BT-Drucksache 17/6214

Kontrolle der Waffenexporte des Oberndorfer Unternehmens Heckler & Koch GmbH durch die Bundesregierung

Vom 8. Juni 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6214
17. Wahlperiode 08. 06. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan van Aken, Annette Groth, Andrej Hunko, Harald Koch,
Niema Movassat, Paul Schäfer (Köln), Kathrin Vogler, Katrin Werner und
der Fraktion DIE LINKE.

Kontrolle der Waffenexporte des Oberndorfer Unternehmens
Heckler & Koch GmbH durch die Bundesregierung

Die faktisch unkontrollierte Verbreitung von Kleinwaffen stellt die Wirksamkeit
der deutschen Rüstungsexportkontrolle grundsätzlich in Frage. Das deutsche
Rüstungsunternehmen Heckler & Koch GmbH mit Sitz in Oberndorf ist einer
der weltweit größten Kleinwaffenhersteller. Wiederholt tauchten Sturmgewehre
dieses Herstellers in Staaten auf, in die es keine legalen Lieferwege gab. Zum
Beispiel wurde während des russisch-georgischen Krieges im Jahr 2008 öffent-
lich, dass die georgischen Streitkräfte über Sturmgewehre des Typs G36 von der
Firma Heckler & Koch GmbH verfügen.

Im vergangenen Jahr deckte REPORT Mainz (Sendung vom 13. Dezember
2011) auf, dass mexikanische Sicherheitskräfte G36-Sturmgewehre in den Bun-
desstaaten Chiapas, Jalisco, Guerrero und Chihuahua einsetzen. Nach Angaben
der Bundesregierung wurden aber die entsprechenden Exportgenehmigungen
an Heckler & Koch GmbH mit der Einschränkung versehen, dass diese Bundes-
staaten nicht mit den Waffen beliefert werden dürfen. Sowohl im Fall Mexiko
als auch im Fall Georgien laufen derzeit Ermittlungsverfahren gegen den Waf-
fenhersteller Heckler & Koch GmbH, dessen Geschäftsräume deshalb bereits
von der Staatsanwaltschaft durchsucht wurden. Vor kurzem tauchte zudem ein
Video auf, dass Saif Al-Islam Gaddafi, einem der Söhne des libyschen Diktators,
mit einem G36 aus deutscher Produktion in seinen Händen bei einer Ansprache
an bewaffnete Kämpfer zeigt. Gemäß der Rüstungsexportberichte der Bundes-
regierung gab es keine Exportgenehmigung für diese Kriegswaffe nach Libyen.

In Reaktion auf die mutmaßlichen illegalen Lieferungen nach Mexiko hat die
Bundesregierung die Bearbeitung von Exportanträgen für die Heckler & Koch
GmbH für Lieferungen nach Mexiko ausgesetzt. Alle Exportanträge des Unter-
nehmens für andere Länder bleiben jedoch davon unberührt (Antwort der Bun-
desregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE., Rüstungs-
exportbericht 2009, Bundestagsdrucksache 17/4383). Damit handelt die Bun-
desregierung entgegen den Bestimmungen des Kriegswaffenkontrollgesetzes
(KrWaffKontrG), in dem es heißt: „Die Genehmigung ist zu versagen, wenn
(…) Grund zu der Annahme besteht, daß eine der in Absatz 2 Nr. 2 genannten

Personen die für die beabsichtigte Handlung erforderliche Zuverlässigkeit nicht
besitzt.“ (§ 6 Absatz 3 Nummer 3 KrWaffKontrG). Obwohl ein dringender Ver-
dacht gegen die Heckler & Koch GmbH vorliegt, nicht genehmigte Lieferungen
durchgeführt zu haben, darf das Unternehmen weiterhin Kriegswaffen expor-
tieren.

Drucksache 17/6214 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wann und für jeweils wie viele Sturmgewehre hat die Bundesregierung seit
dem Jahr 2000 Exportgenehmigungen nach Mexiko erteilt (bitte mit dem
Datum der Genehmigung und deren jeweiligem Wert auflisten)?

2. Welche tatsächlichen Ausfuhren wurden auf der Grundlage der Genehmi-
gungen wann, in welchem Umfang und mit welchem Wert realisiert?

3. Welcher Empfänger bzw. welche Stelle hat gegenüber der Bundesregierung
Endverbleibserklärungen für die von der Heckler & Koch GmbH nach
Mexiko gelieferten Sturmgewehre des Typs G36 abgegeben?

4. Welches Datum tragen jeweils die Endverbleibserklärungen für die geliefer-
ten Sturmgewehre des Typs G36 (bitte Gegenüberstellung mit den Daten
aus den Antworten zu den Fragen 1 und 2)?

5. Sind alle Endverbleibserklärungen identisch, falls nein, wodurch unter-
scheiden sie sich formal, und wodurch inhaltlich?

6. Trifft es zu, dass einige der Exportgenehmigungen nach Mexiko an die Vor-
gabe gebunden sind, dass nur bestimmte mexikanische Bundesstaaten belie-
fert werden dürfen bzw. dass die gelieferten Waffen nur in bestimmten Bun-
desstaaten eingesetzt werden dürfen?

a) Wenn ja, welche Bundesstaaten durften beliefert werden, und welche
nicht?

b) In welchen Bundesstaaten dürfen die Waffen eingesetzt werden, und in
welchen nicht?

7. Sind in den Endverbleibserklärungen für die Exporte der Sturmgewehre des
Typs G36 an die mexikanische Beschaffungsbehörde weitere Einschrän-
kungen oder Auflagen festgeschrieben worden?

8. Falls die mexikanische Bundespolizei mit den Sturmgewehren des Typs
G36 ausgestattet werden kann,

a) hat sich die Bundesregierung zusichern lassen, dass bei bundesstaats-
grenzüberschreitenden Einsätzen der Polizeikräfte gewährleistet wird,
dass diese Sturmgewehre nicht in den Bundesstaaten Chiapas, Jalisco,
Guerrero und Chihuahua eingesetzt werden, und

b) wie wird dies bei bundesstaatsgrenzüberschreitenden Einsätzen der Poli-
zeikräfte gewährleistet?

9. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage des Direktors der staat-
lichen mexikanischen Beschaffungsbehörde, Manzano Vénez, dass weder
die Firma Heckler & Koch GmbH noch die Bundesregierung mexikani-
schen Stellen gegenüber erklärt haben, dass die Lieferung der G36-Gewehre
an Auflagen bezüglich der geographischen Verwendung geknüpft sind
(REPORT Mainz, Nachgefragt, 2. März 2011)?

10. Ist die Bundesregierung hinsichtlich der mutmaßlichen illegalen Lieferun-
gen von Heckler & Koch GmbH an die mexikanische Regierung herange-
treten, um Aufklärung über den Sachverhalt zu erhalten?

a) Wenn ja, wer von Seiten der Bundesregierung ist wann, wo und in wel-
cher Form an welche Vertreter bzw. welche Stelle der mexikanischen Re-
gierung diesbezüglich herangetreten (bitte im Einzelnen auflisten)?

b) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung hierbei gewonnen?

c) Hat die Bundesregierung die gewonnenen Erkenntnisse jeweils unver-
züglich und ohne Aufforderung an die Staatsanwaltschaft Stuttgart wei-

tergeleitet?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6214

11. Welche Bundesministerien stehen seit wann wegen des Ermittlungsverfah-
rens gegen Heckler & Koch GmbH im Austausch mit der Staatsanwalt-
schaft Stuttgart, und welche Unterlagen, wie z. B. Botschaftsberichte oder
Endverbleibserklärungen, wurden dabei seitens der Ministerien an die
Staatsanwaltschaft übergeben (bitte mit Datum)?

12. Kann die Bundesregierung die in der Pressemitteilung der Firma Heckler
& Koch GmbH erfolgte Aussage bestätigen, dass das Unternehmen niemals
Bestechungsgelder an Repräsentanten mexikanischer Behörden zur Förde-
rung des Absatzes gezahlt habe (Pressemitteilung „Klarstellende Stellung-
nahme zu den Anschuldigungen der Bestechung im Zusammenhang mit Ex-
porten nach Mexiko“, März 2011)?

13. In welcher Form ist die Heckler & Koch GmbH in das Abkommen über die
Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich zwischen Deutschland und Mexiko,
das der Bundespräsident, Christian Wulff, bei seinem Mexikobesuch ankün-
digte, eingebunden?

14. Welche neuen Erkenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich der illega-
len Verwendung des Sturmgewehrs G 36 durch die georgischen Streitkräfte
seit Juli 2010 gewonnen?

15. Was hat die Bundesregierung seit Juli 2010 im Einzelnen unternommen, um
in dieser Angelegenheit neue Erkenntnisse zu gewinnen (bitte alle einzelnen
Schritte auflisten)?

16. In welchem Jahr wurden die in Georgien entdeckten G36 hergestellt, und
welche Varianten des Gewehrs hat die Bundesregierung im Einzelnen iden-
tifiziert?

17. Wie viele Fotos hat die Bundesregierung bislang ausgewertet, wie hat sie
sich jeweils die Fotos beschafft, und – für den Fall, dass die Bezugsquelle
eine Nachrichtenagentur war – welche Identifizierungsnummern haben die
Fotos?

18. Hat die Bundesregierung mittlerweile die Seriennummer von einem bzw.
die Seriennummern von mehreren der in Georgien aufgetauchten G36-
Sturmgewehre herausgefunden?

19. Ist die Bundesregierung an die georgische Regierung herangetreten, um
Auskunft über die Herkunft der G36 zu erhalten (bitte mit Zeitpunkt, Form
und vertretender Institutionen angeben)?

20. Hat die georgische Regierung jeweils auf die Auskunftsersuchen der Bun-
desregierung reagiert?

Wenn nein, mit welchen Maßnahmen hat die Bundesregierung darauf
reagiert?

21. In welchen Ländern werden diese Varianten des G36 seit wann hergestellt?

22. In welche Länder wurden diese Varianten wann mit Genehmigung der Bun-
desregierung exportiert, bzw. welche Reexporte dieser Varianten aus Dritt-
ländern hat die Bundesregierung in welchem Umfang und wann genehmigt?

23. Handelt es sich nach Auffassung der Bundesregierung bei dem Gewehr,
dass der Sohn des libyschen Revolutionsführers Gaddafi, Saif Al-Islam
Gaddafi, auf einem Anfang März 2011 aufgetauchten Video in seinen Hän-
den hält (abrufbar beispielsweise unter: www.jan-van-aken.de/aktuell/pm-g
36-libyen-04.03.2011.html), um ein Sturmgewehr des Typs G36?

Drucksache 17/6214 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
24. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Unternehmens Heckler
& Koch GmbH, dass es sich bei der Waffe in den Händen von Saif Al-Islam
Gaddafi um eine so genannte Soft-Air-Waffe aus Plastik handeln könnte
(Pressemitteilung „Heckler & Koch hat keine Waffen nach Libyen gelie-
fert!“, 10. März 2011)?

25. Wie viele routinemäßigen Betriebsprüfungen durch das Bundesamt für
Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle sind seit dem Jahr 1990 zu welchem Zeit-
punkt bei der Firma Heckler & Koch GmbH durchgeführt worden, und gab
es bei diesen Prüfungen Anlass zu Beanstandungen?

26. Welche Rüstungsgüter hat die Bundesregierung seit 1998 von der Firma
Heckler & Koch GmbH gekauft, und welche Beschaffungskosten waren da-
mit verbunden?

27. Welche Rüstungsgüter bezieht die Bundeswehr aktuell von der Firma
Heckler & Koch GmbH, und für welche weiteren sind Beschaffungsverträge
bereits unterschrieben?

Berlin, den 8. Juni 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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