BT-Drucksache 17/572

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Wehrdisziplinarordnung

Vom 27. Januar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/572
17. Wahlperiode 27. 01. 2010

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Jens Petermann, Jan Korte, Ulla Jelpke, Wolfgang
Neskovic, Petra Pau, Raju Sharma, Frank Tempel, Halina Wawzyniak
und der Fraktion DIE LINKE.

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Wehrdisziplinarordnung

A. Problem

Die Vorschrift des § 80 Absatz 2 Satz 1der Wehrdisziplinarordnung (WDO) er-
möglicht es der Bundesministerin/dem Bundesminister der Justiz, Einfluss auf
die Besetzung der Wehrdienstsenate des Bundesverwaltungsgerichts zu nehmen.
Mit einer Ressortvereinbarung zwischen dem Bundesministerium der Justiz und
dem Bundesministerium der Verteidigung vom 21. Oktober 1970 wurde der
Bundesministerin/dem Bundesminister der Verteidigung ein Vetorecht einge-
räumt. Dieses Vetorecht ermöglicht es der Bundesministerin/dem Bundesmi-
nister der Verteidigung dafür zu sorgen, dass zum Bundesverwaltungsgericht ge-
wählte Richterinnen und Richter nicht im Wehrdienstsenat tätig sein dürfen.
Diese Möglichkeit begegnet Bedenken im Hinblick auf die verfassungsrechtlich
verankerte richterliche Unabhängigkeit. Die Norm lässt sich schwerlich mit dem
angestrebten Richterbild des Grundgesetzes vereinbaren. Dieses ist geprägt von
einer wahrhaft unabhängig entscheidenden Richterschaft (Artikel 92 und 97 des
Grundgesetzes – GG).

Besondere Aktualität erhielt das durch die Regelung des § 80 Absatz 2 WDO
ausgelöste Problem im Mai 2009. Das Bundesministerium der Verteidigung
hatte sein Veto gegen die Zuweisung eines Richters zum Wehrdienstsenat des
Bundesverwaltungsgerichts eingelegt. Infolgedessen wurde dieser Richter nicht
Mitglied des 2. Wehrdienstsenats.

B. Lösung

Die Regelung des § 80 Absatz 2 Satz 1 bis 3 WDO wird aufgehoben.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine

Drucksache 17/572 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Wehrdisziplinarordnung

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung der Wehrdisziplinarordnung

§ 80 Absatz 2 Satz 1 bis 3 der Wehrdisziplinarordnung
vom 16. August 2001 (BGBl. I S. 2093), die zuletzt durch
Artikel 86 des FGG-Reformgesetzes vom 17. Dezember
2008 (BGBl. I S. 2586) geändert worden ist, wird aufgeho-
ben.

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Berlin, den 27. Januar 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

In den durch § 80 Absatz 2 Satz 1 WDO erfassten Sonder- terinnen und Richtern vorsehen. Die Wahl und die Zuord-

fällen besteht in dem Wahlakt kein gesetzliches Auswahl-
kriterium, sondern die Absicht, Wahlbewerberinnen und
Wahlbewerber nach ihrer Wahl zu für Wehrdienstsenate

nung von Richterinnen und Richtern des Bundesverwal-
tungsgerichts dürfen sich jedoch – mit Blick auf eine Ver-
wendung in Wehrdienstsenaten – nicht von anderen Richte-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/572

Begründung

A. Allgemeines

Die Vorschrift des § 80 Absatz 2 der Wehrdisziplinarord-
nung ermöglicht es der Bundesministerin bzw. dem Bundes-
minister der Justiz, darauf Einfluss zu nehmen, welche Rich-
terin oder welcher Richter des Bundesverwaltungsgerichts
im Wehrdienstsenat tätig sein darf.

Sie tangiert den Gewaltenteilungsgrundsatz. Die Regelung
begegnet gewichtigen verfassungsrechtlichen Bedenken im
Hinblick auf die Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit,
weil eine zusätzliche Kontrollinstanz über die grundsätzlich
freie Entscheidung der Besetzung der Senate durch das Prä-
sidium des Bundesverwaltungsgerichts geschaffen wurde.
Durch eine Ressortvereinbarung zwischen dem Bundes-
ministerium der Justiz und dem Bundesministerium der Ver-
teidigung vom 21. Oktober 1970 wird der Bundesministerin
bzw. dem Bundesminister der Verteidigung die Möglichkeit
eröffnet, Einwendungen gegen die Mitwirkung einer Rich-
terin/eines Richters im Wehrdienstsenat geltend zu machen.

Damit sind die Bundesministerinnen bzw. Bundesminister
der Justiz und der Verteidigung als Organe der Exekutive
befugt, maßgeblichen Einfluss auf die Besetzung von Sena-
ten eines oberen Bundesgerichts zu nehmen. Den Bundes-
ministerien ist die Möglichkeit eröffnet, nur ihnen politisch
genehme Richterinnen und Richter in die Wehrdienstsenate
zu entsenden.

Mit der Eingliederung der Wehrdienstsenate in das Bundes-
verwaltungsgericht ist es nicht mehr hinnehmbar, dass Bun-
desministerinnen bzw. Bundesminister vor oder nach Wah-
len zum Bundesverwaltungsgericht Bestimmungen über
dessen Richterinnen oder Richter und deren Verwendung
treffen, die über das gesetzliche Vorschlagsrecht und das mit
dem Richterwahlausschuss gemeinsam auszuübende verfas-
sungsrechtliche Berufungsrecht der Richterinnen und Rich-
ter hinausgehen (vgl. Artikel 95 Absatz 2 GG).

Die in Artikel 95 Absatz 2 GG normierte Regelung muss als
abschließende angesehen werden. Im Richterwahlgesetz
wurde eine Regelung eines zulässigen Einflusses auf Rich-
terwahlen durch Exekutivorgane des Bundes und der Länder
getroffen. § 80 Absatz 2 Satz 1 der Wehrdisziplinarordnung
widerspricht diesen Regelungen, indem er eine vorrangige
Entscheidung der Exekutive statuiert. Dies kann rechtspoli-
tisch, insbesondere vor dem Hintergrund des Richterbildes
des Grundgesetzes nicht hingenommen werden.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1

Mit der Regelung des § 80 Absatz 2 Satz 1 WDO verfolgte
der Gesetzgeber unter anderem das Ziel, Wehrdienstsachen
durch Spezialisten für Wehrdienstrecht erledigen zu lassen.

gemeinsame Berufung durch Exekutive und Legislative ge-
stützt werden. Vielmehr findet in diesen Fällen die zulässig
gemeinsame Berufung durch den Richterwahlausschuss
schon vorher statt und wird danach durch die Exekutive
nochmals in Frage gestellt. Durch § 80 Absatz 2 Satz 1
WDO wird eine zusätzliche Prüfinstanz, welche von der
Exekutive wahrgenommen wird, geschaffen.

Für das Bundesverwaltungsgericht als ein Gericht der Ver-
waltungsgerichtsbarkeit i. S. v. § 2 der Verwaltungsgerichts-
ordnung (VwGO) gilt gemäß § 4 VwGO das Gerichtsver-
fassungsgesetz (GVG). § 21a GVG überträgt dem Präsidium
als dem zentralen Organ richterlicher Selbstverwaltung Auf-
gaben. Deshalb ist auch das Präsidium mit voller richter-
licher Unabhängigkeit ausgestattet und wie die Richter
selbst an Weisungen gleich welcher Art nicht gebunden
(vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juni
1971, BVerfGE 31, 137 (140)). Es darf sich gegen unzuläs-
sige legislative oder exekutive Einflussmaßnahmen wehren,
da durch solche das grundgesetzgleiche Recht auf den ge-
setzlichen Richter i. S. v. Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 GG
verletzt würde.

Das Bundesverwaltungsgericht wählt in ständiger Praxis
das Verfahren, zunächst seine Zuteilungsentscheidung zu
treffen, um sie sodann vom Bundesministerium der Justiz
durch eine nachträgliche Bestimmungsentscheidung bestäti-
gen zu lassen. Auch eine solche Praxis ist indes nicht in der
Lage, die bestehenden rechtspolitischen und verfassungs-
rechtlichen Bedenken gegenüber der Norm zu entkräften.
Das beschriebene Verfahren ist zwar nach § 80 Absatz 2
Satz 3 WDO zulässig. Die Ausnahme ist jedoch in der Pra-
xis zur Regel geworden. Die Zweckmäßigkeit ist der Norm
daher abzusprechen.

Das Bestimmungsrecht in § 80 Absatz 2 Satz 1 WDO ist
Gegenstand der Vereinbarung des Bundesministeriums der
Justiz mit dem Bundesministerium der Verteidigung (21. Ok-
tober 1970), wonach das Bundesministerium der Verteidi-
gung als Dienstherr der verfahrensbeteiligten Soldatinnen
und Soldaten regelmäßig Einfluss auf die Auswahl der
hauptamtlichen Richterinnen und Richter, die letzt-
instanzlich über Wehrdienstsachen zu entscheiden haben,
nehmen kann. Damit haben die Bundesministerien der Ver-
teidigung und der Justiz – unabhängig voneinander – die
Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Besetzung der
Wehrdienstsenate des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Bestimmungen in § 80 Absatz 1 und 3 WDO sind in
verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, da
die Besetzung der Spruchkörper der obersten Bundes-
gerichte der Regelung des Gesetzgebers überlassen ist. Er
kann für spezielle Sachgebiete eine besondere Besetzung
und namentlich eine Beteiligung von ehrenamtlichen Rich-
taugliche Richterinnen und Richter zu bestimmen. Dies
kann nicht auf die nach Artikel 95 Absatz 2 GG zulässige

rinnen und Richtern des Bundesverwaltungsgerichts
unterscheiden.

Drucksache 17/572 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Mit der Aufhebung des § 80 Absatz 2 Satz 1 WDO, also
dem Wegfall des Bestimmungsrechts der Bundesministerin
bzw. des Bundesministers der Justiz über die Besetzung der
Wehrdienstsenate beim Bundesverwaltungsgericht, verliert
die Ressortvereinbarung zwischen dem Bundesministerium
der Justiz und dem Bundesministerium der Verteidigung
ihre gesetzliche Grundlage. Damit ist es der Bundesministe-
rin bzw. dem Bundesminister der Verteidigung nicht mehr
möglich, auf die Besetzung der Wehrdienstsenate am Bun-
desverwaltungsgericht Einfluss zu nehmen.

Die Sätze 2 und 3 des § 80 Absatz 2 WDO enthalten ein-
zelne Regelungen zur Umsetzung des Bestimmungsrechts
des Bundesministers der Justiz. Bei Aufhebung des Satzes 1
verlieren die Sätze 2 und 3 ihre Bedeutung und sind deshalb
ebenfalls zu streichen.

Zu Artikel 2

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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