BT-Drucksache 17/5743

Arbeitsbedingungen und gesundheitliche Risiken beim Probebetrieb von Körperscannern in Hamburg

Vom 5. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5743
17. Wahlperiode 05. 05. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Jan van Aken, Ulla Jelpke, Wolfgang Neskovic,
Petra Pau, Jens Petermann, Raju Sharma, Frank Tempel, Halina Wawzyniak
und der Fraktion DIE LINKE.

Arbeitsbedingungen und gesundheitliche Risiken beim Probebetrieb
von Körperscannern in Hamburg

Am 30. März 2011 teilte die Bundesregierung mit, dass der Testbetrieb von Kör-
perscannern am Flughafen Hamburg um vier Monate verlängert werde. In ihrer
Pressemitteilung hierzu führt die Bundesregierung aus, dass die Tests weiterhin
freiwillig sein sollen. Bislang durften nicht nur die Passagiere frei darüber ent-
scheiden, ob sie durch die Testgeräte gehen wollen, auch den Luftsicherheits-
assistentinnen und -assistenten des Sicherheitsdienstleisters war es freigestellt,
an den Körperscannern zu arbeiten oder nicht. Zweifel an der gesundheitlichen
Unbedenklichkeit führten inzwischen dazu, dass sich nicht mehr genügend Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter des Sicherheitsdienstleisters freiwillig zum Ein-
satz an den Körperscannern gemeldet haben. Seitdem werden sie den Kontrollen
durch den Arbeitgeber verpflichtend zugeteilt, eine Wahl besteht nicht mehr.

Die Bundesregierung und der ehemalige Bundesminister des Innern Dr. Thomas
de Maizière haben die gesundheitliche Unbedenklichkeit der Körperscanner als
Voraussetzung für deren Betrieb genannt. In der Antwort auf die Kleine Anfrage
der Fraktion DIE LINKE. „Probebetrieb von Körperscannern am Flughafen
Hamburg“ (Bundestagsdrucksache 17/3789) gibt die Bundesregierung an, „von
der Millimeterwellentechnik der von der Bundespolizei getesteten Körperscan-
ner geht keine Gesundheitsgefährdung aus“. Deshalb seien die Passagiere, die
freiwillig durch die scannergestützten Kontrollen in Hamburg gehen, auch nicht
über mögliche gesundheitliche Risiken aufzuklären. Ein Nachweis für diese
Unbedenklichkeit ist bisher aber nicht erbracht worden. In der Antwort auf die
Schriftliche Frage des Bundestagsabgeordneten Dr. Egon Jüttner nach medizini-
schen Gutachten zur Unbedenklichkeit von körperscannergestützten Kontrollen
für Personen mit Herzschrittmachern oder Metallimplantaten antwortete die
Bundesregierung am 12. Januar 2010, es lägen ihr keine solchen Gutachten vor.
Als unbedenklich stufte die antwortende Parlamentarische Staatssekretärin
Ursula Heinen-Esser lediglich passive Körperscanner ein, die mit der Terahertz-
Strahlung des menschlichen Körpers arbeiten (Bundestagsdrucksache 17/440,
zu Frage 47). Auch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) gibt auf seiner

Internetseite an, unter Strahlenschutzaspekten sei „dem Einsatz von passiven
Systemen der Vorzug zu geben“. Die vom BfS überprüften Testgeräte, die in
Hamburg verwendet werden, seien aktive Geräte, deren Messwerte deutlich unter
dem von der Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender
Strahlung (ICNIRP) empfohlenen Grenzwert von 10 W/m2 lägen. Dieser basiere
allerdings auf wenigen wissenschaftlichen Studien. Nur aufgrund der deutlichen

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Unterschreitung des Grenzwerts sei der Einsatz der Scanner laut BfS „akzep-
tabel“.

Zur Verunsicherung von Luftsicherheitsassistenten tragen auch die Arbeitsbe-
dingungen bei. Laut Gewerkschaftsangaben werden immer weniger Vollzeit-
kräfte eingestellt und neue Stellen nur in Teilzeit, mit 80 bis maximal 120 Stun-
den im Monat, ausgeschrieben. Als Grund hierfür geben Arbeitnehmervertreter
die Auftragsvergabepraxis durch die Bundespolizei an. Um Kosten zu sparen,
fordert die Bundespolizei Luftsicherheitsassistentinnen und -assistenten ledig-
lich für kurze Zeiträume von wenigen Stunden an. Um Leerlauf zu verhindern,
sehen sich die beauftragten Sicherheitsunternehmen offenbar dazu gezwungen,
möglichst wenig Vollzeitbeschäftigte einzustellen und die Spitzen durch Teil-
zeitkräfte abzudecken. Konsequenz dieses Handelns sind für die betroffenen
Mitarbeiter Einkommen, von denen sie bei einem Tariflohn von ca. 11 Euro und
angesichts der Arbeit in wechselnden Schichten, welche die Aufnahme eines
Zweitjobs erschweren, ihren Lebensunterhalt kaum bestreiten können.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Liegen der Bundesregierung mittlerweile wissenschaftliche und medizini-
sche Studien vor, welche eine Gesundheitsgefährdung durch die Millimeter-
strahlung von Körperscannern nach der Bauart, wie sie in Hamburg einge-
setzt werden, ausschließen, und wenn ja, welche?

2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des BfS, der von Europäischer
Kommission und ICNIRP festgelegte Grenzwert basiere auf wenigen wissen-
schaftlichen Studien und die „wenigen vorliegenden Untersuchungen im Fre-
quenzbereich der Ganzkörperscanner, die mit Millimeter- oder Terahertz-
strahlung arbeiten“ ließen „noch keine abschließende Bewertung aus Sicht
des Strahlenschutzes zu“?

3. Wenn ja,

a) wie kommt die Bundesregierung zu ihrer in der oben genannten Antwort
auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache
17/3789) mitgeteilten Feststellung, von der „Millimeterwellentechnik der
von der Bundespolizei getesteten Körperscanner geht keine Gesundheits-
gefährdung aus“, wenn eine Gesundheitsgefährdung wissenschaftlich
noch gar nicht ausgeschlossen wurde,

b) wieso weist sie Flugpassagiere, die sich freiwillig als Testpersonen in die
Körperscanner begeben, nicht auf dieses mögliche Gesundheitsrisiko hin,

c) welche wissenschaftlichen und medizinischen Studien zur Untersuchung
der Auswirkungen der Millimeterstrahlung durch Körperscanner auf den
menschlichen Körper und zur Ermittlung von Grenzwerten hat die
Bundesregierung in Auftrag gegeben oder gefördert, und welche wird sie
zukünftig in Auftrag geben oder fördern?

4. Wenn nein (zu Frage 2), aufgrund welcher Studien oder Erkenntnisse geht die
Bundesregierung davon aus, dass die Einschätzung des BfS bezüglich der
Bewertbarkeit der Gesundheitsrisiken durch die Millimeterstrahlung von
Körperscannern falsch ist?

5. Wie groß ist der Anteil der Millimeterstrahlung, dem das bedienende Per-
sonal ausgesetzt ist, bei einem Scanvorgang?

6. Wie viele Scanvorgänge führt eine Luftsicherheitsassistentin/ein Luftsicher-
heitsassistent pro Schicht im Durchschnitt durch?

7. Welche wissenschaftlichen Studien liegen der Bundesregierung vor oder sind

ihr bekannt, in denen die Folgen einer regelmäßigen Exposition von Men-
schen zu künstlicher Millimeterstrahlung analysiert und bewertet wurden?

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8. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um mögliche
Beeinträchtigungen der Gesundheit von Luftsicherheitsassistentinnen und
- assistenten zu vermeiden?

9. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die an den Körperscannern in Ham-
burg arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teilweise gegen ihren
Willen an den Kontrollpunkten eingesetzt werden?

10. Wie häufig hat im laufenden Jahr die Bundespolizei am Flughafen Hamburg
bei privaten Sicherheitsdienstleistern Personal für wenige Stunden einge-
fordert (bitte aufschlüsseln nach 1-Stunden-, 2-Stunden-, 3-Stunden- und
4- Stunden-Einsätzen pro Monat)?

11. Ist der Bundesregierung bekannt, dass an den Luftsicherheitskontrollen Per-
sonal privater Sicherheitsfirmen zum Teil über vier Stunden ohne eine
Pause arbeitet, und sieht sie darin ein Sicherheitsrisiko?

Berlin, den 4. Mai 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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