BT-Drucksache 17/6314

Ratifizierung der UNESCO-Konvention zum immateriellen Kulturerbe vorantreiben

Vom 29. Juni 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6314
17. Wahlperiode 29. 06. 2011

Antrag
der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Christoph Poland, Dorothee Bär,
Reinhard Grindel, Monika Grütters, Johannes Selle, Thomas Strobl (Heilbronn),
Marco Wanderwitz, Dagmar Wöhrl, Peter Altmaier, Dr. Reinhard Brandl,
Gitta Connemann, Ingrid Fischbach, Michael Frieser, Ansgar Heveling,
Michael Kretschmer, Dr. Günter Krings, Maria Michalk, Stefan Müller (Erlangen),
Beatrix Philipp, Thomas Silberhorn, Erika Steinbach, Volker Kauder,
Gerda Hasselfeldt und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Reiner Deutschmann, Patrick Kurth (Kyffhäuser),
Sebastian Blumenthal, Helga Daub, Lars Lindemann, Burkhardt Müller-Sönksen,
Jimmy Schulz, Dr. Claudia Winterstein, Rainer Brüderle und der Fraktion der FDP

Ratifizierung der UNESCO-Konvention zum immateriellen Kulturerbe vorantreiben

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das UNESCO-Übereinkommen zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes
verfolgt die Absicht, das immaterielle Kulturerbe zu bewahren; den Respekt vor
dem immateriellen Kulturerbe der betreffenden Gemeinschaften, Gruppen und
Individuen zu sichern; das Bewusstsein für die Bedeutung des immateriellen
Kulturerbes und seiner gegenseitigen Wertschätzung auf lokaler, nationaler und
internationaler Ebene zu fördern und die internationale Zusammenarbeit und
Unterstützung zu fördern. Laut dem Übereinkommen gehören zum immateriel-
len Kulturerbe „Praktiken, Darbietungen, Ausdrucksformen, Kenntnisse und
Fähigkeiten – sowie die damit verbundenen Instrumente, Objekte, Artefakte und
Kulturräume –, die Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Individuen
als Bestandteile ihres Kulturerbes ansehen.“ Es manifestiert sich laut Konven-
tion zum Beispiel in mündlich überlieferten Traditionen und Ausdrucksformen,
einschließlich der Sprache als Träger immateriellen Kulturerbes, darstellenden
Künsten, gesellschaftlichen Praktiken, Ritualen und Festen, Wissen und Prakti-
ken im Umgang mit der Natur und dem Universum und Fachwissen über tradi-
tionelle Handwerkstechniken. Das Abkommen soll nicht nur die Bedeutung
solcher menschlichen Kulturleistungen unterstreichen, sondern auch zur gegen-
seitigen Wertschätzung auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene bei-
tragen. Das immaterielle Kulturerbe ist damit die logische Ergänzung zu den

Welterbestätten.

Als Exekutivorgan zur Umsetzung des Übereinkommens hat die UNESCO ein
Zwischenstaatliches Komitee für die Bewahrung des immateriellen Kulturerbes
eingerichtet. Ihm gehören Vertreter von 24 Vertragsstaaten des Übereinkom-
mens an, die alle zwei Jahre auf der Vollversammlung der Vertragsstaaten neu
gewählt werden. Dem Komitee obliegt es, auf Vorschlag der Vertragsstaaten
eine „Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit“ zu

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erstellen sowie eine „Liste des immateriellen Kulturerbes, das eines dringenden
Schutzes bedarf“. Derzeit umfasst die „Repräsentative Liste“ insgesamt 213 kul-
turelle Ausdrucksformen aus allen Weltregionen. Die „Liste des immateriellen
Kulturerbes, das eines dringenden Schutzes bedarf“ verzeichnet 16 kulturelle
Ausdrucksformen aus neun Ländern.

Zu den in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenomme-
nen Titeln gehören u. a.: Akupunktur (China), Cocola-Tanz (Dominikanische
Republik), Gastronomisches Mahl (Frankreich), Houtem Jaarmarkt (Belgien),
Ingwerbrot-Produktion (Kroatien), Kankurang-Initiationsritus (Gambia), König-
liches Ballett (Kambodscha), Mediterrane Küche (Spanien, Griechenland,
Italien, Marokko), Polyphoner Gesang (Georgien), Prozession von Echternach
(Luxemburg), Rindentuchherstellung (Uganda), Samba (Brasilien), Seidenpro-
duktion (Japan und China), Tango (Argentinien), Teppichwebkunst (Aserbaid-
schan), Traditionelle Küche (Mexiko) und Wayang-Puppentheater (Indonesien).

Die UNESCO hat die Konvention zum Schutz des immateriellen Kulturerbes
am 17. Oktober 2003 beschlossen. Diese Konvention trat am 20. April 2006 in
Kraft, nachdem sie 30 Staaten ratifiziert hatten. Inzwischen sind 134 Staaten
dem Übereinkommen beigetreten (Stand: 26. Januar 2011). Dazu gehören u. a.
Frankreich, Spanien, Belgien, Luxemburg, Bulgarien, Estland, Griechenland,
Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei, Ungarn, Zypern, Österreich, die
Schweiz und Schweden.

Die UNESCO-Konvention zum Schutz des immateriellen Kulturerbes ist von
Deutschland bisher nicht ratifiziert worden. Deshalb konnten keine deutschen
Titel in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenomme-
nen werden. Grund für die zunächst abwartende Haltung der Bundesrepublik
Deutschland war die Unklarheit darüber, nach welchen Kriterien immaterielle
Kulturgüter ausgewählt werden sollten. Zudem wurde von Experten die Proble-
matik angeführt, dass es aufgrund der fehlenden Kriterien zu Missbrauch durch
ökonomische, politische oder ideologische Interessen kommen könnte. Schließ-
lich wurde vor neuen Rechtsansprüchen gewarnt, die durch Ratifizierung der
Konvention entstehen könnten. Diese Bedenken konnten durch die Umsetzungs-
praxis anderer Länder weitgehend ausgeräumt werden. Besonders die Erfah-
rungen unserer Nachbarländer Österreich und der Schweiz haben gezeigt, wie
den Bedenken Rechnung getragen werden kann und wie man eine nationale Vor-
schlagsliste immaterieller Kulturgüter erstellt. Auch bei der Umsetzung in
Deutschland sollten sie berücksichtigt werden.

Bedingt durch die Praktikabilität dieser UNESCO-Konvention in anderen Län-
dern ist das Interesse an einer Ratifizierung in Deutschland spürbar gestiegen.
Neben dem BHU (Bund Heimat und Umwelt in Deutschland) mit mehr als
500 000 Mitgliedern haben sich auch andere große Verbände und gesellschaft-
liche Gruppen für einen Beitritt Deutschlands zur Konvention eingesetzt. Eine
von der Kultusministerkonferenz in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie ent-
hält praktikable Vorschläge für eine nationale Umsetzung der Konvention.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt:

1. die Bemühungen der Bundesregierung, die Ratifizierung der UNESCO-Kon-
vention zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes voranzutreiben;

2. dass die Bundesregierung Gespräche mit den Ländern mit dem Ziel aufge-
nommen hat, den Ratifizierungsprozess vorzubereiten.

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III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Gespräche mit den Ländern fortzuführen, zu konkretisieren und für eine
Zustimmung zur Ratifikation der UNESCO-Konvention zum Schutz des im-
materiellen Kulturerbes zu werben;

2. interessierte und betroffene Verbände wie Organisationen zu einem Forum
„Immaterielles Kulturerbe“ gemeinsam mit den Ländern einzuladen;

3. das formelle Ratifizierungsverfahren zügig in Gang zu setzen;

4. mögliche haushaltsmäßige Auswirkungen im Rahmen der laut Finanzpla-
nung zur Verfügung stehenden Ausgaben zu berücksichtigen;

5. Maßnahmen zu ergreifen, die zum Verständnis und zur Zustimmung für die
Konvention in der breiten Öffentlichkeit beitragen können.

Berlin, den 29. Juni 2011

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Rainer Brüderle und Fraktion

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