BT-Drucksache 17/6212

Migrationspolitik der Europäischen Union gegenüber Tunesien nach dem politischen Umbruch

Vom 14. Juni 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6212
17. Wahlperiode 14. 06. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine
Buchholz, Sevim Dag˘delen, Dr. Dieter Dehm, Annette Groth, Jens Petermann,
Frank Tempel, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Migrationspolitik der Europäischen Union gegenüber Tunesien nach dem
politischen Umbruch

Nach der Revolution in Tunesien hatte sich die neue Regierung – anders als
Ägypten – zunächst geweigert, aus der EU Abgeschobene aufzunehmen. Nach
einem Besuch des italienischen Außenministers Franco Frattini, zusammen mit
dem italienischen Innenminister Roberto Maroni, im März 2011 begann sich
diese Position zu ändern. Agenturen meldeten, das Land habe ein Abkommen
unterzeichnet, das auch die Überwachung der Grenzen vorsehe. Die Regierung
in Tunesien dementierte die Berichte (Neues Deutschland, 4. April 2011). Erst
nach einer Reise des italienischen Premierministers Silvio Berlusconi berichte
ten Medien über eine Einigung. Italien stellt demnach 150 Mio. Euro zur Verfü
gung, vier Küstenwachschiffe sowie eine unklare Zahl von geländegängigen
Fahrzeugen sollen beschafft werden (taz, 9. April 2011). Tunesische Flücht
linge, die nach dem Besuch Silvio Berlusconis in Italien aufgegriffen werden,
sollen umgehend abgeschoben werden.

Der FRONTEX-Chef Ilkka Laitinen fordert ein informelles „Arbeitsabkom
men“ mit Tunesien, um Rückführungen zu erleichtern (EUobserver, 9. April
2011). Ilkka Laitinen kündigte an, die FRONTEX-Operation „Hermes“ auszu
bauen, und fordert eine funktionsfähige „operative Faust“ der Agentur, indem
von den Mitgliedstaaten Schiffe und Helikopter zur eigenständigen Verfügung
überlassen werden. FRONTEX will dabei die parlamentarische Kontrolle umge
hen. Mit der Überlassung würden sich laut Ilkka Laitinen jeweilige bilaterale
Verhandlungen und eine Zustimmung von nationalen Parlamenten erübrigen.
Anfang Mai 2011 berichteten nach dem britischen „The Guardian“ mehrere
Medien über eine unterlassene Hilfeleistung von Schiffen aus NATO-Verbänden
gegenüber einem Flüchtlingsboot auf dem Mittelmeer. In der Folge seien dem
nach 61 Menschen ertrunken. Das Boot soll am 10. April 2011 wieder an die
libysche Küste gespült worden sein (junge Welt, 10. Mai 2011). Überlebende
wurden demnach in das tunesische Flüchtlingslager Choucha an der libyschen
Grenze gebracht.
Am 23. Mai 2011 kam es im Flüchtlingslager Choucha zu einem beispiellosen
Angriff gegen die dortigen rund 4 000 Insassinnen und Insassen (taz, 25. Mai
2011 und The Guardian, 27. Mai2011). Die Angreifenden rekrutierten sich nach
Augenzeugenberichten aus der lokalen tunesischen Bevölkerung. Etliche Zelte
des Lagers wurden in Brand gesteckt, schließlich brannte beinahe das gesamte
Lager ab. Das tunesische Militär schoss sowohl mit Tränengas wie auch mit
scharfer Munition auf die Flüchtlinge im Lager, die sich gegen die Angriffe zur
Wehr setzten und gegen die Lebensbedingungen im Lager protestierten. Insge-

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samt verloren mehrere Menschen ihr Leben, mindestens elf wurden verletzt. Das
Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) spricht von vier Toten.
Die tunesische Regierung verbreitet die Version, die Flüchtlinge seien untereinan
der in Streit geraten und das Militär habe zur Schlichtung Schusswaffen einsetzen
müssen. Das UNHCR stützt die Meldung in einer Pressemitteilung vom 27. Mai
2011. Indes belegen Videos und Augenzeugenberichte, dass das Militär der plün
dernden lokalen Bevölkerung zur Seite sprang und auf die Beine der Flüchtenden
schoss (www.afrique-europe-interact.net/?article_id=462&clang=0). Flüchtlinge
wurden demnach gezwungen, ihre Habe bei den Plündernden abzugeben, die
diese in Fahrzeugen wegschafften und schließlich das Lager in Brand setzten.

Das UNHCR zog wie andere Menschenrechtsorganisationen seine Mitarbeite
rinnen und Mitarbeiter aus dem Lager ab, auch internationale Medien waren ta
gelang abwesend.
Flüchtlinge gerieten in eine ausweglose Situation. In Libyen sind sie als Men
schen mit dunkler Hautfarbe pogromartiger Verfolgung ausgesetzt, während das
tunesische Militär auf sie schoss und sich auf die Seite der tunesischen Verfolger
stellte. Laut UNHCR sind rund 3 800 der Zeltstadtbewohnerinnen und -bewoh
ner als Flüchtlinge oder Asylsuchende registriert. Betroffen sind vor allem
Flüchtlinge aus jenen Ländern, in die sie nicht zurückkehren können (beispiels
weise Somalia, Sudan, Eritrea, Elfenbeinküste oder Irak).
Bis zu den Angriffen in Choucha war die Solidarität in Tunesien einzigartig. Ge
mäß dem tunesischen Staatssekretär für Jugend und Sport haben Einwohnerin
nen und Einwohner rund 300 000 Flüchtlinge größtenteils mit libyscher Staats
angehörigkeit aufgenommen, was bereits ein Verhältnis von 3 Prozent zur
Gesamtbevölkerung (rund 10 Millionen) ausmacht (Deutschlandradio Kultur,
5. Mai2011). Die EU-Kommission erklärte, dass bislang 35 000 Flüchtlinge aus
Tunesien und Libyen auf der italienischen Insel Lampedusa und auf Malta ein
getroffen seien. Dies entspräche demgegenüber einem Anteil von 0,007 Prozent
an der EU-Bevölkerung. Italiens Außenminister Franco Frattini, der früher EU-
Kommissar für Justiz und Inneres gewesen war, hatte indes im Februar 2011 von
einem „biblischen Exodus“ gesprochen (derStandard.at, 23. Februar 2011).

Am 24. Mai2011 hat die Kommission ihre Mitteilung zum „Dialog mit den Län
dern des südlichen Mittelmeerraums über Migration, Mobilität und Sicherheit“
herausgegeben (KOM(2011) 292 endgültig). Das Dokument war vom Europä
ischen Rat am 24. März 2011 gefordert worden, um „einen Plan für den Ausbau
der Kapazitäten zur Steuerung der Migration und der Flüchtlingsströme zu un
terbreiten“. Neben dem Druck auf das EU-Parlament sowie nationale Parlamente
fordert die Kommission, dass FRONTEX ermächtigt wird, eine sogenannte Ar
beitsvereinbarung mit „den zuständigen Behörden“ Tunesiens zu verabschieden.
Entsprechende Verhandlungen mit Ägypten, Marokko und der Türkei sollen be
schleunigt werden. Zudem soll ein eigenes „Operationsprojekt“ zwischen der EU
und Tunesien abgeschlossen werden, das „Teil eines breiteren Maßnahmen
pakets zur Bewältigung der illegalen Migration im Mittelmeerraum“ werden
soll, „um die Kapazitäten der tunesischen Behörden zur Kontrolle ihrer Außen
grenzen und zur Bekämpfung der Schlepperei und des Menschenhandels“ zu
erweitern. Gleichzeitig werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, Flüchtlinge im
Rahmen von „Resettlement“-Programmen aufzunehmen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Operationen, an denen die EU beteiligt ist, finden derzeit vor der

tunesischen Küste statt bzw. sind bis Ende dieses Jahres geplant?

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17. Wahlperiode–Deutscher Bundestag –2–621217/Drucksache

a) Was genau ist gemeint, wenn die EU-Kommission in ihrer Mitteilung vom
24. Mai 2011 von einer „Stärkung der von FRONTEX koordinierten ge
meinsamen Aktion EPN Hermes Extension 2011 durch zusätzliche von
den Mitgliedstaaten bereitgestellte technische Ressourcen“ spricht?

b) Welche Kapazitäten hat die Bundesregierung hierfür signalisiert?

c) Bis wann sind die gemeinsamen Aktionen Hermes und Poseidon termi
niert?

d) Bedeutet der von der EU-Kommission bezüglich der Länge von Hermes
und Poseidon benutzte Terminus „so lange wie nötig“, dass bereits an eine
Verlängerung gedacht wird?

e) Welche konkreten Maßnahmen sind mit einer „Aufstockung der Mittel für
das Patrouillennetz von FRONTEX“ gemeint?

2. Wie viele deutsche Kriegsschiffe befinden sich mit welcher Mission vor der
tunesischen Küste oder patrouillieren vor ihr?
Was spricht gegebenenfalls aus Sicht der Bundesregierung gegen einen so
fortigen Abzug dieser Kriegsschiffe?

3. Von welchen weiteren uni- oder bilateralen Patrouillen vor der tunesischen
Küste bzw. vorgelagerten internationalen Gewässern hat die Bundesregie
rung Kenntnis, und um Einheiten welcher Länder handelt es sich dabei seit
Jahresbeginn?

4. Welche Hilfen haben tunesische Behörden zur Erleichterung eigener See
patrouillen erhalten, wie sie etwa seitens des italienischen Premierministers
Silvio Berlusconi für Italien zugesichert wurden?

5. Über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung bezüglich eines Auf
nahmestopps seitens der tunesischen Regierung für aus den EU-Mitgliedstaa
ten abgeschobene tunesische Flüchtlinge, und welche Änderungen gab es
hierzu in den letzten sechs Monaten?

6. Was kann die Bundesregierung über das von der Kommission geforderte
Mandat zur Verhandlung einer „Arbeitsvereinbarung“ von FRONTEX mit
Tunesien mitteilen?

a) Welches konkrete Ziel wird mit dem zu schließenden Abkommen ver
folgt, und wie soll es umgesetzt werden?

b) Welche Treffen mit welchen tunesischen Stellen haben hierzu bereits statt
gefunden, bzw. wo wurden Positionen ausgelotet?

c) Wie ist die Haltung der Bundesregierung zur Frage, von wem die See
grenze vor der tunesischen Küste inner- und außerhalb des tunesischen
Hoheitsgebiets nach der Revolution überwacht werden müsste und welche
Rolle FRONTEX hierbei spielen soll?

7. Was kann die Bundesregierung über die Verhandlungen zu „Arbeitsvereinba
rungen“ von FRONTEX mit Ägypten, Marokko und der Türkei mitteilen?

a) Welche konkreten Ziele werden mit den zu schließenden Abkommen be
folgt, und wie sollen sie umgesetzt werden?

b) Welche Stelle führt die Verhandlungen seitens der EU, und welche Mit
gliedstaaten sind mit welchem Personal daran beteiligt?

c) Wann wurde das Mandat für die Verhandlungen erteilt?

d) Mit welchen Behörden wird konkret verhandelt?
e) Welche Treffen haben hierzu wann und wo bereits stattgefunden?

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17. Wahlperiode–Deutscher Bundestag –3–621217/Drucksache

f) Was würde eine von der Kommission geforderte Beschleunigung für die
Verhandlungen konkret bedeuten?

8. Welchen Inhalt soll ein „gemeinsames Operationsprojekt der EU und Tune
siens“ haben, bzw. welche Vorstellungen liegen der Kommission hierfür zu
grunde?

a) Hat eine hierzu anvisierte Reise der Kommission Anfang Mai 2011 nach
Tunesien stattgefunden?

b) Falls ja, welchen Inhalt bzw. welches Ergebnis zeitigte diese?

c) Wurde im Rahmen des Treffens auch über ein etwaiges Arbeitsabkom
men mit FRONTEX verhandelt?

d) Welche anderen EU-Institutionen bzw. EU-Mitgliedstaaten haben an der
Reise Anfang Mai 2011 bezüglich des „Operationsprojekts“ teilgenom
men?

e) Welche weiteren Verhandlungen oder Treffen haben hierzu bereits mit
welchen tunesischen Behörden stattgefunden, und wer hat seitens der EU
daran teilgenommen?

f) Welche Vorschläge zur „Kontrolle ihrer Außengrenzen“ wurden der
tunesischen Regierung seitens der EU oder Regierungen ihrer Mitglied
staaten hierzu bereits übermittelt?

g) Welche Position wird die Bundesregierung hinsichtlich der Kontrolle der
Außengrenzen Tunesiens in den Verhandlungen um ein „gemeinsames
Operationsprojekt“ einnehmen?

9. Welche Ergebnisse der Besuche der italienischen Minister Roberto Maroni
und Franco Frattini sowie des Premierministers Silvio Berlusconi im März
und April 2011 in Tunesien sind der Bundesregierung bekannt?
a) Wie waren bzw. sind die Verhandlungen Italiens eingebettet in eine Ge

samtstrategie der EU im Hinblick auf Ägypten, Libyen und Tunesien?

b) Zu welcher Art von Abkommen hatte der Besuch der Minister Roberto
Maroni und Franco Frattini im März 2011 geführt?

c) Welche Summe hatte Premierminister Silvio Berlusconi mit der tunesi
schen Regierung vereinbart, und welche Zahlungsmodalitäten wurden
verabredet?

d) Welche sonstigen Hilfen, etwa durch Sachmittel, hatte Premierminister
Silvio Berlusconi mit der tunesischen Regierung vereinbart?

e) Welche Gegenleistungen hatte Tunesien hierfür in welcher Form zugesi
chert?

10. Welche Prognosen über ein erwartetes Flüchtlingsaufkommen aus Tunesien
und Libyen in afrikanische Nachbarländer und in Mitgliedstaaten der Euro
päischen Union liegen der Bundesregierung für 2011 vor (bitte jeweils nach
Zielstaaten bzw. Regionen aufstellen)?
a) Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über Risikoanalysen der

Grenzschutzagentur FRONTEX hierzu, und welchen Inhalt haben diese?
b) Über welche Zahlen (inklusive begründeter Schätzungen) verfügt die

Bundesregierung bezüglich auf dem Weg in die EU im Mittelmeer
Ertrunkener in 2011, und was unternimmt die Bundesregierung, um In
formationen über die tatsächlichen Zahlen von jährlichen Todesopfern an
den EU-Außengrenzen zu erhalten?

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621217/Drucksache–4–17. Wahlperiode–Deutscher Bundestag

c) Teilt die Bundesregierung die vom früheren EU-Kommissar für Justiz
und Inneres Franco Frattini geäußerte Befürchtung, dass ein „biblischer
Exodus“ von Flüchtlingen bevorsteht?

11. a) Wird tunesischen Migrantinnen und Migranten bzw. Asylsuchenden die
Einreise nach Deutschland erlaubt, und wenn ja, unter welchen Bedin
gungen?

b) Wie viele libysche und tunesische Flüchtlinge sind in den letzten zwölf
Monaten an welchen deutschen Außengrenzen festgestellt worden, und
welche Behandlung haben sie erfahren (bitte für jeden Monat einzeln
aufschlüsseln)?

12. Welche neuen Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das Boot mit afri
kanischen Flüchtlingen, das am 25. März 2011 den Hafen im libyschen Tri
polis mit 72 Personen an Bord verlassen hat (The Guardian, 8. Mai 2011)
und trotz Nothilferufen und Sichtkontakt mit einem Militärhelikopter bzw.
um den 29./30. März 2011 auch einem Flugzeugträger der NATO 16 Tage
lang im Mittelmeer driftete, bis die meisten der Flüchtlinge verdursteten,
darunter zwei Babys und Kinder?
a) Wurden im Zusammenhang mit den in Frage 11 genannten Ereignissen

Ermittlungen oder eine strafrechtliche Verfolgung wegen unterlassener
Hilfeleistung eingeleitet?

Wenn ja, gegen wen?
Wenn nein, warum nicht?

b) Was kann die Bundesregierung über ihre Erkenntnisse zu dem Flücht
lingsboot mitteilen, das nach Medienberichten vom 10. Mai 2011 auf
dem Mittelmeer auseinandergebrochen war und dessen Überlebende
(teilweise erneut) nach Choucha gebracht wurden?

13. Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Fragesteller, dass die humanitäre
Lage im Flüchtlingslager Choucha in den Tagen nach dem Brand in dem La
ger angesichts der Feindschaft der tunesischen Dorfbevölkerung und der
Schüsse des tunesischen Militärs aussichtslos gewesen ist?
a) Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung nach dem 23. Mai 2011

unternommen, um den Flüchtlingen des UNHCR-Camps in Choucha zu
helfen?

b) Wie steht die Bundesregierung zu Forderungen vom UNHCR und von
Menschenrechtsgruppen, eine Aufnahme von Flüchtlingen aus Choucha
im Resettlement-Verfahren auch in Deutschland umzusetzen (www.
medico.de/themen/menschenrechte/migration/dokumente/choucha-appell
/4021/)?

14. Inwieweit ist die Bundesregierung in eine „Sicherheitssektorreform“ in
Libyen, Ägypten, Marokko oder Tunesien eingebunden?

a) Um welche Projekte handelt es sich dabei konkret?
b) Welche bundesdeutschen Stellen sind hierzu mit welchem Personal und

welchen Aufgaben eingebunden?
c) Wie steht die Bundesregierung zum Vorschlag des Anti-Terrorismus

Koordinators (CTC) Gilles de Kerchove, in Nordafrika eine Mission
innerhalb der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu er
wägen, und wann wird der CTC hierzu nähere Erläuterungen abgeben,
vor allem dazu, welche Länder gemeint sind?

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17. Wahlperiode–Deutscher Bundestag –5–621217/Drucksache
15. Wo wird die Mitteilung „Ein Dialog mit den Ländern des südlichen Mittel
meerraums über Migration, Mobilität und Sicherheit“ weiter beraten, und
welche Haltung wird die Bundesregierung zu den einzelnen Forderungen,
insbesondere der starken Betonung auf eine effektive Migrationsabwehr
durch die Stärkung der Grenzsschutzagentur FRONTEX, einnehmen?
a) Wie steht die Bundesregierung zur in der Mitteilung „Ein Dialog mit den

Ländern des südlichen Mittelmeerraums über Migration, Mobilität und
Sicherheit“ erhobenen Forderung, die EU-Mitgliedstaaten sollen eine
Neuansiedlung von Flüchtlingen organisieren und durchführen?

b) Wie steht die Bundesregierung zur in der Mitteilung „Ein Dialog mit den
Ländern des südlichen Mittelmeerraums über Migration, Mobilität und
Sicherheit“ erhobenen Forderung, eine „rasche Einigung über den Vor
schlag für ein gemeinsames Neuansiedlungsprogramm der EU“ zu erzie
len, „um eine Neuansiedlung von Flüchtlingen zu erleichtern“?

16. Welche politischen und/oder rechtlichen Möglichkeiten sieht die Bundes
regierung für eine eilige Aufnahme von jenen aus Libyen nach Tunesien ge
flohenen Flüchtlinge, die wegen Verfolgung nicht in ihre Herkunftsländer
zurückkehren können, und inwiefern sollte hierüber eine Abstimmung der
Bundesländer herbeigeführt werden?
a) Wie steht die Bundesregierung zur Forderung des UNHCR, des Europä

ischen Parlaments sowie des Europäischen Rates zur Installation einer
festen Zahl jährlicher Neuansiedlungsplätze, für deren Übernahme sich
bereits 37 deutsche Städte im Rahmen der „Save-me“-Kampagne bereit
erklärt haben (www.save-me-kampagne.de/ratsbeschluesse.html)?

b) Wie wird sich die Bundesregierung im Rahmen ihrer Teilnahme an dies
jährigen Treffen der Innenministerkonferenz der Länder (IMK) für eine
positive Umsetzung der Forderungen einsetzen?

17. Welchen Stand hat das von der EU anvisierte Kooperationsabkommen mit
Tunesien bezüglich der Bekämpfung der organisierten Kriminalität bzw. an
derer Formen von Kriminalität?

a) Was soll in dem Abkommen genau geregelt werden?
b) Welche Institutionen der EU wären hieran beteiligt?

18. Welche Inhalte hat das Engagement der EU gegenüber Tunesien im Rahmen
der „verstärkten Europäischen Nachbarschaftspolitik“ und der Initiative
„Partnerschaft für Demokratie und gemeinsamen Wohlstand“?
a) An welche Bedingungen soll die hier angesprochene Zusammenarbeit

geknüpft werden, etwa in den Bereichen Asyl, Migration und Grenz
management oder der Rückkehr bzw. Rückübernahme in der EU uner
wünschter Migrantinnen und Migranten?

b) Mit welcher Position bringt sich die Bundesregierung bezüglich der Be
dingung einer schärferen Migrationsabwehr hinsichtlich weiterer Part
nerschaften mit Tunesien (bzw. Marokko und Ägypten) in die Diskus
sion um die „Schlussfolgerungen des Rates zu den Grenzen, zur
Migration und zum Asyl“ (Ratsdok. 10782/11) ein?

c) Mit welchem konkreten Anliegen bzw. welcher Verhandlungsposition
nehmen das Directorate-General (DG) Home Affairs, DG Justice,
FRONTEX und EASO (European Asylum Support Office) an etwaigen
Gesprächen mit der tunesischen Regierung teil?

d) Wie bleibt das Engagement der EU gegenüber Tunesien eingebettet in
strategische Ziele für die Region, wie sie bereits zuvor in der „Strategie
für die Sahelzone“ formuliert wurden?

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621217/Drucksache–6–17. Wahlperiode–Deutscher Bundestag
e) An welchen konkreten Aktionsplänen hinsichtlich der „Strategie für die
Sahelzone“ bzw. der Rolle Tunesiens wird gegenwärtig innerhalb der
EU-Kommission gearbeitet?

19. Welches Engagement hat die „Europäische Stiftung für Demokratie“ mit
Bezug auf Tunesien in den letzten fünf Jahren für welche konkreten Projekte
entwickelt?

20. Inwiefern ist das „Finanzinstrument für Demokratie und Menschenrechte“
der EU bezüglich Tunesien eingesetzt worden, und welche konkreten Pro
jekte wurden wofür gefördert?

21. Inwieweit hat es eine Mandatserweiterung der Europäischen Bank für Wie
deraufbau und Entwicklung (EBRD) hinsichtlich ihrer jüngsten Aktivitäten
in Nordafrika gegeben?

22. Inwiefern und ggf. wann und wie sind die „Freilassung der politischen Häft
linge, die Legalisierung der demokratischen politischen Parteien und der
Vereinigungen sowie die Öffnung der Handlungsräume für Zivilgesellschaft
und Medien“, wie sie von der EU in ihren Schlussfolgerungen vom 31. Ja
nuar 2011 (Ratsdok. 5953/11) gefordert wurden, in Tunesien umgesetzt
worden, und welche Häftlinge waren mit „politisch“ gemeint (bzw. welche
waren von der Definition ausgeschlossen)?

23. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Initiativen des DII-Kon
sortiums (Desertec Industrial Initiative), in Tunesien Standorte für solar
thermische Kraftwerke zu errichten und dort Energie für den Export zu pro
duzieren, und inwieweit ist die Bundesregierung in diese Anstrengungen
eingebunden?

24. Welche Gelder oder anderen wirtschaftlichen Ressourcen des früheren Prä
sidenten Ben Ali, seiner Frau Leïla Bent Mohammed Trabelsi sowie 46 wei
teren Personen, die wegen der „Unterschlagung von beweglichem und un
beweglichem Vermögen, der Eröffnung von Bankkonten und dem Besitz
von Vermögen in verschiedenen Ländern im Zusammenhang mit Vorgängen
der Geldwäsche“ sanktioniert werden sollen, wurden gemäß dem Beschluss
des Rates der Europäischen Union (Ratsdok. 5961/11) in Deutschland ein
gefroren bzw. beschlagnahmt?
a) Inwiefern werden die mit dem besagten Beschluss der Regierungsver

treter beschlossenen Maßnahmen und die ihnen zu Grunde liegenden
Vorwürfe einer juristischen Kontrolle unterzogen?

b) Wo waren etwaige Gelder von Ben Ali bzw. seiner Familie in Deutsch
landangelegt?

c) Wann ist Ben Ali von einer etwaigen Konfiszierung in Deutschland un
terrichtet worden?

d) Was soll mit (auch in anderen Mitgliedstaaten der EU) etwaigen konfis
zierten Geldern oder Ressourcen passieren?

25. Welche Hilfszusagen haben die EU bzw. die Bundesregierung gegenüber
der tunesischen Regierung in 2011 gemacht, und an welche Bedingungen
knüpfen sie sich?

a) Welche Mittel übernimmt die Bundesregierung innerhalb der von den G8
zugesagten Milliardenhilfe an Tunesien?

b) Wofür sind die G8-Zahlungen konkret bestimmt, und welchen Stellen
werden sie nach welchem Modus ausbezahlt?

c) Sind an die Auszahlung von Finanzhilfen der G8, EU oder der Bundes
regierung Bedingungen geknüpft, wie etwa die Privatisierung von Staats
unternehmen oder sonstige politische und wirtschaftliche Programme?

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17. Wahlperiode–Deutscher Bundestag –7–621217/Drucksache

d) Werden Teile der Finanzhilfen von G8, EU oder der Bundesregierung mit
Auslandsschulden Tunesiens verrechnet?

e) Inwieweit wurden 2011 Mittel des Instruments für Stabilität (IfS) für
Tunesien bewilligt, bzw. wann und wo wird eine Entscheidung hierüber
angestrebt (bitte etwaige konkrete Maßnahmen ausführen)?

26. Hat die Bundesregierung gegenüber ihren Partnern in Saudi-Arabien die
Forderung der neuen tunesischen Regierung erörtert, den früheren Präsiden
ten Ben Ali auszuliefern?

a) Wie wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass der von Tunis
ausgestellte internationale Haftbefehl umgesetzt wird und die saudi-ara
bische Regierung Ben Ali ausliefert?

b) Wie wird sich die Bundesregierung im Falle einer Ablehnung der Aus
lieferung Ben Alis durch Saudi-Arabien gegenüber der saudischen
Regierung verhalten?

Berlin, den 14. Juni 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

GmbH & Co., Buch-und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin
esellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-

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17. Wahlperiode–Deutscher Bundestag –8–621217/Drucksache

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