Neuausstellung elektroni-
scher Aufenthaltstitel künftig zu erhebenden Gebühr ist dem
Umstand Rechnung zu tragen, dass der Verwaltungsaufwand
für die Neuausstellung nahezu identisch ist mit dem bei der
Ersterteilung eines elektronischen Aufenthaltstitels. Insbe-
sondere ist ebenso wie bei der Ersterteilung die Abnahme
biometrischer Merkmale (Fingerabdrücke) notwendig. Dies
erfordert wiederum zwei Vorsprachen des Ausländers in der
Ausländerbehörde.

Die Aufnahme des Gebührenrahmens in Höhe von 60 Euro
ist vor diesem Hintergrund notwendig, um für Fälle der Neu-
ausstellung eines Dokuments eine angemessene und kosten-
deckende Gebühr festsetzen zu können.

Zu Buchstabe e (Artikel 1 Nummer 48)

Kinder von Menschen, die sich ohne Aufenthaltstitel oder
Duldung und ohne Kenntnis der Behörden im Bundesgebiet
aufhalten, können nach Angaben von Kirchen, Gewerk-
schaften und Wohlfahrtsverbänden von ihren Eltern aus
Furcht vor Aufdeckung des unerlaubten Aufenthalts vom
Schulbesuch und der Nutzung von Bildungs- und Erzie-
hungseinrichtungen ferngehalten werden. Dem daraus resul-
tierenden Fehlen einer Lebensperspektive und drohender
geistiger sowie psychischer Verwahrlosung soll entgegenge-
wirkt werden.

Um der Zielgruppe die Furcht vor Entdeckung des illegalen
Aufenthaltes zu nehmen und den Besuch von öffentlichen
Schulen sowie Bildungs- und Erziehungseinrichtungen für
sie zu erleichtern, sollen diese öffentlichen Stellen von den
bisher uneingeschränkt bestehenden aufenthaltsrechtlichen
Übermittlungspflichten gegenüber Ausländerbehörden aus-
genommen werden.

Durch die Ergänzung in § 87 Absatz 1 werden deshalb
„Schulen“ sowie „Bildungs- und Erziehungseinrichtungen“
von der bisher ausnahmslos bestehenden Verpflichtung
öffentlicher Stellen ausgenommen, den in § 86 genannten
Stellen (insbesondere Ausländerbehörden) auf deren Ersu-
chen die in Erfüllung eigener Aufgaben bekannt gewordenen
Umstände mitzuteilen, soweit dies für die dort genannten
Zwecke erforderlich ist.

Der Begriff „Schulen“ in diesem Sinne umfasst alle von der
öffentlichen Hand getragenen Schulen, d. h. Grund-, Haupt-,
Sonder- und Gesamtschulen sowie weiterbildende und be-
rufsbildende Schulen.

Mit der Einbeziehung von „Bildungs- und Erziehungsein-
richtungen“ in den Ausnahmetatbestand wird neben dem
Schulbesuch auch die Nutzung von Kindergärten, Kinder-
titels und des damit verbundenen neuen digitalen Antrags-
verfahrens steigen die Produktions- und Verwaltungskosten

tagesstätten, kinder- und jugendtherapeutischen Einrichtun-
gen und solchen der Jugendhilfe im Sinne des Gesetzes-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15 – Drucksache 17/6497

zwecks erleichtert. Auch insoweit sind ausschließlich von
der öffentlichen Hand betriebene Einrichtungen dieser Art
umfasst; Schulen sowie Bildungs- und Erziehungseinrich-
tungen in privater Trägerschaft sind ohnehin schon bisher
nicht übermittlungspflichtig.

Die Änderung von § 87 Absatz 2 überträgt den Ausnahme-
tatbestand des Absatzes 1 auf die dort geregelte Über-
mittlungsverpflichtung ohne Ersuchen. Damit entfällt die
Übermittlungspflicht von Schulen sowie Bildungs- und Er-
ziehungseinrichtungen auch in den Fällen, in denen der zu-
ständigen Ausländerbehörde nach bisher geltendem Recht
auf eigene Initiative der betreffenden öffentlichen Stelle
Mitteilung von Umständen im Sinne der enumerativen
Aufzählung von Absatz 2 gemacht werden musste, wenn sie
in Erfüllung der jeweiligen Aufgaben bekannt geworden
sind.

§ 87 Absatz 2 regelt die Verpflichtung zur Übermittlung,
nicht aber die Befugnis öffentlicher Stellen, Umstände ge-
mäß der enumerativen Aufzählung des Absatzes 2 zwecks
Übermittlung an die zuständige Ausländerbehörde zu erhe-
ben. Öffentliche Stellen, für die der Ausnahmetatbestand
gilt, sind grundsätzlich solche der Länder und Kommunen;
deren Befugnis zur Datenübermittlung an zuständige
Ausländerbehörden unterliegt dem Datenschutzrecht der
Länder.

Zu Buchstabe f (Artikel 1 Nummer 50 – neu)

In § 90c Absatz 1 wird geregelt, dass Daten im Visumverfah-
ren von den Auslandsvertretungen an die im Visumverfahren
beteiligten Behörden und von diesen zurück an die Aus-
landsvertretungen automatisiert über eine vom Auswärtigen
Amt betriebene technische Vorrichtung zur Unterstützung
des Visumverfahrens übermittelt werden. Die technische
Vorrichtung soll die vollständige, korrekte und fristgerechte
Übermittlung der Visumdaten sicherstellen. Die Daten sol-
len zu diesem Zweck in der technischen Vorrichtung gespei-
chert werden.

Aufgrund verschiedener nationaler und europäischer Rege-
lungen können die Auslandsvertretungen über einen Visum-
antrag in der Regel erst dann entscheiden, wenn weitere Be-
hörden beteiligt wurden. Jährlich werden von den deutschen
Auslandsvertretungen über zwei Millionen Visumanträge
bearbeitet. Die vorgesehene Übermittlung von Visumdaten
über die technische Vorrichtung im Auswärtigen Amt zur
Beteiligung weiterer Behörden bietet daher – im Gegensatz
zum Papierverfahren – die Möglichkeit, ein aufwändiges
und kompliziertes Verfahren zügig abzuwickeln und gleich-
zeitig die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften sicherzu-
stellen. Es liegt daher im überwiegenden Allgemeininteres-
se, die Datenübermittlung im Visumverfahren auf dem
beschriebenen Weg durchzuführen. Auch der Visumantrag-
steller hat ein großes Interesse daran, dass über seinen An-
trag auf Erteilung eines Visums zeitnah entschieden wird, so
dass bei dem beschriebenen Verfahren auch die Verhältnis-
mäßigkeit gewahrt wird.

Die Auslandsvertretungen sind nicht unmittelbar und jeweils
einzeln mit den im Visumverfahren zu beteiligenden Stellen
verbunden. Eine einzelne Anbindung jeder Auslandsvertre-

die technische Vorrichtung im Auswärtigen Amt und wäre
zudem nicht nur aufwändig, sondern auch kostenintensiv.
Daher soll die Übermittlung über die technische Vorrichtung
im Auswärtigen Amt, die mit den Auslandsvertretungen ver-
bunden ist, erfolgen. Hierdurch wird die Übermittlung der
Anfragen und Antworten der im Visumverfahren zu beteili-
genden Stellen sichergestellt.

§ 90c Absatz 2 regelt den engen Rahmen, in dem die Daten
erhoben, verarbeitet und genutzt werden dürfen. Eine Erhe-
bung, Verarbeitung und Nutzung der Daten ist nur zur recht-
mäßigen Erfüllung des in Absatz 1 Satz 1 und 2 genannten
Zwecks zulässig.

§ 90c Absatz 3 regelt die Löschfristen für die in der techni-
schen Vorrichtung gespeicherten Daten. Die Daten sind un-
verzüglich zu löschen, wenn sie zu dem in Absatz 1 Satz 1
und 2 vorgesehenen Zweck nicht mehr benötigt werden. Sie
sind spätestens zu löschen, wenn das Visum erteilt oder ver-
sagt oder der Visumantrag zurückgenommen wurde. Hier-
durch wird konkretisiert, zu welchem Zeitpunkt die Daten in
der technischen Vorrichtung spätestens nicht mehr benötigt
werden.

Zu Buchstabe g

Es handelt sich um eine Anpassung der Nummerierung des
Gesetzentwurfs.

Zu Buchstabe h

§ 99 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 ermächtigt das Bundesmi-
nisterium des Innern dazu, durch Rechtsverordnung mit Zu-
stimmung des Bundesrats zu bestimmen, dass die Auslands-
vertretungen nicht nur Dateien über erteilte und versagte
Visa, sondern auch über beantragte, zurückgenommene, an-
nullierte, widerrufene und aufgehobene Visa sowie zurück-
genommene Visumanträge führen dürfen und die jeweils in
diesen Dateien gespeicherten Daten untereinander austau-
schen dürfen. Die Erfassung auch dieser Daten in den Da-
teien der Auslandsvertretungen ist erforderlich, um den je-
weils aktuellen Bearbeitungsstand des Visumantrags bzw.
eine entsprechende Entscheidung zeitnah wiedergeben zu
können. Dies liegt insbesondere bei Rückfragen von Behör-
den auch im Interesse des Visumantragstellers. Nur auf diese
Weise sind die Auslandsvertretungen für Behördenanfragen
im Zusammenhang mit Grenzkontrollen oder Folgeanträgen
auskunftsfähig. Die Datenkategorien Annullierung und Auf-
hebung von Visa ergeben sich aus der Verordnung (EG)
Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft
(Visakodex).

Zu Nummer 2 (Artikel 11 – neu)

Artikel 11 beinhaltet sozial- und leistungsrechtliche Folge-
änderungen zu § 25a des Aufenthaltsgesetzes, der durch das
Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren
Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung
weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften neu
eingeführt wird. § 63 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch,
§ 8 des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes und § 8 des
Bundesausbildungsförderungsgesetzes schließen jeweils
tung an jede beteiligte Behörde könnte die Sicherheit der Da-
ten nicht genauso gewährleisten wie eine Übermittlung über

Ausländer in den Kreis der förderfähigen Personen ein, so-
fern sie eine dauerhafte Aufenthaltsperspektive in Deutsch-

Drucksache 17/6497 – 16 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

land haben. Dieser Regelungssystematik entsprechend sind
auch Titelinhaber nach § 25a – neu – des Aufenthaltsgeset-
zes in den Berechtigtenkreis der jeweiligen Bestimmungen
einzubeziehen.

Zu Nummer 3

Es handelt sich um eine Anpassung der Nummerierung des
Gesetzentwurfs.

Zu Nummer 4 (Artikel 12 Nummer 10)

Die Änderung wird aufgrund einer entsprechenden Ände-
rung durch die 6. Verordnung zur Änderung der Aufenthalts-
verordnung hinfällig.

Die Fraktion der CDU/CSU erläutert, man wolle mit dem
Änderungsantrag Ergänzungen und Präzisierungen im Ge-
setzentwurf vornehmen, auch um Wünschen humanitärer
und kirchlicher Organisationen Rechnung zu tragen. Der
Verzicht auf Übermittlungspflichten für Kinder illegaler
Einwanderer sei schon im Koalitionsvertrag angelegt. Diese
Kinder teilten bislang das Schicksal ihrer Eltern, ohne vor-
werfbar an der Illegalität beteiligt zu sein. Indem man ihnen
in Deutschland Bildungschancen eröffne, hätten sie bei
einer Rückkehr auch bessere Perspektiven in ihrer Heimat.
Zudem werde so einem aus dem Mangel an Beschäftigung
und Lebensperspektive ggf. resultierenden Fehlverhalten
und damit verbundenen Gefahren für die Sicherheit und
Ordnung entgegengewirkt. Die Anträge der Opposition gin-
gen zu weit. Es würde einen Verstoß gegen die Einheit der
Rechtsordnung darstellen, wenn ein illegal Beschäftigter
seinen Lohn einklagen und dann weiter illegal arbeiten
könnte, ohne dass die Ausländerbehörde davon erfahre. Im
Gesundheitsbereich hätten schon heute alle relevanten
Akteure keine Mitteilungspflicht. Während die Koalition die
Möglichkeit des Besuchs von Abschiebungsgefangenen
jetzt erweitere – wenn sie es wünschten –, sei man gegen ei-
ne Ausweitung der Abschiebungsbeobachtungen auf Flug-
häfen, da dies in der Praxis zu einer massiven Einwirkung
auf Mitarbeiter der Ausländerbehörden und Bundespolizis-
ten führe. Schließlich eröffne man – wie angekündigt – gut
integrierten Jugendlichen, die unter die neue Bleiberechtsre-
gelung des § 25a des Aufenthaltsgesetzes fielen, den Zu-
gang zum BaföG.

Die Fraktion der SPD hätte sich erhofft, dass die Koalition
mehr von den wertvollen Anregungen aus der Anhörung
übernommen hätte. Man freue sich, dass immerhin die auf-
enthaltsrechtlichen Mitteilungspflichten in Schule und Kin-
dergarten abgeschafft würden. Dies greife aber zu kurz.
Nötig sei eine klare Beschränkung von Übermittlungspflich-
ten auf Polizei- und Ordnungsbehörden und öffentliche
Stellen mit der Aufgabe der Strafverfolgung- und -voll-
streckung, wie sie im Änderungsantrag der Fraktion der SPD
gefordert werde. Dies entspreche auch der Rechtslage in den
meisten EU-Staaten. Die Mitteilungspflicht für Arbeitsge-
richte sei überflüssig und widerspreche nach Aussagen von
Experten in der Anhörung der EU-Sanktionsrichtlinie. Ent-
gegen den Anforderungen der Richtlinie führe die Übermitt-
lungspflicht dazu, dass kein illegal Beschäftigter seinen
Lohn einklage. Die Fraktion der SPD werde den Gesetzent-
wurf daher ablehnen. Den Änderungsanträgen der Fraktion

man insoweit nach der Sommerpause einen eigenen Antrag
einbringen wolle. Insgesamt sei der von der Koalition im Re-
gelungsbereich der Rückführungsrichtlinie erreichte Stan-
dard zu niedrig.

Die Fraktion der FDP zeigt sich zufrieden, dass mit dem
Gesetzentwurf drei wichtige EU-Rechtsakte umgesetzt wür-
den und dass der Entwurf nach Aussagen der Experten in
der Anhörung eine klare Eins-zu-Eins-Umsetzung darstelle.
Die Rückführungsrichtlinie sehe eine Abschiebungshaft als
Ultima Ratio vor und die Sanktionsrichtlinie einen entschie-
denen Kampf gegen die Schwarzarbeit. Insofern wundere
man sich über die kritische Haltung der Fraktion der SPD
zum Gesetzentwurf, zumal sie damals diese Richtlinien in
Brüssel mitverhandelt und mitgetragen habe. Der Gesetzent-
wurf regele auch klar die Trennung von Strafvollzug und
Abschiebungshaft. Die Umsetzung in der Praxis werde man
beobachten. Hierzu diene auch eine geplante Evaluierung
der Abschiebungshaftbedingungen. Die Ergänzungen und
Präzisierungen durch den Änderungsantrag brächten Ver-
besserungen für die Betroffenen aus humanitären Erwägun-
gen. Gerade Kinder sollten nicht an einem illegalen Status
leiden müssen. Bildung sei ein Bürgerrecht. Auch die Ver-
längerung der Bedenk- und Stabilisierungszeit für Opfer
von Menschenhandel und illegaler Beschäftigung sei sinn-
voll, ebenso wie die Präzisierung hinsichtlich der Besuche
bei Abschiebungshäftlingen.

Die Fraktion DIE LINKE. hebt hervor, dass der Ände-
rungsantrag der Koalition nicht weit genug gehe. Die Frakti-
on DIE LINKE. habe schon immer ein echtes Bleiberecht
für Opfer von Menschenhandel gefordert. An sich sei es da-
her richtig, diesen und den Opfern illegaler Beschäftigung
ein Aufenthaltsrecht zu geben. Die jetzt vorgeschlagene Re-
gelung reiche aber nicht aus, um zu gewährleisten, dass Be-
troffene nicht vom Ausland aus ihre Lohnansprüche einkla-
gen müssten. Bei der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie
habe sich die Koalition praktisch nicht bewegt. Die Anhö-
rung habe wieder einmal gezeigt, dass eine Abschiebungs-
haft von bis zu 18 Monaten unzumutbar sei. Die Gelegen-
heit, hier eine Höchstdauer von drei Monaten einzuführen,
sei verpasst worden. Die unpräzise Regelung in Bezug auf
Minderjährige führe dazu, dass diese auch weiterhin inhaf-
tiert werden könnten. Die Fraktion DIE LINKE. werde da-
her Gesetzentwurf und Änderungsantrag der Koalitionsfrak-
tionen ablehnen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht die Ein-
heit der Rechtsordnung eher dadurch gefährdet, dass ein Ar-
beitgeber, der Migranten ohne gültigen Aufenthaltstitel be-
schäftige und noch dazu nicht bezahle, dies auch in Zukunft
weiter tun könne, da er faktisch nichts zu befürchten habe.
Hiergegen müsse man effektiver vorgehen. Die Anhörung
habe deutlich gemacht, dass die Richtlinienumsetzung – wie
häufig im Ausländerrecht – eben nicht Eins-zu-Eins, sondern
unpräzise oder z. T. gar nicht erfolgt sei. So sei das Tren-
nungsgebot zwischen Abschiebungshaft und Strafvollzug
nicht korrekt umgesetzt, ebenso wie die Anforderung, eine
Inhaftierung von Minderjährigen möglichst ganz zu vermei-
den. Auch der erforderliche effektive Rechtsschutz bei Dub-
lin-II-Überstellungen sei nicht geregelt. Begrüßenswert sei
die Datenübermittlungssperre für Schulen und Kindertages-
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werde man überwiegend zu-
stimmen, mit Ausnahme des Antrags zur Abschiebehaft, da

stätten. Hier habe die Koalition aber offenbar den § 6
Absatz 2 SGB VIII übersehen. Die Fraktion BÜNDNIS 90/

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 17 – Drucksache 17/6497

Berlin, den 6. Juli 2011

Reinhard Grindel
Berichterstatter

Rüdiger Veit
Berichterstatter

Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Josef Philip Winkler
Berichterstatter

DIE GRÜNEN habe daher eine wichtige Anschlussregelung
in einem Änderungsantrag vorgelegt. Im Übrigen teile man
die Kritik der anderen Oppositionsfraktionen an der fortbe-
stehenden Übermittlungspflicht der Arbeitsgerichte. Dies
widerspreche klar der Sanktionsrichtlinie.

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