BT-Drucksache 17/5847

Einsätze der Bundespolizei am 1. Mai 2011 in Berlin, Heilbronn und anderen Orten

Vom 16. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5847
17. Wahlperiode 16. 05. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Karin Binder, Jens Petermann, Halina Wawzyniak
und der Fraktion DIE LINKE.

Einsätze der Bundespolizei am 1. Mai 2011 in Berlin, Heilbronn und anderen Orten

Während Zeitungen wie die „BZ“ bereits Wochen vor dem 1. Mai 2011 Kra-
walle in Berlin prophezeiten, zeigte sich der Senator für Inneres und Sport von
Berlin, Dr. Ehrhart Körting, am 2. Mai 2011 „hochzufrieden“ mit dem Verlauf
des 1. Mai 2011 und der Walpurgisnacht am 30. April 2011. Es habe deutlich
weniger Festnahmen und weniger „Krawall“ gegeben, als in den Vorjahren.

Umso mehr Gewalt ging dafür offenbar von Seiten der Polizei aus. Insbesondere
am Kottbusser Tor, wo vornehmlich Angehörige der Bundespolizei eingesetzt
waren, hat es einen umfassenden Einsatz von Pfefferspray gegeben. Es seien
„immer wieder Trupps von rund 20 Polizisten im Zickzack durch die bis dahin
friedliche Menschenmenge“ gezogen, berichtete die „tageszeitung“ („taz“) am
3. Mai 2011. Sie hätten dabei „wahllos Umstehende mit Fäusten traktiert und
immer wieder Pfefferspray eingesetzt.“

Dass diese Ausführungen zutreffend sind, legt die Tatsache nahe, dass Polizis-
ten, die in Zivil eingesetzt waren, selbst Opfer ihrer uniformierten Kollegen ge-
worden sind. Mindestens zwei Zivilfahnder seien „plötzlich von Pfefferspray
getroffen und zudem durch Faustschläge im Gesicht verletzt worden. Die beiden
Polizisten hätten anschließend aufgrund von Augenreizungen und Prellungen
vom Dienst abtreten müssen. Zudem sollen nach Polizeiangaben in diesem Zu-
sammenhang weitere sechs Beamte durch Reizgaseinwirkungen verletzt worden
sein“, heißt es in der „taz“ weiter. Sanitäter sprachen von über 200 durch Pfeffer-
spray verletzten Personen, die sie zu versorgen hatten.

Die Fraktion DIE LINKE. sieht sich durch solche Berichte in ihrer Annahme be-
stätigt, dass Pfefferspray von der Polizei, auch der Bundespolizei, häufig unver-
hältnismäßig eingesetzt wird.

Berichte über unverhältnismäßige Polizeigewalt am 1. Mai 2011 gibt es auch aus
anderen Städten. So hat sich ein Bürger aus Heilbronn an die Fragesteller ge-
wandt, der angibt, er sei von 9 Uhr bis 20 Uhr in einem Kessel am Bahnhofs-
vorplatz festgehalten worden und so an seinem Recht gehindert worden, an der
Maikundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbunds und einer Demonstration
gegen einen Naziaufmarsch teilzunehmen. Bei dem Bürger handelt es sich um
einen 65-jährigen Gewerkschafter, der dem polizeilichen Feindbild vom „ge-

waltbereiten jungen Autonomen“ in keiner Weise entspricht. Auch die „Arbeits-
gruppe Demobeobachtung des Stuttgarter Bündnisses für Versammlungsfrei-
heit“ stellt in ihrem Bericht über die Ereignisse am 1. Mai 2011 in Heilbronn
(www.versammlungsrecht.info/neu/ag_demobeobachtung.html) fest: „Das Recht
auf Versammlungsfreiheit wurde für die Demonstranten massiv beschnitten.“
Neben brutalem Vorgehen der Polizei bei willkürlichen Festnahmen wird dort
von bis zu zehnstündigen Einkesselungen mehrerer Hundert Menschen berich-

Drucksache 17/5847 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

tet, wobei die Betroffenen in praller Sonne lange Zeit weder mit Wasser versorgt
wurden noch Zugang zu Toiletten erhielten.

Die Fraktion DIE LINKE. will nun erfahren, welche Einsätze von der Bundes-
polizei am 1. Mai 2011 bundesweit durchgeführt worden sind.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Beamtinnen und Beamte der Bundespolizei waren am 30. April
2011 sowie am 1. Mai 2011 zur Unterstützung von Länderpolizeien ins-
gesamt im Einsatz, und inwiefern wurden die Einsatzzahlen im originären
bahnpolizeilichen Einsatzbereich erhöht (bitte jeweils aufgliedern nach Or-
ten, Tagen und Einsatzorten bzw. -anlässen)?

2. Welche Unterstützungsanforderungen wurden für das Maiwochenende von
Seiten der Länder an die Bundespolizei herangetragen, wie waren sie jeweils
begründet, und in welchem Umfang – Personal und Gerät – wurde ihnen je-
weils nachgekommen?

3. Über welche Ausrüstung bzw. Bewaffnung verfügten die eingesetzten Bun-
despolizeibeamtinnen und -beamten?

a) Trugen Beamte der Bundespolizei Quarzsandhandschuhe, und wenn ja, in
welchen Städten?

b) Wie viele Wasserwerfer hatte die Bundespolizei am Maiwochenende im
Einsatz (bitte nach einzelnen Städten angeben)?

c) Aus wie vielen dieser Wasserwerfer wurde Wasser abgegeben (bitte nach
einzelnen Städten und mit genauen Orten und Zeiten angeben)?

d) In welchen Fällen waren dem Wasser Reizstoffe beigemischt?

4. Wie viele Bundespolizistinnen und Bundespolizisten waren mit Reizmittel-
sprühgeräten ausgestattet, und wie viele von ihnen haben diese auch einge-
setzt?

a) Welche Reizmittel sind dabei verwendet worden (bitte nach Typ und Fa-
brikat aufschlüsseln)?

b) Wann und wo genau sind diese Geräte benutzt worden?

5. Wie viele Reizmittelsprühgeräte sind nach dem Wochenende 30. April/1. Mai
2011 als Ersatzbedarf gemeldet worden (bitte nach jeweiliger Füllmenge dif-
ferenziert beantworten)?

Wo waren die Einheiten, die Ersatzbedarf angemeldet haben, am 30. April/
1. Mai 2011 eingesetzt (bitte hierbei ausführen, welchen Ersatzbedarf diese
Einheiten jeweils angemeldet haben, wiederum nach Füllmengen differen-
ziert)?

6. Wie viele freiheitsentziehende Maßnahmen und Platzverweise sind von der
Bundespolizei am Maiwochenende vorgenommen bzw. ausgesprochen wor-
den (bitte mit Begründungen, nach Maßnahmen und Orten bzw. Zeitpunkt
aufgliedern)?

7. Wie ist der Einsatz von Bundespolizisten im Zusammenhang mit dem Mai-
wochenende konkret geregelt worden?

a) Welche Gremien und Stäbe sind eingerichtet worden, in denen die Bun-
despolizei vertreten war (bitte Anzahl der Vertreter, die entsendenden Be-
hörden unter Angabe der jeweiligen Abteilung, die Gesamtzusammenset-
zung der Gremien und jeweilige Aufgaben nennen und für jedes Land
bzw. jede Stadt einzeln angeben)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5847

b) Inwiefern ist die Bundespolizei in die jeweilige Einsatzstrategie und - tak-
tik eingeweiht worden, bzw. inwiefern hat sie diese mitgestaltet?

c) Wer hat die Einsätze geführt, von wem hat die Bundespolizei Weisungen
erhalten, wie ist die Koordination des Einsatzes im Rahmen des Gesamt-
einsatzes jeweils sichergestellt worden, und wie sind die Einsätze in der
Praxis durchgeführt worden,?

8. Welche Kosten sind in welcher Höhe durch die Bundespolizeieinsätze am
Maiwochenende entstanden (bitte nach größeren Posten differenzieren; falls
noch keine Endaufstellung vorliegt, bitte Schätzung angeben und für die
einzelnen Städte getrennt angeben)?

9. Inwieweit waren Beamte der Bundespolizei während der „Revolutionären
1. Mai Demonstration“ in Berlin im Einsatz?

a) Wer leitete diesen Einsatz?

b) Wie lautete der Auftrag der hier eingesetzten Bundespolizeibeamten?

c) Inwieweit kam es hier zu freiheitsentziehenden Maßnahmen durch
Beamte der Bundespolizei?

d) Inwieweit setzten Beamte der Bundespolizei hier Pfefferspray ein?

10. Inwieweit waren Beamte der Bundespolizei im Anschluss an die Berliner
„Revolutionäre 1. Mai Demonstration“ in den Abend- und Nachtstunden am
Kottbusser Tor im Einsatz?

a) Wie viele Bundespolizistinnen und Bundespolizisten waren an diesem
Ort im Einsatz?

b) Wer leitete diesen Einsatz?

c) Wie lautete der Auftrag der hier eingesetzten Bundespolizeibeamten?

d) Inwieweit kam es hier zu freiheitsentziehenden Maßnahmen durch
Beamte der Bundespolizei?

e) Inwieweit setzten Beamte der Bundespolizei hier Pfefferspray ein?

f) Gab es nach Kenntnis der Bundesregierung in den Abend- und Nacht-
stunden des 1. Mai 2011 am Kottbusser Tor eine polizeiliche Aufforde-
rung, den Platz zu verlassen, und wenn ja, zu welcher Zeit?

g) Inwieweit bewertet die Bundesregierung den Polizeieinsatz und insbe-
sondere den exzessiven Gebrauch von Pfefferspray in den Abend- und
Nachtstunden des 1. Mai 2011 am Kottbusser Tor in Berlin als verhält-
nismäßig?

11. Wie sah das Einsatzkonzept in Heilbronn aus, und wie bewertet die Bundes-
regierung dessen Umsetzung?

12. Wie bewertet die Bundesregierung die stundenlangen Einkesselungen meh-
rerer Hundert Menschen in Heilbronn, wobei die Betroffenen lange Zeit we-
der mit Wasser versorgt wurden noch Zugang zu Toiletten erhielten?

Berlin, den 16. Mai 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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