BT-Drucksache 17/6418

Angemessene Berücksichtigung von Frauen bei klinischen Arzneimittelprüfungen

Vom 4. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6418
17. Wahlperiode 04. 07. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgitt Bender, Dr. Harald Terpe, Elisabeth Scharfenberg, Maria
Klein-Schmeink, Katrin Göring-Eckardt, Sven-Christian Kindler, Brigitte Pothmer,
Monika Lazar und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Angemessene Berücksichtigung von Frauen bei klinischen Arzneimittelprüfungen

Im Jahr 2004 wurde im Rahmen der 12. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG)
unter anderem der § 42 AMG (Verfahren bei der Ethik-Kommission, Genehmi-
gungsverfahren bei der Bundesoberbehörde) verändert. Zielsetzung war, Frauen
künftig angemessen bei klinischen Arzneimittelprüfungen zu berücksichtigen.
Es sollte dem Missstand abgeholfen werden, dass Arzneimittelstudien (z. B. zur
Zulassung von Medikamenten) bis dahin überwiegend an Männern durchgeführt
wurden. Dadurch blieb unberücksichtigt, dass es geschlechtsspezifische Un-
terschiede in der Pharmakodynamik und -kinetik bestehen, d. h., dass Frauen und
Männer zum Teil unterschiedlich auf Medikamente ansprechen bzw. diese anders
verstoffwechseln. Ziel war und ist, durch eine ausreichende Zahl von Probandin-
nen eine geschlechtsspezifische Auswertung vornehmen zu können. Darauf ba-
sierend sollte – wenn notwendig – zukünftig bei der Medikamentenanwendung
eine nach Geschlecht differierende Dosierungsempfehlung bzw. Therapieüberwa-
chung erfolgen sowie unerwünschte Arzneimittelwirkungen, von denen Frauen
häufiger betroffen sind als Männer, verhindert werden.

Eine im Jahr 2007 von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum gleichen
Gegenstand gestellte Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 16/6509) blieb zu
großen Teilen wegen der geringen Zahl bis dahin abgeschlossener Zulassungs-
studien von der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 16/6658) unbeantwor-
tet.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wurde die Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei
der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwen-
dung am Menschen (GCP-Verordnung – GCP-V) zwischenzeitlich in den Be-
reichen

a) Konkretisierungen der Sicherstellung einer angemessenen Berücksich-
tigung von Frauen bei klinischen Studien

b) Darlegung, ob bzw. welche geschlechtsspezifischen Auswertungen vorge-
sehen sind und ob geschlechtsspezifische Unterschiede zu erwarten sind

verändert?

Falls ja, warum?

Falls nein, warum nicht?

2. Welche Angaben müssen die Sponsorinnen und Sponsoren bzw. Prüferinnen
und Prüfer bei der Beantragung von Arzneimittelstudien zur angemessenen
Beteiligung von Frauen machen?

Drucksache 17/6418 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Reicht der jeweils zuständigen Bundesoberbehörde die pauschale Angabe
aus, dass Frauen und Männer in der Studie berücksichtigt werden sollen,
oder existieren Kriterien oder Verfahren, anhand derer die angemessene
Beteiligung von Frauen bzw. Männern geprüft wird?

4. Haben die zuständigen Bundesoberbehörden Kriterien oder Verfahren ent-
wickelt, unter welchen Bedingungen sie dazu auffordern werden, eine ge-
schlechtsspezifische Auswertung vorzunehmen?

Wenn ja, wie sind diese konkret ausgestaltet?

Wenn nein, warum nicht?

5. Gibt es zwischen den zuständigen Bundesoberbehörden und den Ethik-
Kommissionen Verabredungen, wie die Angemessenheit der Beteiligung
von Frauen zu definieren und zu bewerten ist?

6. Sind in den zuständigen Bundesoberbehörden und den Ethik-Kommissio-
nen Personen, die für die Bewertung der Angemessenheit der Repräsentanz
von Frauen als Probandinnen spezielle Kompetenzen mitbringen, systema-
tisch vorgesehen?

Falls ja, welche sind dies?

Falls nein, welche Pläne liegen hier vor, um dieses Kompetenzdefizit zu be-
heben?

7. a) Wie viele Anträge zur Bewertung bzw. Genehmigung lagen den Ethik-
Kommissionen bzw. den zuständigen Bundesoberbehörden seit der An-
passung der GCP-V im August 2004 vor?

b) Bei wie vielen dieser Anträge waren keine Probandinnen vorgesehen,
und was waren die häufigsten Begründungen für ihren Ausschluss?

c) Bei wie vielen dieser Anträge wurde von Seiten der Antragstellenden
angegeben, welcher Anteil an Probandinnen mindestens gewonnen wer-
den müsse, um von einer angemessenen Repräsentanz von Frauen zu
sprechen?

d) Bei wie vielen dieser Anträge war von Seiten der Antragstellenden eine
Mindestbeteiligung von Frauen vorgesehen, um eine geschlechtsspezi-
fische Auswertung möglich zu machen?

8. Bei wie vielen dieser Anträge wurde von den zuständigen Bundesoberbe-
hörden der vorgesehene Anteil an Probandinnen als nicht angemessen an-
gesehen, Begründungen nachgefordert oder eine Korrektur erwartet?

9. a) Bei wie vielen dieser Anträge waren im Studiendesign geschlechtsspezi-
fische Auswertungen der (Neben-)Wirkungen vorgesehen?

b) Bei wie vielen dieser Anträge wurde von der jeweils zuständigen Bun-
desoberbehörde im Studiendesign eine geschlechtsspezifische Auswer-
tung der (Neben-)Wirkungen als notwendig erachtet und ergänzend vor-
geschlagen?

In wie vielen Fällen wurden diese Vorschläge aufgegriffen?

10. a) In welchem Umfang liegen der jeweils zuständigen Bundesoberbehörde
abgeschlossene Zulassungsverfahren vor, bei denen die Studien nach der
Änderung der GCP-V im August 2004 beantragt wurden?

b) Wie verteilen sich die Gesamtzahlen der Probanden und Probandinnen
in diesen abgeschlossenen Studien auf Frauen/Männer, und in welchem
Umfang waren Minderjährige sowie Ältere über 65 Jahren beteiligt?

c) Wie bewertet die Bundesregierung diese Zahlen im Vergleich zu Daten
aus dem Jahr 2005 (Bundestagsdrucksache 15/5954, Antwort zu der
schriftlichen Frage 37)?

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d) Wie verteilt sich in diesen abgeschlossenen Studien (getrennt nach Phase I,
II und III) der tatsächliche Anteil von Frauen an allen Probandinnen und
Probanden (unterteilt nach keine, bis 20 Prozent, 20 bis 50 Prozent und
über 50 Prozent)?

e) In wie vielen dieser abgeschlossenen Studien wurde eine geschlechts-
spezifische Auswertung vorgenommen, und in wie vielen Fällen führte
diese Auswertung zu unterschiedlichen Empfehlungen (Indikationen und
Dosis)?

f) In wie vielen dieser abgeschlossenen Studien ohne geschlechtsspezifische
Auswertung wäre, nach der Einschätzung der zuständigen Zulassungsbe-
hörde, eine geschlechtsspezifische Auswertung sinnvoll gewesen?

11. Geht die Bundesregierung davon aus, dass die 2004 vorgenommenen Ver-
änderungen im AMG und der GCP-V zu einer höheren und angemessenen
Beteiligung von Frauen in klinischen Prüfungen geführt hat?

Falls ja, wie begründet sie dies?

Falls nein, durch welche nationalen und europäischen Maßnahmen plant
sie, dies zu verändern?

12. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag, bei klinischen Arznei-
mittelstudien für geschlechtssensible Arzneimittelgruppen oder generell
eine Mindestbeteiligung von Frauen (z. B. je nach geschlechtsspezifischer
Prävalenz der Erkrankung) vorzuschreiben, von der nur mit einer expliziten
pharmakologischen Begründung, dass keine geschlechtsspezifischen Un-
terschiede zu erwarten sind, abgewichen werden kann?

13. Geht die Bundesregierung davon aus, dass die vorgenommenen Verände-
rungen im AMG und der GCP-V dazu geführt haben, dass häufiger als bis-
her geschlechtsspezifische Auswertungen in klinischen Studien vorgenom-
men wurden?

Falls ja, wie begründet sie dies?

Falls nein, durch welche nationalen und europäischen Maßnahmen plant
sie, dies zu verändern?

14. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag, bei klinischen Arznei-
mittelstudien eine geschlechtsspezifische Auswertung von (Neben-)Wir-
kungen (mit einem geregelten Verfahren für wissenschaftlich begründete
Abweichungen) vorzuschreiben?

Berlin, den 1. Juli 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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