BT-Drucksache 17/6402

Festschreiben der geringen Menge im Betäubungsmittelgesetz für Cannabisbesitz (Nachfrage zu Bundestagsdrucksache 17/4913)

Vom 30. Juni 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6402
17. Wahlperiode 30. 06. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Tempel, Jan Korte, Dr. Martina Bunge, Ulla Jelpke,
Petra Pau, Jens Petermann, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak, Harald Weinberg
und der Fraktion DIE LINKE.

Festschreiben der geringen Menge im Betäubungsmittelgesetz
für Cannabisbesitz
– Nachfrage zu Bundestagsdrucksache 17/4913 –

In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage „Festschreiben der ,geringen Menge‘ im
Betäubungsmittelgesetz für Cannabisbesitz“ (Bundestagsdrucksache 17/5013)
führt die Bundesregierung aus: „Die Bundesregierung hält an der grundsätz-
lichen Strafbarkeit des Besitzes, Erwerbs und Anbau von Cannabis fest. (…)
Durch die präventive Wirkung der Strafdrohung wird die Verfügbarkeit und die
Verbreitung der Substanz eingeschränkt.“

Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Schweizer Natio-
nalrates kam in einem Bericht vom 30. April 1999 zu dem Ergebnis:

„Die verbreitete Vermutung einer ins Gewicht fallenden generalpräventiven
Wirkung der Konsumstrafbarkeit kann nicht nachgewiesen werden und scheint
auch wenig plausibel […]. Sämtliche empirischen Untersuchungen und statisti-
schen Daten, sowohl im internationalen wie im interkantonalen Quervergleich
deuten dementsprechend mit steter Regelmäßigkeit darauf hin, dass zwischen
der Verbreitung/Häufigkeit des Drogenkonsums und der strafrechtlichen Ver-
folgungs- und Sanktionierungspraxis kein signifikanter Zusammenhang be-
steht.“

Als wesentliches Argument, dass Cannabis weiterhin verboten bleiben soll,
führt die Bundesregierung dessen unbestrittenen möglichen schädlichen Aus-
wirkungen an. Dieses Argument verliert allerdings an Glaubwürdigkeit, wenn
man diese Auswirkungen mit den Schäden vergleicht, die die nach wie vor lega-
len Drogen Alkohol und Tabak mit sich bringen.

Mittlerweile ist es wissenschaftlich belegt, dass der Konsum von Cannabis we-
niger schädlich ist als der Konsum von Tabak und Alkohol. So kommt beispiels-
weise die Studie der Berkeley-Stiftung zu diesem Ergebnis (vgl. Nutt, David u. a.,
Development of a rational scale to assess the harm of drugs of potential misuse,
in: The Lancet, Ausgabe 369, 24. März 2007).
Ebenso kommt eine Studie aus den USA zu dem Ergebnis, dass Cannabiskon-
sum trotz einer Reihe von gesundheitsschädlichen Wirkungen im Vergleich
zum Tabakkonsum ein niedrigeres Krebsrisiko entfalte.

Drucksache 17/6402 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Auf welchen empirischen Grundlagen begründet die Bundesregierung ihre
These einer Korrelation zwischen Cannabisverbot und Cannabiskonsum?

2. Wie schätzt die Bundesregierung inhaltlich die Ergebnisse der in der Vor-
bemerkung genannten Untersuchung der „Kommission für soziale Sicherheit
und Gesundheit“ des Schweizer Nationalrates ein?

3. Auf welchen empirischen Daten stützt die Bundesregierung ihre davon ab-
weichende These, dass durch die Strafandrohung „die Verfügbarkeit und die
Verbreitung der Substanz eingeschränkt wird“?

4. Wie begründet die Bundesregierung den weiterhin legalen Verkehr mit Alko-
hol und Tabak bei zeitgleicher Illegalisierung von Cannabis, obwohl die An-
zahl von Alkohol- und Tabaksüchtigen sowie -toten in keinem Verhältnis zu
Cannabisabhängigen steht (Tote aufgrund von Cannabismissbrauch sind nicht
bekannt) unter Berücksichtigung ihrer Antwort zu Frage 5 der o. g. Kleinen
Anfrage?

5. Wie schätzt die Bundesregierung die gängige Rechtspraxis in Bayern ein,
bei welcher, selbst bei zu erwartenden geringfügigen Strafen oder voraus-
sichtlicher Straffreiheit, Hausdurchsuchungen im Zuge von Ermittlungen
zum Besitz und Anbau kleiner Cannabismengen durchgeführt werden, ins-
besondere mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit, die Geeignetheit und den
Grundsätzen des effektiven Verwaltungshandelns?

6. Wird sich die Bundesregierung im Rahmen der Innenministerkonferenz dafür
einsetzen, dass die bestehende unterschiedliche Rechtspraxis in den Bundes-
ländern betreffend den Hausdurchsuchungen bei geringfügig zu erwartenden
Strafen oder voraussichtlicher Straffreiheit beendet wird?

7. Prüft die Bundesregierung gesetzgeberische Schritte, um der gängigen unter-
schiedlichen Rechtspraxis in den Bundesländern zum Besitz von „geringen
Mengen“ entgegenzusteuern?

8. Plant die Bundesregierung eine grundlegende Veränderung des Betäubungs-
mittelgesetzes, das mittlerweile im Durchschnitt alle 73 Tage verändert wer-
den muss, um auf ständig veränderte chemische Verbindungen einzelner
Drogen zu reagieren?

9. Plant die Bundesregierung analog zu Tschechien, beschlagnahmtes Canna-
bis nach Prüfung der Wirksamkeit und Inhaltsstoffe für die medizinische
Verwendung freizugeben, und was spräche ihrer Ansicht nach gegen eine
solche Verwendung etwa in Anlehnung an geltende Regelungen zur Ab-
schöpfung von Gewinnen aus organisierter Kriminalität?

Berlin, den 30. Juni 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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