BT-Drucksache 17/6084

Die Energiewende gelingt nur mit KWK

Vom 7. Juni 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6084
17. Wahlperiode 07. 06. 2011

Antrag
der Abgeordneten Dirk Becker, Rolf Hempelmann, Hubertus Heil (Peine),
Ulrich Kelber, Ingrid Arndt-Brauer, Doris Barnett, Sören Bartol, Gerd Bollmann,
Marco Bülow, Edelgard Bulmahn, Martin Burkert, Garrelt Duin, Petra Ernstberger,
Michael Gerdes, Iris Gleicke, Michael Groß, Petra Hinz (Essen), Oliver Kaczmarek,
Dr. Bärbel Kofler, Ute Kumpf, Dr. Matthias Miersch, Thomas Oppermann,
Holger Ortel, Heinz Paula, Gerold Reichenbach, René Röspel, Frank Schwabe,
Dr. Martin Schwanholz, Rita Schwarzelühr-Sutter, Wolfgang Tiefensee, Ute Vogt,
Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Die Energiewende gelingt nur mit KWK

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit dem Integrierten Energie- und Klimaschutzprogramm (IEKP) hatte die Bun-
desregierung der CDU/CSU und SPD am 5. Dezember 2007 ein umfassendes
Konzept für den Umbau des Energieversorgungssystems Deutschland hin zu
einer 40-prozentigen Treibhausgasreduktion und zum Ausbau der erneuerbaren
Energien vorgelegt. Der erste Punkt in diesem Programm betraf dabei die
Novellierung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG).

Am 1. Januar 2009 trat das neugefasste KWKG in Kraft. Ziel ist seitdem, bis
zum Jahr 2020 den Anteil des KWK-Stroms an der gesamten Stromerzeugung
in Deutschland auf 25 Prozent mehr als zu verdoppeln und damit im Rahmen des
IEKP rund 20 Mio. Tonnen Kohlendioxidemissionen einzusparen.

Aktuell ist unstrittig, dass das Gesetz sein Ziel nicht erreichen wird. Neben
Hemmnissen in dem Gesetz selbst wirken sich auch der EU-Emissionshandel
und insbesondere die von der schwarz-gelben Bundesregierung im vergangenen
Oktober beschlossene Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke
(AKW) negativ aus. Allein der Weiterbetrieb der AKW führte zu einem Inves-
titionsstopp für neue, hocheffiziente Kraftwerke auf Basis von Kraft-Wärme-
Kopplung (KWK).

Mit der Kehrtwende der Bundesregierung infolge der Atomkatastrophe in
Fukushima und dem aktuellen Beschluss über eine Ende der Atomenergie in
Deutschland bis spätestens 2022 hat die Bundesregierung auch eine ganze Reihe
von weiteren Gesetzesvorhaben angekündigt, um die notwendige Energiewende
zu beschleunigen. Leider hat sie bisher versäumt, die KWK als wichtigen und
notwendigen Baustein für eine rasche, wirkungsvolle und kostengünstige Ener-

giewende zu betrachten. Zwar enthält ihr Eckpunktepapier vom 5. Juni 2011 (von
den Bundesministerien für Wirtschaft und Technologie sowie für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit) eine knappe Absichtserklärung zur Weiterentwick-
lung der KWK-Förderung, und im Kabinettsentwurf zum EnWG-Änderungs-
gesetz (EnWG = Energiewirtschaftsgesetz) finden sich mit der Verlängerung des
Anmeldezeitraums und des Wegfalls des zeitlichen Limits zur Erreichung der

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maximalen geförderten Vollbenutzungsstundenzahl zwei wichtige Punkte zur
Verbesserung der Rahmenbedingungen. Doch ausreichend ist das nicht.

Denn gerade in einem forcierten Ausbau der KWK liegen etliche Vorteile:

● Die KWK ist die effizienteste Nutzung von sowohl fossilen als auch bio-
genen Energieträgern. Sie ist damit unerlässlich für jede Effizienzstrategie.

● Als ausgereifte Effizienztechnologie kann die KWK im Vergleich mit ande-
ren Arten der Energieerzeugung niedrige CO2-Vermeidungskosten vorwei-
sen.

● Gasbasierte KWK ist hoch flexibel. Sie ist daher prädestiniert für die Kom-
bination mit fluktuierenden erneuerbaren Energien.

● Moderne KWK-Anlagen können mit geringem Aufwand auf die Nutzung
von biogenen Energieträgern (Biogas, Biomethan etc.) umgerüstet werden.

● Das Anwendungsspektrum von KWK-Anlagen breitet sich aus zwischen klei-
nen Anlagen in Einfamilienhäusern (Mikro-KWK) über Blockheizkraftwerke
in größeren Gebäudekomplexen bis hin zu großen Kraftwerkseinheiten.

● Durch ihre dezentrale und verbrauchsnahe Ausrichtung bietet die KWK ein
Betätigungsfeld für neue und kommunale Energieanbieter. Sie stärkt damit
den Wettbewerb im Strom- und Wärmemarkt.

● Neue und dezentrale KWK-Anlagen können im Gegensatz zu großen Kraft-
werken rasch geplant und errichtet werden. Sie können daher eine wichtige
Rolle bei der Bereitstellung von gesicherten Erzeugungskapazitäten im Rah-
men der geplanten Energiewende spielen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

umgehend im Rahmen des Gesetzespaketes für den endgültigen Atomausstieg
und die beschleunigte Energiewende Eckpunkte für eine KWKG-Novelle vor-
zulegen, die nach der Sommerpause in ein ordentliches Gesetzgebungsverfah-
ren münden.

Die Eckpunkte für eine KWKG-Novelle sollen folgende Punkte beinhalten:

● Zielbestimmung des Gesetzes

– Das Ziel von 25 Prozent KWK-Anteil an der Stromerzeugung im Jahr
2020 wird durch eine Angabe der erzeugten Leistung ersetzt, um die Ziel-
erreichung besser erkennen zu können. 25 Prozent der Stromerzeugung
entsprechen zurzeit rund 150 TWh.

– Zudem wird ein Zielwert für das Jahr 2025 entsprechend von 30 Prozent
an der Stromerzeugung festgeschrieben.

– Der Erzeugung von Wärme wird die Erzeugung von Kälte gleichgestellt.

● Verlängerung der für die KWK-Förderung maßgeblichen Anmeldefrist bis
2020

Um den Ausbau der KWK fortsetzen zu können, sollte die Frist, inner-
halb derer eine KWK-Anlage in Betrieb genommen werden muss, um
förderfähig zu sein, bis 2020 verlängert werden. Die planenden Unterneh-
men ziehen KWK-Investitionen nur dann in Erwägung, wenn sie unter
Berücksichtigung der Vorlaufzeiten für Planung, Genehmigung und Bau
bzw. Modernisierung mit einer Förderung nach dem KWKG rechnen kön-
nen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6084

● Anschluss- und Abnahmeverpflichtung des Netzbetreibers

Um auch über das Ende der Zuschlagszahlung hinaus den Anschluss an das
Netz und die Abnahme des eingespeisten KWK-Stroms durch den Netz-
betreiber zu garantieren, wird § 4 Absatz 4 Satz 1 im KWKG 2009 gestrichen.

● Erhöhung der KWK-Zuschläge

Die Investitionskosten sind in den letzten Jahren gestiegen. Zudem wird es
aufgrund des europäischen Emissionshandels ab 2013 Wettbewerbsverzer-
rungen zwischen Fernwärme und kleineren Einzelfeuerungsanlagen geben.
Dem wird nun Rechnung getragen, indem die Zuschläge für Anlagen
> 50 kW um 0,5 Cent pro kWh erhöht werden.

● Flexibilitätsbonus für KWK-Anlagen < 50 kW

Für Anlagen < 50 kW erhöht sich der Zuschlag von 5,11 Cent pro kWh
um 2 Cent pro kWh, wenn sie an einem System zum Ausgleich fluktuieren-
der erneuerbarer Energien teilnehmen und somit systemstabilisierend und
netzentlastend wirken.

● Zusätzlicher Anreiz für stromgeführte, hocheffiziente KWK

Zum Anreiz zur stromgeführten Betriebsführung wird der Zuschlagszeit-
raum verlängert. Bei einem Nutzungsgrad von mindestens 85 Prozent in
Kombination mit einer Stromkennzahl > 0,8 werden statt 30 000 nunmehr
40 000 Vollbenutzungsstunden gefördert.

● Wegfall der Befristung des Förderzeitraums

Die Begrenzung der Zuschlagszahlungen nach dem KWKG auf 30 000 Voll-
benutzungsstunden wird in Zukunft nicht mehr mit einem zeitlichen Limit
(derzeit vier bzw. sechs Jahre) verknüpft, d. h. es spielt keine Rolle, in
welchem Zeitraum die nach dem KWKG geförderten 30 000 Vollbenutzungs-
stunden „verbraucht“ werden. Dadurch wird eine flexiblere Fahrweise von
KWK-Anlagen gefördert, ohne dass Mehrkosten entstehen.

● Förderung der Umrüstung von konventionellen Kraftwerken zu KWK-An-
lagen

Derzeit ist die Umrüstung eines bestehenden Kondensationskraftwerkes zu
einer KWK-Anlage nicht im KWKG geregelt. Eine entsprechende Um-
rüstung geeigneter Anlagen würde gesamtwirtschaftlich zu signifikanten
Effizienzsteigerungen und damit Primärenergieeinsparungen führen. Der
Wirkungsgrad der Anlagen kann sich teilweise verdoppeln. Daher werden
Umrüstungen den Modernisierungen von KWK-Anlagen gleichgestellt.

● Modernisierung unter 50 Prozent der Kosten für eine Neuerrichtung

Um auch das Potenzial von Effizienz- und Leistungserhöhungen bei bestehen-
den KWK-Anlagen auszuschöpfen, werden auch Modernisierungen mit Kos-
ten unterhalb 50 Prozent einer kompletten Neuerrichtung einer Ersatzanlage
mit einem Zuschlag gefördert. Dabei wird die Förderung jedoch nur anteilig
dem Verhältnis von Modernisierungskosten zu Kosten einer Neuerrichtung
gewährt.

● Verbesserung des Aufwand-Nutzen-Verhältnisses bei der Wärmenetzförde-
rung

Das Antragsverfahren bei der Wärmenetzförderung ist zurzeit kompliziert,
bürokratisch und kostspielig. Insbesondere bei kleineren Netzen steht der
Aufwand oft in keinem Verhältnis zum finanziellen Nutzen. Dies hat dazu
beigetragen, dass das Fördervolumen in Höhe von 150 Mio. Euro je Kalen-

derjahr bei weitem nicht ausgeschöpft wird. Voraussetzung für den KWK-

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Ausbau ist, dass die Wärmenetze ausgebaut und verdichtet werden. Um ent-
sprechende Investitionen auszulösen, müssen die Förderbedingungen ver-
bessert werden:

– Vorschlag für eine vereinfachte Berechnung der Förderhöhe und Besser-
stellung kleinerer Netze:

< Nenndurchmesser 80 mm: 100 Euro/lfd. Meter als Sockelbetrag zuzüg-
lich 0,5 Euro/(m*mm)

> Nenndurchmesser 80 mm: 30 Prozent der Investitionskosten.

– Weiterhin sollte die Antragsfrist des § 6a Absatz 2 KWKG auf den 1. Juli
verlängert werden. Nach Fristablauf haben Wärmenetzbetreiber die Mög-
lichkeit, den Antrag im darauffolgenden Jahr zu stellen.

● Zuschlagsberechtigter Neu- und Ausbau von Wärmenetzen

Der Neu- und Ausbau von Wärmenetzen, die ausschließlich der Versorgung
mit eigenerzeugter Wärme dienen, werden in die Förderung für Wärmenetze
aufgenommen.

● Förderung von Wärmespeichern

Um eine flexiblere Betriebsweise von KWK-Anlagen zu unterstützen, wird
die Förderung von Wärmespeichern neu in das KWKG aufgenommen. Da-
bei sollte die Förderung aus dem Anteil für die Wärmenetze erfolgen und
sich an folgenden Werten orientieren:

– 250 Euro/Kubikmeter Wärmespeichervolumen,

– Investitionskostenzuschüsse für die ersten 20 druckbehafteten Speicher
in Höhe von mindestens 30 Prozent.

● Eigenverbrauch und EEG-Umlage

Eigenerzeugter KWK-Strom, der selbst verbraucht wird und nicht in ein
Netz der öffentlichen Versorgung eingespeist wird, wird von der EEG-Um-
lage befreit.

● Fortführung des im Jahr 2010 eingestellten Mini-KWK-Programms im Rah-
men des KWKG

Das im Jahr 2010 eingestellte Mini-KWK-Programm war sehr erfolgreich
und muss fortgesetzt werden, damit sich die Mini-KWK als wichtige Säule
des KWK-Ausbaus auf dem Markt etablieren kann. Für KWK-Anlagen
< 50 kW wird ein Investitionskostenzuschuss ins KWKG aufgenommen.

Berlin, den 7. Juni 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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