BT-Drucksache 17/6303

Verursacher der Krise zur Kasse bitten - Neue Bankenabgabe einführen

Vom 29. Juni 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6303
17. Wahlperiode 29. 06. 2011

Antrag
der Abgeordneten Sahra Wagenknecht, Dr. Axel Troost, Dr. Barbara Höll, Eva
Bulling-Schröter, Harald Koch, Ralph Lenkert, Ulla Lötzer, Dorothee Menzner,
Richard Pitterle, Michael Schlecht, Sabine Stüber, Johanna Voß und der
Fraktion DIE LINKE.

Verursacher der Krise zur Kasse bitten – Neue Bankenabgabe einführen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. In kaum einem EU-Land war die Bankenrettung so teuer wie in Deutschland.
Nach Berechnungen von Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen
Union) haben deutsche Steuerzahler allein im letzten Jahr 10 Mrd. Euro für
die Rettung deutscher Banken aufbringen müssen. Damit liegt Deutschland
nach Irland an der Spitze, was die Kosten der Bankenrettung betrifft (FAZ,
5. Mai 2011). Dabei sind die Kosten, die erst in Zukunft in Form von weiteren
Abschreibungen auf riskante Papiere fällig werden, in dieser Rechnung noch
gar nicht enthalten. So lagern allein bei den sogenannten Bad Banks der Hypo
Real Estate Holding AG und der WestLB AG mehr als 200 Mrd. Euro an
ausgesonderten Papieren, von denen unklar ist, ob und zu welchem Preis sie
wieder verkauft werden können. Bei den „Rettungspaketen“, die in Europa
geschnürt werden, um eine Zahlungsunfähigkeit Griechenlands, Irlands oder
Portugals abzuwenden, werden weitere milliardenschwere Risiken der Ban-
ken auf die öffentliche Hand abgewälzt. Hinzu kommen die indirekten Kos-
ten der Bankenrettung, d. h. Verlust an Löhnen, Produktion und Gewinnen
sowie Ausgaben für Konjunkturpakete oder Kurzarbeitergeld während der
Wirtschaftskrise. Schon jetzt ist daher absehbar, dass die Allgemeinheit auf
Krisenkosten in dreistelliger Milliardenhöhe sitzen bleiben wird.

2. Nach einem Vorsteuergewinn von 4 Mrd. Euro 2010 peilt die Deutsche Bank
in diesem Jahr einen Rekordgewinn von 10 Mrd. Euro an. Doch statt die
hohen Gewinne abzuschöpfen, lässt sich die Bundesregierung bei der
geplanten Bankenabgabe mit geringen Beträgen abspeisen. So wird die
Deutsche Bank statt der ursprünglich eingeplanten 500 Mio. Euro in diesem
Jahr voraussichtlich nur einen Bruchteil dieser Summe in den Restrukturie-
rungsfonds einzahlen.

3. Die von der Bundesregierung vorgesehene Bankenabgabe trägt zur Deckung
der Krisenkosten gar nichts bei. Stattdessen sollen Beiträge in einen Ver-

sicherungsfonds zur Finanzierung zukünftiger Krisen fließen (Restrukturie-
rungsfonds). Dieser Fonds ist von vornherein eine Fehlkonstruktion: So soll
der Restrukturierungsfonds erst in einigen Jahrzehnten seine Zielmarke von
70 Mrd. Euro erreichen und wäre auch dann noch zu klein, um eine sys-
temrelevante Bank aufzufangen.

Drucksache 17/6303 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Die Finanztransaktionssteuer bleibt weiterhin ein unverbindliches Ver-
sprechen. Geplante jährliche Einnahmen von 2 Mrd. Euro aus dieser Steuer
wurden sogar kürzlich aus dem Haushaltsentwurf für 2012 gestrichen. Da-
mit beteiligt sich die Finanzbranche weiterhin nicht am Sparpaket, welches
vom Bundestag infolge der Wirtschaftskrise verabschiedet wurde.

5. Anders als die französische Nationalversammlung hat der Deutsche Bundes-
tag bisher ein eindeutiges und seiner Bedeutung in Europa entsprechendes
Bekenntnis zu einer europäischen Finanztransaktionssteuer versäumt. Der
Deutsche Bundestag erklärt, eine Finanztransaktionssteuer unverzüglich
einzuführen, sobald die EU, die Staaten der Eurozone oder eine andere
Gruppe von europäischen Staaten entsprechende Beschlüsse gefasst haben.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf zur Einführung einer neuen Bankenabgabe vorzulegen,
welche sicherstellt, dass die Verursacher der Krise auch für die Kosten der
Krise aufkommen. Diese Abgabe soll, beginnend vom 30. Oktober 2011, für
mindestens zehn Jahre in einer Höhe von 0,15 Prozent im Jahr auf die Bilanz-
summe aller in Deutschland ansässigen Banken erhoben werden, wobei der
Abgabesatz mit der Bilanzsumme progressiv steigt (bis auf 0,3 Prozent bei
einer Bilanzsumme über 500 Mrd. Euro). Von dieser Abgabe sind Sparkassen
und Genossenschaftsbanken sowie Förder- und Bürgschaftsbanken auszu-
nehmen, da sie die Finanzkrise nicht zu verantworten haben. Um die Kosten
der Krise decken zu können, werden damit jährliche Einnahmen in Höhe von
mindestens 10 Mrd. Euro möglich;

2. sich im Rahmen der G20, der EU und der Eurozone für eine Finanztrans-
aktionssteuer in Höhe von mindestens 0,05 Prozent einzusetzen. Sollte es bis
zum Herbst 2011 keinen Beschluss der EU zu einer Einführung geben, ist
bis Ende 2011 ein auf die Eurozone oder eine Koalition gleichgesinnter
Staaten zugeschnittener Gesetzentwurf zur Einführung einer Finanztransak-
tionssteuer vorzulegen. Die Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer
sind zu gleichen Teilen für den sozial-ökologischen Umbau unserer nicht-
nachhaltigen Industriegesellschaft einerseits und den internationalen Um-
welt- und Klimaschutz und die Finanzierung von Entwicklung andererseits
einzusetzen.

Berlin, den 29. Juni 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Die neue Bankenabgabe garantiert, dass die Hauptnutznießer der staatlichen
Rettungsprogramme auch für die Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise auf-
kommen. Damit wird eine Abwälzung der Krisenkosten auf die Allgemeinheit
verhindert, was zur sozialen Gerechtigkeit und zur Prävention künftiger Krisen
beiträgt. Da große Finanzkonzerne durch die neue Bankenabgabe deutlich stär-
ker besteuert werden sollen als kleine, wird der Konzentration von Wirtschafts-
macht entgegengewirkt. Dies entspricht auch dem Verursacherprinzip, da vor
allem die großen Banken zur Krise beigetragen haben.

Weder eine Bankenabgabe, wie sie vom Deutschen Bundestag beschlossen

wurde, noch eine Bankenabgabe, wie sie als Gegenentwurf vom Bundesrat vor-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6303

geschlagen wird, entsprechen dem Verursacherprinzip, wären viel zu gering und
auch als Vorsorge völlig falsch konzipiert. Die Einnahmen aus dieser Abgabe
sollen sich lediglich auf 1 bis 1,3 Mrd. Euro pro Jahr belaufen – eine Summe, die
nicht annähernd ausreicht, um die Kosten der Krise zu decken bzw. für künftige
Krisen vorsorgen zu können. Diese Schonung der Banken ist umso unverständ-
licher, als vor allem die privaten Großbanken bereits wieder hohe Gewinne
erzielen. Zusammen haben die Deutsche Bank und die Commerzbank AG im
ersten Quartal 2011 einen Nettogewinn von über 3 Mrd. Euro erzielt, die Deut-
sche Bank rechnet für das Jahr 2011 mit einem Rekordgewinn von 10 Mrd.
Euro. Darüber hinaus ist die von der Bundesregierung geplante Versicherungs-
lösung zum Auffangen systemrelevanter Banken völlig untauglich, weil aus-
reichende Beiträge kaum verursachergerecht erhoben werden können, weil das
notwendige Volumen eines Versicherungsfonds höchst ungewiss ist und sich
Insolvenzen von Großbanken generell als extrem kostspielig und kaum be-
herrschbar erwiesen haben. Solche Bankenpleiten sind daher im Vorfeld zu ver-
hindern.

Zusätzlich zur Bankenabgabe ist die Einführung der Finanztransaktionssteuer
aus drei Gründen notwendig: Zum einen werden auf kurzfristiger Spekulation
basierende Geschäftsmodelle unrentabler gemacht, was zur Stabilität und Effi-
zienz des Finanzsystems beiträgt. Zum zweiten wird dadurch der Privilegierung
des Finanzsektors (Befreiung von der Mehrwertsteuer, besondere Möglich-
keiten zur Steuervermeidung u. a.) begegnet und dabei die Steuerlast von sämt-
lichen an den Finanzmärkten aktiven Akteuren gemäß ihren Aktivitäten getra-
gen. Zum dritten wird eine umverteilende Wirkung erzielt, indem von Finanz-
transaktionen überproportional profitierende Vermögende besonders belastet
und dringend nötige Finanzquellen für die Bekämpfung weltweiter Armut und
den sozial-ökologischen Umbau erschlossen werden. Die Finanztransaktions-
steuer ist längst überfällig, da einerseits die Umsätze an den Finanzmärkten wie-
der Vorkrisenniveau erreicht haben und andererseits schon genügend Staaten in
Europa zu einer gemeinsam koordinierten Einführung bereit sind. Bundesregie-
rung und Bundestag müssen nun eine Vorreiterrolle einnehmen, sich mit einem
Vorratsbeschluss unmissverständlich positionieren und notfalls auch ohne einen
Konsens in der EU mit anderen Gleichgesinnten die Einführung einer Finanz-
transaktionssteuer in die Wege leiten.

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