BT-Drucksache 17/5849

Erste Erfahrungen mit Riester-Renten - Gründe für die häufig unter den Erwartungen liegenden Renten

Vom 16. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5849
17. Wahlperiode 16. 05. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, Diana Golze, Heidrun
Dittrich, Katja Kipping, Yvonne Ploetz, Ingrid Remmers, Jörn Wunderlich,
Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Erste Erfahrungen mit Riester-Renten – Gründe für die häufig unter den
Erwartungen liegenden Renten

Die Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder hat das Leistungs-
niveau der Gesetzlichen Rentenversicherung drastisch gekürzt. Statt eines soli-
darischen staatlichen Rentensystems soll seitdem die Rente vermehrt über pri-
vate gewinnorientierte Unternehmen abgewickelt werden. Die Unterstellung
hierbei war, dass das Kapitaldeckungsverfahren Rendite trächtiger sei und die
Renten der Menschen dadurch insgesamt höher ausfielen – zumindest wenn sie
sich die zusätzlich private Vorsorge leisten können, also mindestens 4 Prozent
ihres Bruttoeinkommens sparen können.

Nun berichtet die Zeitschrift „Capital“ in ihrer Ausgabe 4/2011, dass die Ver-
sicherer bei Rentenbeginn bis zu 30 Prozent des angesparten Kapitals für die
Rentenzahlungen nach dem 85. Lebensjahr zurückstellen. Damit sinkt die
monatlich ausgezahlte Rente erheblich. Grund ist, dass die Versicherer eine
Rentenzahlung auch über das 85. Lebensjahr hinaus garantieren müssen. Sofern
die Personen dennoch früher versterben, fließen die Rückstellungen eigentlich
wieder an die Versicherten zurück. Da die Versicherung aber bis zu 25 Prozent
der nicht ausgezahlten Renten als Gewinn einstreichen kann, besteht ein erheb-
licher Anreiz, die Lebenserwartung von Versicherten zu überschätzen. Werden
30 Prozent des Kapitalstocks zu Beginn der Renten abgezweigt und behält der
Versicherungskonzern von den Überschüssen 25 Prozent ein, so kann er einen
zusätzlichen gegenleistungslosen Gewinn von bis zu 7,5 Prozent des angespar-
ten Kapitals einbehalten.

Im Ergebnis dieser Praxis liegen die Renten eben deutlich unterhalb der ehemals
versprochenen bzw. von den Versicherten erwarteten Beträgen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Kann die Bundesregierung den von der Zeitschrift „Capital“ dargestellten
Sachverhalt bestätigen, und wie bewertet sie diesen?

2. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung sinnvoll, dass die Versicherer bis

zu 25 Prozent der Überschüsse als Gewinn behalten dürfen, insbesondere
wenn sie durch eine Überschätzung der Lebenserwartung direkt Einfluss auf
die entstehenden Überschüsse haben?

3. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass insbesondere für die „erste“ Ge-
neration an Riester-Rentenversicherten, nicht diese selbst, sondern lediglich
die Versicherungen sowie die nachfolgenden Versicherten von den Über-
schüssen aus einer überschätzten Lebenserwartung profitieren würden und

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für so in diesem Falle sogar 100 Prozent der Überschüsse aus der Überschät-
zung verloren wären?

Wie bewertet die Bundesregierung diesen Sachverhalt im Kontext der so-
zialen Gerechtigkeit?

4. Welche durchschnittliche Rentenhöhe und welche Rendite wurden 2001
von den Versicherern bei Abschluss eines Sparplans einem 56-jährigem
Durchschnittsverdiener bei einer Vertragslaufzeit von neun Jahren prognos-
tiziert, und wie hoch fallen die 2010 ausgezahlten Riester-Renten sowie die
Renditen nun tatsächlich aus?

5. Erfüllen die bislang ausgezahlten Riester-Renten nach Auffassung der
Bundesregierung die bei Gesetzesänderung (Altersvermögensgesetz) ange-
nommenen Erwartungen bezüglich der Rendite und der Höhe der Renten-
zahlung?

Welchen Reformbedarf sieht die Bundesregierung dadurch?

6. Wie hoch fiele die durchschnittliche monatliche Rente aus, wenn eine
durchschnittlich verdienende Person 2001 einen Riester-Vertrag abge-
schlossen und stets den gesetzlich vorgesehenen Anteil in einen Riester-
Banksparplan investiert hätte, die Rendite auf die eingezahlten Beiträge
3, 3,5 oder 4 Prozent und die Abzüge (für Verwaltung und Provision)
10 bzw. 15 Prozent betragen hätten und bei Beginn der Rentenauszahlung
30 Prozent des Kapitals in eine Rentenversicherung für die Phase nach dem
85. Lebensjahr geflossen wäre?

Welche tatsächliche Verzinsung ergäbe sich so auf die insgesamt geleisteten
Beiträge (gesetzlich vorgesehener Beitrag) im Verhältnis zu den geleisteten
Rentenzahlungen zu Beginn des Rentenbezugs 2010?

7. Wie viele Riester-Rentenverträge wurden in den einzelnen Jahren seit 2001
abgeschlossen, wie viele gekündigt, wie viele beitragsfrei gestellt, und für
wie viele Verträge wurde die maximal mögliche Zulage ausgezahlt (bitte
insgesamt und getrennt nach Geschlecht angeben für Riesterverträge insge-
samt und separat für Banksparpläne, Fondssparpläne, Rentenversicherun-
gen und Fonds gestützte Rentenversicherungen)?

8. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass sich das Nachfragepotenzial
nach Riesterrenten laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung
e. V. (Kornelia Hagen, Riesterrente: Politik ohne Marktbeobachtung, in:
Wochenbericht 8/2010, S. 9) schätzungsweise auf 30 bis 36 Millionen Ver-
träge belaufe?

Wie hat sich das geschätzte Nachfragepotenzial in den Jahren 2001 bis 2011
entwickelt?

9. Wie hoch fiel in den einzelnen Jahren und aufsummiert die direkten staatli-
chen Zulagen zu Riester-Rentenverträgen seit 2001 aus, und wie verteilt
sich diese Fördersumme auf Frauen und Männer – bitte die zusätzliche För-
derung für Kinder separat ausweisen?

An wie viele Verträge und wie viele Personen wurden staatliche Zulagen zu
Riester-Renten gezahlt?

10. Wie hoch fiel in den einzelnen Jahren und aufsummiert die Förderung von
Riester-Rentenverträgen seit 2001 durch den Sonderausgabenabzug im
Steuerrecht aus, und wie verteilt sich diese Fördersumme auf Frauen und
Männer?

An wie viele Verträge und wie viele Personen wurden staatliche Zulagen zu

Riester-Renten gezahlt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5849

11. Wie viele Personen die eine Riester-Förderung beantragt haben, haben einen
unmittelbaren und wie viele einen mittelbaren Anspruch auf Förderung, und
wie haben sich diese Zahlen in den Jahren seit 2001 entwickelt?

Berlin, den 16. Mai 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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