BT-Drucksache 17/570

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Wolfgang Neskovic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -17/237- Abschiebungen nach Syrien stoppen - Abschiebeabkommen aufkündigen b) zu dem Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -17/68- Unverzügliche Aussetzung des Deutsch-Syrischen-Rückübernahmeabkommens

Vom 27. Januar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/570
17. Wahlperiode 27. 01. 2010

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Wolfgang Neskovic,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/237 –

Abschiebung nach Syrien stoppen – Abschiebeabkommen aufkündigen

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln),
Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/68 –

UnverzüglicheAussetzungdes Deutsch-Syrischen-Rückübernahmeabkommens

A. Problem

Die Antragsteller kritisieren das am 14. Juli 2008 von der Bundesregierung mit
der Arabischen Republik Syrien geschlossene Rückübernahmeabkommen, da es
in Syrien immer wieder zu Verletzungen der Menschenrechte von Flüchtlingen
und Staatenlosen komme. Es sei bekannt, dass Rücküberstellten die umgehende
Inhaftierung und Misshandlung drohe. Die Bundesregierung soll mit dem An-
trag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN daher insbesondere aufgefordert
werden, das Rückübernahmeabkommen unverzüglich auszusetzen, Abschie-
bungen nach Syrien zu stoppen, die Schicksale Betroffener aufzuklären und den
Deutschen Bundestag hiervon zu unterrichten. Sie solle die Erkenntnisse darü-
ber hinaus bei der Anerkennungspraxis des Bundesamts für Migration und
Flüchtlinge (BAMF) berücksichtigen und sich für die Achtung der Menschen-
rechte in Syrien einsetzen. Weitergehend will die Fraktion DIE LINKE. mit
ihrem Antrag die Bundesregierung auffordern, das Rückübernahmeabkommen
aufzukündigen, in Deutschland lebenden Betroffenen ein humanitäres Bleibe-
recht zu gewähren und künftig Rückübernahmeabkommen nur mit Staaten
abzuschließen, die ein hohes Niveau menschenrechtlicher Schutzstandards ein-
halten.

Drucksache 17/570 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/237 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zu Buchstabe b

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/68 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

C. Alternativen

Annahme der Anträge.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/570

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 17/237 abzulehnen,

b) den Antrag auf Drucksache 17/68 abzulehnen.

Berlin, den 27. Januar 2010

Der Innenausschuss

Wolfgang Bosbach
Vorsitzender

Reinhard Grindel
Berichterstatter

Rüdiger Veit
Berichterstatter

Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Josef Philip Winkler
Berichterstatter

Drucksache 17/570 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Reinhard Grindel, Rüdiger Veit, Hartfrid Wolff (Rems-
Murr), Ulla Jelpke und Josef Philip Winkler

I. Zum Verfahren

1. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 17/237 wurde in der 12. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 17. Dezember 2009 an den
Innenausschuss federführend sowie an den Auswärtigen
Ausschuss, den Rechtsausschuss und den Ausschuss für
Menschenrechte und humanitäre Hilfe zur Mitberatung
überwiesen. Der Antrag auf Drucksache 17/68 wurde in der
12. Sitzung des Deutschen Bundestages am 17. Dezember
2009 an den Innenausschuss federführend sowie an den Aus-
wärtigen Ausschuss und den Ausschuss für Menschenrechte
und humanitäre Hilfe zur Mitberatung überwiesen.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 7. Sitzung am
27. Januar 2010 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags
empfohlen.

Der Rechtsausschuss hat in seiner 5. Sitzung am 27. Januar
2010 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag
abzulehnen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat in seiner 6. Sitzung am 27. Januar 2010 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen
der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD die
Ablehnung des Antrags empfohlen.

Zu Buchstabe b

Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 7. Sitzung am
27. Januar 2010 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die
Ablehnung des Antrags empfohlen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat in seiner 6. Sitzung am 27. Januar 2010 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen
der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN empfohlen, den Antrag abzulehnen.

3. Beratungen im federführenden Ausschuss

Der Innenausschuss hat die Anträge auf Drucksachen
17/237 und 17/68 in seiner 4. Sitzung am 27. Januar 2010 ab-
schließend beraten und diese jeweils mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stim-
men der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN zur Ablehnung empfohlen.

II. Zur Begründung
Die Fraktion der CDU/CSU betont die Bedeutung des
Rückübernahmeabkommens, an dem festgehalten werden
müsse. In der Vergangenheit seien Abschiebungen nach
Syrien praktisch unmöglich gewesen. Ein Wegfall des Ab-
kommens würde erneut zu Pull-Effekten führen und Schleu-
sern in die Hände spielen. Ausländerbehörden und BAMF
gingen angemessen mit der Situation um. Sie seien – u. a.
durch ein Schreiben des Bundesministerium des Innern
(BMI) – sensibilisiert und prüften in jedem Einzelfall beson-
ders sorgfältig, ob in der Person des Betroffenen Abschiebe-
hindernisse vorlägen. Das Auswärtige Amt habe bestätigt,
dass es nur in Einzelfällen zu Befragungen und kurzfristigem
Festhalten aus Deutschland Rücküberstellter gekommen sei.
Soweit in einem Fall ein Rücküberstellter länger inhaftiert
worden sei, lägen keine objektiven Erkenntnisse über die
Gründe dafür vor. Die Bundesregierung verfolge die Situa-
tion vor Ort aufmerksam und wirke auf Syrien ein, um eine
Verbesserung der Menschenrechtslage zu erreichen.

Die Fraktion der SPD erklärt, der Antrag der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gehe nicht weit genug, da er
lediglich ein Aussetzen des Abkommens fordere. Der Antrag
der Fraktion DIE LINKE. gehe demgegenüber teilweise zu
weit, da er u. a. ein pauschales humanitäres Bleiberecht für
syrische Staatsangehörige und Staatenlose aus Syrien for-
dere. Sie verweist auf ihren eigenen Antrag für das Plenum
– Drucksache 17/525 –, der aktueller und zielgenauer sei.
Darin fordere man insbesondere, auf Syrien verstärkt Ein-
fluss zu nehmen, um die Lage betroffener Rückkehrer und
der Menschenrechte insgesamt zu verbessern, Abschiebun-
gen nach Syrien auszusetzen und das Rückübernahmeab-
kommen zu kündigen. Die Anträge der beiden anderen Frak-
tionen werde man daher ablehnen.

Auch die Fraktion der FDP schätzt die Menschenrechts-
lage in Syrien als schwierig ein. Sowohl das Auswärtige Amt
als auch das BMI nähmen die Situation aber erkennbar sehr
ernst. Die Bundesregierung habe bisher mit großer Sensi-
bilität reagiert. Rückübernahmeabkommen seien grundsätz-
lich wichtige Instrumente einer verantwortlichen Flücht-
lingspolitik, die auch nicht blind abgeschlossen würden. Es
sei aber zu betonen, dass auch bei bestehendem Rücküber-
nahmeabkommen stets eine Einzelfallentscheidung möglich
sei. Eine solche besonders sorgfältige Prüfung jedes einzel-
nen Falles auf denkbare Abschiebehindernisse nähmen die
deutschen Behörden jetzt vor. Die Fraktion der FDP werde
aber die Menschenrechtslage in Syrien weiterhin sehr genau
im Blick behalten und behalte sich vor, gegebenenfalls auf
Veränderungen angemessen zu reagieren.

Die Fraktion DIE LINKE. verweist auf die schwierige La-
ge u. a. von staatenlosen Kurden in Syrien. Das Land habe
die einschlägigen internationalen Abkommen zum Schutz
von Staatenlosen und auch die Genfer Flüchtlingskonventi-
on nicht unterzeichnet. Es sei zynisch, ein Land zu verteidi-
gen, das menschenrechtswidrige Polizeimethoden anwende,
in dem es zu Folter komme und in dem Menschen ver-
schwänden. Syrische Geheimdienste hätten sogar auf die

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/570

Familien von Syrern Druck ausgeübt, die an einer Demons-
tration gegen das Abkommen teilgenommen hätten. Verhaf-
tungen könne man nicht lapidar hinnehmen. Rücküberstell-
ten Asylbewerbern drohe eine Verfolgung mit dem Vorwurf,
das Ansehen Syriens im Ausland beschädigt zu haben. Eine
Kündigung des Abkommens und ein Abschiebestopp seien
dringend erforderlich.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schließt sich
dem Sachvortrag der Fraktion DIE LINKE. weitgehend an.
Der letzte Ad-hoc-Ergänzungsbericht des Auswärtigen Am-
tes widerspreche den Einschätzungen der Regierungskoali-
tion. Deutschland habe eine besondere Verantwortung für
Menschen, die man dieser despotischen Regierung zurück-
überstelle. Es gehe nicht um kurzfristiges Festhalten Betrof-
fener, im Einzelfall sei Anklage erhoben worden wegen der
Verbreitung falscher Informationen über Syrien im Ausland.
Dieser Vorwurf könne jeden Asylbewerber aus Deutschland
treffen. Syrien zeige sich unkooperativ und beantworte keine
Fragen der Botschaft bezüglich der Verfahren von Rück-
überstellten. Es reiche daher nicht aus, wenn die deutschen
Behörden besonders sorgfältig prüften. Eine sofortige Aus-
setzung des Abkommens sei der richtige Weg.

Berlin, den 27. Januar 2010

Reinhard Grindel
Berichterstatter

Rüdiger Veit
Berichterstatter

Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Josef Philip Winkler
Berichterstatter

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