BT-Drucksache 17/5846

Einsatz der Bundespolizei im Auftrag der European Aeronautic Defence and Space Company in Saudi-Arabien

Vom 13. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5846
17. Wahlperiode 13. 05. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan van Aken, Christine Buchholz, Inge Höger,
Andrej Hunko, Niema Movassat, Petra Pau, Jens Petermann, Frank Tempel,
Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Einsatz der Bundespolizei im Auftrag der European Aeronautic Defence and Space
Company in Saudi-Arabien

Ein Einsatz der Bundespolizei in Saudi-Arabien, von dem vor allem der Rüs-
tungskonzern European Aeronautic Defence and Space Company (EADS) pro-
fitiert, ist in der Öffentlichkeit überwiegend kritisch aufgenommen worden.

Wie zuerst das ARD-Magazin „Fakt“ am 4. April 2011 berichtet hatte, sind seit
dem Jahr 2009 Angehörige der Bundespolizei in Saudi-Arabien, um Ausbil-
dungshilfe für die dortige Grenzpolizei zu leisten. Die Ausbildung erfolgt dabei
an Geräten des Konzerns EADS. Die Bundesregierung bestätigte in ihrer Ant-
wort auf die Schriftliche Frage 11 der Abgeordneten Ulla Jelpke vom 5. April
2011 (Bundestagsdrucksache 17/5990), dass es bei dem Projekt „zum einen um
das exportwirtschaftliche Engagement eines Anbieters ziviler Sicherheitstechnik
– hier EADS – und den damit einhergehenden Technologietransfer und zum an-
deren um internationale grenzpolizeiliche Beratung und Ausbildungshilfe“ gehe.

Nach Medienberichten hat EADS den Zuschlag seitens Saudi-Arabien nur
erhalten, weil der Konzern zusagen konnte, dass die Bundespolizei die saudi-
arabischen Sicherheitskräfte an den Geräten ausbilden werde. Der Einsatz der
Bundespolizei dient also unmittelbar dem Export von Sicherheitstechnik an ein
autoritäres Regime.

Die Bundesregierung informierte im Innenausschuss des Deutschen Bundesta-
ges am 6. April 2011, die auslandsbedingten Mehrkosten des Einsatzes würden
von Saudi-Arabien getragen. Dabei ist in einer undurchsichtigen Konstruktion
auch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH in-
volviert. Das Grundgehalt für die Bundespolizisten trägt weiterhin der Bund und
damit der Steuerzahler – obwohl die konkrete Dienstverrichtung der Bundes-
polizisten faktisch allein dem EADS-Konzern zugutekommt, der sich jene Kos-
ten, die er sonst für eigene Ausbilder übernehmen müsste, spart und damit sei-
nen Profit noch weiter erhöhen kann. Für die Fraktion DIE LINKE. gehört eine
solche direkte Zuarbeit für einen Konzern nicht zu den Aufgaben der Bundes-
polizei.
Die Bundesregierung rechtfertigte die Ausbildungshilfe für den saudi-arabi-
schen Grenzschutz in ihrer Antwort auf die erwähnte Schriftliche Frage, mit
dem Transfer von Technologie und der Ausbildungshilfe gehe „ein Transfer
rechtsstaatlicher Werte“ einher und argumentierte im Innenausschuss des deut-
schen Bundestages, eine solche polizeiliche Zusammenarbeit sei auch in der
Vergangenheit stets üblich gewesen. Der Erfolg dieser „Transferarbeit“ ist für
die Fragesteller allerdings nicht ersichtlich. Die demokratisch-revolutionären

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Bewegungen im Maghreb mussten sich gegen die dortige – von Deutschland mit
ausgebildete – Polizei durchsetzen bzw. sich noch gegen diese erwehren. Saudi-
arabische Truppen helfen im Nachbarland Bahrain, die Demokratiebewegung
zusammenzuschießen und haben nach Angaben von Human Rights Watch am
20. April 2011 seit Februar 2011 mehr als 160 Regimekritiker festgenommen.
Deutsche Unterstützung für Folterregime sollte endlich eingestellt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Welchem Bundesministerium ist – vor dem Hintergrund, dass die Bundes-
regierung in der Sitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundes-
tages vom 6. April 2011 Wert darauf gelegt hat, festzustellen, es werde nur
der saudi-arabische Grenzschutz ausgebildet, nicht aber die Polizei – der
saudi-arabische Grenzschutz untergeordnet?

b) In welchem politischen, strukturellen, technischen und personellen Ver-
hältnis steht der Grenzschutz zum Militär sowie zur Polizei (bitte jeweils
den Gesamtpersonalumfang dieser Sicherheitsbehörden angeben)?

c) Über welche Ausrüstung, insbesondere Bewaffnung, verfügen Grenz-
schutzangehörige in Saudi-Arabien üblicherweise?

d) Inwiefern kann die Bundesregierung ausschließen, dass Angehörige des
Grenzschutzes, die in den Genuss der Ausbildung durch die Bundespolizei
kommen (inklusive Ausbildung durch von der Bundespolizei ausgebildete
Trainer) im Inneren Saudi-Arabiens eingesetzt werden?

e) In welchem Maße ist es üblich, dass Angehörige des Grenzschutzes zur
Polizei bzw. zum Militär überwechseln?

2. Welches Auftragsvolumen hat der Auftrag für die EADS, und welchen Ge-
winn wird der Konzern hierbei voraussichtlich erzielen?

a) Welche Geräte bzw. Technologien wurden exportiert bzw. sollen noch
exportiert werden, und welchen Zwecken dienen diese genau?

b) Welche Leistungen werden von der EADS hierbei exakt erbracht?

c) Inwiefern werden diese Geräte in vorhandene Infrastrukturen eingeglie-
dert, und welche Sicherheitsbehörden nutzen diese Infrastrukturen?
Inwiefern sind die Geräte auch durch Polizei- oder Militärkräfte nutzbar?

d) Inwiefern ist sichergestellt, dass die Geräte ausschließlich zur Grenzsiche-
rung verwendet werden und nicht etwa zu einem späteren Zeitpunkt auch
im Inneren oder für militärische Belange Verwendung finden können?

3. Wie war der zeitliche Ablauf des Geschäfts?

a) Wann ist die EADS erstmals an die Bundespolizei herangetreten, und auf
welcher Ebene wurden zu welchem Zeitpunkt die Einzelheiten über das
Exportgeschäft, die Ausbildungshilfe der Bundespolizei und die Kon-
struktion der Erstattung der auslandsbedingten Mehrkosten besprochen
(bitte chronologisch Gesprächsgegenstände und -beteiligte sowie jewei-
lige Zeitpunkte auflisten)?

b) Wer hat diesbezüglich die Entscheidungen getroffen, und welche Gründe
waren hierbei ausschlaggebend?

c) Welche Abteilung hat seitens der EADS die Verhandlungen mit der Bun-
desregierung bzw. Bundespolizei geführt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5846

d) War der damalige EADS-Vorstandsvorsitzende Dr. Markus Hellenthal im
Zusammenhang mit dem hier thematisierten EADS-Geschäft jemals in
Gespräche oder Verhandlungen mit der Bundesregierung oder Bundes-
polizei involviert, und falls ja, inwiefern?

e) Welcher Art ist die mit der saudi-arabischen Regierung getroffene Verein-
barung über die Ausbildungstätigkeit der Bundespolizei, was sind die
genauen Festlegungen dieser Vereinbarung, und für welchen Zeitraum ist
die Ausbildung festgelegt worden (bitte das Abkommen der Antwort bei-
fügen)?

f) Welche Absprachen wurden konkret mit der EADS sowie mit Saudi-
Arabien getroffen, und welche vertraglichen Verpflichtungen sind hierbei
für die Bundespolizei eingegangen worden?

4. Wann genau hat der Einsatz der Bundespolizei begonnen, und wie viele Bun-
despolizisten haben bislang daran teilgenommen (bitte nach Funktionen, Pro-
jektbüros und Ausbilder differenzieren)?

a) Welche durchschnittliche Aufenthaltsdauer ist für die Angehörigen der
Bundespolizei vorgesehen (bitte nach jeweiligen Funktionen, Projekt-
büros usw. differenzieren)?

b) Trifft es zu, dass Ausbilder nach 30 Tagen das Land wieder verlassen müs-
sen, und wenn ja, warum?

c) Welche Personalstärke ist für den Einsatz künftig vorgesehen?

d) Wann ist der Einsatz voraussichtlich beendet?

5. Inwiefern treffen Pressemeldungen zu, wonach die EADS den Auftrag sei-
tens Saudi-Arabien nur unter der Bedingung erhalten hat, dass die Bundes-
polizei die Ausbildung an zu liefernden Ausrüstungsgegenständen über-
nimmt?

6. Was genau ist Gegenstand der von der Bundespolizei durchgeführten Ausbil-
dung?

a) An welchen Geräten werden saudi-arabische Grenzschützer ausgebildet?

b) Welche Techniken oder sonstigen Kenntnisse werden den Grenzschützern
vermittelt?

c) Was sind konkret Elemente von Rechtsstaatstransfer im Rahmen dieser
Ausbildung?

d) In welchem Rahmen haben die Bundespolizisten sich das hierfür notwen-
dige Wissen angeeignet, und inwiefern gab es für die in Saudi-Arabien
eingesetzten Bundespolizisten vorbereitende Kurse, Ausbildungsgänge
und Ähnliches in Absprache mit der EADS (bitte gegebenenfalls Umfang,
Dauer, Teilnehmerzahl, Kosten und Inhalt solcher Vorbereitungen an-
geben)?

7. Hat es von Seiten Saudi-Arabiens Hinweise gegeben, dass ein Einsatz weib-
licher Angehöriger der Bundespolizei zur Ausbildung des Grenzschutzes
nicht erwünscht sei, und wenn ja, wer hat diese Wünsche formuliert, und wie
sind die EADS und die Bundesregierung damit umgegangen?

Wie viele weibliche Angehörige der Bundespolizei waren bislang im Rah-
men dieser Ausbildung in Saudi-Arabien eingesetzt und mit welchen Funkti-
onen?

8. Welche rechtlichen Gründe stünden einem sofortigen Abzug der Bundespo-
lizisten entgegen, und falls es keine solchen rechtlichen Gründe gibt, welche

sonstigen Gründe stünden einem solchen Abzug entgegen?

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9. Welche Meinungsverschiedenheiten oder Spannungen hat es im Vorfeld
und während des Ausbildungseinsatzes zwischen der Bundespolizei/Bun-
desregierung und der saudi-arabischen Seite sowie der EADS gegeben?

10. Überwogen bei der Entscheidung für den Einsatz der Bundespolizei wirt-
schaftliche Überlegungen zugunsten von EADS oder geostrategisch-politi-
sche Überlegungen, die saudi-arabische Diktatur „pro-westlich“ zu halten?

11. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass für die Aus-
bildungstätigkeiten, wie sie nun die Bundespolizei vornimmt, üblicher-
weise der Hersteller bzw. Lieferant, in diesem Falle die EADS, zuständig
ist, und aus welchen Gründen wird diese Arbeit nun von der Bundespolizei
übernommen?

a) Welche Regelungen im Bundespolizeigesetz oder sonstige für die Bun-
despolizei maßgebliche Rechtsgrundlagen ermöglichen der Bundes-
polizei diese Ausbildungs- und Einarbeitungshilfen?

In welcher Höhe wurden diese Arbeiten von EADS bzw. Saudi-Arabien
wem gegenüber entlohnt (bitte die jeweiligen Anteile aufführen)?

b) Inwiefern ist es aus Sicht der Bundesregierung zu rechtfertigen, dass
Bundespolizisten, deren Grundgehalt nach wie vor von der Bundes-
republik Deutschland übernommen wird, ihre Arbeitszeit und Arbeits-
kraft wochenlang in ein Geschäft zur Exportförderung stecken, so dass
mit Steuergeldern ein großer Konzern gefördert wird, der sich die Kosten
spart, die er sonst für eigene Ausbilder hätte bezahlen müssen?

12. Hat die Bundesregierung mittlerweile entschieden, ob sie das von der Firma
Daimler AG angebotene Aktienpaket an EADS (mit 15 Prozent des Aktien-
bestandes, vgl. DIE WELT vom 18. Februar 2011) übernehmen wird und ist
die Bundesrepublik Deutschland bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt
finanziell an EADS beteiligt oder durch Vertreter in Unternehmensgremien
vertreten (falls ja, bitte ausführen, den Umfang nennen und angeben, inwie-
fern die Bundesregierung hierbei Einfluss auf die Geschäftspolitik nimmt)?

13. Wie hoch beläuft sich die Summe für das Grundgehalt der bislang in Saudi-
Arabien zu Ausbildungszwecken eingesetzten Bundespolizisten (bitte nach
Jahren auflisten), und auf welche Summe wird es sich in Zukunft voraus-
sichtlich noch belaufen?

14. Worin genau bestehen die auslandsbedingten Mehrkosten (bitte die einzel-
nen Kostenfaktoren soweit möglich jeweils beziffern und auch geldwerte
Leistungen aufführen), und inwiefern ist hierbei auch die Unterbringung be-
rücksichtigt?

15. In welchem Verfahren werden diese Kosten von der saudi-arabischen Seite
an welcher deutschen Bundesbehörde überwiesen, und unter welchem Titel
gelangen diese Zahlungen an die Bundespolizei, und wer hat dies wie ver-
traglich geregelt (entsprechende schriftliche Vereinbarungen bitte der Ant-
wort beifügen)?

16. Welche weiteren Kosten entstehen für die Bundesrepublik Deutschland
außer dem Grundgehalt und auslandsbedingten Mehrkosten für die Bundes-
polizei (bitte nach Jahren auflisten)?

17. Inwieweit trifft die Darstellung des Magazins „FOCUS“ vom 2. April 2011
zu, demzufolge im Bundeshaushalt 20 Mio. Euro für diesen Einsatz der
Bundespolizei bereitgestellt seien, und für welche Zwecke genau stehen
diese Gelder bereit?

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18. Inwieweit trifft die Darstellung des Magazins „FOCUS“ zu, dass die Bun-
despolizei auch eine umfangreiche Waffenausbildung anbiete, und falls es
eine Waffenausbildung gibt,

a) worin genau besteht diese,

b) wie viele Angehörige der Bundespolizei bieten sie an,

c) an welchen Waffen wird ausgebildet,

d) wie viele saudi-arabische Sicherheitskräfte welcher Formationen und
welcher Dienstränge erhalten die Ausbildung?

e) Bieten andere deutsche Sicherheitsbehörden Waffenausbildung für
saudi-arabische Sicherheitsbehörden an, und wenn ja, welche?

f) Inwieweit werden im Rahmen der Waffenausbildung auch rechtsstaatli-
che Grundsätze zum Einsatz von Waffen vermittelt?

19. Da die Bundesregierung die polizeiliche Zusammenarbeit mit Polizei- und
Sicherheitsbehörden von Diktaturen damit begründet, es finde ein „Transfer
rechtsstaatlicher Werte“ statt, worin genau drückt sich dieser Transfer in
Saudi-Arabien aus, welche rechtsstaatlichen Werte wurden bzw. werden
vermittelt, und welche Ergebnisse dieses Transfers kann die Bundesregie-
rung benennen?

20. Inwiefern erwartet die Bundesregierung konkret von dem hier behandelten
Ausbildungsprojekt einen „Transfer rechtsstaatlicher Werte“?

21. Wie bewertet die Bundesregierung den Einmarsch von 1 000 saudi-arabi-
schen Soldaten in Bahrain, wo sie dem dortigen Regime helfen, die Demo-
kratiebewegung niederzuschlagen, sowie die Festnahme von mehr als 160
Regimekritikern seit Februar 2011, und inwiefern ist dies Ausdruck eines
erfolgreichen „Transfers rechtsstaatlicher Werte“?

Welche Konsequenzen will die Bundesregierung aus dem Einmarsch Saudi-
Arabiens in Bahrein hinsichtlich der weiteren Zusammenarbeit im Polizei-
und Militärsektor ziehen?

22. Welchen rechtsstaatlichen Nutzen hat die polizeiliche Zusammenarbeit mit
den anderen Diktaturen im Maghreb gehabt, angesichts der Tatsache, dass
die dortigen Demokratiebewegungen allesamt mit korrupten Regimen kon-
frontiert waren bzw. sind?

23. Welche Änderungen an der Projektstruktur hält die Bundesregierung mitt-
lerweile für geboten, und welche Schritte hat sie eingeleitet, um diese Än-
derungen umzusetzen?

Wie waren bislang die Reaktionen von der EADS und Saudi-Arabiens auf
die entsprechenden Vorstöße?

Berlin, den 13. Mai 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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