BT-Drucksache 17/5982

Schaffung eines einheitlichen Rentenrechts in Deutschland

Vom 26. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5982
17. Wahlperiode 26. 05. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Monika Lazar,
Birgitt Bender, Katrin Göring-Eckardt, Maria Klein-Schmeink, Markus Kurth,
Beate Müller-Gemmeke, Elisabeth Scharfenberg und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Schaffung eines einheitlichen Rentenrechts in Deutschland

Zwei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung haben die als Übergangsregelung
gedachten rentenrechtlichen Unterschiede infolge der erheblichen Verlangsa-
mung des Angleichungsprozesses der Löhne und Gehälter immer noch Bestand.
Das unterschiedliche Rentenrecht wird ohne Eingriffe des Gesetzgebers noch so
lange existieren, bis sich die Entgelte und damit die Rentenwerte in den alten
und neuen Bundesländern vollkommen angeglichen haben. Nach § 254b
Absatz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch werden in den neuen Ländern
erzielte Arbeitsentgelte „bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhält-
nisse im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland“ höher bewertet. Aus dem
bestehenden System heraus ist auf kurze bis mittlere Sicht keine wesentliche
Angleichung zu erwarten. So wird im aktuellen Rentenversicherungsbericht der
Bundesregierung angenommen, dass sich die Durchschnittsentgelte bis zum
Jahr 2015 kaum weiter annähern (vgl. Rentenversicherungsbericht 2010 des
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales – BMAS –, Bundestagsdrucksache
17/3900, S. 47 f.). Die einstige Übergangslösung droht zu einer Dauerregelung
zu werden, so dass sich die Frage stellt, ob und wie lange noch ein unterschied-
liches Rentenrecht angewendet werden soll, und ob dies noch die verfassungs-
rechtlichen Vorgaben erfüllt.

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP
beschlossen: „Wir führen in dieser Legislaturperiode ein einheitliches Renten-
system in Ost und West ein.“ Die „Berliner Zeitung“ bzw. die „Frankfurter
Rundschau“ zitierte am 28. April 2011 einen Sprecher des BMAS mit den Wor-
ten: „Es handele sich um eine sehr komplexe, sensible Materie. Man müsse sehr
viel abwägen“.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hält die Bundesregierung an ihrer Aussage im Koalitionsvertrag bezüglich
der Schaffung eines einheitlichen Rentensystems fest?
Wenn nein, warum nicht?

2. Wann plant die Bundesregierung Vorschläge für ein einheitliches Renten-
recht in Ost und West vorzulegen?

3. Wie lange würde die Rentenversicherung brauchen, um diese Vorschläge um-
zusetzen, und welchen Zeitrahmen plant die Bundesregierung der Rentenver-
sicherung zur Umsetzung ihrer Vorschläge zu setzen?

Drucksache 17/5982 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Wann wäre nach Meinung der Bundesregierung der frühestmögliche Zeit-
punkt für ein einheitliches Rentenrecht?

5. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es gegen die bestehenden
Unterschiede beim Rentenrecht verfassungsrechtliche Einwände gibt?

Wenn ja, welche, und wie lange, und unter welchen Bedingungen sind die
Voraussetzungen für die verfassungsrechtliche Konformität noch erfüllt?

6. Wie sind die in der Vorbemerkung des Fragestellers dieser Kleinen Anfrage
genannten Aussagen des Sprechers des BMAS zu interpretieren?

Was genau findet die Bundesregierung an der Rentenangleichung „kom-
plex“, und was genau muss abgewogen werden?

7. Gehört für die Bundesregierung zu einem einheitlichen Rentenrecht, dass
der Rentenwert in ganz Deutschland gleich hoch ist?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die Äußerungen der VdK-Präsidentin
Ulrike Mascher (VdK: Sozialverband VdK Deutschland e. V.), dass ein ein-
heitlicher Rentenwert zu einer Rentenkürzung im Westen führen könnte?

Ist diese Aussage auch zutreffend bei einer Festsetzung des einheitlichen
Rentenwerts auf der Höhe des bisherigen Rentenwerts West, und welche
Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus?

9. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass bei einem gleichem Rentenwert
in Ost und West noch eine „Höherwertung“ der Arbeitsentgelte bei der Be-
rechnung der Entgeltpunkte notwendig ist?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung die verfassungsrechtliche Zulässigkeit
einer Beibehaltung der Hochwertung der Entgeltpunkte Ost bei gleichzeiti-
ger Angleichung des Rentenwerts auf einen gesamtdeutschen Wert?

11. Gibt es aus Sicht der Bundesregierung verfassungsrechtliche Bedenken da-
gegen, die Berechnungsfaktoren für die Hochgewichtung der in Ost-
deutschland in der Vergangenheit erworbenen Entgeltpunkte so zu reduzie-
ren, dass sich – trotz einer gleichzeitigen Anhebung des Rentenwerts Ost
auf das Niveau des Rentenwerts West – die daraus resultierenden Renten-
ansprüche nicht ändern?

12. Wie hoch ist der Rentenanspruch eines Erwerbstätigen in Ostdeutschland,
der

a) 30 000 Euro,

b) 40 000 Euro,

c) 50 000 Euro

zurzeit verdient, wenn der aktuelle Rentenwert Ost unterstellt würde, und
wie hoch wäre er, wenn der aktuelle Rentenwert West unterstellt würde und
gleichzeitig keine Höherwertung des Arbeitsentgelts durchgeführt würde?

Wie ändern sich die Zahlen am 1. Juli 2011?

13. Wie würde sich eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze Ost auf die
Beitragsbemessungsgrenze West auf die Einnahmen der Rentenversiche-
rung, den Beitragssatz und die Höhe des aktuellen Rentenwertes auswir-
ken?

14. Welche Kosten würden in den kommenden Jahren jährlich entstehen, wenn

der Rentenwert Ost auf den Rentenwert West am 1. Juli 2011 angehoben
würde, ohne dass die Höherwertung der Ostrenten entfallen würde?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5982

15. Welche Kosten würden in den kommenden Jahren jährlich entstehen, wenn
der Rentenwert Ost bis 2016 schrittweise auf den Rentenwert West angeho-
ben würde, ohne dass die Höherwertung der Ostrenten entfallen würde, und
wie bewertet die Bundesregierung diesen Vorschlag?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung die Vorschläge zur Vereinheitlichung
aller maßgeblichen Bezugsgrößen zur Entstehung und Berechnung der
Rente der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache
17/5207) hinsichtlich

a) der Wahrung des Vertrauensschutzes,

b) der Wahrung des Gleichbehandlungsgebotes,

c) seiner Verteilungswirkungen,

d) der Kosten zum Zeitpunkt der Umwertung?

Berlin, den 26. Mai 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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