BT-Drucksache 17/6369

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP -Drucksachen 17/6071, 17/6363- Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsrahmens für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien

Vom 29. Juni 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6369
17. Wahlperiode 29. 06. 2011

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dorothee Menzner, Dr. Barbara Höll, Eva Bulling-Schröter,
Harald Koch, Ralph Lenkert, Ulla Lötzer, Richard Pitterle, Michael Schlecht,
Sabine Stüber, Dr. Axel Troost, Johanna Voß, Sahra Wagenknecht und der
Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
– Drucksachen 17/6071, 17/6363 –

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsrahmens für die Förderung
der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist ein Schlüssel für die Energie-
wende. Eine angemessene sorgfältige parlamentarische Beratung der EEG-No-
velle wäre auch daher dringend erforderlich gewesen, war aber aufgrund des
Zeitplans der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP nicht möglich. Ohne
ersichtlichen fachlichen Grund wurde die parlamentarische Behandlung der
EEG-Novelle an das beschleunigte Verfahren der Atomgesetznovelle gekoppelt.
Die EEG-Novelle war lange vor dem GAU in Fukushima geplant. In der vor-
gelegten Form steht sie in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Rück-
nahme der Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke in Deutschland. Auch
ein späterer Beschluss des Deutschen Bundestages hätte das geplante Inkraft-
treten des novellierten EEG zum 1. Januar 2012 problemlos ermöglicht. Das
gewählte Vorgehen missachtet nicht nur die legislative Hoheit des Deutschen
Bundestages, sondern setzt fahrlässig die Zukunft einzelner Branchen im Be-
reich der erneuerbaren Energien aufs Spiel.

Die angekündigte Beschleunigung der Energiewende hin zu erneuerbaren Ener-
gien und einem sparsamen und effizienten Umgang mit Energie bleibt aus. Die
im Gesetzentwurf vorgesehenen Ziele der Bundesregierung zum Ausbau erneuer-
barer Energien sind die des alten Energiekonzepts von Herbst 2010, in dessen
Zentrum die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke (AKW) stand. Weniger

Atomstrom bei unveränderter Zielsetzung für den Ausbau erneuerbarer Energien
bedeutet aber zwangsläufig eine Steigerung des Anteils fossiler Kraftwerke bei
der Stromversorgung. Dies ist kein Aufbruch in das erneuerbare Zeitalter, son-
dern ein Festhalten am überkommenen System der fossilen Stromversorgung.

Der Einstieg in eine andere Energiepolitik muss sich konsequent am Ziel einer
erneuerbaren, aber auch vorrangig dezentralen und demokratisierten Stromver-
sorgung orientieren. Dies würde auch den erforderlichen Ausbau der Übertra-

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gungsnetze minimieren. Der vorgelegte Gesetzentwurf führt in die entgegen-
gesetzte Richtung. Kapitalintensive Anlagentypen wie Offshore-Windparks und
große Biogasanlagen werden besser gestellt, Windenergie an Land als die – von
Wasserkraft abgesehen – mit Abstand kostengünstigste erneuerbare Energie
schlechter gestellt. Schon in den vergangenen zwölf Monaten wurde der Ein-
speisetarif für Photovoltaikstrom so drastisch gekürzt, dass der Zubau an Solar-
anlagen im ersten Halbjahr 2011 eingebrochen ist. Die EEG-Novelle spielt den
großen Energieversorgern in die Hände und geht zu Lasten mittelständischer,
dezentraler Strukturen.

Der Gesetzentwurf weist eine soziale Schieflage auf. Die EEG-Kosten werden
durch eine Umlage von gegenwärtig 3,5 Cent pro Kilowattstunde von den Strom-
verbraucherinnen und -verbrauchern getragen. Die Übernahme der EEG-Kosten-
umlage für die energieintensive Industrie ist hingegen auf ein Minimum be-
schränkt. Sie müssen nur einen ermäßigten Satz der EEG-Umlage in Höhe von
0,05 bis 0,35 Cent pro Kilowattstunde übernehmen. Dem steht die preisdämp-
fende Wirkung erneuerbarer Energien an der Strombörse gegenüber. Denn die
Vorrangregelung für erneuerbare Energien bei der Einspeisung ins Stromnetz hat
Einfluss darauf, welche Kraftwerke sonst noch Strom verkaufen können. Wird
etwa mehr Windstrom in das Stromnetz eingespeist, so kommen konventionelle
Kraftwerke mit hohen Betriebskosten an der Strombörse nicht mehr zum Zuge
(sog. Merit-Order-Effekt). Laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit lag dieser preissenkende Effekt im Jahr 2009 (letzte ver-
fügbare Daten) bei rund 0,6 Cent pro Kilowattstunde. Das EEG senkt damit im
Saldo die Stromkosten der Industrie in beträchtlichem Umfang. Mit dem Argu-
ment der internationalen Wettbewerbsfähigkeit wurde die sog. EEG-Ausgleichs-
regelung nichtsdestotrotz massiv ausgeweitet. Mit dem gleichen Argument hat
die energieintensive Industrie bereits Privilegien bei der Ökosteuer, Ausgleich-
zahlungen für emissionshandelsbedingte Strompreiserhöhungen und kostenlose
CO2-Zertifikate im Emissionshandel über 2013 hinaus errungen. Die Schatten-
seite einer solchen Politik sind zum einen wenige Anreize zum Energiesparen in
diesen energieintensiven Industriezweigen. Zum anderen führt dies zu einer Er-
höhung der EEG-Umlage für die anderen Stromverbraucherinnen und -verbrau-
cher in Industrie, kleinen und mittleren Unternehmen sowie privaten Haushalten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen grundlegend überarbeiteten Gesetzentwurf zur Novelle des Erneuer-
bare-Energien-Gesetzes vorzulegen, der folgende Änderungen beinhaltet:

– Bis zum Jahr 2020 soll der Anteil der erneuerbaren Energien an der
Stromversorgung auf mindestens 45 Prozent ansteigen.

– Der ermäßigte Satz der EEG-Umlage für die energieintensive Industrie
wird auf 0,6 Cent pro Kilowattstunde erhöht. Dieser Satz erhöht sich ab
dem 1. Januar 2013 jährlich um 0,1 Cent pro Kilowattstunde, bis er der
EEG-Umlage entspricht. Berechtigt sind Unternehmen mit einem Strom-
verbrauch von mehr als einer Gigawattstunde im Jahr und einem Verhält-
nis der vom Unternehmen zu tragenden Stromkosten zur Bruttowert-
schöpfung des Unternehmens von mindestens 15 Prozent. Damit erhalten
auch kleinere Unternehmen die Möglichkeit, von der Regelung zu profi-
tieren. Bei Unternehmen mit einem Stromverbrauch von über 100 Giga-
wattstunden muss dieses Verhältnis mindestens 20 Prozent betragen. Die
Unternehmen müssen sich zudem zu einer Effizienzsteigerung beim
Stromverbrauch in Höhe von 1,5 Prozent pro Jahr verpflichten oder Last-
managementmaßnahmen als Beitrag zur Integration fluktuierenden
Stroms aus erneuerbaren Energien ergreifen.

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– Die im Gesetz vorgesehene Marktprämie für die Direktvermarktung von
Strom aus erneuerbaren Energien wird gestrichen.

– Anstelle der vorgesehenen Flexibilitätsprämie für Strom aus Biogasanla-
gen wird ein Technologiebonus für den Aufbau von Stromspeichern ein-
geführt (Speicherbonus). Dieser gilt für alle Formen der Stromerzeugung
aus erneuerbaren Energien.

– Bei einer Drosselung der Einspeisung von Strom aus Erneuerbare-Ener-
gien-Anlagen durch den Netzbetreiber im Rahmen des Einspeisemanage-
ments gilt weiterhin ein Entschädigungsanspruch von 100 Prozent der ent-
gangenen Einnahmen durch den Netzbetreiber.

– Das sog. Grünstromprivileg wird an einen Anteil von Strom aus erneuer-
baren Energien aus EEG-Anlagen im Portfolio des Elektrizitätsversor-
gungsunternehmens von mindestens 60 Prozent geknüpft. Mindestens
30 Prozent des Stroms müssen zudem aus Windkraft- oder Photovoltaik-
anlagen stammen. Diese Anforderungen sollen im Durchschnitt eines
Jahres erfüllt werden.

– Die Einspeisevergütung für Strom aus Windenergieanlagen an Land
(onshore) wird nicht gekürzt, insbesondere wird die bestehende Regelung
zum Systemdienstleistungsbonus beibehalten.

– Die Erhöhung der Einspeisevergütung beim Ersatz von Windenergieanla-
gen an Land (Repowering-Bonus) wird an ein Mindestalter von zehn Jah-
ren der zu ersetzenden Anlage als gleitende Altersgrenze gekoppelt.

– Die Anfangsvergütung für Strom aus Offshore-Windenergieanlagen wird
auf 14 Cent pro Kilowattstunde und für die verkürzte Förderung im
Rahmen des Stauchungsmodells auf 18 Cent pro Kilowattstunden um je-
weils 1 Cent herabgesetzt. Die in Abhängigkeit von der Entfernung zur
Küstenlinie und von der Wassertiefe bislang gewährte Verlängerung des
Zeitraums der Anfangsvergütung wird durch einen Meeresschutz-Bonus
ersetzt, der u. a. die Anwendung lärmreduzierter Bohrverfahren oder
Schwerkraftfundamente während der Bauphase zur Voraussetzung hat.

– Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Biomasse haben nur bis zu einer
Bemessungsleistung von 2 Megawatt einen Anspruch auf Einspeisever-
gütung. Ergänzend zur bestehenden Förderstaffelung sollen kleine Bio-
gasanlagen mit einer Leistung von bis zu 75 Kilowatt einen Fördersatz
von 16 Cent pro Kilowattstunde erhalten. Die im Gesetz vorgesehenen zu-
sätzlichen Vergütungssätze bei Einsatz von Biomasse gemäß Einsatzstoff-
vergütungsklasse I (Mais, Getreide u. a.) werden um 1 Cent pro Kilowatt-
stunde gesenkt, bei Einsatz von Biomasse gemäß Einsatzstoffvergütungs-
klasse II (Grünschnitt, Gülle u. a.) um 2 Cent pro Kilowattstunde erhöht.
Für die Erzeugung von Strom aus Waldrestholz wird keine zusätzliche
Einspeisevergütung gewährt. Als Voraussetzung für den Anspruch auf die
Einspeisevergütung für Biogasanlagen muss der Anteil von Strom, der in
Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) erzeugt wird, unter Berücksichtigung
des Eigenverbrauchs mindestens 50 Prozent betragen. Diese KWK-Quote
gilt mit Ausnahme des ersten Betriebsjahrs verpflichtend für den gesam-
ten Vergütungszeitraum. Der gemischte Einsatz von nachwachsenden
Rohstoffen und von Gülle mit anderen tierischen Bioabfällen wird nicht
erlaubt.

– Für alle neuen Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) mit einer Leistung von
mehr als 30 Kilowatt sollen zukünftig die technischen Voraussetzungen
zur Teilnahme am Einspeisemanagement gemäß § 6 Absatz 1 EEG
gelten. Als Ausgleich für die dadurch entstehenden Kosten wird die

jährliche Degression der Einspeisevergütung um einen Prozentpunkt auf

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8 Prozent vermindert. Damit wird auch auf den Einbruch der Neuinstalla-
tionen von PV-Anlagen im ersten Halbjahr 2011 reagiert. Als Anreiz für
die technische Nachrüstung bestehender PV-Anlagen gemäß § 6 Absatz 1
EEG wird ein PV-Systemdienstleistungsbonus eingeführt.

– Wasserkraftanlagen mit einer Leistung von weniger als 500 Kilowatt so-
wie große Anlagen mit einer Leistung von über 20 Megawatt erhalten
keine Vergütung gemäß EEG. Als Voraussetzung für einen Vergütungs-
anspruch müssen Wasserkraftanlagen den in § 23 Absatz 5 Nummer 2
EEG (alt) formulierten Bedingungen für den Nachweis eines guten öko-
logischen Zustands bzw. zur Verbesserung des ökologischen Zustands er-
füllen;

2. einen Gesetzentwurf zur Änderung der Cross-Compliance-Regelung im Rah-
men der Agrarförderung vorzulegen, der eine Begrenzung des Maisanbaus in
Landkreisen mit einem Maisanteil in der Fruchtfolge von über 30 Prozent
vorsieht, als Alternative zu der im EEG-Gesetzentwurf vorgesehenen Kopp-
lung der Einspeisevergütung für Biogasanlagen an einen maximalen Anteil
von Mais und Getreide an der eingesetzten Biomasse von höchstens 50 Masse-
prozent;

3. im Rahmen des nächsten EEG-Erfahrungsberichts dem Deutschen Bundes-
tag Vorschläge zu unterbreiten, wie die Kalkulation der EEG-Umlage einer-
seits und das Stromhandelssystem anderseits so zu reformieren sind, dass
sich die preissenkende Wirkung erneuerbarer Energien an der Strombörse
nicht als Preistreiber der EEG-Umlage niederschlägt.

Berlin, den 29. Juni 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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