BT-Drucksache 17/5778

Energieeffizienz und Klimaschutz im Gebäudebereich

Vom 11. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5778
17. Wahlperiode 11. 05. 2011

Antrag
der Abgeordneten Daniela Wagner, Bettina Herlitzius, Ingrid Nestle, Stephan
Kühn, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Lisa Paus, Dr. Valerie Wilms,
Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Sven-Christian
Kindler, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg),
Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, Dr. Hermann Ott, Dorothea Steiner,
Markus Tressel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Energieeffizienz und Klimaschutz im Gebäudebereich

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die internationale Gemeinschaft hat sich zu dem Ziel bekannt, den globalen
Temperaturanstieg auf unter 2 Grad Celsius zu begrenzen, um einen gefährlichen
Klimawandel abzuwenden. Eine signifikante Reduktion des deutschlandweiten
CO2-Ausstoßes, der Ausstieg aus der Atomenergie und der konsequente Ein-
stieg in die erneuerbaren Energien sind ohne die energetische Modernisierung
des Gebäudebestandes nicht zu bewältigen. Besonders unter diesen Gesichts-
punkten ist die Modernisierung des Gebäudebestandes unerlässlich. Denn in den
Bestandsgebäuden werden rund 40 Prozent der Endenergie für Wärme und Küh-
lung verbraucht und fast 20 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutsch-
land verursacht. Derzeit verbraucht ein unsanierter Altbau oft mehr als 200 und
nicht selten bis zu 400 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr und Quadratmeter. Bei
Neubauten liegt der heutige Energiebedarf für Wärme und Kühlung je nach
Gebäudebeschaffenheit bei etwa 40 bis 80 kWh und damit immer noch weit über
dem technisch Machbaren wie etwa im Fall von Nullenergiehäusern. Der
Gebäudebestand von 18 Millionen Wohngebäuden in Deutschland steht einem
Volumen von rund 150 000 Neubauten pro Jahr gegenüber. Die Einsparpoten-
ziale des Gebäudebestandes zu erschließen, ist daher eine große gesellschaft-
liche Aufgabe. Wenn die gesetzten Klimaziele erreicht werden sollen, muss der
Gebäudebestand in den nächsten 30 bis 40 Jahren umfassend energetisch saniert
werden. Hierfür ist eine jährliche Sanierungsquote von 3 Prozent notwendig.
Eine deutliche Senkung des Energieverbrauchs in Privathaushalten und eine Er-
höhung der Sanierungsquote kann nur mit einer Kombination anspruchsvoller
Energiestandards für Neubau- sowie Bestandsgebäude und hoher zuverlässiger
Förderung erreicht werden.

Die jedes Jahr wiederkehrende Unsicherheit über die Höhe der Fördermittel des
Bundes für die CO2-Gebäudesanierungsprogramme der KfW Bankengruppe
schreckt sowohl gewerbliche als auch private Investoren ab, in ihren Gebäude-
bestand zu investieren und energetisch zu modernisieren. Dennoch hat die Bun-
desregierung die Bundesmittel für das genannte Förderprogramm von 2 Mrd.
Euro in 2009 auf 437 Mio. Euro in 2011 zusammengestrichen. Ob in den Haus-
halt 2012 überhaupt noch Mittel für die CO2-Gebäudesanierungsprogramme

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der KfW Bankengruppe eingestellt werden, ist unklar und wird sich erst in den
Haushaltsverhandlungen zeigen.

Die prekäre Finanzierungssituation der Programme der KfW Bankengruppe ist
mit dem vermeintlichen Hilfsinstrument der Bundesregierung Energie- und
Klimafonds (EKF) noch weiter verschärft worden. Die Höhe des Aufkommens
der Finanzierungsgrundlage Brennelementesteuer war bereits letztes Jahr nicht
wirklich abzuschätzen. Mit der Ankündigung der großen Energieversorger, am
9. April 2011 ihre Einzahlungen in den EKF zu stoppen, ist auch diese Finanzie-
rungsgrundlage nicht gesichert. Das bedeutet, dass, je nach dem wie die Haus-
haltsverhandlungen ausfallen, für Energieeffizienzmaßnahmen im Gebäude-
bereich in 2012 im schlimmsten Fall null Euro zur Verfügung stehen.

Laut dem vorliegenden Nachhaltigkeitsbericht des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) konnten seit 2006 mit Hilfe des
CO2-Gebäudesanierungsprogramms Investitionen im Gebäudesektor in Höhe
von 74 Mrd. Euro unterstützt werden. Mit diesen Investitionen wurden 2,4 Mil-
lionen Wohnungen energieeffizient saniert oder gebaut. Dies sparte rund
4,6 Millionen Tonnen CO2 und sicherte oder schuf per anno bis zu 320 000 Ar-
beitsplätze, vorwiegend in kleinen und mittelständischen Betrieben von Bau-
wirtschaft und Handwerk.

Die finanzielle Belastung der Mieterinnen und Mieter wird auch durch den
energetischen Zustand ihrer Wohngebäude geprägt. Steigende Energiepreise,
die auch aufgrund der zunehmenden Rohstoffknappheit bei fossilen Energie-
trägern in den nächsten Jahren stark zunehmen werden, lässt die Betriebs- und
Nebenkosten zu einer „zweiten Miete“ und einem unberechenbaren Faktor
werden. Der „Wohngeld- und Mietenbericht 2006“ zeigt auf, dass seit 2001 die
warmen Betriebskosten im Durchschnitt um 32 Prozent angestiegen sind. Ob-
wohl die Finanz- und Wirtschaftskrise den Ölpreisanstieg bremste, kann dies
nicht darüber hinweg täuschen, dass sich mit einem erneuten Anziehen der Wirt-
schaft die Energiekosten wieder erhöhen werden. So stieg der Ölpreis am
31. Januar 2011 erstmals seit Oktober 2008 auf 100 Dollar pro Fass (159 Liter).
Die energetische Sanierung des Gebäudebestandes ist ein zentrales Instrument,
um die Wohnkostenbelastung insgesamt nachhaltig zu reduzieren oder mindes-
tens stabil zu halten.

Die wenigen bestehenden Standards für Bestandsgebäude werden durch eine
Vielzahl von Ausnahmeregelungen verwässert, wie etwa durch die sehr weiche
Regelung für den Austausch von Nachtstromspeicherheizungen. Diese müssen
nur ersetzt werden, wenn sie älter als 30 Jahre sind und in einem Gebäude mit
mindestens sechs Wohneinheiten stehen. Im Neubaubereich ist die Technologie
für Niedrigstenergiehäusern längst verfügbar, doch greift die aktuelle Energie-
einsparverordnung (EnEV 2009) dieses Potenzial nicht auf. Nicht nur ambitio-
nierte Standards müssen von einer hohen und verlässlichen Förderung flankiert
werden, auch die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger zur Investition
hängt maßgeblich von der Höhe und Verlässlichkeit der Fördermittel ab.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

I. eine Energiesparoffensive im Gebäudebereich umzusetzen, die eine umfas-
sende und verlässliche Förderung von Energieeffizienzmaßnahmen im
Gebäudebereich sicherstellt, Standards für Wärme- und Kühlungsverbrauch
sowie erneuerbare Energien setzt,

II. für die Umsetzung folgende Maßnahmen zu ergreifen:

1. Standards für den Neubau und den Gebäudebestand zu setzen

a) im Gebäudebereich den Energieverbrauch in Deutschland bis 2020 um
40 Prozent zu senken und 2050 auf Null zurückzuführen,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5778

b) für den Gebäudebestand stufenweise ab 2020 bei energetischen Sanierun-
gen einen Energieverbrauch von höchstens 60 kWh pro Quadratmeter
und Jahr einzuführen,

c) wo immer möglich den Energieverbrauch in älteren Gebäuden gegen
Null zu senken,

d) für denkmalgeschützte Bauten Sonderregelungen zu erarbeiten,

e) die Einführung der EnEV 2012 nicht zu verzögern und Standards für
umfassende Modernisierungen von Bestandsgebäude jetzt schon anzuge-
hen. Diese Standards sollten so ausgestaltet sein, dass eine langfristige
und verlässliche Planungsperspektive gesichert ist,

f) eine Übergangsfrist von zehn Jahren für Energiesparstandards im Ge-
bäudebestand einzuführen,

g) die EU-Gebäuderichtlinie aufzugreifen und ab 2016 den Standard Null-
energiehaus verbindlich für alle Neubauten der öffentlichen Hand einzu-
führen,

h) spätestens ab 2019 im Neubaubereich das 1,5 Liter Haus, das pro Qua-
dratmeter und Jahr nicht mehr als 15 kWh für Wärme und Kühlung benö-
tigt, als verbindlichen Standard einzuführen,

i) in einem weiteren Schritt den Standard Energieplushaus für alle Neubau-
ten einzuführen,

j) die Einhaltung der EnEV 2009 stärker zu evaluieren und zu sichern, wo-
mit bei der Erstellung der Energieausweise sichergestellt sein muss, dass
diese von qualifizierten Beratern ausgestellt werden und dementspre-
chend verlässliche Daten enthalten,

k) für eine verbesserte Verzahnung der EnEV mit bestehenden Gesetzen wie
Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) und einem wirkungs-
vollen Effizienzgesetz zu sorgen,

l) die Einführung eines einheitlichen und jederzeit zugänglichen, bedarfs-
orientierten Energieausweises zu fördern,

m)den bedarfsorientierten Energieausweis so zu gestalten, dass dieser bei
Neuvermietung und Verkauf einer Immobilie verpflichtend vorzulegen ist,

n) die Angabe der Werte des bedarfsorientierten Energieausweises in
Annoncen einzuführen, so dass bei der Wohnungs- und Immobiliensuche
der Energiebedarf eine feste Größe zur Entscheidungsfindung wird,

o) zu prüfen, wie die verpflichtende Solarfähigkeit von Dächern der Ge-
werbeneubauten gemäß ihrer Statik und Ausrichtung eingeführt werden
kann;

2. Energieeffizienz zu fördern

a) die finanzielle Ausstattung der Förderprogramme zur Gebäudesanierung
auf mindestens 2 Mrd. Euro zu verstetigen,

b) in die Förderprogramme der KfW Bankengruppe Investitionsanreize für
Kleinstbesitzer und ältere Hauseigentümer ohne große Rücklagen oder
Einkommen einzuführen,

c) im Förderprogramm zur CO2-Gebäudesanierung der KfW Bankengruppe
die Zuschussmodelle für Einzelmaßnahmen besonders für Kleinstbesitzer
und ältere Hauseigentümer stärker auszubauen und attraktiver auszuge-
stalten,

d) die Zins- und Tilgungskonditionen der Kredite der KfW Bankengruppe
zur CO2-Gebäudesanierung attraktiver auszugestalten,

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e) die Förderprogramme stärker auf den Gebäudebestand der Mehrfamilien-
häuser der 50er- bis 70er-Jahre zu fokussieren, da dort laut der Sanierungs-
studie der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena) aus 2010 die Bau-
altersklassen mit den schlechtesten energetischen Standards sind und mit
Förderung der KfW Bankengruppe nahezu warmmietenneutral auf den
Standard Effizienzhaus 55 – nahe der Klimaneutralität – zu bringen sind,

f) die Förderprogramme auch auf Quartiere mit besonderem Entwicklungs-
bedarf auszurichten und die Auswirkungen auf die Mieterhaushalte abzu-
federn,

g) die CO2-Gebäudesanierungsprogramme mit einer Evaluation der tatsäch-
lich erreichten Energieeinsparungen zu flankieren und eine entspre-
chende Qualitätssicherung einzuführen,

h) alternative und haushaltsunabhängige Instrumente zur Finanzierung von
Energieeffizienzmaßnahmen im Gebäudesektor, wie etwa eine rendite-
orientierte und ökologische Geldanlage am Kapitalmarkt, zum Beispiel in
Form eines Green Building Technology Fonds, zu prüfen,

i) einen Energiesparfonds in Höhe von jährlich 3 Mrd. Euro aufzulegen.
Daraus sollen Maßnahmen der Stromeffizienz mit 1 Mrd. Euro und Wär-
meenergieeffizienzmaßnahmen, vor allem in Stadtteilen mit hohem An-
teil einkommensschwacher Haushalte, mit 2 Mrd. Euro finanziert wer-
den. Der Energiesparfonds soll aus der Reduktion umweltschädlicher
Subventionen, wie etwa die Einführung der Kerosinbesteuerung im In-
land, finanziert werden;

3. Fördermittel der EU für Energieeffizienz zu nutzen

a) für eine konsequente Nutzung des European Energy Efficiency Facility
(EEE – F) of the European Energy Programme for Recovery (EEPR) zu
werben. Dieser Fonds mit einem Mittelvolumen von 200 Mio. Euro dient
der Finanzierung von Investitionen von Bund, Ländern, Kommunen und
ihren öffentlichen oder privaten Kooperationspartnern in Energieeinspar-,
Energieeffizienz- und Erneuerbare-Energien-Projekten vor allem in städ-
tischen Gebieten,

b) auf die Bundesländer einzuwirken ihre Operationellen Programme für den
Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) im Sinn der Ver-
ordnung (EG) Nr. 397/2009 (Artikel 1 Absatz 1 Satz 1a) für mehr Ener-
gieeffizienz im Wohngebäudebestand zu ändern,

c) auf die Bundesländer einzuwirken, dass diese die, seit der Verordnung der
(EG) Nr. 397/2009 bestehende Möglichkeit, Mittel des EFRE für eine
Steigerung der Energieeffizienz von Wohngebäuden, mit einem Finanz-
volumen von 4 Prozent oder 680 Mio. Euro des EFRE-Gesamtvolumens
Deutschlands, stärker zu nutzen,

d) sich im Rahmen der Verhandlungen in der Europäischen Union über die
Zukunft der Kohäsionspolitik für die Förderperiode 2014 bis 2020 dafür
einzusetzen, dass auch in der kommenden Förderperiode, wie seit der Ver-
ordnung (EG) Nr. 397/2009 möglich, weiterhin EFRE-Mittel für Inves-
titionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien im Wohnungssektor
eingesetzt werden können;

4. das Mietrecht an zentrale Herausforderungen des Wohnungsmarktes anzu-
passen, so dass die Kosten und der Nutzen von energetischen Modernisie-
rungen gerecht zwischen Vermietern und Mietern verteilt werden:

a) das Mietrecht dahingehend zu ändern, dass Mieterinnen und Mieter vor
rasant steigenden Nebenkosten durch verschleppte energetische Moderni-
sierung geschützt werden,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/5778

b) das Mietminderungsrecht der Mieterinnen und Mieter dahingehend zu
ändern, dass es sich auch auf die Fälle erstreckt, wenn Vermieter die ge-
setzlich vorgeschriebenen Sanierungspflichten beziehungsweise Energie-
standards nicht einhalten,

c) die Duldungsbestimmungen im Mietrecht dahingehend zu ändern, dass
energetische Sanierungen gegenüber anderen Maßnahmen privilegiert
werden, ohne die soziale Ausgewogenheit zu gefährden,

d) die Komponente „energetische Gebäudebeschaffenheit“ in die Bildung
der ortsüblichen Vergleichsmiete aufzunehmen (ökologischer Mietspie-
gel) und die Einführung eines vom Bund finanzierten Förderprogrammes
zu prüfen, das Kommunen ermöglicht, dies zu finanzieren,

e) Mieterinnen und Mieter vor finanziellen Überforderungen zu schützen,
indem künftig nur noch Kosten von energetischen Sanierungen und dem
altersgerechten Umbau auf die Miete umgelegt werden können. Außer-
dem soll die Modernisierungsumlage auf 9 Prozent reduziert werden. All-
gemeine Modernisierungsmaßnahmen können weiterhin im Rahmen des
allgemeinen Mietrechts entsprechend der ortsüblichen Vergleichsmiete
refinanziert werden,

f) das Mietrecht dahingehend zu ändern, dass Mieterinnen und Mieter, die
an den Modernisierungskosten beteiligt werden, diese auch mittelfristig
durch Heizkosteneinsparungen refinanzieren können;

5. erneuerbare Energien im Wärmebereich verbindlich zu machen

a) das EEWärmeG über den Neubau hinaus auf die Bestandsgebäude,
Wohn- und Nichtwohngebäude gleichermaßen auszuweiten, unabhängig
davon, ob sie Privathaushalten, Unternehmen oder der öffentlichen Hand
gehören,

b) die gesetzliche Verpflichtung zum Einsatz erneuerbarer Energien entspre-
chend beim Neubau sowie bei Sanierungen und Austausch bestehender
Heizungsanlagen anzupassen,

c) ein Controllingsystem zur Einhaltung des EEWärmeG einzuführen,

d) als Basisstandard im EEWärmG einen Deckungsanteil erneuerbarer
Energien am jährlichen Wärmebedarf von 20 Prozent bei Neubauten und
10 Prozent bei Bestandsbauten festzuschreiben,

e) diesen Standard entsprechend der Marktentwicklung regelmäßig anzuhe-
ben, so dass bis zum Jahr 2020 ein Anteil von mindestens 25 Prozent und
bis zum Jahr 2050 möglichst ein Anteil von 100 Prozent an erneuerbaren
Energien im Wärmebereich erreicht wird,

f) in der Gesetzesnovelle Ausnahmebestände festzuschreiben. Wenn zum
Beispiel Gebäude die EnEV um 50 Prozent unterschreiten,

g) in die Gesetzesnovelle eine maximale CO2-Reduktion in den Mittelpunkt
zu stellen und eine Verdrängung von Ölheizungen durch Erneuerbare-
Energien-Anlagen festzuschreiben, diese festgelegte CO2-Reduktion ist
bei der Ausgestaltung der Förderrichtlinien zu beachten,

h) für die Überschreitung des Basisstandards Fördermittel aus dem Markt-
anreizprogramm für erneuerbare Energien im Wärmemarkt (MAP) be-
reitzustellen,

i) im MAP ein Innovationsprogramm als zweite Förderschiene einzuführen,
das die Technologien der nächsten Generation zur Marktreife führt,

j) begleitend zum EEWärmeG die Förderung der saisonalen Wärmespeiche-
rung und den Ausbau der Fern- und Nahwärmenetze auszudehnen,

Drucksache 17/5778 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

k) begleitend zum EEWärmeG das Mietrecht so zu ergänzen, dass Rechts-
sicherheit für die Duldung von energetischen Modernisierungen geschaf-
fen wird und die Investitionen hierfür in angemessenem Verhältnis zum
energetischen Nutzen und unter Beachtung sozialer Belange der Mieter
auf die Miete umgelegt werden können;

6. den Contractingmarkt zu entwickeln

a) sowohl im Mietrecht als auch im Wohneigentumsrecht zu prüfen, wie die
Umlage und die Abrechnung von Contractingvorhaben vereinfacht wer-
den kann,

b) dafür zu sorgen, dass die durch Contracting anfallenden Investitionen in
Mietwohnungen fair umgelegt und so unsoziale Kostensteigerungen für
Mieterinnen und Mieter verhindert werden;

7. ökologisch bauen und sanieren zu stärken

a) zu prüfen, wie Standards für den Energieverbrauch von Baustoffen einge-
führt werden können, die den gesamten Lebenszyklus der Baustoffe,
inklusive deren Entsorgung, berücksichtigen,

b) zu überprüfen, wie beim Energieausweis eine Nachhaltigkeitsbewertung
mit Lebenszyklusbetrachtung der Gebäude ergänzt werden kann,

c) die Entwicklung einer einheitlichen Zertifizierung von ökologischen
Baustoffen und Gebäuden zu unterstützen,

d) die Forschung hinsichtlich dem Einsatz nachhaltiger Baustoffe und Bau-
weisen auszuweiten,

e) den Aspekt Wohngesundheit und Schadstoffemissionen im Wohnbereich
in die Ressortforschung aufnehmen und Maßnahmen zu entwickeln,

f) die Förderprogramme stärker auf den Einsatz ökologischer Baumateria-
lien zu konzentrieren;

8. informieren und Kompetenz schaffen, Beratung vor Ort zu verbessern

a) ausgehend von den bereits existierenden Energie- und Klimaschutzagen-
turen, den Aufbau weiterer regionaler Energiekompetenzzentren unter-
stützen, die für die unabhängige Energieberatung von Mieterinnen und
Mietern, Wohnungsbesitzerinnen und Wohnungsbesitzern und Verwaltun-
gen, Unternehmen, Kommunen und Bürgerinnen und Bürgern bereitste-
hen (auch für Sonderfälle in der energetischen Sanierung, wie z. B. denk-
malgeschützte Gebäude oder Gebäude mit einer erhaltenswerten Bausub-
stanz). Diese regionalen bzw. kommunalen Energieberatungen sollen eine
notwendige Lotsenfunktion in der Beratung zu den Förderprogrammen
übernehmen,

b) die Bevölkerung im Rahmen von Netzwerken, Projekten und Kampagnen
einzubeziehen;

9. in Ausbildung und Forschung zu investieren

a) die entsprechenden Fachgemeinschaften anzuregen, energieeffizientes
Bauen und Sanieren bzw. energieeffiziente Siedlungsstrukturen in den
Studiengängen Architektur und Bauingenieurwesen zu einem Pflicht-
und Prüfungsfach zu machen, damit die Aus- und Fortbildung in energe-
tischen Bau- und Energietechnologien verbessert und nachhaltig veran-
kert wird,

b) entsprechend die Länder anzuhalten, die Schulung und Aus- und Weiter-
bildung von Handwerkern in den Bereichen energieeffizientes Bauen und
Sanieren sowie Verwendung entsprechender Baumaterialien zu verbes-
sern,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/5778

c) Forschungsprogramme im Bereich Grundlagenforschung zu bestimmten
Technologien der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz im Ge-
bäudebereich sowie interdisziplinäre und sozialwissenschaftliche Begleit-
forschung zu Nutzerverhalten und Anreizstrukturen aufzulegen.

Berlin, den 10. Mai 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Die Sanierung des Gebäudebestands kommt zu langsam voran. Mit dem heuti-
gen Sanierungstempo werden wir 100 Jahre und mehr brauchen, um die Ein-
sparpotenziale zu erschließen. Die derzeitige energetische Modernisierungs-
quote liegt bei deutlich zu geringen 0,6 bis 0,7 Prozent pro Jahr. Die Bundes-
regierung hat das noch zu knapp ausgestattete CO2-Gebäudesanierungspro-
gramm für 2011 de facto halbiert und im Bundeshauhalt nur noch 430 Mio.
Euro bereitgestellt. Nach den Eckwertebeschlüssen des Bundeshaushalts sind
ab 2012 keine Haushaltsmittel für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm vor-
gesehen.

Für eine effektive und zügige energetische Modernisierung des Gebäudebestan-
des und der gebäudenahen Infrastruktur sollten sich die Fördermittel wie folgt
zusammensetzten:

● 2 Mrd. Euro jährlich aus dem CO2-Gebäudesanierungsprogramm,

● 2 Mrd. Euro jährlich für Wärmeeffizienzmaßnahmen aus dem grünen Ener-
giesparfonds, vorwiegend in Stadtteilen mit einkommensschwachen Haus-
halten,

● 1 Mrd. Euro jährlich für Stromeffizienzmaßnahmen für Beratung in privaten
Haushalten, Kleinunternehmen, Industrie und Gewerbe aus dem grünen En-
ergiesparfonds. Diese können nicht der Wärmeeffizienz im Gebäudebereich
zugerechnet werden, leisten aber einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz
auch in Gebäuden, indem sie die Stromeffizienz erhöhen,

● für die energetische Gebäudesanierung können jährlich 680 Mio. Euro aus
dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung mobilisiert werden,

● mit der neuen European Energy Efficiency Facility (EEE – F) der Euro-
päischen Investitionsbank steht ein neues Finanzierungsinstrument mit einem
Mittelvolumen bis zu 200 Mio. Euro zu Verfügung. Aus diesem neuen Fonds
können Projektmittel für Energieeffizienz und erneuerbare Energien vor
allem in städtischen Kontexten beantragt werden.

Viele in der energetischen Gebäudesanierung, aber auch beim Neubau, einge-
setzten Materialien erfüllen die Anforderungen an Nachhaltigkeit nur mangel-
haft. Die Anstrengungen, den Einsatz ökologischer Baumaterialien zu fördern,
reichen bei weitem nicht. Die Programme der KfW Bankengruppe und die
Marktanreizprogramme arbeiten zu wenig mit praktikablen Gütesiegeln. In den
nächsten Jahren werden aufgrund des demografischen Wandels und von
Wohnungsmarktprozessen insbesondere kleinere, altersgerechte und günstige
Wohnungen fehlen. Dies spielt energetisch eine Rolle: Viele Alleinlebende blei-
ben in großen Wohnungen oder Einfamilienhäusern mit hohem Energiebedarf
wohnen, weil in ihrer Nachbarschaft kleinere altersgerechte Wohnungen fehlen;
die durchschnittliche Wohnungsgröße steigt trotz des Trends zu Singlewohnun-

Drucksache 17/5778 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
gen so weiter an. Bisher gibt es zu selten Wohnraumkonzepte der Kommunen,
um diese Probleme, im Kanon mit den energetischen Erfordernissen, mit
brauchbaren Einzelfalllösungen in den Griff zu bekommen.

Der Einsatz erneuerbar erzeugter Wärme deckt heute 9 Prozent des Wärme-
bedarfs. Er vermeidet damit die Emission von 30 Millionen Tonnen des Klima-
gases Kohlendioxid pro Jahr und erspart den Import fossiler Brennstoffe im
Wert von mehreren Milliarden Euro. Dies ist jedoch erst ein Anfang, denn die
Potenziale für den Einsatz erneuerbar erzeugter Wärme sind weit höher: Sonne,
Biomasse und Erdwärme könnten bis 2020 bereits 25 Prozent des Wärme-
bedarfs decken. Das seit 2009 gültige Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz
(EEWärmeG) sieht eine verpflichtende Nutzung erneuerbar erzeugter Wärme
lediglich in Neubauten vor. Das ungleich größere Potenzial im Gebäudebestand
soll dagegen lediglich freiwillig, auf der Basis finanzieller Anreize durch das
MAP erschlossen werden. Die Zahlen der vergangenen Jahre beweisen die
unzureichende Wirkung des MAP. So stieg der Anteil erneuerbarer Energien im
Wärmesektor seit 2006 lediglich um 2 Prozentpunkte. Durch die zeitweise Sper-
rung und die unsichere Zukunft des Programms droht die Bundesregierung den
Ausbau erneuerbarer Wärme nunmehr vollends abzuwürgen. Schon im zweiten
Halbjahr 2009 war ein drastischer Absatzrückgang erneuerbarer Heizsysteme zu
verzeichnen. Das Ziel der Bundesregierung, 2020 einen Anteil erneuerbarer
Energien im Wärmesektor von 14 Prozent zu erreichen, wird so weit verfehlt
und die Zukunft tausender Handwerksbetriebe, die vom Ausbau erneuerbarer
Energien profitieren, gefährdet.

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