BT-Drucksache 17/6086

Finanztransaktionssteuer in Europa einführen - Gesetzesinitiative jetzt vorlegen

Vom 7. Juni 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6086
17. Wahlperiode 07. 06. 2011

Antrag
der Abgeordneten Dr. Carsten Sieling, Ingrid Arndt-Brauer, Sabine
Bätzing-Lichtenthäler, Lothar Binding (Heidelberg), Petra Ernstberger,
Martin Gerster, Iris Gleicke, Petra Hinz (Essen), Nicolette Kressl, Ute Kumpf,
Thomas Oppermann, Joachim Poß, Bernd Scheelen, Manfred Zöllmer,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Finanztransaktionssteuer in Europa einführen – Gesetzesinitiative jetzt vorlegen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Transaktionen auf Finanzmärkten werden aktuell nicht besteuert – damit leistet
der Finanzsektor keinen seiner Bedeutung entsprechenden Beitrag zur Finan-
zierung des Gemeinwesens. Gerade die Finanzmarktakteure haben in der
Finanz- und Wirtschaftskrise jedoch von umfangreichen Rettungsmaßnahmen
des Staates profitiert. Es ist somit ein Gebot der Gerechtigkeit, den Finanzsek-
tor auch durch die Erhebung einer Finanztransaktionssteuer höher zu besteuern.
Dadurch würden die Finanzmarktakteure nicht zuletzt auch an der Finanzie-
rung der von ihnen selbst wesentlich mitverursachten Kosten zur Krisenbewäl-
tigung beteiligt.

Für die Finanztransaktionssteuer spricht aber nicht nur ihr fiskalischer Effekt,
sondern in gleichem Maße auch ihre Lenkungswirkung. Unerwünschte Aktivi-
täten werden deutlich zurückgedrängt, Spekulationen beschränkt und somit die
Größe des aufgeblähten Finanzsektors insgesamt verringert. Ein niedriger
Steuersatz trifft vor allem die Transaktionen, bei denen mit hoher Frequenz
Finanzprodukte gekauft und verkauft werden. Die Finanztransaktionssteuer
wirkt so vor allem sehr kurzfristigen und rein spekulativen Transaktionen ent-
gegen. Unternehmen außerhalb des Finanzsektors und private Konsumenten
werden dagegen nicht nennenswert belastet. Die Finanztransaktionssteuer leis-
tet somit auch einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung des Finanzmarktes
insgesamt.

Angesichts globalisierter Finanzmärkte wäre eine weltweit erhobene Steuer auf
sämtliche Finanztransaktionen wünschenswert und der beste Weg. Sollte dafür
aber kein internationaler Konsens zu erreichen sein, muss die Finanztransaktions-
steuer in der Europäischen Union oder der Eurozone eingeführt werden. Als
erster Schritt könnte die Steuer auch von einem Zusammenschluss „gleich-

gesinnter“ Staaten erhoben werden.

Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger der fünf größten EU-Länder hat in
einer repräsentativen Umfrage die Einführung einer Finanztransaktionssteuer
befürwortet. In Deutschland hat sich die Kampagne „Steuer gegen Armut“ mit
großer Resonanz in der Bevölkerung für die Einführung einer Finanztrans-
aktionssteuer eingesetzt, auch um damit weltweit Armut zu bekämpfen.

Drucksache 17/6086 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Das Europäische Parlament hat am 8. März 2011 fraktionsübergreifend mit
großer Mehrheit für die Einführung einer europäischen Finanztransaktions-
steuer gestimmt.

Die Bundesregierung in Person von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und
Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble haben sich, ebenso wie der französische
Staatspräsident Nicolas Sarkozy und die französische Wirtschafts- und Finanz-
ministerin Christine Lagarde, in der Vergangenheit wiederholt öffentlich auf
internationaler und europäischer Ebene für die Einführung einer Finanztrans-
aktionssteuer ausgesprochen.

Der Deutsche Bundestag begrüßt deshalb ausdrücklich die Ankündigung der
Bundesregierung vom Sommer 2010, sich gemeinsam mit der französischen
Regierung für die Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer ein-
zusetzen. Allein konkrete Schritte zur Erreichung dieses Ziels sind bisher leider
weder in Deutschland noch in Frankreich erkennbar.

II. Der Deutsche Bundestag fordert – in Übereinstimmung mit den Abgeordneten
der französischen Assemblée nationale – daher die Bundesregierung auf,

1. gemeinsam mit unseren europäischen Partnern bis spätestens zum ersten
Europäischen Rat im Oktober 2011 eine Gesetzesinitiative zur Einführung
einer europäischen Finanztransaktionssteuer vorzulegen, die folgende Vor-
gaben beinhaltet:

● Alle Transaktionen werden mit einem Steuersatz von 0,05 Prozent be-
steuert.

● Die Bemessungsgrundlage der Finanztransaktionssteuer umfasst alle
börslichen und außerbörslichen Transaktionen von Wertpapieren, Anlei-
hen und Derivaten sowie alle Devisentransaktionen.

● Das Aufkommen aus der Finanztransaktionssteuer fließt in die jeweiligen
nationalen Haushalte.

● Die Gesetzesinitiative soll so ausgestaltet sein, dass sie sich in der Euro-
päischen Union (EU 27), notfalls aber vorerst allein in der Eurozone oder
in einem Zusammenschluss von mehreren Einzelstaaten einführen lässt;

2. den Deutschen Bundestag und die zuständigen Fachausschüsse vollumfäng-
lich und unverzüglich über Zeitplan, Inhalt und Fortschritt der Verhandlungen
zur Erreichung einer Gesetzesinitiative zur Einführung einer europäischen
Finanztransaktionssteuer zu informieren.

Berlin, den 7. Juni 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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