BT-Drucksache 17/5560

Die Strategie der Bundesregierung zur Bekämpfung Internetkriminalität - Das Nationale Cyber-Abwehrzentrum

Vom 13. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5560
17. Wahlperiode 13. 04. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Petra Pau, Jan Korte, Dr. Petra Sitte, Ulla Jelpke,
Jens Petermann, Kathrin Senger-Schäfer, Raju Sharma, Frank Tempel,
Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Die Strategie der Bundesregierung zur Bekämpfung der Internetkriminalität –
Das Nationale Cyber-Abwehrzentrum

Am 23. Februar 2011 machte das Bundesministerium des Innern (BMI) über
eine Pressemitteilung bekannt, dass das Bundeskabinett eine neue Cyber-Sicher-
heitsstrategie beschlossen habe:

„Ziel der Strategie ist, Cyber-Sicherheit in Deutschland auf einem hohen Niveau
zu gewährleisten – ohne dabei die Chancen und den Nutzen des Cyber-Raums
zu beeinträchtigen. Kernpunkte der neuen Strategie sind:

– der verstärkte Schutz Kritischer Infrastrukturen vor IT-Angriffen,

– der Schutz der IT-Systeme in Deutschland einschließlich einer Sensibilisie-
rung der Bürgerinnen und Bürger,

– der Aufbau eines Nationalen Cyber-Abwehrzentrums ab 01. April 2011 so-
wie die Einrichtung eines Nationalen Cyber-Sicherheitsrates.“

Weiter heißt es in der Pressemitteilung des BMI:

„Das Nationale Cyber-Abwehrzentrum wird unter der Federführung des Bundes-
amtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) errichtet. Direkt beteiligt
werden das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bundesamt für Bevölkerungs-
schutz und Katastrophenhilfe. Weitere Behörden werden mitwirken. Die Auf-
gabe des Cyber-Abwehrzentrums besteht darin, Informationen auszutauschen.
Das Nationale Cyber-Abwehrzentrum ermöglicht es, schnell und abgestimmt
alle Informationen zu Schwachstellen in IT-Produkten oder IT-Vorfällen zu ver-
netzen, diese zu analysieren und Empfehlungen zum Schutz der IT-Systeme zur
Verfügung zu stellen bzw. auszusprechen. Koordiniert wird die Arbeit im Rah-
men der Cyber-Sicherheitsstrategie durch den neu einzurichtenden Cyber-
Sicherheitsrat unter der Verantwortung der Beauftragten der Bundesregierung
für Informationstechnik.“ (Pressemitteilung des BMI vom 23. Februar 2011).

Auch auf internationaler Ebene, hier vor allem auf der EU-Ebene und in der
NATO wird von bundesdeutschen Sicherheitsbehörden seit Jahren eine enge
Kooperation angestrebt.

So führte im November 2010 die 2004 gegründete Europäische Agentur für
Netz- und Informationssicherheit (ENISA, European Network and Information
Security Agency) ein erstes europaweites Manöver durch. Der Schlussbericht
dazu liegt noch nicht vor.

Drucksache 17/5560 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche genauen tatsächlichen Sachverhalte und Vorkommnisse sowie
eventuell offenbar gewordenen Schwächen in der bisherigen Arbeit der
Sicherheitsbehörden haben dazu geführt, dass ein Nationales Cyber-Ab-
wehrzentrum am 1. April 2011 seine Arbeit aufnehmen soll (bitte für die
einzelnen Behörden, Gremien und Kooperationseinrichtungen gesondert
darstellen)?

2. Auf welcher gesetzlichen Grundlage soll dieses Nationale Cyber-Abwehr-
zentrum arbeiten, und ist hierfür – nach Ansicht der Bundesregierung – ein
eigenes Errichtungsgesetz oder eine Errichtungsanordnung (falls vorhan-
den bitte der Antwort beifügen) erforderlich, und wenn nein, warum nicht?

3. Aufgrund welcher sonstigen Verwaltungsvereinbarung wurde das Natio-
nale Cyber-Abwehrzentrum dann errichtet (die Dokumente, Vereinbarun-
gen etc. bitte der Antwort beifügen)?

4. Welche Behörden sollen in dem Nationalen Cyber-Abwehrzentrum mit wie
vielen Personen ständig arbeiten, und welche Ad-hoc-Assoziationen sind
denkbar?

5. Wie ist die Kooperation der unterschiedlichen Behörden im Nationalen
Cyber-Abwehrzentrum konkret geregelt (bitte eventuelle Kooperationsver-
einbarungen der Antwort beilegen)?

6. Wie sollen die Arbeit und die Arbeitsabläufe des Zentrums konkret ausse-
hen?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die verfassungsrechtlichen Probleme
der dauerhaften analytischen und operativen Zusammenarbeit zwischen
Bundeskriminalamt (BKA), Bundespolizei, Bundesamt für Verfassungs-
schutz, Bundesnachrichtendienst (BND), Bundeswehr, Militärischem Ab-
schirmdienst (MAD) und anderen Behörden?

8. Welche Vorsorge ist in den Verwaltungsvereinbarungen getroffen, um den
Persönlichkeitsschutz, die Meinungsfreiheit, das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung der Internetnutzer zu schützen?

9. Sind Informationspflichten gegenüber den von Recherchen betroffenen
Nutzern des Internets vorgesehen, wenn ja, wie sehen die aus, und wenn
nein, warum nicht?

10. Welche Deliktgruppen der IuK-Kriminalität (IuK: Informations- und Kom-
munikationstechnik) werden bzw. sollen im Nationalen Cyber-Abwehrzen-
trum untersucht werden, und gibt es besondere Deliktgruppen der IuK-Kri-
minalität, die im Nationalen Cyber-Abwehrzentrum ausdrücklich nicht
untersucht und bekämpft werden sollen?

Wenn ja, aus welchen Gründen sind ihre Untersuchung und Bekämpfung
nicht vorgesehen?

11. Welche Schwachstellen bei welchen IT-Produkten und bei welchen IT-Vor-
fällen sollen im Nationalen Cyber-Abwehrzentrum untersucht werden, und
besteht das Nationale Cyber-Abwehrzentrum darauf, von den Software-
Firmen über sogenannte Backdoors, das heißt absichtlich implementierte
Sicherheitslücken, informiert zu werden?

12. Wie wird sich die Zusammenarbeit des Nationalen Cyber-Abwehrzentrums
mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gestalten, und
welchen Anteil hatte dieses Bundesministerium an der Entwicklung des
Konzepts und der Umsetzung des Nationalen Cyber-Abwehrzentrums?

13. Wie soll die Zusammenarbeit zwischen dem Nationalen Cyber-Abwehrzen-
trum und den Organisationen und Verbänden der Wirtschaft gestaltet wer-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5560

den, wie z. B. dem BITKOM Bundesverband Informationswirtschaft, Tele-
kommunikation und neue Medien e. V., dem Bundesverband der Deutschen
Industrie e. V. und anderen?

14. In welchen Räumlichkeiten bei welcher Sicherheitsbehörde soll das Natio-
nale Cyber-Abwehrzentrum zukünftig untergebracht werden?

15. Wird das Nationale Cyber-Abwehrzentrum über eine eigene Datei verfü-
gen, und welche nationalen und internationalen Behörden sollen hierauf
welche Art von Zugriff (schreibend, lesend, automatisiert – bitte auflisten)
haben können?

16. Wem sollen die im Nationalen Cyber-Abwehrzentrum erstellten Lagebilder
zur Verfügung gestellt werden, und wer sind die Aufsichtsbehörden der kri-
tischen Infrastrukturen (bitte auflisten), und wie soll die Kooperation mit
diesen im Nationalen Cyber-Abwehrzentrum aussehen?

17. Welche genauen Aufgaben (bitte die genaue Aufgabenbeschreibung der
Antwort beifügen) hat bzw. soll der Nationale Cyber-Sicherheitsrat im Rah-
men seiner koordinierenden Tätigkeit wahrnehmen, und welche interne
Organisationsstruktur (vergleiche z. B. Gemeinsames Terrorismusabwehr-
zentrum – GTAZ) wird sich der Nationale Cyber-Sicherheitsrat geben?

18. Welche genauen Regelungen und Vereinbarungen gibt es für die Tätigkeit
des Nationalen Cyber-Sicherheitsrates (bitte der Antwort beifügen)?

19. Wie vereinbart die Bundesregierung den Vorsitz im Nationalen Cyber-
Sicherheitsrat durch die Bundesbeauftragte der Bundesregierung für In-
formationstechnik, wenn deren Aufgaben bisher sind, „den Service der
Verwaltung zu verbessern, Innovationen zu fördern, administrative Hand-
lungsfähigkeit zu bewahren sowie die Effizienz in der Verwaltung zu stei-
gern. Diese Ziele sollen durch effektiven IT-Einsatz erreicht werden.“
(www.cio.bund.de)?

20. Welche Personen sind für welche Behörden oder Verbände in dem Nationa-
len Cyber-Sicherheitsrat vertreten?

21. Treffen Medienmeldungen zu, dass diesem Nationalen Cyber-Sicherheits-
rat auch „assoziierte Mitglieder“ der Wirtschaft angehören sollen, und wenn
ja, welche Vertreter sollen dies sein, wer wählt oder bestimmt sie, und wem
gegenüber sind sie verantwortlich?

22. Welche Aufgaben gehören zur Koordinationstätigkeit des Nationalen
Cyber-Sicherheitsrats gegenüber dem Nationalen Cyber-Abwehrzentrum,
und ist damit auch eine Art Weisungsbefugnis verbunden?

23. Wie ist die parlamentarische Kontrolle des Nationalen Cyber-Sicherheits-
rates und des Nationalen Cyber-Abwehrzentrums geregelt?

24. Treffen Medienmeldungen zu, dass im Falle einer „unmittelbar bevorste-
henden oder eingetretenen Krise“ ein nationaler Krisenstab eingerichtet
wird, und wenn ja, wie sind die Tätigkeit und die Befugnisse dieses Krisen-
stabes durch welche Richtlinien geregelt (bitte der Antwort beilegen), wel-
che Personen aus welchen Behörden und Einrichtungen sollen in diesem
Krisenstab mitarbeiten, und wie soll die Tätigkeit des Krisenstabes parla-
mentarisch kontrolliert werden?

25. Wie definiert die Bundesregierung in diesem Zusammenhang eine Situation
einer „unmittelbar bevorstehenden Krise“ im Vergleich zu einer „eingetre-
tenen Krise“, und wer ist für die Feststellung der einen und der anderen mit
welchen Befugnissen zuständig?

26. Welche Art von Rechenschafts- und Berichtspflichten gibt es für das Na-
tionale Cyber-Abwehrzentrum und den Nationalen Cyber-Sicherheitsrat?

Drucksache 17/5560 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
27. Treffen Medienmeldungen zu, dass auch eine Task Force „IT-Sicherheit in
der Wirtschaft“ zum 29. März 2011 eingerichtet werden sollte, und wenn ja,
nach welchen Richtlinien soll diese Task Force arbeiten (bitte der Antwort
beifügen), welche Vertreter welcher Wirtschaftsverbände und welcher Si-
cherheitsbehörden sollen in dieser Task Force vertreten sein, welche Aufga-
ben haben sie, wie viele Kosten fallen für diese Task Force an, wird diese
Task Force über eine eigene Datei verfügen, und wer soll auf diese Datei zu-
griff haben?

28. Mit welchen Einrichtungen der EU soll das Nationale Cyber-Abwehrzen-
trum nach den bisherigen Planungen und Vorgesprächen zusammenarbeiten
oder kooperieren?

29. Wann wurde das BMI durch wen beauftragt, eine „Cyber-Außenpolitik (so
zu) gestalten, dass deutsche Interessen und Vorstellungen in Bezug auf
Cyber-Sicherheit in (…) der NATO koordiniert und gezielt verfolgt wer-
den“ können (Cyber-Sicherheitsstrategie für Deutschland, Hrsg. BMI)?

30. Wann wurde das BMI von wem aufgefordert, die NATO bei der Erarbeitung
einheitlicher Sicherheitsstandards zu unterstützen, die dann „freiwillig“ für
den Schutz ziviler Kritischer Infrastrukturen übernommen werden sollen
(ebd.)?

31. Welche Vorarbeiten zur Entwicklung dieser einheitlichen Sicherheitsstan-
dards wurden bis heute von der NATO geleistet, und inwiefern war das BMI
daran beteiligt, bzw. in welcher Form hat sich die Befürwortung des Enga-
gements des BMI gegenüber der NATO gezeigt?

32. Seit wann ist die NATO das „Fundament transatlantischer Sicherheit“ (ebd.)
auch im Bereich ziviler Sicherheit und des Schutzes der deutschen bzw.
europäischen Kritischen Infrastrukturen?

33. In welcher der beiden Einrichtungen – Nationales Cyber-Abwehrzentrum
und Nationaler Cyber-Sicherheitsrat – sollen die einheitlichen NATO-
Sicherheitsstandards für ihren zivilen Einsatz geprüft werden, und welche
NATO-Vertreter oder -gremien werden daran teilnehmen?

34. Aufgrund welcher Überlegungen, rechtlicher und verfassungsrechtlicher
Grundlagen hält es die Bundesregierung für gerechtfertigt, zivile Gremien
zu schaffen – Nationales Cyber-Abwehrzentrum und Nationaler Cyber-
Sicherheitsrat – an denen Bundeswehr und NATO beteiligt sind und die
dem Schutz ziviler Strukturen Standards vorgeben sollen, die für den mili-
tärischen Bereich entwickelt wurden?

35. Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung bisher unternommen, um
für den Schutz Kritischer Infrastrukturen einheitliche zivile Standards zu
entwickeln (bitte auch die europäische Ebene beachten)?

Berlin, den 12. April 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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