BT-Drucksache 17/5481

Programm für eine nachhaltige, bezahlbare und sichere Energieversorgung

Vom 12. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5481
17. Wahlperiode 12. 04. 2011

Antrag
der Abgeordneten Rolf Hempelmann, Dirk Becker, Hubertus Heil (Peine),
Ulrich Kelber, Ingrid Arndt-Brauer, Doris Barnett, Sören Bartol, Gerd Bollmann,
Marco Bülow, Edelgard Bulmahn, Martin Burkert, Garrelt Duin, Petra Ernstberger,
Michael Gerdes, Iris Gleicke, Michael Groß, Petra Hinz (Essen), Oliver Kaczmarek,
Dr. Bärbel Kofler, Ute Kumpf, Caren Marks, Dr. Matthias Miersch, Thomas
Oppermann, Holger Ortel, Heinz Paula, Gerold Reichenbach, René Röspel,
Frank Schwabe, Dr. Martin Schwanholz, Rita Schwarzelühr-Sutter, Wolfgang
Tiefensee, Ute Vogt, Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Dr. Frank-Walter Steinmeier
und der Fraktion der SPD

Programm für eine nachhaltige, bezahlbare und sichere Energieversorgung

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag nimmt das im Anhang dargelegte Programm für die
aktuelle Debatte zu Atomausstieg und Energiewende zur Kenntnis.

Der Deutsche Bundestag wird das Programm bei seinen weiteren Beratungen in
den mit Teilen der Energiepolitik befassten Ausschüssen berücksichtigen.

Berlin, den 12. April 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

Drucksache 17/5481 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Anhang

Programm für eine nachhaltige, bezahlbare und sichere Energieversorgung

Inhalt

0. Vorwort

1. Umwelt- und klimapolitische Erfordernisse

2. Industriepolitik in der Energiewende

2.1. Forschung und Entwicklung

3. Europäischer Rahmen

3.1. Klimaschutz und Europäisches Emissionshandelssystem

4. Die Energieversorgung der Zukunft

4.1. Energieeinsparung

4.2. Energieeffizienz

4.2.1. Effizienzinitiative

4.2.1.1. Ausbau der KWK

4.2.1.2. Weitere Maßnahmen eines Hocheffizienz-Gesetzes

4.3. Erneuerbare Energien

4.3.1. Sonderfall Biomasse

4.4. Stromsektor

4.4.1. Erneuerbare Energien im Stromsektor

4.4.2. Speichertechnologien

4.4.3. Fossile und atomare Energieerzeugung

4.4.3.1. Erdgas

4.4.3.2. Steinkohle

4.4.3.3. Braunkohle

4.4.3.4. Atomenergie

4.4.3.5. Zubau und Modernisierung von Kraftwerken

4.4.3.6. CCS und CCR

4.5. Netzinfrastruktur und „Smart Grids“ (Strom und Gas)

4.6. Stadtwerke als Motor der Entwicklung

4.7. Wettbewerb und Regulierung

4.8. Wärmesektor

4.9. Verkehrssektor

4.9.1. Individualverkehr

4.9.2. Güterverkehr

4.9.3. Flugverkehr

4.9.4. Schifffahrt

4.9.5. Mobilität der Zukunft – Elektromobilität

4.9.6. Biokraftstoffe
5. Energieaußenpolitik

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5481

0. Vorwort

Deutschland ist Europas stärkstes Industrieland und damit gleichzeitig der
größte Energieverbraucher in der Europäischen Union. Obwohl SPD-geführte
Regierungen mit dem Atomkonsens und dem Erneuerbare-Energien-Gesetz seit
der Jahrtausendwende einen breiten gesellschaftlichen Konsens in der Frage
der zukünftigen Energieversorgung erreicht hatte, ist es nie gelungen, auch eine
parteiübergreifende Einigung in der Energiepolitik herzustellen, die über Wahl-
termine hinaus Bestand hat. Doch gerade für ein Industrieland wie Deutschland
ist ein solcher Grundkonsens mit Blick auf die notwendige Investitions- und
Versorgungssicherheit und damit zur Sicherung des Wohlstandes unverzichtbar.

Deshalb bietet die SPD allen Parteien Gespräche über einen allgemeinen Kon-
sens für die zukünftige Energieversorgung Deutschlands an. Einzige Vorausset-
zung ist die Rückkehr zum gesellschaftlichen Konsens des Atomausstiegs und
der Klimaschutzziele Deutschlands. Dann kann auch ein gesellschaftliches
Klima erwachsen, das die Realisierung notwendiger Energieinfrastruktur-
projekte ermöglicht, weil dann zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern
Mehrheiten z. B. für Netzausbau oder den Bau neuer Speicherkraftwerke ge-
schaffen werden können.

Die Energieversorgung in Deutschland und Europa hat in den letzten Jahren
ihre Struktur deutlich verändert. Strom und Gas werden schrittweise in den
Wettbewerb überführt, erneuerbare Energien ersetzen zunehmend fossile und
nukleare Brennstoffe. Preisanstieg und Klimawandel rücken Effizienz und Spa-
ren ins Zentrum aller Energiefragen.

Derzeit befindet sich Deutschland in einer Situation, die geprägt ist von einem
wachsenden Anteil erneuerbarer Energien, steigenden Preisen für fossile
Energieträger und weltweiten Herausforderungen für den Klimaschutz. Da-
rüber hinaus haben die Ereignisse in Japan im März 2011 wieder gezeigt, dass
die Atomenergie eine unbeherrschbare Risikotechnologie mit unkalkulierbaren
Folgen für Mensch und Umwelt ist.

Die Politik muss nun einen Weg zu einer Energiewende aufzeigen, damit die
Energieversorgung in Deutschland langfristig von fossilen und nuklearen
Brennstoffen hin zu einer Energieversorgung auf Basis von erneuerbaren Ener-
gien umgestellt wird.

Künftig soll die Energieversorgung der Europäischen Union auf einer vollstän-
dig CO2-freien Energieerzeugung beruhen. Damit verbinden sich die ebenfalls
notwendigen Ziele einer auch zukünftig für alle Bürgerinnen und Bürger be-
zahlbaren und sicheren Energieversorgung.

Zu betrachten ist die Entwicklung bis zur Mitte des Jahrhunderts und Grund-
lage sind die national, europäisch und international festgelegten Ziele. Kern-
größe ist, dass die Energieversorgung in Deutschland bis 2050 CO2-frei, auf
Basis erneuerbarer Energien erzeugt werden soll und dadurch vom Preisanstieg
fossiler Energieträger entkoppelt wird.

Zum überwiegenden Teil ist Deutschland und auch Europa heute noch von Im-
porten der fossilen und nuklearen Energieträger abhängig. Die Strategie „weg
vom Öl“ war ursprünglich rein ökonomisch begründet – Ziel war die Unabhän-
gigkeit vom Preisdiktat der OPEC. Heute sind vor allem auch der Klimawandel
und die gewonnene Fähigkeit, unsere Energieversorgung zu dauerhaft günsti-
geren Preisen auf Basis erneuerbarer Energien aufzubauen, ausschlaggebend.

Hinzu kommt, dass die fossilen Brennstoffe endlicher Natur sind und insbeson-
dere bei Öl, Gas und Uran das Ende ihrer ausreichenden Verfügbarkeit näher
ist, als der unbeschränkte Konsum uns Glauben machen will.

Drucksache 17/5481 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Preisanstieg fossiler Energieträger bis Mitte 2008 hat viele Volkswirtschaf-
ten weltweit vor enorme ökonomische und soziale Probleme gestellt. Die Preis-
entwicklung der Energieversorgung ist daher von besonderer Bedeutung.

Erneuerbare Energien sind bislang zwar überwiegend noch teurer als Fossile.
Die Kosten der Erneuerbaren Energien sinken aber deutlich ab, weil sich Effi-
zienz und Wirkungsgrade stetig verbessern und die steigende Nachfrage dazu
führt, dass die Produktionskapazitäten ausgebaut werden und die Produktions-
kosten gesenkt werden. Den Schnittpunkt, an dem sich die sinkenden Preise der
Erneuerbaren mit den steigenden der Fossilen treffen, wollen wir rasch er-
reichen, um den Umstieg auch als rein marktgetragenen Prozess zu beschleu-
nigen.

Ziel ist die Energiewende ohne Einschränkungen in der Lebensqualität. Der
konsequente und zügige Umstieg auf erneuerbare Energien ist somit folgerich-
tig. Das Beharren auf eine fossil- und nuklearbasierten Energieversorgung und
die Verzögerung des Übergangs auf erneuerbare Energien ist dagegen Ideologie
und Lobbyinteressen geschuldet.

Der durch die Energiewende einhergehende Strukturwandel muss durch eine
kluge Arbeitsmarktpolitik begleitet werden.

Deutschland errichtet somit seine Energiepolitik auf drei Säulen: Die Energie
muss umweltverträglich erzeugt werden, sie muss als Teil der Daseinsvorsorge
für Verbraucher bezahlbar und in ihrer Versorgung sicher sein. Unter diesen
Prämissen soll der Umbau der Energieversorgung gestaltet werden.

Eine Energiepolitik auf diesen drei Säulen muss langfristig angelegt sein und ei-
nen Pfad aufweisen, auf dem Wettbewerb und flankierendes staatliches Handeln
konsequent in eine neue Zeit der Energieversorgung überführen. Dazu zählt
auch die Unterstützung von Investitionen für den Ausbau dezentraler Energie-
versorgungsstrukturen wie flexibler Spitzen- und Mittellastkraftwerke bzw.
Speichertechnologien sowie der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Nachhaltige
Energieerzeugung ist wettbewerblich aber auch dezentral und kommunal.

Der Atomausstieg soll beschleunigt, die ältesten Atomkraftwerke sofort abge-
schaltet und frühestmöglich in diesem Jahrzehnt die Nutzung der Atomenergie
beendet werden. Seit dem Ausstiegsbeschluss von 2000/2002 konnten sich alle
Beteiligten auf neue und verlässliche Rahmenbedingungen zur Energiever-
sorgung ohne Atomkraft einstellen. Die durch das Thema Kernenergie hervor-
gerufene energiepolitische Spaltung der Gesellschaft wurde befriedet und ein
bedeutender wirtschaftlicher Aufstieg erneuerbarer Technologien ermöglicht.
Seither sind alle Prozesse auf dem Energiemarkt entsprechend umgestellt wor-
den. Investitionen in effizientere Kraftwerke und den Ausbau der Erneuerbaren
Energien haben verdeutlicht, es geht auch ohne Atomkraft und im Wettbewerb
wurde insbesondere durch neue Anbieter das Oligopol der großen Energiever-
sorger eingeschränkt. Diese positiven Effekte wurden durch die von CDU/CSU
und FDP beschlossene Laufzeitverlängerung leichtfertig eingeschränkt oder
zunichte gemacht. Ein Festhalten an der Atomkraft hat diese Investitionen ent-
wertet, den Übergang zu erneuerbaren Energien gebremst und dem Wettbewerb
durch eine Zementierung des Erzeugungsmonopols der großen Vier geschadet.

Deutschland ist als Industriestandort nicht frei, unabhängig von internationalen
Entwicklungszielen seine eigenen Ziele festzulegen. Die Energiepreise und die
Verfügbarkeit müssen zum Industriestandort passen.

Umwelt- und Effizienztechnologien und alternative Energieerzeugung sind
wichtige Parameter der industriellen Fertigung. Wir sind überzeugt, dass alle
Staaten der Welt früher oder später in ein neues Zeitalter der Energieversorgung
übergehen müssen. Das Ziel für Deutschland muss daher sein, weiter an der

Spitze den Übergang zu gestalten und eine führende Rolle in der Entwicklung

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/5481

und Ausrüstung mit nachhaltigen Energietechnologien einzunehmen. Das wird
nur gelingen, wenn im eigenen Land durch eine ehrgeizige Zielsetzung und
starke Heimatmärkte Forschung und Entwicklung voran getrieben werden.

Es gibt große politische, gesellschaftliche und ökonomische Vorteile, auf die-
sem Weg die technologische Schrittmacherrolle und die wirtschaftliche Wettbe-
werbsfähigkeit Deutschlands und Europas auszubauen und neue Arbeitsplätze
zu schaffen.

Die Energieversorgung der Zukunft wird auf einem System umfassender Ener-
giedienstleistungen gründen. Bis dahin schafft bereits eine zunehmende Versor-
gung mit Windkraft und Photovoltaik Versorgungssituationen, die nicht mehr
nachfrageidentisch sind. Daher muss regelmäßig auch Energie gespeichert wer-
den, müssen Endgeräte gezielt gesteuert werden und müssen Einrichtungen
vorhanden sein, die diese Steuerung von Speichern und Geräten vornehmen
können.

Energiemarkt 2.0, intelligente Netze, Smart Grid: Das sind Schlagworte, die ein
neues Energieversorgungssystem beschreiben. Sie kennzeichnen ein Markt-
design, das nicht mehr den reinen Verkauf von Kilowattstunden zum Ziel hat.
Die Energiedienstleistung verbindet die Erzeugung mit der Verbrauchskurve
und steuert die Speicherung. Der intelligente Zähler steht am Anfang eines Pro-
zesses, der weg führt von der bloßen Kraftwerkssteuerung hin zu einer kombi-
nierten Erzeugungs- und Verbrauchssteuerung. Hin zu intelligenten Netzen,
über die Verbrauch und Speicherung der Versorgungssituation angepasst wer-
den können.

Mit einem ansteigenden Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeu-
gung sind wir darauf angewiesen, dass sich der Verbrauch flexibel an die Er-
zeugung anpassen lässt. Die abschaltbaren Verträge von energieintensiven Un-
ternehmen zeigen den Weg auf: Die Stabilität der Netze gibt den Rahmen vor,
innerhalb dessen die Versorgung und der Verbrauch gesteuert wird.

Auch die Netz- und Marktintegration der erneuerbaren Energien wird mit intel-
ligentem Energiemanagement voran gebracht. Effizienzsteigerungen und Ener-
gieeinsparung sind ebenfalls Effekte der Systemsteuerung in einer Energie-
dienstleistungsgesellschaft mit einem Verbund von Erzeugern und Verbrau-
chern.

Neue Energien brauchen neue Netze. Modernisierung und Ausbau der Übertra-
gungs- und Verteilnetze ist eine der vorrangigen Aufgaben der nächsten Jahre.
Die gesellschaftliche Akzeptanz des Wandels zu einer regenerativen Energie-
wirtschaft ist prinzipiell vorhanden, scheitert aber häufig im Konkreten. Des-
halb müssen alle Beteiligten – Politik, Netzbetreiber, Energieerzeuger – im
ständigen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern um Akzeptanz für notwen-
dige Investitionen in Energieinfrastrukturprojekte werben.

Der überwiegende Teil des Energiebedarfs entfällt auf den Wärmesektor. Hier
gibt es große Potentiale der Energieeinsparung und der Steigerung der Energie-
effizienz. Insbesondere der Gebäudebestand kann durch fachgerechtes Sanieren
und die Erneuerung alter Heizanlagen etwa 80 Prozent des Energiebedarfs ein-
sparen und damit einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Zur Realisierung dieser Einsparpotentiale ist es notwendig, die Sanierungs-
quote von den bislang etwa einem Prozent auf 3 Prozent pro Jahr anzuheben.
Diesbezügliche Maßnahmen sind vor dem Hintergrund sehr langer Investitions-
zyklen im Bau von 20 bis 30 Jahren sorgfältig auszuwählen und langfristig sta-
bil zu halten.

Auch der Verkehrssektor muss einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz

leisten. Durch neue Antriebskonzepte und durch eine neue Philosophie der Mo-
bilität kann es gelingen, die Mobilität auch auf einem ambitionierten Pfad der

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CO2-Absenkung für alle bezahlbar zu halten. Hier sind wir in einem engen
Zeithorizont gezwungen, Alternativen zu marktgängigen Preisen in die
Marktreife zu bringen. Von der Automobilindustrie in Deutschland wird erwar-
tet, dass sie ihren Beitrag bringt, um die in Europa gesetzten CO2-Reduktions-
ziele sicher zu stellen.

Im Folgenden wird eine Standortbestimmung der deutschen Energiepolitik ent-
wickelt und Wege aufgezeigt, wie der Wandel gestaltet werden kann. Eine
Reihe von Entscheidungen müssen bereits in dieser Wahlperiode getroffen wer-
den, weil sich ihre Wirkung erst über viele Jahre entfaltet und die Entwick-
lungszyklen teilweise sehr lang sind. Wichtig ist auch, dass sich durch einen
langen Vorlauf alle Beteiligten frühzeitig auf neue Entwicklungen einstellen
können.

1. Umwelt- und klimapolitische Erfordernisse

Die Völkergemeinschaft sieht sich zwei großen Herausforderungen gegenüber,
die eng miteinander verwoben sind: Dem Klimawandel und einer nicht nach-
haltigen Energieversorgung auf der Basis endlicher Ressourcen.

Die Verantwortung für kommende Generationen fordert, die Erderwärmung auf
zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Für
Deutschland und alle anderen Industrieländer bedeutet das, bis zum Jahr 2050
die Emissionen von Treibhausgasen nahezu vollständig zu unterbinden. Gelingt
dies nicht, wird einen Anstieg der globalen Erwärmung von vier bis sechs Grad
Celsius riskiert. Eine Lebensqualität, wie sie heute üblich ist, wird dann nicht
mehr möglich sein. Die Bekämpfung der Auswirkungen eines veränderten
Wasserhaushaltes, verlorener Ökosysteme, Extremwetterereignissen und wirt-
schaftlicher Verluste sowie die dann notwendigen Anpassungsleistungen wer-
den nicht tragbare Kosten nach sich ziehen.

Deutschland hat sein Kyoto-Ziel aus der europäischen Lastenverteilung, eine
Reduktion von 21 Prozent bis 2012, bereits 2007 übertroffen. Dieser Erfolg be-
ruht jedoch bis 1998 nicht auf einer ambitionierten Klimaschutzpolitik. Eine
Ursache war die Verlagerung von Produktionsstätten und der Abbau von Ar-
beitsplätzen und damit die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundes-
ländern. Die Reduktion war also auch dem Zusammenbruch einiger ostdeut-
scher Industriezentren geschuldet und hatte einen hohen standort- und arbeits-
marktpolitischen Preis. Deswegen soll durch gezielte Maßnahmen bis 2020
eine Senkung von 40 Prozent und bis 2050 von 95 Prozent erreichet werden.

Es ist daher ein Nationales Klimaschutzgesetz zu formulieren, in dem die deut-
schen Klimaschutzziele verbindlich festgeschrieben werden. Durch eine konti-
nuierliche Senkung der Treibhausgasemissionen ergibt sich ein langfristiger
Minderungspfad mit jährlich maximal zulässigen Werten. Anhand dieser Werte
kann festgestellt werden, ob die deutsche Klimapolitik noch auf dem richtigen
Pfad ist oder ob nachgesteuert werden muss.

Sollte der Emissionshandel nicht auf weitere Sektoren ausgeweitet werden,
müssen für die nicht erfassten Sektoren entsprechende Minderungspflichten de-
finiert werden. Ein unabhängiges Gremium soll die Erreichung der Ziele kon-
trollieren und Vorschläge zu ihrer Erreichung unterbreiten. Die Bundesregie-
rung hat regelmäßig Berichte vorzulegen. Die Länder richten ihre Umsetzungs-
maßnahmen an den bundesweiten Zielen aus.

Die meisten der zur Zeit eingesetzten Energieträger erfüllen nicht die Anfor-
derungen einer nachhaltigen Entwicklung. Dabei ist die ökologische Nachhal-
tigkeit als Leitplanke zu verstehen, die der Belastbarkeit der Erde natürliche
Grenzen setzt. Die fossilen Energien sind endlich, ihr Abbau verursacht Schä-

den in der Natur, ihre Verbrennung verschmutzt die Luft und überlädt die At-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/5481

mosphäre mit Treibhausgasen. Ihre Nutzung ist auf lange Sicht weder umwelt-
noch sozialverträglich, sicher und bezahlbar, sondern erzeugt einen rapide
wachsenden Klimawandel.

In Zukunft wird die Energieproduktivität eines Landes ganz maßgeblich die
Wettbewerbsposition bestimmen. Mit modernster Steuer-, Mess- und Regel-
technik, mit Know-how, das die Energieeffizienz von Kraftwerken, Maschinen,
Heizungen, und bei der Mobilität steigert, werden zukunftsfähige Antworten
gegeben. Damit hat Deutschland international die Nase vorn und spielt auf den
Leitmärkten der Zukunft eine führende Rolle. Wir bauen unsere Technologie-
führerschaft aus und schaffen Impulse für mehr Beschäftigung und wirtschaft-
lichen Erfolg.

2. Industriepolitik in der Energiewende

Der Umbau unseres Energiesystems ist Bestandteil moderner Industriepolitik.
Der Aufbau neuer Zukunftsindustrien und der Beitrag deutscher Industrieunter-
nehmen zum Ausbau erneuerbarer Technologien gehen mit der Schaffung von
hundertausenden Arbeitsplätzen in Deutschland einher. Sie beweisen, dass wir
Ökonomie und Ökologie gemeinsam voranbringen können, wenn wir die richti-
gen politischen Anreize setzen und verlässliche Rahmenbedingungen für kleine
und große Investoren schaffen.

Deutschland soll auch in Zukunft ein wirtschaftlich erfolgreicher Industrie-
standort bleiben. Eine Deindustrialisierung nach dem Vorbild anderer Länder
ist für uns keine Option. Die neuen Produkte und Dienstleistungen, die unsere
Energiepolitik anreizt, werden den Standort sogar weiter stärken. Hierbei
kommt es darauf an, dass sich bestehende und neue Industrien effizient mitein-
ander vernetzen. Die in Deutschland vorhandene Wertschöpfungskette von der
industriellen Grundstoffproduktion bis zum hochspezialisierten Hightechmit-
telständler ist die entscheidende Voraussetzung für Innovationen, die für die
Energiewende und den Klimaschutz notwendig sind.

Eine ökologische Industriepolitik muss die deutsche Wirtschaft unabhängiger
von den Preisentwicklungen an den Rohstoffmärkten machen und sie auf Leit-
märkte der Zukunft – wie Energie, Ressourceneffizienz und Mobilität – vorbe-
reiten. Es sollen politische Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Inno-
vationen fördern, Technologiesprünge anreizen und zur zügigen Markteinfüh-
rung neuer Technologien beitragen.

Deutschland steht vor der Herausforderung, die stoffliche und energetische Ba-
sis der Industrie auf nachhaltige Technologien und nachwachsende Rohstoffe
umzustellen. Spätestens seit dem Bericht des ehemaligen Weltbank-Cheföko-
nomen Nicholas Stern ist allen Beteiligten bewusst, dass der Umbau unserer In-
dustriegesellschaft nicht zum Nulltarif zu haben ist. Je länger so weiter gemacht
wird wie bisher, desto höher werden die Folgekosten eines ungebremsten Kli-
mawandels, die zu tragen sind.

Es ist darauf zu achten, dass die Ziele des Versorgungsdreiecks – Klimaschutz,
Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit – nicht gegeneinander ausgespielt
werden. Eine ambitionierte Industriepolitik ist notwendig, die sich am Klima-
schutz orientiert und dabei soziale und wirtschaftliche Interessen sowie Wachs-
tumschancen im Blick behält.

Unternehmen und Industrie müssen alle Anstrengungen unternehmen, effizient
zu wirtschaften, die Klimaschutzmaßnahmen umsetzen und sich auf erneuer-
bare Rohstoffe umstellen. Sie werden jetzt höhere Kosten schultern müssen, auf
Sicht aber in erheblichem Maße von der in Deutschland eingeleiteten direkten
und indirekten Förderpolitik und in der Folge durch die abnehmende Abhän-

gigkeit von den sich verteuernden Rohstoffen profitieren.

Drucksache 17/5481 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Dabei gehört ins Blickfeld, dass sich die deutsche Grundstoffindustrie und die
nachgelagerten Branchen im internationalen Wettbewerb auch gegen solche
Konkurrenten behaupten müssen, die zu subventionierten Energiepreisen und
ohne strenge klimapolitische Vorgaben wie dem europäischen Emissionshan-
delssystem wirtschaften. Die ab 2013 geltende Richtlinie über den Emissions-
handel (EHS-Richtlinie) der Europäischen Kommission sieht vor, dass die
Mitgliedsstaaten finanzielle Maßnahmen zugunsten von Wirtschaftszweigen
ergreifen können, für die ein erhebliches Risiko einer Verlagerung von CO2-
Emissionen in Form der Verlagerung des Standortes in das außereuropäische
Ausland besteht („carbon leakage“). Kompensationslösungen müssen gefunden
werden, die die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie erhalten und
stärken.

Es ist strategisch richtig, sich diesem Wettbewerb zu stellen und auf Innovatio-
nen, Effizienzsteigerung, sowie ökologisch und ökonomisch nachhaltige Inves-
titionen zu setzen.

Der weitere Ausbau volatil einspeisender erneuerbarer Energien, die Verdrän-
gung konventioneller Grundlastkraftwerke und die aktuelle Geschwindigkeit
des Netzausbaus lassen ein wachsendes Risikopotenzial im Bereich der Netz-
belastungen erwarten. Deshalb können und müssen die Unternehmen der
stromintensiven Industrien in Form von abschaltbaren Lasten einen wichtigen
Beitrag zur Netzstabilität leisten. Das zeitweilige Abschalten von großen Las-
ten leistet in Form von negativer Regelenergie einen wichtigen Beitrag zur
Netzstabilität und zur intelligenten Steuerung des Verbrauchs. Diesem Beitrag
muss eine angemessene Vergütung gegenüberstehen, die sich an den vermiede-
nen Netzausbaukosten, den eingesparten Netznutzungsentgelten und den Ge-
stehungskosten vermiedener Einspeisung orientiert.

Der Umbau unserer Energieerzeugungsstruktur und der sorgsame Umgang mit
Energie ist Teil einer langfristig angelegten Versorgungsstrategie. Denn über
Effizienzsteigerungen in Erzeugung und Verbrauch, wie auch dem Einsatz von
erneuerbaren Energiequellen, kann Deutschland eine größtmögliche Unabhän-
gigkeit von internationalen Rohstoffpreisen erreichen. Ökologische Industrie-
politik bedeutet, Standortperspektiven mit Klimaschutzvorgaben zu verein-
baren.

Für Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch für das produzierende Ge-
werbe in Deutschland muss Energie bezahlbar bleiben. Deshalb ist die Wettbe-
werbssituation in den Strom- und Gasmärkten zu sichern und eine Effizienzre-
volution in Haushalten, in der Stromerzeugung und industriellen Produktion
einzuleiten. Massive Energieeinsparungen und eine zunehmend auf erneuerba-
ren Energien basierende Energieversorgung kann als zweite Strategie Deutsch-
land unabhängiger von internationalen Energie- und Rohstoffpreisen machen.

Ziel ist, das eine zu tun – Arbeitsplätze erhalten – ohne das andere zu lassen:
Wirtschaftliches Wachstum ökologisch nachhaltig zu gestalten und den Aufbau
neuer Wertschöpfung voranbringen. Der Erfolgspfad der Erneuerbaren Ener-
gietechnologien „Made in Germany“ zeigt uns, dass Deutschland die besten
Voraussetzungen hat, von diesen wirtschaftlichen Chancen zu profitieren und
sich weltweit als Innovationsmotor zu etablieren.

2.1. Forschung und Entwicklung

Forschung und Entwicklung bilden einen wesentlichen Baustein, um die Poten-
ziale erneuerbarer Energien und ihrer Nutzbarkeit zu erweitern. Diesem An-
spruch muss auch das 6. Energieforschungsprogramm genügen, das die Bun-
desregierung für das Frühjahr 2011 angekündigt hat. Um bis 2050 Strom voll-

ständig aus erneuerbaren Energien zu gewinnen, müssen die Energiefor-
schungsaktivitäten deutlich auf dieses Ziel fokussiert werden. Dazu gehört,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/5481

dass die Energieforschung insgesamt deutlich ausgeweitet werden muss und
dass die verschiedenen Forschungsaktivitäten besser vernetzt werden. Dabei
muss die gesamte Bandbreite der erneuerbaren Energien und der Effizienztech-
nologien, die einen eigenen Schwerpunkt bilden sollten, einbezogen werden.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Bereitstellung von effizienten Speichertech-
nologien.

Für die Bereitstellung intelligenter Stromnetze ist es zudem notwendig, die
Schnittmengen und die Anschlussfelder der Anwendungsbereiche Strom,
Wärme, Kälte und Kraftstoffe in die Forschungsförderung einzubeziehen (För-
derschwerpunkt Systemtechnik).

Für einen echten Systemwechsel ist es zudem unabdingbar, die europäische
Forschungsförderung weg von der Mittelkonzentration auf Atom- und Kern-
fusionsforschung hin zur Erforschung und Anwendung erneuerbarer Energien
zu führen. Das muss auch ein Schwerpunkt des 8. Rahmenprogramms zur For-
schungsförderung in Europa werden.

3. Europäischer Rahmen

Die Energie- und Klimapolitik Deutschlands wird heute sehr stark von europäi-
schen Vorgaben geprägt. Zugleich hat Deutschland als größter EU-Mitglieds-
staat aber auch die Chance, die europäischen Rahmenbedingungen entschei-
dend mitzugestalten.

Deutschland importiert 75 Prozent seiner Energieträger aus dem Ausland. Die
gesamten Einfuhren von Öl, Gas und Uran nach Deutschland erfolgen über an-
dere EU-Staaten. Um seine Energieversorgung zu sichern, ist Deutschland auf
die Kooperation der EU-Staaten angewiesen.

Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 wurden im
Bereich der Energie- und Klimapolitik neue Kompetenzen der EU geschaffen.
Die Energiepolitik wurde erstmals in einem eigenständigen Kapitel des EU-
Vertrags verankert, das Prinzip der Energiesolidarität festgeschrieben und die
Bekämpfung des Klimawandels explizit als Ziel hervorgehoben.

Die EU-Kommission hat angekündigt, ihr energiepolitisches Initiativrecht
durch Vorlage einer Reihe von mittel- und langfristigen Strategien zu nutzen.
Dazu zählen die neue europäische Energiestrategie 2011 bis 2020 und das er-
wartete Energie-Konzept 2050, das die EU bis 2050 zu einem kohlenstoffar-
men, ressourcenschonenden und klimaneutralen Wirtschaftsraum entwickeln
soll.

Auf europäischer Ebene wird in den kommenden Jahren insbesondere über In-
strumente und Mechanismen der Energieversorgungssicherheit und -infrastruk-
tur zu entscheiden sein, allen voran die Diversifizierung der Energieträger, der
Versorgungsquellen und der Transitrouten. Hier geht es um die Formulierung
einer umfassenden Energieaußenpolitik (siehe Kapitel 5).

Technische Innovation und Energieforschung stehen ebenso im Fokus wie die
Energieeffizienz und der Ausbau der Erneuerbaren Energien. Das Vorantreiben
eines funktionsfähigen europäischen Binnenmarktes für Strom und Gas bleibt
Priorität. Wir setzen uns für den Ausbau regionaler grenzüberschreitender
Netze ein.

Der Deutsche Bundestag setzt sich dafür ein, dass in der EU ein solidarischer
Energiebinnenmarkt bei angemessener Lastenteilung entsteht. Um Energiever-
sorgungssicherheit herzustellen, sollen neue Mechanismen der EU-internen
Kooperation bei der Krisenvorsorge geschaffen werden. Mittel für den Ausbau
transeuropäischer Energienetze, insbesondere an den Schnittstellen für Leitun-

gen an den Grenzen, müssen aufgestockt werden. Es sollen Investitionen ver-
stärkt werden, die einen hohen gesamteuropäischen Nutzen haben. Darüber

Drucksache 17/5481 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

hinaus muss der Anteil erneuerbarer Energien durch nationale Maßnahmen und
EU-Förderung kontinuierlich erhöht werden. Anstrengungen zur Steigerung
der Energieeffizienz sollen intensiviert werden und möglichst durch verbind-
liche Regelungen auf europäischer Ebene abgesichert werden.

3.1. Klimaschutz und Europäisches Emissionshandelssystem

Ziel der Klimaschutzpolitik der Europäischen Union ist es, den Anstieg der glo-
balen Durchschnittstemperatur auf weniger als 2 Grad Celsius über dem vorin-
dustriellen Niveau zu begrenzen. Im Oktober 2009 beschloss der Europäische
Rat, dass Europa und die anderen Industrieländer ihre Treibhausgasemissionen
bis zum Jahr 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 senken müssen, um
dieses Ziel zu erreichen. Da die Emissionen in einigen Produktionsbereichen
und in der Landwirtschaft nicht vollständig vermieden werden können, muss
zur Erreichung des Gesamtziels die Energieversorgung einen höheren Beitrag
leisten. An diesem Ziel hat sich auch unser deutsches Energiekonzept zu orien-
tieren.

Die Europäische Union hat sich im Dezember 2008 auf eine integrierte Strate-
gie im Bereich Energie und Klimaschutz geeinigt. Durch diese Strategie sollen
bis zum Jahr 2020 die Treibhausgasemissionen um 20 Prozent gegenüber 1990
gesenkt werden. Kommt es zu einem internationalen Klimaabkommen, stim-
men Ministerrat und Parlament darüber ab, das Reduktionsziel auf 30 Prozent
zu erhöhen. Dieses Energieprogramm gründet auf der Annahme, dass es zu
einem solchen Reduktionsziel kommen wird.

Die klare Festlegung auf ein CO2-Reduktionsziel von unkonditionierten
30 Prozent ebnet den Weg für die weitere Entwicklung grüner Technologien
und die Schaffung grüner Arbeitsplätze. Es bedarf anspruchsvoller gesetzlicher
Ziele, damit Europa im weltweiten Wettbewerb seinen Vorsprung im Bereich
energieeffizienter und umweltfreundlicher Technologien aufrechterhalten kann.

Durch verbesserte Energieeffizienz soll der Primärenergieverbrauch europaweit
um 20 Prozent verringert werden. Im Jahr 2020 sollen 20 Prozent des Gesamt-
energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden.

Das europäische Klima- und Energiepaket umfasst eine Novellierung der Euro-
päischen Emissionshandelsrichtlinie, die Verteilung der Emissionsminderun-
gen, die nicht vom Emissionshandel erfasst sind, auf die Mitgliedstaaten, die
Erneuerbare-Energien-Richtlinie sowie die Richtlinie zur Abtrennung und
Speicherung von Kohlendioxid (CCS).

Der EU-Emissionshandel wird ab 2013 EU-weit einheitlich behandelt, es wird
keine 27 Nationalen Allokationspläne mehr geben. Deutlich vor 2013 muss
Klarheit über die Ausgestaltung hergestellt werden, da sonst Investitionen an
mangelnder Planungssicherheit scheitern könnten. Ab 2013 werden Betreiber
von Kraftwerken ihre Emissionszertifikate zu 100 Prozent ersteigern müssen.
Anlagen der Industrie erhalten einen abnehmenden Anteil ihrer Emissionszerti-
fikate kostenlos. Der Auktionsanteil steigt im Zeitraum 2013 bis 2020 von
20 Prozent auf 70 Prozent. Die Vollauktionierung in der Industrie soll spätes-
tens 2027 erreicht sein. Grundlage sind faire Zuteilungsregeln auf der Basis von
EU-einheitlichen Benchmarks und dabei ist insbesondere zu achten auf solche
Industriebranchen, bei denen das Risiko besteht, dass es durch zu hohe direkte
und indirekte Belastungen zu Produktionsverlagerungen in Staaten außerhalb
der EU kommen kann („carbon leakage“). Im Sinne des Klimaschutzes und der
Angleichung weltweiter Wettbewerbsbedingungen ist das ein Modell für die in-
ternationale Verbreitung des Emissionshandelssystems.

Die EU muss ihre Anstrengungen zum Erreichen einer kohlenstoffarmen Wirt-

schaft unabhängig von den Reduktionszielen anderer Staaten und aus wohlver-
standenem Eigeninteresse konsequent verfolgen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/5481

In der Europäischen Union ist der Weg zu einer klimaschonenden Energiepoli-
tik vorgegeben. Die Ziele orientieren sich an den schwächeren Partnern. Leis-
tungsstärkere Mitgliedsstaaten können mehr erreichen und somit ihre indus-
trielle Spitzenposition erhalten.

4. Die Energieversorgung der Zukunft

Die Zielbestimmung ist klar: Sowohl der Klimawandel als auch der energie-
wirtschaftliche Strukturwandel aufgrund der fortschreitenden Ressourcenver-
knappung zwingen uns zum Handeln. Eine CO2-freie Energieversorgung bis
zum Jahr 2050 ist klimapolitisch notwendig und technisch möglich bei gleich-
zeitiger Erhaltung der Versorgungssicherheit und der Bezahlbarkeit von Ener-
gie.

Die Energieversorgung ruht daher auf folgenden drei Eckpunkten:

● Energieeinsparung – Die billigste und klimafreundlichste Kilowattstunde ist
noch immer jene, die nicht erzeugt und verbraucht werden muss.

● Energieeffizienz – Das Verhältnis von Produktion bzw. Nutzen und dem
dazu benötigten Energieverbrauch kann und muss sich dramatisch verbes-
sern.

● Erneuerbare Energien – Die nach zunehmenden Einsparerfolgen und Effi-
zienzsteigerungen noch benötigte Energie muss letztlich aus erneuerbaren
Quellen stammen, damit wir nicht weiter auf Kosten späterer Generationen
leben.

Der Deutsche Bundestag wird diese Ziele konsequent und mit entsprechenden
aufeinander abgestimmten Maßnahmen verfolgen. Dabei kommt es auf die
richtige Mischung von ordnungspolitischen Vorgaben und Förderanreizen an.
Es sind zielführende, nachvollziehbare und verlässliche Rahmenbedingungen
für alle zu schaffen. Jeder Akteur in der Energiewirtschaft und jeder Verbrau-
cher muss heute wissen, wohin die Reise geht, damit er sich frühzeitig darauf
einrichten kann.

4.1. Energieeinsparung

Ende 2006 hat sich die EU verpflichtet, bis zum Jahr 2020 20 Prozent ihres
jährlichen Verbrauchs an Primärenergie einzusparen. Um dieses Ziel verbind-
lich zu erreichen, werden die Bürger, die öffentlichen Entscheidungsträger und
die Marktakteure mobilisiert und die EU legt unter anderem Mindestnormen
für die Energieeffizienz sowie Regeln zur Kennzeichnung von Produkten,
Dienstleistungen und Infrastrukturen fest.

Allein durch den bewussteren Umgang mit Energie ließe sich ein enormes Ein-
sparpotential heben. Tagtäglich wird wertvolle Energie oftmals unbewusst ver-
braucht: durch übermäßiges Heizen oder Kühlen, den sorglosen Umgang mit
Warmwasser, den Stand-by-Betrieb ungenutzter Elektrogeräte oder falsch ein-
gestellte oder überdimensionierte Umwälzpumpen. Vergleichbare Beispiele lie-
ßen sich für Produktionsprozesse, die Arbeitswelt oder den Bereich der Mobili-
tät aufzählen.

Notwendig ist daher ein neues Bewusstsein für den schonenden Umgang mit
natürlichen Ressourcen und den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen.
Es soll daher eine breite Informations- und Beratungskampagne zum effizien-
ten Umgang mit Energie in Privathaushalten und Unternehmen gestartet wer-
den. Die Finanzierung soll aus einem einzurichtenden Energieeffizienzfonds
(siehe unter Punkt 4.2.1.2.) erfolgen.
Weiterhin ist die Kennzeichnung des Energieverbrauchs technischer Geräte
systematisch und stetig zu verbessern. Eine kundenfreundliche und dynamische

Drucksache 17/5481 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Verbrauchskennzeichnung ermöglicht vor einer Kaufentscheidung einen ein-
fachen aber genaueren Effizienzvergleich als bisher. Zudem sind alle energie-
verbrauchende Geräte in die Kennzeichnungspflicht einzubeziehen. Dazu ge-
hören nicht nur elektrische Haushaltsgeräte, sondern z. B. auch Maschinen, An-
lagen und Fahrzeuge.

Staatliche Einrichtungen müssen mit einem guten Beispiel vorangehen. Zum
Beispiel: Energieeinsparpläne für alle öffentlichen Einrichtungen, spezifische
Weiterbildungsangebote zum Energie sparen für die Beschäftigten im öffentli-
chen Dienst und die Information der Besucher der Einrichtung.

4.2. Energieeffizienz

Der klassische Wachstumsbegriff beinhaltet ein gleichförmiges Anwachsen
von Energie- und Ressourcenverbrauch sowie damit zusammenhängend eine
zunehmende Beschäftigung. Wachstum kann sich aber auch aus sinkenden
Kosten aufgrund von niedrigerem Energie- und Ressourcenverbrauch speisen.
Eine innovationsorientierte Energie- und Umweltpolitik muss die Entkopplung
von Wachstum und Ressourcenverbrauch ins Zentrum ihres politischen Han-
delns stellen.

Grundlage und Voraussetzung für einen effizienten Umgang mit Energie ist zu-
mindest die Verdopplung der Energieproduktivität bis zum Jahr 2020 gegen-
über 1990. Bis heute sind davon rund 40 Prozent erreicht. In den nächsten zehn
Jahren bedarf es einer durchschnittliche Steigerung der Energieproduktivität
um jährlich 3 Prozent.

Investitionen in Energieeffizienz sind wirtschaftlich mehrfach sinnvoll. Sie sen-
ken die Abhängigkeit von Energieimporten und steigern so die Wettbewerbs-
fähigkeit der deutschen Wirtschaft. Zusätzlich sind es vorrangig deutsche Un-
ternehmen, die Effizienztechnologien entwickeln, so dass auch neue Absatz-
chancen und Arbeitsplätze geschaffen werden.

Obwohl die Energieeffizienz viele Vorteile für Verbraucher, Unternehmen und
die Gesellschaft insgesamt bietet, bleiben die Möglichkeiten zur Energieeinspa-
rung vielfach ungenutzt. Ursache hierfür sind fehlende Informationen, fehlen-
des Investitionskapital, ein zu kurzer Betrachtungszeitraum der Investition oder
schlichte Fehleinschätzungen vorhandener Einsparpotentiale.

4.2.1. Effizienzinitiative

Vordringlich soll eine Effizienzinitiative gestartet und ein Hocheffizienz-Gesetz
geschaffen werden, um bis zum Jahr 2020 mindestens 11 Prozent des jetzigen
Energiebedarfs einzusparen.

4.2.1.1. Ausbau der Kraft-Wärmekoppelung (KWK)

Kraft-Wärme-Kopplung ist die effizienteste Form der Energieerzeugung. Wir
werden sie massiv bis 2020 auf mindestens 25 Prozent Anteil an der gesamten
Stromversorgung ausbauen. Hierzu sind Benachteiligungen der KWK zu besei-
tigen und die Förderinstrumente zu optimieren. In der Regel ist der Ausbau der
Mikro- und Mini-KWK sowie von Nahwärmeinseln zu stärken, da sie aufgrund
ihrer dezentralen und individuellen Verfügbarkeit gerade auch für eine klein-
teilige Versorgung interessant sind und keine Investitionen in ein größeres Wär-
meleitungsnetz erfordern.

Stromerzeugung aus hocheffizienten KWK-Anlagen kann dezentral die Netze
entlasten und ausreichende Stromreserven bereit stellen.
Analog zum Ausbauziel für KWK-Strom soll auch der Ausbau des KWK-An-
teils an der Wärmebereitstellung deutlich steigen. Der überwiegende Teil der

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/5481

KWK-Wärme und Kälte wird heute noch aus fossilen Brennstoffen, insbeson-
dere Erdgas und Steinkohle, gewonnen. Der Anteil der festen und gasförmigen
Biomasse sowie der Einsatz innovativer Technologien wie der Brennstoffzelle
ist durch gezielte Anreize zu steigern.

Neue Wärmenetze sind so zu planen, dass sie auch bei sinkendem Wärmeab-
satz und einem steigenden Anteil erneuerbarer Energien wirtschaftlich und effi-
zient betrieben werden können.

Ein Schwerpunkt der künftigen KWK-Förderung muss sich auf die dezentralen
Stärken insbesondere der Mikro- und Mini-KWK in der Nahwärme-, Objekt-
und Arealversorgung konzentrieren.

Zubau und Netzverdichtung müssen auf den sinkenden Raumwärmebedarf
durch forcierte energetische Gebäudesanierung ausgerichtete sein. Daher wol-
len wir nichtabschreibbare Investitionen vermeiden. Zudem werden die Brenn-
stoffe künftig mehr und mehr durch erneuerbare Energien (oder daraus herge-
stellte synthetische Energieträger) übernommen werden.

Die Bundesregierung soll sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, die Un-
gleichbehandlung von hocheffizienten KWK-Anlagen durch die progressiv an-
steigende Pflicht zur Ersteigerung von Zertifikaten für die Wärmeauskopplung
zu beseitigen, damit wegen der fehlenden Belastung von Wärmeerzeugern un-
ter 20 MW durch den EZH nicht mehr auf Einzelheizungen ausgewichen wird
(„nationaler carbon leakage“).

Primärenergieeinsparungen durch KWK und Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung
werden als Energieeinsparung anerkannt. Zur Erschließung von CO2-Sen-
kungspotenzialen durch KWK soll eine Gleichstellung von KWK-Wärme mit
erneuerbaren Energien erfolgen. Das bedeutet eine vergleichbare Regelung bei
Anschlüssen an das Verteil- und Übertragungsnetz und beim Einspeisevorrang.

Fern- und Nahwärme aus KWK (mit zunehmenden EE-Anteil) eignet sich nach
der Leitstudie 2008 des BMU vor allem für die kostengünstige energetische Sa-
nierung des Altbaubestandes. Oft sind sie die einzige oder effizienteste Mög-
lichkeit, EE zum Wärmekunden zu bringen.

Wärmespeicher für KWK-Anlagen können einen Beitrag zur sicheren Strom-
versorgung für fluktuierende Stromquellen, hier insbesondere die Windenergie,
leisten und kostengünstig Windstrom speichern. Der Einsatz entsprechender
Wärmespeicher ist daher gezielt anzureizen.

4.2.1.2. Weitere Maßnahmen eines Hocheffizienz-Gesetzes (EnEfG)

Einführung eines Energiemanagementsystems

In den Unternehmen liegt ein erhebliches Energie-Einsparpotential. Schätzun-
gen zufolge ließen sich bis 2020 zwischen 20 bis 40 Prozent des Energiever-
brauchs der Industrie zu wirtschaftlichen Bedingungen einsparen. Um dieses
Potential zu heben, sollen Unternehmen des produzierenden Gewerbes schritt-
weise verpflichtet werden, ein Energiemanagementsystem einzuführen. Die Er-
fahrung zeigt, dass auch in anderen Bereichen – verarbeitendes Gewerbe, Han-
del, Dienstleistungen sowie in der Land- und Forstwirtschaft – noch erhebliche
Potentiale zur Effizienzsteigerung bestehen. Vielfach entzieht sich das aber
dem klassischen betrieblichen Controlling. Kleine- und mittlere Unternehmen
verfügen oft nicht über solche internen Strategien zur Kostenoptimierung. Hier
können externe Gutachter und Dienstleister tätig werden.

Wir müssen solche Potentiale im Interesse aller beteiligten Akteure heben.

Drucksache 17/5481 – 14 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Einführung eines Energieeffizienzfonds

Im Rahmen des EnEfG ist ein Energieeffizienzfonds einzuführen, der paritä-
tisch aus öffentlichen Mitteln und Pflichtbeiträgen der Energiehändler/-versor-
ger gespeist wird. Das anfängliche Volumen sollte mindestens 150 Mio. Euro
jährlich betragen.

Aus dem Fonds sollen vorrangig folgende Maßnahmen finanziert werden:

a) Energieberatung von – insbesondere finanzschwachen – privaten Haus-
halten;

b) einen anschließenden Zuschuss für den Austausch alter Haushalts-Elektro-
geräte durch neue Geräte mit der jeweils höchsten Energieeffizienzklasse;

c) Mikro-Kredite für Effizienzmaßnahmen in privaten Haushalten und Klein-
unternehmen.

Anerkennung von Energieeffizienz-Investitionen der Netzbetreiber durch die
BNetzA

Über die genannten Pflichtbeiträge der Energiehändler und -vertriebe hinaus
sind freiwillige Investitionen der Strom- und Gasnetzbetreiber in Energieeffi-
zienz auf der Nachfrageseite von der Bundesnetzagentur bis zu 3 Prozent des
Umsatzes als nicht beeinflussbare Kosten im Rahmen der Anreizregulierung
anzuerkennen.

Zusätzliche Mittel für Effizienzforschung und Entwicklung

Die Erforschung und Entwicklung hocheffizienter Technologien durch die In-
dustrie muss verstärkt gefördert werden. So positionieren sich auch deutsche
Unternehmen auf einer Spitzenposition im Weltmarkt und schaffen die Grund-
lage für neue Produkte und Arbeitsplätze.

Die Steigerung der Energieeffizienz muss zum verpflichtenden Ziel eines jeden
öffentlich geförderten Forschungsprogramms werden, seien es Forschungspro-
gramme zur Produktionstechnologie, zur Materialforschung, zu neuen An-
triebstechnologien, zur Bauforschung, zu Supraleitern o. a. Energieeffizienz
kann nicht durch eine, zwei oder vier Effizienztechnologien erreicht werden.
Vielmehr muss bei allen Forschungs- und Entwicklungsthemen eine höhere
Energieeffizienz ein wesentliches Ziel sein.

Top-Runner-Ansatz

Auf europäischer Ebene muss die Einführung eines Top-Runner-Systems vor-
angetrieben werden. Damit setzt stets das energieeffizienteste Produkt die
Messlatte für die anderen Produkte seiner Klasse, die diese nach einer bestimm-
ten Zeit erreichen müssen, um weiterhin auf dem Markt angeboten werden zu
können. Kurzfristig ist eine Verschärfung der Standards und die Ausweitung
der Ökodesign-Richtlinie auf andere Produktgruppen sinnvoll.

Einnahmen aus dem Emissionshandel sollen, so weit nicht spezielle Verwen-
dungsmöglichkeiten auf EU-Ebene vorgesehen werden, für Klimaschutzpro-
jekte im In- und Ausland sowie den Energieeffizienzfonds verwendet werden.

4.3. Erneuerbare Energien

Eine sichere und nachhaltige Energieversorgung der Zukunft setzt auf den Mix
aus Wind- und Sonnenenergie, Biomasse, Wasserkraft und Geothermie. Laut
der EU-Richtlinie Erneuerbare Energien vom Dezember 2008 sollen bis zum
Jahr 2020 20 Prozent des Endenergieverbrauchs aus erneuerbaren Energien ge-

neriert werden. Für Deutschland ist ein Ziel von 18 Prozent am gesamten End-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15 – Drucksache 17/5481

energieverbrauch vorgegeben. Die Umsetzung dieser Ziele liegt im Zuständig-
keitsbereich der Mitgliedstaaten.

Im Jahr 2020 kann einen Anteil erneuerbarer Energien im Strombereich von
mindestens 45 Prozent, im Wärmebereich von 14 Prozent und im Verkehrssek-
tor von 10 Prozent verwirklicht sein.

Bis 2050 muss eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien angestrebt wer-
den, wenn eine Senkung des CO2-Ausstoßes um 95 Prozent erreicht werden
soll. Heute liegt der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch bei
10,1 Prozent.

4.3.1. Sonderfall Biomasse

Mit einem Anteil von 70 Prozent ist Biomasse der wichtigste Energieträger
unter den Erneuerbaren Energien. Derzeit werden in Deutschland rund 1,7 Mio.
ha der insgesamt verfügbaren landwirtschaftlichen Fläche von 11,8 Mio. ha
zum Anbau von Energiepflanzen genutzt. Laut Leitszenario 2009 des Bundes-
ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit werden bis zum
Jahr 2050 für den Anbau von Energiepflanzen zur Strom- und Wärmeerzeu-
gung 1,85 Mio. ha benötigt, sowie weitere 2,35 Mio. ha zum Anbau von Ener-
giepflanzen zur Verwendung im Kraftstoffbereich. Das Flächenpotential natio-
nal zu produzierender Biomasse ist jedoch begrenzt.

Bei konservativer Analyse der Rahmenbedingungen und Entwicklungsmög-
lichkeiten, kann bereits im Jahr 2030 10 Prozent des Primärenergieverbrauches
durch Biomasse gedeckt werden. Optimistische Betrachtungen, die eine Effi-
zienzsteigerung und die Einführung neuer Technologien zu Grunde legen, se-
hen den Anteil der Biomasse am Primärenergieverbrauch bei 17,4 Prozent.

Der Bedarf an fester und gasförmiger Biomasse zur Strom- und Wärmeproduk-
tion kann national produziert werden. Die Produktion flüssiger Biomasse für
den Kraftstoffbereich ist in Deutschland nur eingeschränkt wettbewerbsfähig.
Daher werden flüssige Biokraftstoffe auch zukünftig überwiegend importieren
werden müssen, wobei auf die nachhaltige Erzeugung geachtet werden muss.

Unter den gegenwärtigen Förderbedingungen kann die Biomasseproduktion
weiter ausgebaut werden. Jedoch sind bereits heute insbesondere im Bereich
der Biogasproduktion Fehlentwicklungen erkennbar. Diese laufen einer nach-
haltigen und ökologischen Biomasseproduktion zuwider. In einigen Regionen
führen Nutzungskonkurrenzen zwischen der Biomasse- und Nahrungsmittel-
produktion zu erheblichen Verwerfungen auf den regionalen Boden- und Pacht-
märkten. In anderen Regionen sind Maismonokulturen Ausdruck einer auf Op-
timierung ausgelegte Energiepflanzenproduktion, die sich nur unzureichend an
der guten fachlichen Praxis der Landbewirtschaftung orientiert. Dadurch wer-
den zwangsläufig Boden- und Wasserhaushalte sowie die Biodiversität beein-
trächtigt.

Auch im internationalen Kontext ist es wichtig, die Konkurrenzsituation von
Ernährungssicherheit und Produktion von Biomasse zu berücksichtigen und
Fehlentwicklungen zu begegnen.

Die Nutzungskonkurrenzen zeigen sich gegenwärtig hinsichtlich des Verwen-
dungspfades, der sektoralen Nutzung sowie hinsichtlich politischer Zielvorga-
ben.

Das Ziel ist eine integrierte Biomassestrategie. Diese muss die notwendigen
Förderinstrumente zielgerecht koordiniert, um eine optimale Nutzung der knap-
pen Ressourcen zu gewährleisten.
Es ist notwendig, die Förderinstrumente in den drei Sektoren Wärme, Strom
und Kraftstoffe zu harmonisieren und die aktuell herrschende segmentierte För-

Drucksache 17/5481 – 16 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

derpolitik zu überwinden. Die Kaskadennutzung muss ausgebaut werden, um
das vorhandene Potential der Reststoffverwertung voll auszuschöpfen.

Konkurrenzen hinsichtlich der sektoralen Verwendung für Strom, Wärme und
Kraftstoffe müssen sich anhand folgender Kriterien lösen lassen:

● Effiziente Nutzung der Biomasse

● Verfügbarkeit regenerativer Alternativen in den verschiedenen Energiesek-
toren

● Nationales Flächenpotenzial für den Biomasseanbau

● Nachhaltigkeit und belastbare Zertifizierung der Biomasseerzeugung.

Wichtigste politische Entscheidungskriterien sind die effiziente Nutzung des
begrenzten Flächenpotenzials, die energetische effizienteste Nutzung und der
CO2-Reduktionsbeitrag der einzelnen Biomasseprodukte.

Damit unterstützt der Deutsche Bundestag den Grundsatz, der Nahrungsmittel-
produktion grundsätzlich Vorrang vor der Biomasseproduktion einzuräumen.

Biomasse ist auf Grund der o. g. Effizienzkriterien prioritär im Wärmesektor
einzusetzen und zu fördern. Hierfür sind die Anreize zu verbessern. Die Ver-
wendung im Strombereich sollte sich auf den Einsatz in Kraft-Wärme-Kopp-
lung und als stetiger Energieträger in sog. Kombikraftwerken konzentrieren.

Eine Intensivierung der Förderpolitik für flüssige Biokraftstoffe ist auf Grund
der geringen energetischen Effizienz nicht erstrebenswert. Sinnvoll ist hin-
gegen der Ausbau des Einsatzes von Biomethan als Kraftstoff. Nach der ther-
mischen Verwendung von Biomethan ist die Nutzung als Kraftstoff besonders
effizient und bietet die größten CO2-Reduktionspotentiale.

Alle bisherigen Überlegungen müssen sich der Frage nach der ökologischen
Vertretbarkeit unterordnen. Nur ein verantwortungsvoller, nachhaltiger und
ökologisch vertretbare Biomasseproduktion wird diesen wichtigen und unver-
zichtbaren Bestandteil der Strategie zur Nutzung erneuerbarer Energien auch
zur notwendigen gesellschaftspolitischen Akzeptanz verhelfen.

Die Forderungen sind:

1. Der Schwerpunkt des Biomasseeinsatzes muss sich mittelfristig auf den
Energieträger Biomethan und die Sektoren Wärme und Verkehr konzentrie-
ren.

2. Im Strombereich (EEG) sollte Biomasse künftig nur noch in Form der effi-
zienten Biogasverstromung mit Kraft-Wärme-Koppelung gefördert werden.
Dabei ist die verstärkte Nutzung biogener Reststoffe und Abfälle u. a. aus
der Landschaftspflege zu favorisieren. Die Ausgestaltung des NaWaRo
Bonus sowie des Güllebonus ist kritisch zu überprüfen und um die Kom-
ponente eines Nachhaltigkeitsbonus zu ergänzen.

3. Eine nachhaltige Biokraftstoffstrategie muss stärker auf den Energieträger
Biomethan ausgerichtet werden, da Biomethan die effizienteste und klima-
verträglichste Biomassenutzung im Verkehrssektor darstellt. Im Vergleich
zur Produktion flüssiger Biomasse benötigt die Produktion von Biomethan
deutlich weniger Fläche. Die bisherige Förderpolitik für Biokraftstoffe ist
aufgrund der unbefriedigenden Energieeffizienz und der Importabhängigkeit
sowie des derzeitigen mangelhaften Emissionsminderungseffekts neu auszu-
gestalten. Bei flüssigen Biokraftstoffen muss ein ambitionierter Umstieg von
fossilen auf regenerative Brennstoffe angestrebt werden. Vorhandene
Hemmnisse der Biomethannutzung müssen abgebaut, Steueranreize neu ge-
staltet und die Quoten der Biokraftstoffstrategie angepasst werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 17 – Drucksache 17/5481

4. Der Einsatz von Biomethan in effizienten Heizungsanlagen mit Brennwert-
technik hebt bereits heute enorme Minderungspotentiale. Zukünftig ist im
Wärmebereich der Einsatz von Biomethan in Neubauten ausschließlich so-
wie in Bestandsgebäuden vorrangig in Anlagen der Kraft-Wärme-Koppe-
lung vorzusehen, um so die maximale Effizienz zu erreichen.

4.4. Stromsektor

4.4.1. Erneuerbare Energien im Stromsektor

Ziele und Potenziale

Der Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen hat nicht
nur in Deutschland sondern auch in der Europäischen Union höchste Priorität.

Die vollständige Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien bis zum Jahr
2050 ist mittlerweile ein konkretes Ziel. So wird die Stromversorgung in
Deutschland sicher, bezahlbar und umweltfreundlich.

Grundvoraussetzung hierfür ist es, dass der geltende Vorrang der Einspeisung
von Strom aus erneuerbaren Energien erhalten bleibt. Das Ziel ist, im Jahr 2020
mindestens 45 Prozent der Stromerzeugung auf erneuerbare Energien umge-
stellt zu haben.

Die Windkraft wird durch den Austausch alter durch leistungsstärkere neue
Anlagen (Repowering), durch das Ausnutzen ungenutzter Potentiale an Land
sowie den Ausbau der Windkraft auf hoher See (Offshore) den bedeutendsten
Anteil der erneuerbaren Stromversorgung darstellen. Für 2020 erwarten wir an
Land eine installierte Leistung von 45 GW sowie 10 GW Offshore. Bis 2050
wird die Windenergie über 45 Prozent des Strombedarfs in Deutschland
decken.

Die Bedeutung der Solarenergie wird deutlich wachsen. Der Beitrag der Photo-
voltaik zur Stromversorgung wird sich bis 2020 voraussichtlich verzehnfachen,
was einem Anteil an der Stromversorgung von 7 Prozent entspricht. Bis spätes-
tens 2015 soll Solarstrom die Netzparität erreichen.

Es ist zu prüfen, ob eine Umgestaltung der Fördersystematik unter Einbezie-
hung der regional unterschiedlichen Sonneneinstrahlung zusätzliche Potenziale
heben kann. Dabei sind auch Möglichkeiten einer verbesserten Förderung von
integrierten Solaranlagen in der Gebäudehülle oder z. B. an Lärmschutzwänden
einzubeziehen.

Daneben wird die Geothermie das größte Wachstum unter den erneuerbaren
Energien im Strombereich verzeichnen. Fortschritte in der Effizienz der Anla-
gentechnik lassen auch hier die Kosten sinken und die Nachfrage steigen. Die
installierte Leistung wird nach Einschätzung des Bundesverbands Erneuerbare
Energien von heute 7 MW auf 600 MW bis zum Jahr 2020 wachsen.

Auch der Anteil von Strom aus Bioenergie, der heute bereits ein Drittel im
erneuerbaren Strommix ausmacht, wird weiter wachsen und sich bis 2020 ver-
mutlich verdoppeln. Die Nutzung der Biomasse steht jedoch zunehmend in
einer schwierigen Güterabwägung, weshalb wir zukünftig die Stromerzeugung
aus Biomasse auf die effizienteste Form, der Biogaserzeugung mit ausschließ-
licher KWK-Nutzung konzentrieren.

Die Wasserkraft wird auch weiterhin, insbesondere durch den Zuwachs der
Kleinen Wasserkraft, eine wichtige Bedeutung haben.

Weiterentwicklung des EEG
Voraussetzung für den weiterhin ambitionierten Ausbau der erneuerbaren Ener-
gien sind stabile politische Rahmenbedingungen, die durch das unter Rot-Grün

Drucksache 17/5481 – 18 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

verabschiedete Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) seit dem Jahr 2000 gege-
ben sind.

Ziel des EEG bleibt es, neue und derzeit noch kostenintensive Technologien in
die Marktfähigkeit zu überführen. Es ist also ein Instrument zur Markteinfüh-
rung und keine dauerhafte Cofinanzierung. In diesem Sinne wollen wir das
EEG auch zukünftig weiterentwickeln.

Hierzu sollen

● zusätzliche Anreize zur verlässlichen und kontinuierlichen Einspeisung er-
neuerbarer Energien durch die Kombination stetiger und fluktuierender
Energieträger unter Einbeziehung von Speichertechnologien geschaffen und

● die Marktintegration erneuerbarer Energien gestärkt werden, um den Über-
gang aus der Fördersystematik des EEG zur vollständigen Marktreife vorzu-
bereiten.

Sonstige Rahmenbedingungen sowie Forschung und Entwicklung

Der starke Zuwachs an fluktuierenden Einspeisungen aus erneuerbaren Ener-
gien und Verzögerungen beim Netzausbau führen momentan dazu, dass mit
Verweis auf den Erhalt der Netzstabilität immer wieder EEG-Anlagen vom
Netz genommen werden. Zur Erreichung der Ausbauziele muss auf absehbare
Zeit die Vorrangregelung der erneuerbaren Energien gestärkt und gleichzeitig
für eine Verstetigung der Einspeisung gesorgt werden. Die Herausforderung ist,
den konventionellen Kraftwerkspark konsequent an den schnellen Zuwachs an
erneuerbaren Energien anzupassen.

Symptom der Inflexibilität des Bestandskraftwerksparks sind vermehrt auftre-
tende negative Preise an der Strombörse. Konventionelle Grund- und Mittel-
lastkraftwerke sind unzureichend auf Phasen hoher Windeinspeisung einge-
stellt. Wenn Betreiber zusätzlich versuchen, Anfahr- und Abfahrkosten konven-
tioneller Kraftwerke gering zu halten, zahlen die Rechnung am Ende die Ver-
braucher, denn mit negativen Strompreisen erhöht sich die EEG-Umlage,
obwohl keine weitere Einspeisekapazität geschaffen wird. Neben der Durch-
setzung der Vorrangregelung und entsprechenden Anforderungen an die Regel-
barkeit von Erzeugungsanlagen ist in diesem Zusammenhang Handlungsbedarf
für den Einsatz von Speicherenergie auf den Regelenergiemärkten zu sehen.

Grundvoraussetzung für den weiteren Ausbau ist die Integration der erneuer-
baren Energien in die Netz- und Speicherinfrastruktur. So gilt es nicht nur, die
Netze insbesondere auf der 380- und 110-kV-Ebene auszubauen, sondern auch
die Regel- und Reservekapazitäten anzupassen.

Darüber hinaus soll verstärkt in die Forschung und Entwicklung neuer Spei-
chertechnologien investiert werden.

Der Deutsche Bundestag setzt sich dafür ein, dass die neu gegründete Internati-
onale Agentur für erneuerbare Energien (IRENA) schnell zu einem zentralen
Akteur bei der weltweiten Verbreitung erneuerbare Energien wird.

4.4.2. Speichertechnologien

Bereits heute stehen dem deutschen Stromnetz 10 GW Speicher- und Pump-
speicherwasserkraftwerke zur Verfügung. Sie nehmen Strommengen bei hoher
Produktion auf und stellen sie bei Bedarf innerhalb weniger Augenblicke be-
reit. Laut BEE wird der Ausbau bis 2020 auf rund 13 GW vorangeschritten
sein. Gleichzeitig wächst auch die regelfähige Bioenergieleistung von heute
rund 4 auf über 9 GW.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 19 – Drucksache 17/5481

Neben dem Aus- und dem Umbau der Netzinfrastruktur muss ein Augenmerk
auf der Entwicklung und dem Einsatz von Speichertechnologien liegen. Der
zunehmende Anteil der fluktuierenden Wind- und Sonnenenergie an der ge-
samten Stromerzeugung verlangen auch nach schnell reagierenden Speichern,
um Stromangebot und Nachfrage ausgleichen zu können. Der Einsatz von Spei-
chern übernimmt daher eine wichtige Aufgabe zur Aufrechterhaltung der Span-
nungs- und Frequenzstabilität im Stromnetz. Die momentan zu Verfügung ste-
henden ca. 7 GW Speicherkapazität in Deutschland, die fast ausschließlich von
Pumpspeicherkraftwerken bereitgestellt werden, reichen auf Dauer nicht aus.

Insbesondere das Gasnetz, Gasspeicher und Gaskraftwerke können als Regel-
energie eine „Speicherfunktion“ für die Erneuerbaren übernehmen. Zunächst
wird Erdgas als Komplementärenergie zur vorrangigen Stromeinspeisung der
erneuerbaren Energien in größeren Kraftwerken dienen. Biogas leistet dies
etwa als Kombi-Kraftwerk in kleineren Anlagen.

Der Umfang der benötigten Speicher in den kommenden Jahren ist abhängig
vom Ausbau der Netzinfrastruktur, denn die Notwendigkeit von Speichern
nimmt ab durch den forcierten Ausbau der Netzinfrastruktur und der Grenzkup-
pelstellen mit den europäischen Nachbarländern, den Ausbau der dezentralen
und verbrauchsnahen Stromerzeugung sowie durch die Ausnutzung der Preis-
differenz an der Strombörse zwischen Schwachlast- und Hochlastzeiten, also
der Anpassung der Nachfrage an das Angebot.

Stromspeicher können und müssen eine wichtige Rolle zur Bereitstellung von
schnell verfügbarer Regel- und Reserveenergie, für das Abfangen von Hoch-
lastspitzen und als Zwischenspeicher in Zusammenschaltung mit erneuerbaren
Energieanlagen – in so genannten Kombikraftwerken – spielen. Daneben wer-
den sie auch benötigt für Herstellung und Aufrechterhaltung von wirtschaftlich
oder räumlich autonomen Stromversorgungssystemen sowie die klassische
temporäre „Lagerung“ von Strom.

Denn auf mittlere Sicht wird es aber zu Stromüberschüssen kommen, die sinn-
vollerweise gespeichert werden sollten, um bei anwachsendem Bedarf aktiviert
zu werden. Das wird durch synthetisches Methan oder Wasserstoff erreicht, das
mit dem Stromüberschuss erzeugt wird. Gasnetz und Speicher werden zuneh-
mend als Lager dienen.

Der Stand der Technik bietet schon heute eine Vielzahl von verschiedenen
Technologien innerhalb der einzelnen Nutzungsbereichen. Dennoch muss noch
massiv in Forschung und Entwicklung investiert werden, um Speichertechnolo-
gien wirtschaftlich und systemstabilisierend einsetzen zu können. Neben einer
Vielzahl von technischen Möglichkeiten von mechanischer, elektrischer und
elektrochemischer Speicherung, kommen aber auch thermische Speicher und
Herstellung von Wasserstoff und Methan in Frage.

Beim Umbau des Energieversorgungssystems auf eine Vollversorgung aus er-
neuerbaren Energien nutzt die Schaffung intelligenter Lösungen den Baustein
Energiespeicher. Auf der einen Seite sollen entsprechend der spezifischen Nut-
zungsanforderung und des Bedarfs an Regel- und Reserveenergie bestehende
Hemmnisse für Stromspeicher im Energiewirtschaftsrecht abgebaut werden.
Auf der anderen Seite sollen durch einen Kombikraftwerks- oder Integrations-
bonus im EEG für intelligente Speicherlösungen Anreize für eine bessere Netz-
integration erneuerbarer Energien geschaffen werden. Über Neufassungen des
Erneuerbare-Wärme-Gesetzes (EEWärmeG) und des Kraft-Wärme-Kopp-
lungsgesetz (KWKG) soll zudem die Anwendungsbasis von thermischen Spei-
chern verbreitert werden. Das Abfangen von Hochlastspitzen durch effiziente
Energieumwandlung in Wärme sowie die Umstellung vieler KWK-Anlagen auf
einen stromgeführten Betrieb bergen ein großes Potenzial und führen zu einem

engen Vermaschung von Strom- und Wärmesektor.

Drucksache 17/5481 – 20 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4.4.3. Fossile und atomare Energieerzeugung

Die Treibhausgasemissionen von fossilen Energieträgern unterliegen seit dem
Jahr 2005 dem europäischen Emissionshandelssystem sofern sie in thermischen
Kraftwerken mit einer Leistung über 20 MWel eingesetzt oder in einigen Indus-
triebranchen (Eisen- und Stahlverhüttung, Kokereien und Raffinerien, Zement-
und Kalkherstellung, Glas-, Keramik- und Ziegelherstellung sowie Papier- und
Zelluloseproduktion) genutzt werden. Die sinkende Emissionsobergrenze sorgt
dafür, dass die energetische Verwertung dieser Energieträger stetig abnimmt.
Die Belastung der Atmosphäre mit klimaschädlichen Emissionen wird dadurch
eingedämmt. Während die Folgekosten der Emissionen aus der Gas-, Stein-
kohle- und Braunkohle-Verstromung eingepreist werden, profitiert die Atomen-
ergie davon, dass ihr Risiko- und Schadenspotenzial für die Allgemeinheit
nicht internalisiert wird. Die Atomenergie genießt daher unsachgemäße finan-
zielle Vorteile, da sie nicht auf Emissionsrechte angewiesen ist. Der Deutsche
Bundestag fordert daher die Verstetigung und Erhöhung der bisher zeitlich
begrenzten Brennelementesteuer, solange Atomenergie in Deutschland noch
kommerziell genutzt wird.

Ziel der Energiepolitik ist es, die Stromversorgung bis zum Jahr 2050 vollstän-
dig aus erneuerbaren Energien zu decken. Bei der Modernisierung des fossilen
Kraftwerksparks muss ein besonderer Fokus auf seiner künftigen Komplemen-
tärfunktion zu den erneuerbaren Energien, auf höchste Effizienz und weitge-
hend dezentraler Erzeugung liegen. Der Deutsche Bundestag bekräftigt einen
zügigen Ausstieg aus der Atomenergie. Die wahre Brücke in das Zeitalter der
erneuerbaren Energien sind nicht Atomkraftwerke sondern hocheffiziente, last-
flexible und möglichst kraftwärmegekoppelte Gas- und Kohlekraftwerke, die
noch solange gebraucht werden, bis Energieeinsparung, Energieeffizienz und
erneuerbare Energien den Strombedarf vollständig abdecken.

4.4.3.1. Erdgas

Erdgas gehört neben den Erneuerbaren Energien zu den Energieträgern, deren
Anteil an der Stromerzeugung seit Jahren wächst. Im Jahr 2009 wurden etwa
13 Prozent des Stroms aus Erdgas produziert. Gas trägt mit bis zu 430 Gramm
CO2 je kW/h zum Klimawandel bei (Benchmark liegt bei 365 g/kWh) und
erzielt unter den fossilen Energieträgern die höchsten Wirkungsgrade. Es ist
neben der Verstromung vielfältig einsetzbar, etwa zur Wärmeerzeugung, zur
gekoppelten Strom-Wärme-Erzeugung (KWK), zur Gewinnung industrieller
Prozesswärme oder im Mobilitätssektor.

Vor dem Hintergrund des steigenden Anteils erneuerbarer Energien und der zu-
nehmenden Bedeutung der flexiblen Regelbarkeit konventioneller Kraftwerke,
wird Erdgas in der Stromerzeugung der nächsten zwei Jahrzehnte eine beson-
dere Rolle spielen. Es ist mit Blick auf den zunehmenden Ausbau der erneuer-
baren Energien hervorragend als Komplementärenergie geeignet und kann
durch die ansteigende Beimischung von Biomethan gleichzeitig selbst den ver-
stärkten Ausbau erneuerbarer Energien dienen.

4.4.3.2. Steinkohle

Etwa 18 Prozent des deutschen Stroms wird aktuell mit Steinkohle produziert.
Der überwiegende Teil dieser Kohle wird importiert. Die Überprüfung des Aus-
stiegspfads für die deutsche Steinkohleförderung ist ergebnisoffen, befürwortet
wird eine bevorzugte Verstromung heimischer Steinkohle.

Die Verstromung der Steinkohle trägt mit bis zu 950 Gramm CO2 je kW/h zum
Klimawandel bei (Benchmark liegt bei 750 g/kWh). Moderne Steinkohlekraft-

werke erreichen heute Wirkungsgrade von circa 45 Prozent. Diese gilt es weiter
zu verbessern. Gerade alte Steinkohlekraftwerke sorgen jedoch dafür, dass der

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21 – Drucksache 17/5481

Wirkungsgrad im Durchschnitt deutlich darunter liegt. Im Sinne einer effizien-
ten Ausnutzung fossiler Brennstoffe muss bis zur Erreichung des Ziels der Voll-
versorgung aus erneuerbaren Energien eine Modernisierung des konventionel-
len Kraftwerksparks unter Erreichung höchstmöglicher Wirkungsgrade erfol-
gen (vgl. 4.4.3.5. Zubau und Modernisierung von Kraftwerken). Hierzu werden
über Instrumente, wie des Immissionsschutzgesetzes, die gesetzlichen Anfor-
derungen an die Wirkungsgrade so anzupassen sein, dass Kraftwerke, die nicht
dem aktuellen Stand der Technik entsprechen, nachgerüstet oder abgeschaltet
werden müssen.

Die heimische Steinkohle kann sich zur Zeit im Wettbewerb mit importierter
Steinkohle nicht ohne Förderung behaupten. Bis zum Ersatz durch erneuerbare
Energien werden die bislang errichteten Kraftwerke also mit überwiegend im-
portierter Steinkohle weiter betrieben werden. Der Bergbau im eigenen Land
verringert allerdings die Importabhängigkeit und zeichnet sich durch deutlich
kürzere Transportwege aus. Da die heimische Steinkohle teilweise auch einen
besseren Brennwert hat als importierte Steinkohle, ergibt sich aus ihrer Ver-
wendung eine geringere Klimabelastung. Die heimische Förderung von Stein-
kohle ist mit den Klimaschutzzielen daher vereinbar.

Die heimische Steinkohle weist darüber hinaus Lagerstätten hochwertiger
Kokskohle aus. In der Stahlerzeugung ist Kokskohle bzw. Koks nicht zu sub-
stituieren. Die heutigen Kokspreise im internationalen Handel würden einen
nahezu subventionsfreien Bergbau auf Kokskohle möglich erscheinen lassen.
Ein heimischer Steinkohlenbergbau dient also auch dem Schutz der Stahlindus-
trie und damit der gesamten Wertschöpfungskette vor heftigen Preisschwan-
kungen auf den internationalen Rohstoffmärkten, die in Zukunft durch die
starke Nachfrage in den Schwellenländern und die hohe Konzentration im in-
ternationalen Bergbau eher noch stärker ausfallen dürften.

Im Jahr 2007 haben der Bund, Nordrhein-Westfalen, das Saarland, die RAG
AG und die IGBCE den Fahrplan für die weitere Zukunft des deutschen Stein-
kohlebergbau vereinbart. Er ist im Steinkohlenfinanzierungsgesetz abgesichert.
Bestandteil dieser Vereinbarung ist die Revisionsklausel, mit der dieser Fahr-
plan bis zum Jahr 2012 unter aktuellen energiepolitischen Gesichtspunkten
überprüft werden soll. Der Deutsche Bundestag steht zu dieser Überprüfung,
die ergebnisoffen spätestens 2012 erfolgen muss. Es muss sichergestellt sein,
dass keine Fakten geschaffen werden, die den sozialverträglichen Auslaufpfad
bis 2018 gefährden bzw. eine Fortführungsperspektive als Sockelbergbau über
2018 hinaus von vornherein ausschließen.

4.4.3.3. Braunkohle

Im Jahr 2009 trug die Braunkohle mit einer Förderung von rund 170 Mio. t zu
rund 40 Prozent an der Primärenergiegewinnung in Deutschland bei und ist da-
mit unter den fossilen Energien noch der größte heimische Energieträger. Ihr
Anteil an der Stromerzeugung betrug im Jahr 2009 rund ein Viertel.

Moderne deutsche Braunkohlenkraftwerke weisen inzwischen die weltweit
höchsten spezifischen Wirkungsgrade aus. Dennoch ist der Braunkohlekraft-
werkspark in Deutschland teilweise veraltet und beherbergt einige der klima-
schädlichsten Kraftwerke der Europäischen Union. Die Verstromung der
Braunkohle weist mit bis zu 1 200 Gramm CO2 je kW/h die schlechteste Bilanz
aller fossilen Energieträger aus.

Angesichts des hohen Anteils der Braunkohleverstromung an der Stromversor-
gung müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um weitere Verbesse-
rungen bei den Wirkungsgraden und der CO2-Reduktion zu erzielen. Hohe An-
forderungen an die Regelbarkeit dieser Anlagen und die konsequente Abschal-

tung ineffizienter Altanlagen sind im Hinblick auf die Ausbauziele im Bereich
der erneuerbaren Energien notwendig.

Drucksache 17/5481 – 22 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4.4.3.4. Atomenergie

Der Atomkonsens aus dem Jahr 2000 war ein mit den Atomkraftwerksbetrei-
bern ausgehandelter Kompromiss, der wesentlich dazu beitrug, die Konflikte in
Deutschland in der Auseinandersetzung um die Atomenergienutzung zu befrie-
den, den Energieunternehmen Investitionssicherheit zu gewährleisten und In-
novationen im Bereich der erneuerbaren Energien und der Effizienztechno-
logien voranzutreiben.

Mit dem Atomausstieg ist auch verbunden, dass grundsätzlich keine staatlichen
Exportkreditgarantien für Nukleartechnologien vergeben werden.

In Deutschland hat die Verlängerung der Laufzeiten zu Verunsicherungen ge-
führt. Investitionen in die Erneuerung unserer Energieversorgungsstruktur wer-
den zurückgehalten. Die Laufzeitverlängerung gefährdet die langfristige Ver-
sorgungssicherheit. Investitionen und Innovationen im Bereich zukunftsfähiger
Energieversorgung und Netze werden deutlich geringer sein. Wichtige Wei-
chenstellungen werden verschoben. Deutschland gefährdet seine Führungsposi-
tion in zentralen Technologiefeldern.

Von Brückentechnologie kann bei der Atomenergie nicht die Rede sein. Hinzu
kommt, dass schon jetzt die älteren Atomkraftwerke aufgrund zunehmender
Pannen immer häufiger vom Netz genommen werden müssen. Mit weiter zu-
nehmendem Alter werden zum einen die Ausfallzeiten länger und damit die
Wahrscheinlichkeit einer zuverlässigen Energieversorgung geringer, zum ande-
ren steigt die Gefahr für Mensch und Umwelt deutlich an.

Die Ereignisse in den sechs Reaktorblöcken des japanischen Atomkraftwerks
Fukushima haben gezeigt, dass besonders die periphere Technik (Kühlsystem,
Notstromversorgung) in hohem Maße störanfällig ist. Diese Probleme können
auch ohne den Einfluss eines Erdbebens oder Tsunamis auftreten. Die end-
gültige Abschaltung der sieben ältesten Atomkraftwerke ist anzuweisen. Damit
wird keines der Atomkraftwerke mehr betrieben werden können, die von dem
sogenannten Moratorium der Bundesregierung betroffen sind. Zudem darf das
Atomkraftwerk „Krümmel“ nicht mehr an das Netz gehen. Dieser Reaktor ge-
hört technisch zur Baulinie 69 und war aufgrund vieler Störfälle seit dem Jahr
2007 lediglich zwei Wochen in Betrieb.

Deutschland hat sich in den letzten Jahren durch die Energiepolitik einer SPD-
geführten Bundesregierung vom Stromimportland zum Stromexportland
gewandelt. Durch die Sofortabschaltung von acht Atomkraftwerken mit einer
Gesamtkapazität von 8 800 MW entsteht keine Stromlücke, da ausreichend
Kraftwerkspotential in Deutschland verfügbar ist. Die jüngste Sektorenunter-
suchung des Bundeskartellamtes gibt dazu wichtige Hinweise und nach An-
gaben des BDEW werden bis Ende 2012 weitere 11 000 MW hinzu gebaut, so
dass ein beschleunigter Atomausstieg grundsätzlich möglich wird. Wir werden
dauerhaft sicherstellen, dass der deutsche Strombedarf durch die Produktion in
Deutschland gedeckt wird.

Da Atomkraftwerke nur von den vier großen marktbeherrschenden Energiever-
sorgungsunternehmen betrieben werden, konnten auch nur diese bisher von der
Laufzeitverlängerung profitieren. Kleine und mittlere Wettbewerber, kommu-
nale Energieversorger, wurden aufgrund der damit stattfindenden Zementie-
rung der jetzigen Oligopolstrukturen um ihre Chance gebracht. Doch es gilt
Markthemmnisse abzubauen. Nur mit der Etablierung neuer Marktteilnehmer
ist gewährleistet, dass die Energiepreise im Wettbewerb bleiben, mehr in unsere
Energieversorgungsstruktur investiert wird und damit Arbeitsplätze und Inno-
vationen zunehmen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23 – Drucksache 17/5481

Die Brennelementesteuer dauerhaft gestalten

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Nutzung der Atomenergie zur
gewerblichen Stromerzeugung haben sich in den letzten zehn Jahren gravierend
verändert:

Der Wettbewerb zwischen den Energieerzeugern wird durch die direkte und in-
direkte Subventionierung der Atomenergiewirtschaft erheblich verzerrt. Nach
einer Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) vom Sep-
tember 2009 im Auftrag von Greenpeace beliefen sich allein die Finanzhilfen
und Steuervergünstigungen im Zeitraum von 1950 bis 2008 auf 125 Mrd. Euro
in heutigen Preisen.

Gleichzeitig begünstigt der für die Energiewirtschaft und die Industrie im Jahr
2005 EU-weit eingeführte Handel mit Emissionsrechten für Kohlendioxid die
Atomenergie ebenso wie regenerative Energieträger. Der notwendige (ab 2013
vollumfänglich entgeltliche) Erwerb der Zertifikate, die Organisationskosten
des Emissionshandels, aber auch Maßnahmen zur Minderung des CO2-Aus-
stoßes belasten vor allem die Stromerzeugung auf Basis fossiler Energieträger.
Hiervon profitiert die Atomenergie, obwohl auch ihre Nutzung bei näherer Be-
trachtung der Wertschöpfungskette nicht CO2-neutral ist, die Emissionen aber
im Wesentlichen vor und nach der eigentlichen Stromproduktion im Atomkraft-
werk anfallen.

Die von der Bundesregierung im Herbst 2010 beschlossene Brennelemente-
steuer wurde bis zum Jahr 2016 befristet. Nötig ist aber eine dauerhafte Steuer,
die bis zum Ende der Laufzeiten der Atomkraftwerke erhoben wird. Zudem
muss die Brennelementesteuer derart ausgestaltet werden, dass eine echte
Kompensation der Folgen der Nutzung Atomenergie möglich ist.

Die Kosten für eine sichere Lagerung radioaktiver Abfälle und die notwendige
Sanierung vorhandener Lagerstätten haben sich vervielfacht, wodurch sich die
bisher erhobenen Kosten für die Benutzung der Anlagen als nicht kosten-
deckend erweisen und werden damit von den Steuerzahlern finanziert. Der
Bund hat bis einschließlich 2009 Kosten in Höhe von rd. 5,2 Mrd. Euro für die
Stilllegung und Entsorgung kerntechnischer Anlagen getragen. Insgesamt erge-
ben sich Gesamtkosten in Höhe von rd. 10,6 Mrd. Euro für den Bund.

Während durch die „Einpreisung“ der – zunächst überwiegend unentgeltlich
zugeteilten – Emissionszertifikate die Preise für die Stromverbraucher steigen,
verteuert sich die Stromerzeugung aus Atomenergie mangels Internalisierung
ihres spezifischen Risiko- bzw. Schadenspotenzials nicht. Die Betreiber der
Atomkraftwerke erzielen dadurch beträchtliche Mitnahmegewinne („windfall
profits“), die das Öko-Institut auf jährlich 3,4 Mrd. Euro schätzt.

Auf die Preisbildung an der Strombörse hätte eine solche Steuer – ebenso wie
die Auktionierung von Emissionszertifikaten – keine Auswirkung, da sich die
dortige Preisbildung an den Produktionskosten des sogenannten Grenzkraft-
werks orientiert, in der Regel ein Kohlekraftwerk. Sollte die Bundesregierung
den Wettbewerb im Stromsektor weiter schwächen, könnten die Energiekon-
zerne durch ihre Marktmacht die Abschöpfung ihrer Zusatzgewinne als Vor-
wand für erneute Preiserhöhungen missbrauchen.

4.4.3.5. Zubau und Modernisierung von Kraftwerken

Die Erneuerung des Kraftwerksparks und die Entwicklung des Energiemixes in
Deutschland muss im Einklang mit unseren Klimaschutzzielen erfolgen. Dabei
muss die Rolle der fossilen Kraftwerke neu gedacht werden. Wesentliche Fak-

Drucksache 17/5481 – 24 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

toren unserer Energie- und Klimapolitik setzen hier bereits einschränkende
Rahmenbedingungen:

1. Der Emissionshandel mit der sinkenden Emissionsobergrenze (Cap) und die
Vollversteigerung ab 2013 setzen Preissignale, die für die Wirtschaftlich-
keitsperspektive von Kraftwerken ein bedeutsamer Faktor sind.

2. Der Ausbau der erneuerbaren Energien schränkt die Auslastungsperspektive
konventioneller Großkraftwerke zunehmend ein und setzt hohe Anforderun-
gen an die Regelbarkeit von Kraftwerken. Technisch weisen Gaskraftwerke
hier Vorteile auf.

Die Ordnungspolitik und die Anreizmechanismen sind an den Zielen des
Klimaschutzes auszurichten, die in einem nationalen Klimaschutzgesetz nie-
derlegen werden sollen. Auch wenn zur Zeit auf Grund der einschränkenden
Wirkungen der beschriebenen Rahmenbedingungen ein weiterer Zubau von
Kohlekraftwerken nicht realistisch erscheint und zur Einhaltung der Klimaziele
deshalb ordnungsrechtlich nicht eingegriffen werden muss, soll über ein stetes
Monitoring laufend geprüft werden, ob sich der Erzeugungsmix in Deutschland
im Einklang mit den Klimaschutzzielen entwickelt.

Darüber hinaus soll die Energiepolitik noch mehr Einfluss auf die Erneuerung
und Modernisierung der Energieversorgungsstruktur (inklusive des Kraft-
werksparks) nehmen, um Wirkungsgrade und Effizienz in der Erzeugung zu
steigern. Die Handlungsoptionen bestehen darin,

● verschärfte Effizienzvorgaben im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG)
zu verankern, um darüber eine Abschaltungsverpflichtung bzw. Modernisie-
rungszwang für besonders ineffiziente, veraltete Erzeugungsanlagen zu er-
reichen – beispielsweise durch die Vorgabe eines nach Wirkungsgraden ge-
staffelten Effizienzpfades;

● Mindestanforderungen an die Regelbarkeit von Anlagen zu stellen. Der
Ausbau der erneuerbaren Energien wird zunehmend dazu führen, dass der
konventionelle Kraftwerkspark aus dem bisher bekannten Lastprofil
(Grundlast, Mittellast und Höchstlast) herausfällt. Daher wird es angesichts
des Einspeisungsvorrangs für erneuerbare Energien darum gehen müssen,
dass konventionelle Kraftwerke – insbesondere gasbefeuerte Anlagen –
Komplementärfunktionen zur installierten Leistung der erneuerbaren Ener-
gien haben, dass erneuerbare Energien im gegenseitigen Verbund zuneh-
mend selbstständig Lastprofilen folgen können und zur Entlastung der Netze
beitragen.

● Bei zunehmend diskontinuierlicher Erzeugung sinken die Anreize für die
Erneuerung des Kraftwerksparks, da die erforderlichen Deckungsbeiträge
für das anfängliche Investment nicht erwirtschaftet werden können. Kohle-
kraftwerke verlieren so tendenziell ihre Kostenvorteile aufgrund der gerin-
geren Kohlepreise. Hier haben Gaskraftwerke wegen der geringeren anfäng-
lichen Investitionen Vorteile, da sie geringe Deckungsbeiträge erwirtschaf-
ten müssen. Gleichwohl erfolgen solche Investitionen nicht automatisch, so
dass hier geeignete Rahmenbedingungen erforderlich sind;

● sich dahingehend einzusetzen, dass die Vergabekriterien für den 15-Prozent-
Investitionszuschuss im Rahmen der EU-Emissionshandelsrichtlinie so ge-
staltet werden, dass sie auf Erneuerbare Energien und KWK in kleineren
und mittleren Kraftwerksgrößen ausgerichtet werden. Damit können neuen
Akteuren Marktchancen eröffnet und die Vereinbarkeit mit den erneuerbaren
Energien gewährleistet werden. Eine Förderung des Neubaus großer Kon-
densationskraftwerken ist abzulehnen;
● sich für ein zügiges Monitoring der KWK-Förderung einzusetzen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25 – Drucksache 17/5481

Die o. g. Strategie bedarf eines regelmäßigen Monitorings zur Entwicklung der
Erzeugung, sowohl im Bereich der Erneuerbaren als auch bei der Stilllegung äl-
terer, konventioneller Anlagen. Da die Erfüllung der Ausbauziele für erneuer-
bare Energien nicht durch den Zubau konventioneller Kapazitäten infrage ge-
stellt werden darf, muss gegebenenfalls eine Nachjustierungen an den o. g. In-
strumenten auf der Basis des Monitorings erfolgen.

4.4.3.6. CCS und CCR

In einem Industriestaat wie Deutschland sind Verfahren zur Abscheidung, zum
Transport und zur Einlagerung von Kohlendioxid prüfenswerte Optionen zur
Erreichung der international vereinbarten Ziele zur CO2-Reduktion. CCR
(CO2-Abscheidung und Wiederverwendung) und CCS (CO2-Abscheidung und
Lagerung) können in der Zukunft Optionen sein, um physisch nicht vermeid-
bare CO2-Emissionen im Bereich Industrie klimapolitisch abzufedern, wenn
dies nicht über den Zukauf von Zertifikaten aus dem notwendigen internatio-
nalen Emissionshandel möglich ist. Dies ist vor allem für Deutschland als dem
industriellen Kernland Europas eine entscheidende Fragestellung. Darüber hin-
aus ist der Einsatz der CO2-Abscheidung im Bereich der Biomassenutzung eine
interessante Option. Daher unterstützen wir die Erprobung von CCS/CCR in
heimischen Demonstrationsprojekten und fordern die zügige Vorlage eines
CCS/CCR-Gesetzes. Die Verabschiedung eines nationalen CCS/CCR-Gesetzes
ist Grundlage der Inanspruchnahme von teilweise bereits zugesagten EU-För-
dermitteln aus dem EU-Konjunkturprogramm und der ETS-Neuanlagenreserve
sowie für die Inbetriebnahme von Demonstrationsanlagen, die spätestens im
Jahr 2015 erfolgen soll.

CCS/CCR kann nicht nur in der Energiewirtschaft, sondern vor allem in der
Stahl-, Chemie- oder Zementbranche einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz
leisten und gerade auch in diesen Bereichen erprobt werden. Dazu sind For-
schung und Entwicklung notwendig, um technische Erfahrungen und Fort-
schritte machen zu können. Ähnliches gilt für die großtechnische Erprobung
der Abscheide-, Wiederverwendungs- und Speichertechnik.

Soweit Stahl und Chemie nicht in das Nachweisregime des CO2-Emissions-
handels fallen, kann die öffentliche Hand die Errichtungskosten der Abscheide-
anlagen sowie die Kosten entsprechender Zertifikate übernehmen und gegebe-
nenfalls aus dem entsprechenden Fördertitel der EU refinanzieren.

Die CCS/CCR-Technologien befinden sich noch im Entwicklungsstadium.
Daher können sie zum jetzigen Zeitpunkt kein tragender Bestandteil einer CO2-
Minderungsstrategie und eines seriösen Energiekonzepts sein, dass die Errei-
chung der nationalen Klimaschutzziele wie einer vierzigprozentigen CO2-Re-
duktion bis zum Jahr 2020 gewährleisten muss. Es muss schrittweise vorgegan-
gen werden, indem zunächst die Erprobung der Technologien in Demonstra-
tionsanlagen in Deutschland und Europa unterstützt wird. Erst nach der Aus-
wertung dieser Ergebnisse wird darüber entschieden werden können, welche
Rolle CCS/CCR im Rahmen einer Novellierung des Energiekonzepts spielen
kann und soll.

Ein CCS/CCR-Gesetz muss folgende Aspekte berücksichtigen:

● die Gewährung höchstmöglicher Sicherheits- und Umweltstandards im Rah-
men des „Standes von Wissenschaft und Technik“ für Transport und Spei-
cherung von CO2;

● eine faire Berücksichtigung der Interessen der Oberflächeneigentümer;

● ein hohes Maß an Transparenz und eine umfassende Beteiligung der Bevöl-

kerung vor Ort;

Drucksache 17/5481 – 26 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

● eine Schonung der öffentlichen Hand, indem z. B. die Haftung dauerhaft
und ab der ersten Tonne CO2 beim Betreiber bzw. gegebenenfalls mittelbar
bei dem Akteur liegt, dem die CO2-„Erzeugung“ zuzurechnen ist;

● die Gewährleistung angemessener Nachsorgebeiträge im Sinne des Verur-
sacherprinzips sowie

● eine größtmögliche geographische Nähe zwischen Abscheidung und Spei-
cherorten.

Bei der Erforschung von CCS/CCR sollte die stoffliche Nutzung und Wieder-
verwertung grundsätzlich Vorrang vor einer langfristigen Speicherung von CO2
haben.

4.5. Netzinfrastruktur und „Smart Grids“ (Strom und Gas)

Eine sichere, bezahlbare und nachhaltige Energieversorgung erfordert neben
ständigen Weiterentwicklungen auf Seiten der erneuerbaren Energien auch
einen Umbau unseres derzeitigen Energiesystems hin zu einem Energiedienst-
leistungssystem, in dem Angebot und Nachfrage aufeinander abgestimmt wer-
den können.

Es stellen sich Aufgaben, die weit über die reine Marktintegration erneuerbarer
Energien hinausgehen. Vielmehr verlangt eine größtenteils auf volatilen rege-
nerativen Energien basierende Stromversorgung neben ständigen Weiterent-
wicklungen auf Seiten der erneuerbaren Energien auch einen Umbau unseres
derzeitigen Energiesystems hin zu einem Energiedienstleistungssystem, in dem
Angebot und Nachfrage aufeinander abgestimmt werden können. Nicht mehr
der Verkauf größtmöglicher Energiemengen, sondern die effizienteste Nutzung
der eingesetzten Energie wird zum Ziel von Verbraucher und Lieferant.

Diese tiefgreifenden Veränderungen bedürfen eines systemischen Ansatzes, der
alle relevanten Bereiche frühzeitig in diesen Prozess mit einbezieht. Hierzu
zählt der Aus- und Umbau der Netze auf der Übertragungs- wie auf der Ver-
teilebene, der Einsatz intelligenter Zähl- und Messeinrichtungen sowie variab-
ler Tarifsysteme und die Entwicklung und Markteinführung neuer intelligenter
Systeme zur Datenübermittlung, insbesondere an der Schnittstelle zwischen
Netz und Verbraucher. Zudem müssen elektrische Endgeräte entwickelt wer-
den, die eine intelligente und flexible Steuerung ermöglichen. Die hierfür nöti-
gen Innovationen und Entwicklungen sind vergleichbar mit der Einführung der
Mobilfunktechnologie Ende des letzten Jahrhunderts.

Dem Um- und Ausbau der Stromnetze kommt in den kommenden Jahren eine
zentrale Rolle zu beim Ausbau des Anteils erneuerbarer Energien. Durch Neu-
bau und technische Ertüchtigung in Hinblick auf die zukünftigen Anforde-
rungen an die Leitungssysteme muss sich den Verschiebungen zwischen Er-
zeugungsschwerpunkten und Lastzentren Rechnung getragen werden. Dazu
sind große privatwirtschaftliche Investitionen erforderlich, die durch staatliche
Maßnahmen (Regulierung, Zuschüsse und Bürgschaften etc.) flankiert werden
müssen.

Die Systemintegration der erneuerbaren Energien wird eine neue Architektur
der Energieversorgung schaffen. Deshalb muss die Politik Führungsstärke zei-
gen und schnell deutlich machen, dass sie den Umbau des Energiesystems in
die Tat umsetzen will. Hierzu gehört ein regelmäßiger Austausch mit den Ak-
teuren aus Wirtschaft und Wissenschaft, die den Prozess gemeinsam mit der
Politik gestalten müssen.

In der bisherigen Diskussion um Ausbau der Netzinfrastrukturen finden die
deutschen Gasnetze kaum Beachtung. Doch auch die Gasnetze sind den bevor-

stehenden Anforderungen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gewachsen. In die

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 27 – Drucksache 17/5481

Ausbaustrategie sind auch die Gasnetze einzubeziehen und ist der bedarfs-
gerechte Ausbau von Kapazitäten zu forcieren.

Der mangelnde Fortgang des Netzausbaus im Strom- und im Gassektor gefähr-
det den Ausbau der erneuerbaren Energien und behindert den Wettbewerb in ei-
nem zentral gelegenen Land wie Deutschland, das den europäischen Energie-
binnenmarkt in entscheidendem Maße prägt. Daher soll der Ausbau und der
Umbau der Energieinfrastruktur im Einklang mit der europäischen Wett-
bewerbsstrategie „Europa 2020“ und der „Roadmap 2050“ voran gebracht wer-
den. Er ist Grundlage einer erfolgreichen Integration der europäischen Energie-
märkte, einer stärkeren Diversifizierung von Gasbezugsquellen, für grenzüber-
schreitenden Handel und Wettbewerb sowie der Nutzung von Stromspeicher-
kapazitäten im benachbarten Ausland.

Kurzfristig notwendiges Handeln und strategische Planungen müssen beim
Netzausbau für Strom und Gas ineinandergreifen. Daher ist auf eine langfristig
ausgelegte, bundeseinheitlich umfassende Bedarfsplanung zu setzen, die die
energiepolitischen Ziele für das Jahr 2050 in den Fokus nimmt. Der Bund er-
mittelt und definiert dabei den notwendigen und wirtschaftlich realisierbaren
Netzbedarf und moderiert bzw. koordiniert in Hinblick auf eine stärkere Ak-
zeptanz und eine zügigere Umsetzung die Planungs- und Genehmigungs-
prozesse auf Ebene der Länder. Die Erforschung von Zukunftstechnologien und
die Planung eines überregionalen und leistungsfähigen HGÜ-Übertragungs-
netzes, das Verbrauchsschwerpunkte mit künftigen Erzeugungszentren in ganz
Europa verbindet, erhalten dabei eine herausgehobene Rolle.

Eine Regulierung ist notwendig, die Raum für Netzinvestitionen und Innovatio-
nen lässt. Rund drei Viertel der Investitionen im Zusammenhang mit dem Aus-
bau von „intelligenter“ Netzinfrastruktur fallen auf der Verteilnetzebene an.
Auch hier müssen besondere Bedürfnisse und Erfordernisse bei der Regulie-
rung in den Blick genommen werden. Der Deutsche Bundestag befürwortet die
Gründung einer Deutschen Netz AG unter substantieller staatlicher Beteili-
gung.

Energienetze sind die vitalen Lebensadern einer modernen Industrie- und Kom-
munikationsgesellschaft. Immer größere Bereiche der Funktionsfähigkeit unse-
res Lebens und unserer Gesellschaft sind von einer ausfallfreien Energieversor-
gung abhängig. Darum ist beim Ausbau einer modernen Netzinfrastruktur ein
hoher Wert auf ausreichende Sicherheit und Redundanz zu legen.

Für Akzeptanz und Durchsetzbarkeit von Energieinfrastrukturprojekten ist die
frühzeitige Konsultation und Beteiligung der betroffenen Bevölkerung essen-
tiell.

4.6 Stadtwerke als Motor der Entwicklung

Die Stadtwerke werden ein Motor des Umbaus unseres Energiesystems sein
und den Umstieg von einem reinen Versorgungssystem zu einem Energie-
dienstleistungssystem vorrangig umsetzen. Dieser Umbau wird von den Ener-
gieunternehmen in den Städten und Gemeinden getragen und organisiert und
nicht von jenen, die aus reinen Gewinninteressen am Status quo festhalten wol-
len. Die Stadtwerke leisten so einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Da-
seinsvorsorge.

Sie sind durch ihre Nähe zum Kunden am ehesten in der Lage und willens, die
notwendigen Energiedienstleistungen anzubieten und die dafür nötigen Investi-
tionen zu tätigen.

Die Stadtwerke leisten auch im Erzeugungsbereich wegweisende Arbeit. Über

70 Prozent ihres Stroms erzeugen Stadtwerke in hocheffizienten Kraft-Wärme-
Kopplungsanlagen (KWK). Zudem begünstigt ihre dezentrale Struktur nicht

Drucksache 17/5481 – 28 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nur die Marktintegration erneuerbarer Energien, sondern auch die verbrauchs-
nahe Stromerzeugung. Bereits heute sind die Stadtwerke ein wichtiger Han-
delspartner für Strom aus EEG-Anlagen. Diese Entwicklung soll durch geeig-
nete Rahmenbedingungen unterstützt und forciert werden.

4.7. Wettbewerb und Regulierung

Seit der Verabschiedung der ersten EG-Binnenmarktrichtlinie für die Strom-
und Gasmärkte im Jahr 1998 bewegt sich die Energiepolitik in einem zuneh-
mend von europäischer Integration und Internationalisierung bestimmten ord-
nungs- und wettbewerbspolitischen Rahmen. Ziel ist es daher, den noch nicht
ausreichend entwickelten Wettbewerb auf den deutschen Energiemärkten ins-
besondere unter Beteiligung der kommunalen Unternehmen zu stärken und die
Entwicklung eines einheitlichen Energiebinnenmarktes in Europa weiter voran-
zubringen. Die Anbietervielfalt im Markt soll durch faire Wettbewerbs-
bedingungen und einen diskriminierungsfreien Markt- und Netzzugang für
neue Energieanbieter erhöht werden, um zusätzliche Liquidität an den Energie-
märkten zu schaffen und preisdämpfende Effekte im Interesse der Verbrauche-
rinnen und Verbraucher zu erzielen. Die dominante Marktmacht am Erzeu-
gungsmarkt soll unter konsequenter Anwendung des Kartell- und Wettbewerbs-
rechts sowie einer zügigen Umsetzung des 3. EU-Binnenmarktpakets weiter
abgebaut und der Trend der Rekommunalisierung von Energieinfrastruktur un-
terstützt werden, da die Energieversorgung der Zukunft weitgehend dezentral,
nah am Verbraucher und hocheffizient erfolgen muss.

Private Verbraucherinnen und Verbraucher sollen echte Wahlmöglichkeiten ha-
ben und ihre Energielieferanten ohne Probleme wechseln können. Auf diese
Weise können sie wichtige Signale für den Wettbewerb in den Energiemärkten
setzen. Ein entsprechender Ausbau der Energieberatung sowie eine Aufklä-
rungs- und Informationskampagne zur Einführung lastvariabler Tarife und in-
telligenter Zähler ist notwendig.

Die Bundesnetzagentur trägt im Bereich der Strom- und Gasinfrastruktur seit
Jahren erfolgreich dazu bei, fairen und chancengleichen Wettbewerb zu garan-
tieren, den kosteneffizienten Netzzugang zu gewährleisten, die Verbraucher-
rechte zu stärken und mehr Raum für Energieeffizienz und Energiedienstleis-
tungen zu schaffen. Es ist jedoch an der Zeit, die Regulierungspraxis mit Blick
auf neue Herausforderungen weiterzuentwickeln und um ausstehende qualita-
tive Elemente zu ergänzen. Ein Regulierungsrahmen muss geschaffen werden,
der ausreichend Raum lässt für Investitionen in qualitativ hochwertige, leis-
tungsfähige Netze und eine ausgewogene Balance zwischen den Zielen einer
hohen Kosteneffizienz und der Versorgungssicherheit gewährleistet. Die Regu-
lierung sollte insbesondere solche Investitionen stärker berücksichtigen, die im
Zusammenhang mit der breiten Einführung des Smart-Meterings und dem Auf-
bau intelligenter Netze stehen.

4.8. Wärmesektor

Die Bereitstellung von Wärme, Warmwasser, Prozesswärme, aber auch von
Kälte und Gebäudeklimatisierung werden als der „schlafende Riese“ darge-
stellt, weil auf sie der überwiegende Teil des Energiebedarfs in Deutschland
entfällt. Doch werden aktuell lediglich 8 Prozent der Wärme aus Erneuerbaren
Energien gewonnen. Im Gebäudebereich schlummern gleichzeitig große Poten-
ziale zur Energieeinsparung und zur Steigerung der Energieeffizienz, insbeson-
dere durch Passivmaßnahmen bei der Dämmung, zumal hier ein zusätzlicher
Minderungsbeitrag möglich und erforderlich ist, da im Industriesektor produk-
tionsbedingt dauerhaft Emissionen anfallen werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29 – Drucksache 17/5481

Bis 2020 sollen 14 Prozent der Wärme aus erneuerbaren Energien bereit ge-
stellt werden. Zusätzlich soll der Wärmeanteil der Kraft-Wärme-Koppelung auf
25 Prozent steigen.

Wärmeversorgung im Neubaubereich

Mit dem Erneuerbaren-Energien-Wärme-Gesetz (EEWärmeG), das eine antei-
lige Nutzungsverpflichtung zum Einsatz erneuerbarer Energien beinhaltet, gibt
es einen ersten wichtigen Beitrag für den verstärkten Einsatz erneuerbarer En-
ergien und mehr Effizienz im Neubaubereich.

Ziel bei Neubauten ist es, schnellstmöglich den Standard von Energie-Plus-Ge-
bäuden verpflichtend vorzuschreiben. Das bedeutet, dass ein Gebäude zukünf-
tig mehr Energie produziert, als es selbst verbraucht.

Wärmeversorgung im Gebäudebestand

Trotz aller Anstrengungen im Neubaubereich können aufgrund der geringen
Neubauquote von derzeit rund einem Prozent keine nennenswerten Impulse für
den Klimaschutz und die Umstellung der Wärmeversorgung hin zu erneuerba-
ren Energien geschaffen werden. Daher ist es unumgänglich, die Sanierungs-
quote im Gebäudebestand deutlich zu erhöhen.

Bestehende Gebäude in Deutschland verbrauchen wesentlich mehr Energie als
Neubauten. Rund 85 Prozent des gesamten Energiebedarfs in privaten Haushal-
ten fallen für Heizung und Warmwasser an. Hier liegen die größten Energieein-
sparpotentiale. Durch fachgerechtes Sanieren und moderne Gebäudetechnik
können bis zu 80 Prozent des Energiebedarfs eingespart werden. Hiervon profi-
tieren der Klimaschutz, Gebäudeeigentümer die ihre Vermietungschancen er-
höhen und Mieter, die durch einen niedrigeren Energieverbrauch Heizkosten
einsparen können.

Ein erheblicher Teil der Heizkosten lässt sich z. B. durch die Modernisierung
von Fenstern, eine verbesserte Dämmung oder neue Heizungsanlagen ein-
sparen. Durch die Bündelung gezielter, sinnvoller, kleinteiliger Maßnahmen
können größere Einspareffekte erzielt werden. Zudem schützen sich Verbrau-
cher vor den Auswirkungen zukünftiger Energiepreissteigerungen, in dem sie
ihre Energiekosten durch energetische Verbesserungen senken. Des Weiteren
schafft die energetische Gebäudesanierung Wachstum und Arbeit. Insbesondere
viele Handwerksbetriebe profitieren von Bauaufträgen. Jeder Euro aus Förder-
mitteln in den Gebäudebestand löst das Sieben- bis Achtfache an Investitionen
aus. Insgesamt sichert dies jährlich pro Mrd. Euro 20 000 bis 25 000 Arbeits-
plätze.

Ziel ist es, dass Gebäude bis zum Jahr 2050 keine externe Energiezufuhr für
Heizung und Klimatisierung benötigen. Dazu bedarf es eines intelligenten Mi-
xes zwischen Fördermaßnahmen und Ordnungsrecht.

Mögliche Maßnahmen im Einzelnen:

Einbeziehung des Gebäudebestands in das EEWärmeG

Aus den zuvor dargestellten Gründen ist künftig der Gebäudebestand in das Er-
neuerbare-Wärme-Gesetz einzubeziehen. Im Fall ohnehin fälliger Sanierungs-
maßnahmen oder des Heizungsaustausches soll die Pflicht zur Nutzung nach
dem EEWärmeG gelten. Gleichzeitig sollen in den maßgeblichen Rechtsvor-
schriften, wie z. B. dem BauGB, rechtliche Hindernisse für eine stärkere Be-
rücksichtigung quartiersbezogener Wärmeversorgungskonzepte auf Basis er-
neuerbarer Energien abgebaut werden.

Drucksache 17/5481 – 30 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Einbeziehung des Bestandsersatzes in die bestehende Förderstruktur

Ein großer Teil des Wohnungsbestandes ist vor Einführung der ersten Wärme-
schutzverordnung errichtet worden. Hier fällt der größte Anteil des deutschen
Wärmebedarfs an. Außerdem weisen viele Nachkriegsbauten auf Grund der
Mangelsituation nach dem zweiten Weltkrieg substantielle Defizite auf.

Energetische Anforderungen an diese Wohngebäude sind manchmal nur über
den Bestandsersatz als Alternative zur Voll- oder Komplettsanierung realisier-
bar. Dabei muss besonders auf bezahlbaren Wohnraum auch für untere Ein-
kommensgruppen geachtet werden. Der Bestandsersatz kann darüber hinaus
die Chance bieten, Wohnquartiere aufzuwerten, demografischen Anforderun-
gen gerecht zu werden und die Stadtentwicklung zu optimieren. Bestehende
Förderprogramme sind bei allen Erfolgen bisher nicht ausreichend und müssen
besser integriert und vernetzt werden.

Förderung des Einspar-und Effizienz-Contractings

Das Energieeffizienz-Contracting soll gestärkt werden. Bei der Erneuerung der
Heizungsanlage ist sicherzustellen, dass auch bei Nutzung eines Contracting-
modells für die Mieterinnen und Mieter mindestens eine Warmmietenneutrali-
tät gegeben ist. Ziel ist es, die Mieterinnen und Mieter vor steigenden Preisen
zu schützen.

Weiterentwicklung der Energieeinsparverordnung (EnEV 2009)

Die Energieeinsparverordnung ist ein wichtiges Instrument, um im Neubaube-
reich höchste Energieeffizienzstandards zu erreichen. Eine Evaluierung der
EnEV 2009 und deren Vollzug durch die Bundesländer muss Voraussetzung für
die EnEV 2012 sowie weiterer Schritte sein. Notwendig sind ergänzende Pro-
gramme für die Industrie- und Bauwirtschaft, um u. a. unbedenkliche Systeme
der Wärmerückgewinnung ohne Lüftungsverluste zu entwickeln. Erfahrungen
zeigen, dass die KfW-Förderung von Effizienzhäusern weiter entwickelt wer-
den muss.

Wichtig für die Umsetzung ist eine umfassende, lokale Beratung von Investo-
ren und Antragstellern.

Die Effizienzanforderungen im Gebäudebestand sind auf Ein- und Zweifami-
lienhäuser auszuweiten und langfristig sollen sie den Standard des Passiv-
hauses erreichen. Hierzu ist die weitestgehende Sanierung des Gebäude-
bestands bis 2050 erforderlich.

Im Zusammenwirken mit den Ländern muss sowohl an der entsprechenden
Ausbildungsinhalten für Architekten, Statikern und Planern als auch an der
Überprüfung der konkreten Umsetzung der EnEV-Anforderungen gearbeitet
werden.

Mieter schützen – Mietminderungen ermöglichen

Sofern ein Vermieter den gesetzlichen Mindestanforderungen der EnEV oder
seinen elementaren Instandhaltungsverpflichtungen bei Heizung und Däm-
mung nicht nachkommt, sollen Mieter künftig Mietminderungen vornehmen
können.

Bedarfsorientierte Energieausweise verpflichtend einführen

Der bedarfsorientierte Energieausweis muss zum festen Bestandteil jedes Miet-
vertrages werden. Dazu ist die EnEV so zu ändern, dass Miet- oder Kaufinter-
essenten von Wohnungen durch den Eigentümer bzw. Vermieter der Energie-

ausweis des Objekts bereits mit den ersten Unterlagen bzw. beim ersten Besich-
tigungstermin unaufgefordert in Kopie zur Verfügung zu stellen ist.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31 – Drucksache 17/5481

CO2-Gebäudesanierungsprogramm auf hohem Niveau fortführen

Das Programm ist eines der erfolgreichsten Klimaschutzinstrumente. Dennoch
wird bei Beibehaltung der bisherigen Sanierungsquote die umfassende Be-
standssanierung nicht im erforderlichen Maße gelingen. Um die jährliche Sa-
nierungsquote auch vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage wei-
ter auszubauen, ist der bisherige Instrumentenmix (EnEV, direkte Förderung,
mietrechtliche Durchsetzungs- und Ausgleichsmechanismen im BGB) mit ei-
ner stärkeren Fokussierung auf große Wohneinheiten und Quartiersbezug fort-
zuführen. Gleichzeitig gilt es, den Ansatz der Stadt der kurzen Wege zu verfol-
gen.

In Deutschland besteht gerade bei Heizungsanlagen ein erheblicher Investi-
tionsstau. Über 1,9 Mio. Ölheizungen sind bereits älter als 25 Jahre. Moderne
Heizungsanlagen verbrauchen rund 30 Prozent weniger Energie als alte Anla-
gen auf gleicher Brennstoffbasis. Daher sind das CO2-Gebäudesanierungspro-
gramm und das Marktanreizprogramm zu harmonisieren und um ordnungs-
rechtliche Vorgaben zu ergänzen. Der Austausch von Nachtstromheizungen
und Heizungen, die älter als 20 Jahre sind, ist besonders zu fördern.

Wärmespeicher fördern

Bei der Ausgestaltung eines zukünftigen Kombikraftwerks- und Speichertech-
nologiebonus im EEG ist auch die Speicherung überschüssigen Stroms aus er-
neuerbaren Energien (insbesondere aus Wind und Solarstrahlung) in Wärme-
speichern zu berücksichtigen.

4.9. Verkehrssektor

Mobilität hat einen sehr hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft. Sie ist die
Grundlage persönlicher Freiheit und sozialer Teilhabe sowie der Motor für
Wirtschaft und Beschäftigung.

So wichtig jedoch Mobilität in der heutigen Zeit ist, so sehr belasten die her-
kömmlichen Formen des Verkehrs unser Klima und unsere Energiereserven.
Der Verkehr ist für rund 20 Prozent des Gesamt-CO2-Ausstoßes in der EU ver-
antwortlich. Etwa 71 Prozent des Gesamtverkehrs in Europa sind von fossilen
Energien abhängig.

Angesichts von Ressourcenknappheit und Klimaveränderung ist es zentrale
Aufgabe zukünftiger Verkehrspolitik, Mobilität klimaschonend und energie-
sparend zu gestalten. Der Pfad einer über alle Lebensbereiche angestrebten Re-
duktion von Treibhausgasemissionen von bis zu 95 Prozent erfordert auch im
Verkehrsbereich eine vollständige Dekarbonisierung der Treibstoffe. Dennoch
muss auch zukünftig Mobilität für jedermann möglich und bezahlbar sein.

Um den zukünftigen Herausforderungen im Verkehrsbereich zu begegnen, ist
eine völlig neue Philosophie von Mobilität notwendig. Sie darf nicht alleine auf
die Frage beschränkt sein, möglichst schnell von A nach B zu kommen. Die
Mobilität der Zukunft muss den Kriterien der Nachhaltigkeit gerecht werden.
Sie muss soziale, demographische, kulturelle und wirtschaftliche Aspekte be-
rücksichtigen und dabei unsere natürlichen Ressourcen und unser Klima schüt-
zen.

Um auch in Zukunft Mobilität sicherzustellen, ist ein Umdenken in der Ver-
kehrspolitik ein zu leiten. Ziel muss ein Mobilitätsmanagement sein, welches
die einzelnen Verkehrsträger und Instrumente so einsetzt und miteinander ver-
knüpft, dass sie ihre spezifischen Stärken optimal entfalten können. Dabei kann
auf die Entwicklung von innovativen Antriebsformen aus regenerativen Ener-

gien für den Land-, Luft- und Wasserverkehr gesetzt werden. In Zukunft steht
je nach Erfordernis des spezifischen Verkehrs ein differenzierter Mix verschie-

Drucksache 17/5481 – 32 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dener Kraftstoffe zur Verfügung, seien es flüssige oder gasförmige Biokraft-
stoffe, seien es Wasserstoff, Elektroantriebe mit einer Versorgung über Lei-
tungsnetze, Akkumulatoren oder Brennstoffzellen.

Um die Ziele zur Treibhausgasreduktion zu erreichen, muss die Bemessung der
Höhe der Kfz-Steuer zukünftig noch stärker an der Menge der ausgestoßenen
Treibhausgase ausgerichtet sein, um so direkte Anreize zu setzen. Die Aus-
gestaltung der CO2-basierten Kfz-Steuer liefert nur dann einen ernsthaften Bei-
trag zum Klimaschutz, wenn Energieeffizienz belohnt und Pkw mit hohem Ver-
brauch im Gegenzug mit hohen Kosten belegt werden.

Angesichts des Klimawandels und schwindender Ölreserven ist es unerlässlich,
den Spritverbrauch von Pkw deutlich weiter zu senken. Die Fahrzeugeffizienz
muss durch entsprechende Grenzwerte für Pkw und Lkw gesteigert werden.

Personenfraftwagen müssen in Zukunft mit einer einheitlichen Energiever-
brauchskennzeichnung versehen werden. Die verbesserte Kennzeichnung soll
die Fahrzeugeffizienz und die Höhe der Kohlendioxid-Emissionen pro gefahre-
nen Kilometer als grafische Darstellung sowie Kosten-Angaben über die jährli-
che Kfz-Steuer und den Spritverbrauch enthalten.

Auf den Autobahnen soll ein Tempolimit von 130 Kilometern in der Stunde
eingeführt und mit verkehrslenkenden Maßnahmen eine Verstetigung des flie-
ßenden Verkehrs erreicht werden, um insgesamt die Durchschnittsgeschwindig-
keit sogar noch zu erhöhen.

Vor dem Hintergrund der klimapolitischen Ziele ist es notwendig, die aktuelle
Regelung der Dienstwagenbesteuerung zu überdenken. Die Besteuerung des
privaten Nutzungsanteils von Dienstwagen und der Betriebsausgabenabzug
von Firmenwagen sind stärker an ökologischen Gesichtspunkten auszurichten.

4.9.1. Individualverkehr

Besonders in ländlichen Regionen wird der motorisierte Individualverkehr
auch weiterhin eine große Rolle spielen. Dennoch muss das Angebot an öffent-
lichen Verkehrsmitteln weiter ausgebaut werden. Die intelligente Verknüpfung
des Autos, des öffentlichen Personennahverkehrs und des öffentlichen Fernver-
kehrs bietet große Potenziale zur Verkehrsreduzierung. Gerade im Fernverkehr
ist der Transport mit einem Massenverkehrsmittel, wie der Bahn, ungleich effi-
zienter als der motorisierte Individualverkehr.

Deshalb muss der Umstieg vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel und die
Abstimmung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) mit dem Fernver-
kehr weiter verbessert werden. Hierzu muss die nötige Infrastruktur, wie z. B.
das Bereitstellen von ausreichenden Park-and-Ride-Möglichkeiten, telematik-
gestützten Verkehrsleitsysteme und innovativen Kundeninformations- und Bu-
chungssystemen gefördert werden.

Eine besondere Herausforderung der Zukunft wird die Gestaltung urbaner Mo-
bilität sein. Städtische Mobilitätsmanagementkonzepte werden eine Verände-
rung der bisherigen Verkehrsstrukturen in den Städten nach sich ziehen. Dabei
kann, neben dem Ausbau des Zweiradverkehrs und des ÖPNV-Netzes, Elektro-
mobilität eine entscheidende Rolle spielen.

Hier geht es nicht nur um die Entwicklung innovativer Antriebsformen. eMobi-
lity wird auch die Gewohnheiten der Verkehrsteilnehmer nachhaltig verändern.
Es wird eine Entwicklung hin zur gemeinschaftlichen Nutzung von Verkehrs-
mitteln geben. Transportformen, wie z. B. Car Sharing, Mitfahrerbörsen, be-
triebliches Mobilitätsmanagement oder die Vermietung von Elektrozweirädern
werden in unseren Städten den individualisierten Verkehr zunehmend ablösen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 33 – Drucksache 17/5481

Dabei müssen auch diese alternativen Verkehrsformen optimal mit dem beste-
henden ÖPNV-System vernetzt werden. Elektronische Informations- und
Buchungssysteme, wie das bereits probehalber eingesetzte „Touch & Travel“
der Deutschen Bahn, müssen weiterentwickelt und gefördert werden.

Mobil sein ist für die Menschen unverzichtbar, um am gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Leben teilzunehmen. Daher ist jede Form von Mobilitäts-
management so zu gestalten, dass es sozialen und demographischen Gesichts-
punkten gerecht wird. So muss der Zugang zu allen Verkehrsmitteln bezahlbar
und barrierefrei gestaltet sein.

4.9.2. Güterverkehr

Rund ein Viertel der klimaschädlichen CO2-Emissionen, über 55 Prozent der
die Vegetation schädigenden Stickstoffoxidemissionen und knapp die Hälfte
der gesundheitsschädlichen Partikelemissionen des Straßenverkehrs gehen auf
den Güterverkehr zurück. Deshalb muss der Güterverkehr mehr noch als bisher
auf umweltverträgliche und energiesparende Verkehrsträger, wie die Schiene
oder die Binnenschifffahrt, verlagert werden.

In dieser Hinsicht spielt der Kombinierte Verkehr eine Schlüsselrolle. Ziel ist
eine Effizienzsteigerung der Verkehrsmittel und eine intelligente Verknüpfung
der Verkehrsträger. Sie erst ermöglichen das effektive Ineinandergreifen der
einzelnen Transportmittel. Die kombinierte Nutzung von Lkw und Bahn bzw.
Schiff bietet daher besonders im Hinblick auf Energiebilanz und Klimaverträg-
lichkeit enorme Vorteile gegenüber dem konventionellen Transport mit nur
einem Verkehrsträger.

Die Anteile des Kombinierten Verkehrs sind insbesondere unter der Regie-
rungsbeteiligung der SPD stark gestiegen. Heute werden allein auf dem deut-
schen Schienennetz jährlich etwa 30 Mio. Tonnen Güter mit Zügen des Kombi-
nierten Verkehrs befördert.

Förderinstrumente für den Bau bzw. den Ausbau von Umschlaganlagen des
Kombinierten Verkehrs müssen konzentriert sowie Anreize für die Nutzer des
Kombinierten Verkehrs weiter ausgebaut werden. Pilotprojekte zur Erprobung
neuer innovativer Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern sollen stärker
als bisher gefördert werden.

Bahn und Schifffahrt spielen beim Kombinierten Verkehr eine entscheidende
Rolle. Sie sind als Massentransportmittel in der Gesamtbilanz die energiespa-
rendsten Verkehrsträger. Um diesen Effekt weiter zu steigern, muss ihr Antrieb
künftig aus regenerativen Energien gespeist und ihre Infrastruktur weiter ver-
bessert werden.

Instrumente, wie die beschleunigte Einführung des europäischen Zugsiche-
rungs-, Zugsteuerungs- und Signalsystems (ERTMS/ETCS), längere Güterzüge
und der Ausbau multimodularer Mobilitätsinformationssysteme zur Standort-
bestimmung wie auch zur intelligenten Lenkung der Waren, müssen deshalb
weiter ausgebaut werden. Der Güterverkehr kann so effektiver und flüssiger ge-
staltet werden, Such- und Leerfahrten können vermieden werden.

Die Bahn hat von allen Verkehrsträgern die beste Energie- und Klimabilanz.
Deshalb muss ihre auch aus steuerlichen Gründen bedingte Wettbewerbsposi-
tion gegenüber anderen Verkehrsträgern verbessert werden. Um die Akzeptanz
des Schienenverkehrs weiter zu fördern, sollten auch in Zukunft lärmabhängige
Trassenentgelte erhoben und durch ein Bonus-/Malus-System mit ermäßigten
Preisen für geräuscharme Wagen und höheren Preisen für laute Wagen ergänzt
werden.

Im straßengebundenen Güterverkehr können durch technische Maßnahmen bis

zu 10 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr durch optimierte Antriebe und Kraftstoffe,

Drucksache 17/5481 – 34 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

verbesserte Fahrzeugtechnik (z. B. Aerodynamische Gestaltung, Leichtlaufrei-
fen, Leichtbau), sowie verbessertes Fahrverhalten und Verkehrsmanagement
eingespart werden. Daher muss die Forschung in diesen Bereichen gefördert
werden.

Auch die Lkw-Maut muss weiterentwickelt werden. Ihre Differenzierung nach
Emissionsklassen entfaltet eine starke Lenkungswirkung zu sauberen und effi-
zienteren Lkw. Deshalb muss die EU-Wegekostenrichtlinie so ausgebaut wer-
den, dass diese Wirkung weiter verstärkt wird. Dabei sollen externe Kosten wie
Energie- und Umweltbelastungen einbezogen werden. Die Einnahmen der
Lkw-Maut müssen zur Förderung emissionsärmerer Lkw und umweltverträg-
licher Verkehrsträger wie der Bahn eingesetzt werden.

4.9.3. Flugverkehr

Reisen mit dem Flugzeug belasten die Umwelt und Energiereserven. Deshalb
ist es dringend nötig, dass der europäische Flugverkehr unter Beachtung der in-
ternationalen Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Luftverkehrswirtschaft
ab 2012 vollständig in den Emissionshandel einbezogen wird und europaweit
verbindlich emissionsabhängige Start- und Landeentgelte erhoben werden.

Während am Boden zwischen den europäischen Schengen-Staaten die Freizü-
gigkeit von Personen und Waren verwirklicht wurde, leisten wir uns am Him-
mel immer noch die nationale Kleinstaaterei. Das führt im Luftverkehr vielfach
dazu, dass Flugzeuge ihr Flugziel nicht auf dem direkten Wege ansteuern, son-
dern Umwege in Kauf nehmen. Das bedeutet ein Mehr an Kerosin-Verbrauch.
Das verteuert die Flugkosten und damit die Preise für den Verbraucher. Die
CO2-Emissionen steigen unnötiger Weise.

Deutschland muss sich nachdrücklich für die Umsetzung des einheitlichen
europäischen Luftraums (Single European Sky) einsetzen. Damit werden Flug-
trassen optimiert und die Schadstoffemission von Flugzeugen reduziert. In
grenzüberschreitenden Luftraumblöcken ist dafür eine grenzüberschreitende
Zusammenarbeit der nationalen Flugsicherungsorganisationen der europäi-
schen Mitgliedstaaten vorgesehen. Deutschland muss zum Motor für die Grün-
dung eines einheitlichen Luftraumblocks zwischen Belgien, Deutschland,
Frankreich, Luxemburg, Niederlande und der Schweiz (Functional Airspace
Block Europe Central (FABEC) werden und deren Gründung vorantreiben.

4.9.4. Schifffahrt

Der Lebensraum Meer ist das größte zusammenhängende Ökosystem der Erde
und ein wichtiger Nahrungs- und Rohstofflieferant. Zugleich stellen die Meere,
gerade für eine Exportnation wie Deutschland, einen bedeutenden Wirtschafts-
raum mit großen Chancen dar. Einer der wesentlichen Nutzer der Meere ist die
Seeschifffahrt, die rund 95 Prozent des interkontinentalen Güterverkehrs be-
wältigt.

Mit dem Wachstum des Seeverkehrs nehmen auch die Umweltbelastungen
durch Emissionen von Treibhausgasen und anderen Luftschadstoffen zu. So
trägt der Schiffsverkehr nach Studien der Internationalen Seeschifffahrtsorgani-
sation (IMO) mit einem Anteil von rund 3 Prozent des weltweiten CO2-Aussto-
ßes – etwa ebenso viel wie der Flugverkehr – zum Klimawandel bei. Gleich-
zeitig werden bei der Verbrennung von Schiffsdiesel deutlich höhere Emissio-
nen an Schwefel und Feinstaub freigesetzt als bei anderen Treibstoffen. Dem
maritimen Klima- und Umweltschutz kommt daher eine hohe Bedeutung zu.
Handlungsfelder sind die Reduzierung von CO2- und Schadstoffemissionen,
die Förderung alternativer Kraftstoffe und Antriebstechnologien sowie ord-

nungspolitische Instrumente und marktwirtschaftliche Anreize.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 35 – Drucksache 17/5481

Schadstoffemissionen, insbesondere von Schwefel, Stickoxiden und Partikeln,
stellen das bedeutendste Umweltproblem in der Seeschifffahrt dar. Daher gilt
es, die internationalen Bemühungen zur Vermeidung und Reduzierung von
Schiffsemissionen weiter zu verstärken und eine schrittweise Absenkung des
höchst zulässigen Schwefelgehaltes im Schiffskraftstoff sowie eine spürbare
Senkung von Stickoxiden und Partikeln zu erreichen.

Im Rahmen der IMO sollte sich Deutschland dafür einsetzen, dass andere euro-
päische Meeresgebiete dem Beispiel von Nord- und Ostsee folgen, wo Schiffe
bereits ab 2015 – und damit fünf Jahre früher als von der IMO beschlossen –
statt mit schwefel- und rückstandreichem Schweröl nur noch mit Destillaten
mit einem maximalen Schwefelanteil von zunächst 0,5 Prozent fahren dürfen.

Um langfristig international gleiche Rahmenbedingungen zu erreichen, wird es
entscheidend sein, zumindest in den Meeresgebieten der EU-Mitgliedstaaten
Schwefelemissions-Überwachungsgebiete (SECAs) für die Schifffahrt – wie
bisher nur Nord- und Ostsee – verbindlich einzurichten, in denen der Höchst-
wert bereits ab 2015 nur noch 0,1 Prozent betragen darf. Damit Schiffe nicht
Alternativhäfen weiterhin mit hochschwefeligem Schiffskraftstoff anlaufen,
sind auf europäischer und internationaler Ebene neue SECAs einzurichten.

Deutschland muss sich im Rahmen der IMO zudem für technische Innovatio-
nen zur Stickoxidreduzierung einsetzen. Bereits heute verfügt die Schiffbau-
und Zulieferindustrie in Deutschland im Bereich der Motorentechnik über ent-
sprechende Lösungen zur Absenkung der Stickoxidemissionen. Neben tech-
nischen Innovationen wird der Ausweisung von Stickstoffemissions-Über-
wachungsgebieten eine wichtige Rolle zukommen.

Für die Handelsschifffahrt bestehen bezüglich der Emission von Kohlendioxid
auf internationaler Ebene bis heute keine Vorschriften. Deshalb soll sich die
Bundesregierung im Rahmen der IMO für die Einführung wirksamer Regelun-
gen zur Senkung der CO2-Emissionen einsetzen.

Der Binnenschifffahrt kommt bei einem international rasant wachsenden
Güterumschlag eine Schlüsselrolle sowohl in der landseitigen Güterdistribution
an den Seehäfen als auch beim Gütertransport im Binnenland zu. Güter müssen
zukünftig effizienter und dabei ökologisch nachhaltiger transportiert werden.
Die einzelnen Verkehrsträger sind ihren unterschiedlichen Leistungsspektren
gemäß einzusetzen. Die derzeitige Situation, dass der Lkw über 70 Prozent der
Marktanteile am Güterverkehr (Verkehrsleistung in tkm) hält, wird dem Leis-
tungsspektrum des Lkw für die Nahdistribution und dem Anspruch an die öko-
logische Nachhaltigkeit nicht gerecht. Das Binnenschiff liegt im Transport von
Massengütern je nach Strecke mit deutlichem Abstand vor dem Verkehrsträger
Straße. Im Mittel verbraucht das Binnenschiff je transportierter Tonne
67 Prozent weniger Energie als der Lkw. Ähnliches gilt je nach Transportrela-
tion für den Containerumschlag. Berechnet man externe Kosten durch Ver-
kehrsunfälle hinzu, verschlechtert sich die Position des Lkw-Transports, der
sich mit 42,9 Cent/100 Tonnenkilometern drastisch 3,3 Cent des Binnenschiffs
absetzt. Lärmkosten schlagen bei Lkw mit 79 Cent/100 Tonnenkilometern zu;
während das Binnenschiff keine nennenswerten Lärmkosten verursacht.

Über hybridisierte Antriebe oder Brennstoffzellentechnologien für die Schiff-
fahrt können weitere Vorteile gewonnen und über elektrifizierte Transportinfra-
strukturen im Hafenbereich in der Optimierung der ökologischen Nachhaltig-
keit des Güterumschlags weitere Akzente gesetzt werden.

Emissionsminderungspotenziale können sich auch durch die Landstromversor-
gung in den Häfen ergeben. Die Bereitstellung von Landstrom oder Gas ist eine
sinnvolle Maßnahme, um die Schadstoffemissionen während der Liegezeit der

Schiffe in den Häfen zu reduzieren; dies gilt insbesondere für Fähr- und Kreuz-
fahrtschiffe. Hauptursache für die Umweltbelastung sind Hilfsmotoren für Lüf-

Drucksache 17/5481 – 36 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ter, Bordelektronik, Kräne und Licht. Es sollen daher die Möglichkeiten für
eine internationale Normung von landseitigen Anschlüssen für die Stromver-
sorgung der Schiffe in Häfen unter wirtschaftlichen und ökologischen Aspekten
geprüft werden.

Wirtschaftliche Systeme zur Emissionssenkung können Anreize schaffen, um
die vorhandenen technischen Potenziale für mehr Energieeffizienz so umfas-
send wie möglich zu nutzen. Die Große Koalition hat in den Meseberger Be-
schlüssen für ein Integriertes Energie- und Klimaprogramm im Jahr 2007 daher
das Ziel einer wettbewerbsneutralen Einbeziehung der Seeschifffahrt in den
Emissionshandel formuliert, der bisher keinen quantitativen Minderungszielen
unterliegt. Entsprechende Vorschläge wurden auf internationaler Ebene unter-
breitet. Allerdings konnte sich die Staatengemeinschaft weder in der Klima-
rahmenkonvention noch innerhalb der IMO auf eine Maßnahme einigen. Ziel
muss es daher sein, zur Reduzierung der Klimabelastungen durch den Schiffs-
verkehr die Bestrebungen im Rahmen der IMO und der Klimarahmenkonferenz
(UNFCCC) sowie auf Ebene der Europäischen Kommission vorantreiben. Bei
der Ausgestaltung eines möglichen Emissionshandelssystems ist dafür Sorge zu
tragen, dass es zu keinen Ausweicheffekten wie der Ausflaggung aus deutschen
oder europäischen Flaggen kommt.

Zur Steigerung der Energieeffizienz in der Schifffahrt und beim Schiffbau be-
stehen große Entwicklungsmöglichkeiten bei der Nutzung von alternativen
Energien und Antriebstechnologien. Um weitere Potenziale zu erschließen,
muss die Förderung von Forschung und Entwicklung im Bereich des maritimen
Klima- und Umweltschutzes – wie im Rahmen des Nationalen Innovations-
programms für Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie – intensiviert
werden. So ist die Forschung für alternative Kraftstoffe bzw. Energieträger
wie Erdgas, Wasserstoff oder Biokraftstoffe sowie für umweltfreundliche
Schiffsantriebe auszubauen. Der Übergang zu alternativen Energien und An-
triebssystemen kann den Technologieschub hin zu energieeffizienten Lösungen
im Schiffbau und -betrieb verstärken und damit der maritimen Wirtschaft neue
Perspektiven eröffnen.

4.9.5. Mobilität der Zukunft – Elektromobilität

Die langfristige Sicherung der Mobilität erfordert hoch effiziente Fahrzeuge,
die mit alternativen Energien betrieben werden können. Elektrische Antriebe
(Hybrid-, Batterie- und Brennstoffzellenfahrzeuge) bieten große Potentiale zur
Verringerung der Abhängigkeit von Erdöl als Energieträger sowie zur Reduzie-
rung von CO2 und lokalen Schadstoffemissionen.

Der Pkw-Verkehr verursacht zirka 14 Prozent der Emissionen des für den
Treibhauseffekt verantwortlichen Gases CO2 in Deutschland. Elektromobilität
kann einen wesentlichen Beitrag zur Verringerung der CO2-Emissionen im Ver-
kehrssektor leisten. Die intelligente Nutzung der Batterien von Elektrofahrzeu-
gen als Stromspeicher kann darüber hinaus künftig Möglichkeiten eröffnen, die
Gesamteffizienz der Stromversorgung zu erhöhen und die Versorgung mit
erneuerbaren Energien auszubauen. Erhebliche Klima- und Umweltvorteile
werden aber erst dann erreicht, wenn der Strom aus anderen Quellen als den
fossilen Energieträgern und Atomenergie stammt.

Elektromobilität beinhaltet nicht nur der Austausch des Antriebs, sondern eine
Veränderung von Verkehrsstrukturen. Gerade in Städten lässt sich eine bessere
Lebensqualität erreichen, sind neue Stadtkonzepte realisierbar. Elektrofahr-
zeuge sind leise und verbessern die Wohn- und Aufenthaltsqualität. Allein ein
Technologiewechsel jedoch reicht dazu nicht aus. Der Weg zu einer nach-
haltigen Mobilität erfordert von allen Beteiligten auch ein Überdenken ihres

gewohnten Mobilitätsverständnisses.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 37 – Drucksache 17/5481

Mit folgenden Maßnahmen kann Energieeffizienz und Elektromobilität voran-
getrieben werden:

1. Verstärkung der Forschung und Entwicklung von Energiespeichern, Fahr-
zeugtechnik und Netzintegration

Elektromobilität erfordert leistungsfähige, sichere und bezahlbare Batterie-
systeme, neue Konzepte für Fahrzeuge, Antriebe und Komponenten sowie
neue Lösungen für die Einbindung der Fahrzeuge in das Stromnetz.

2. Hilfestellung bei der Industrialisierung neuer Technologien durch indirekte
öffentliche Forschungsförderung

Einführung sogenannter tax credits als steuerliche Gutschriften für gewerbli-
che Forschungen kleiner und mittlerer Unternehmen. „Corporate Venture
Capital“ soll als Wagniskapitalfonds größerer, erfolgreicher Unternehmen
den kleinen und mittleren Unternehmen helfen. Diese Fonds fungieren un-
ternehmensintern als auch unternehmensübergreifend sowie branchen- und
regionsspezifisch. Zusätzlich soll eine unternehmerische Unterstützung von
Anfang an eine schnellere Vermarktung über bestehende Vertriebskanäle er-
möglichen.

3. Erprobung von ordnungsrechtlichen Ausnahmeregelungen für die Marktein-
führungsphase:

● Sonderplaketten, die Elektroautos im Straßenverkehr sichtbar machen;

● Feinstaubverordnung;

● Freigabe der Busspuren für Elektroautos und andere umweltfreundliche
Verkehrsdienstleistungen;

● exklusive Parkmöglichkeiten für Elektroautos und andere umweltfreund-
liche Verkehrsdienstleistungen in ausgewiesenen Bereichen;

● die Prüfung von Zuschusssystemen in der Markteinführungsphase.

4. Aufbau einer flächendeckenden, intelligenten Versorgungsinfrastruktur

Grundlage dieser Entwicklung sind intelligente Versorgungsnetze – soge-
nannte Smart Grids. In diesen sollen die Batterien von Elektrofahrzeugen als
bidirektionale Speicher fungieren können, indem sie Strom zu Spitzenlast-
zeiten entnehmen und ihn in Schwachlastzeiten ins Energienetz zurückspei-
sen.

Induktionsschleifen auf den Straßen oder auf Parkplätzen können als gute
Alternative zur herkömmlichen Aufladung über die Steckdose fungieren.

5. Öffentliche Stimulation der Nachfrage

Öffentliche Fuhrparks sollen komplett auf Elektroautos umgestellt werden
ebenso die Ausstattung öffentlicher Verkehrsunternehmen.

6. Ausbau von Aus- und Weiterbildung

Auf Elektromobilität ausgerichtete Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen,
neue Studieninhalte, neue Professuren sowie Hochschul-Cluster sind zu ent-
wickeln.

7. Neue Mobilitätskonzepte und Verkehrsstrukturen

Elektromobilität muss zur Senkung des Energieverbrauchs im Verkehrssek-
tor in integrierte städtische Verkehrskonzepte eingebunden werden. Gerade

für Städte und Ballungsräume kommt es darauf an, Elektromobilität mit der
Entwicklung anderer kleinerer und leichterer Fahrzeuge zu verbinden und

Drucksache 17/5481 – 38 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

mit flexiblen Mobilitätsdienstleistungen wie Carsharing, Elektro-Mieträdern
und einem gut ausgebauten Angebot öffentlicher Verkehrsmittel zu ver-
knüpfen.

8. Die europäische Abstimmung herzustellen

Nur ein gemeinsamer Kraftakt kann die Mobilitätsrevolution bewältigen:
Zusammenarbeit in Forschung und Produktion sowie gemeinsame Umset-
zung von infrastrukturellen Maßnahmen auf Europas Straßen.

4.9.6. Biokraftstoffe

Der Einsatz von flüssigen und gasförmigen Kraftstoffen aus erneuerbaren Ener-
gien eröffnet im Individual- und Güterverkehr Möglichkeiten zur Reduktion
des CO2-Ausstoßes und bietet Alternativen zu den endlichen fossilen Kraft-
stoffen. Die Kraftstoffqualitätsrichtlinie der Europäischen Union sieht bis zum
Jahr 2020 eine Senkung der schädlichen Treibhausgasemissionen von Fahrzeu-
gen um 6 Prozent vor. Das Biokraftstoffquotengesetz setzt einen Anteil an Bio-
kraftstoffen von 12 Prozent bis 2020 fest und damit auf noch höhere Reduk-
tionswerte als die EU-Richtlinie. Ein glaubwürdiges Zertifizierungssystem zu
ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit muss für die heimische Nutzung und
den Import entwickelt und angewendet werden.

Flüssige Biokraftstoffe wurden bislang verstärkt gefördert. Im Vergleich zur
Verwendung von Biomethan für den Individual- und Güterverkehr schneiden
jedoch flüssige Kraftstoffe hinsichtlich des Energieertrags und des CO2-Reduk-
tionspotenzials merklich schlechter ab. Beim Einsatz eines Hektars an Acker-
fläche zur Produktion von flüssigen bzw. gasförmigen Kraftstoffen kann ein
mit Biomethan betriebener Pkw im Vergleich zu einem mit flüssigen Kraft-
stoffen betriebener eine rund dreimal so lange Strecke zurücklegen (Fachagen-
tur Nachwachsende Rohstoffe e. V.). Ähnlich sieht es mit den Treibhausgas-
emissionen aus: Während ein mit flüssigen Biokraftstoffen betriebener Pkw
zwischen 95 (Biodiesel) und 111 (Bioethanol) Gramm CO2 äq/km ausstößt,
kommt ein mit Biogas betriebenes Auto auf nur 5 Gramm CO2 äq/km (Deut-
sche Energie-Agentur). Flüssige Biokraftstoffe spielen zukünftig für bestimmte
Verkehrsträger, wie z. B. Güterlast- und Flugverkehr, eine wichtige Rolle. Für
den motorisierten Individualverkehr zeichnen sich derzeit effizientere und kli-
maschonendere Lösungen ab.

Unabhängig vom Einsatz flüssiger Biokraftstoffe muss bei den fossilen Treib-
stoffen eine umfassende Dekarbonisierungsstrategie verfolgt werden.

Es ist sinnvoll, den Einsatz von Biomethan im Mobilitätssektor stärker zu för-
dern und die Unterstützung des Marktes für flüssige Kraftstoffe im Individual-
verkehr zu überdenken. Gezielte Anreize müssen gesetzt werden, um Biome-
than vermehrt als Kraftstoff einzusetzen. Außerdem müssen die Steuersätze für
Erdgas und Biomethan harmonisiert und die Steuerentlastungen beider Kraft-
stoffarten bis 2020 verlängert werden. Biomethan und Erdgas sind nicht nur
klimaschonender, sondern auch kostengünstiger als die fossilen Kraftstoffe.
Um dies dem Verbraucher vor Augen zu führen, steht eine Novelle des Eichge-
setzes an. Die gasförmigen Kraftstoffe müssen an der Tankstelle direkt mit flüs-
sigem Benzin und Diesel verglichen werden können und die Preise hierfür mit
einheitlichen Messgrößen ausgezeichnet sein.

5. Energieaußenpolitik

Die globale Verteilung der Energieressourcen ist eine Schlüsselfrage des
21. Jahrhunderts. Sie beinhaltet eine innen- ebenso wie eine außenpolitische

Komponente und verbindet Herausforderungen der Umwelt-, Sozial- und Wirt-
schaftspolitik mit Aspekten der Außenwirtschafts- und Sicherheitspolitik.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39 – Drucksache 17/5481

In diesem umfassenden Sinne verstanden, bedeutet Energiesicherheit mehr als
die physische Verfügbarkeit der notwendigen Ressourcen. Energieaußenpolitik
betrifft neben der Gewährleistung klassischer Versorgungssicherheit auch die
Dimensionen von Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit und sie beschreibt
einen kooperativen Mechanismus, der möglichen Verteilungskonflikten um den
Faktor Energie präventiv begegnet.

Die Multidimensionalität der energiepolitischen Herausforderung leitet sich im
Wesentlichen aus drei globalen Megatrends ab:

● der wachsenden globalen Nachfrage;

● der Ressourcenkonzentration in politisch instabilen Regionen;

● der Bedrohung durch den globalen Klimawandel.

Im Jahr 2050 werden über 9 Milliarden Menschen die Erde bevölkern. Zu
Recht reklamieren die Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern,
von denen gegenwärtig rund 1,8 Milliarden keinen Zugang zur Stromversor-
gung haben, ihren Anspruch auf sozioökonomische Entwicklung und Wohl-
standsteilhabe. Wir wollen Entwicklungsländer beim Zugang zu moderner,
nachhaltiger Energieversorgung unterstützen.

Die weltweite demographische Entwicklung wird auch in Zukunft von einer
bereits seit einigen Jahren zu beobachtenden nachholenden Industrialisierung
wichtiger Schwellenländer wie China, Indien oder Brasilien und einer entspre-
chend wachsenden Nachfrage nach dem Produktionsfaktor Energie begleitet.
40 Prozent des gegenüber dem Jahr 2000 zu messenden globalen Anstiegs der
Rohölnachfrage entfallen schon heute auf China und eine Umkehr dieser Ent-
wicklung ist bei jährlichen Wachstumsraten von 10 Prozent und mehr kaum zu
erwarten. Deutschland steht für eine kooperative Energie- und Ressourcenpoli-
tik. Es muss verhindert werden, dass aus einem immer härteren Wettbewerb um
knappe Guter die Konflikte von morgen erwachsen.

Ohne entschiedene Gegenmaßnahmen wird in dieser Situation der Klimawan-
del nicht nur zur ökologischen Gefahr, sondern bedroht auch die Stabilität gan-
zer Volkswirtschaften.

Die Politik muss sich dem stellen und nachhaltige Lösungsansätze entwickeln.
Es ist daher richtig, dass die deutsche Energiepolitik nicht mehr ausschließlich
als Wirtschafts- oder Umweltpolitik mit bestenfalls außenpolitischem Appen-
dix begriffen wird. Die wachsende Konkurrenz um Energieressourcen aus noch
dazu unsicherer werdenden Bezugsquellen macht die Flankierung privatwirt-
schaftlichen Handelns durch die Politik notwendiger denn je. Die Politik muss
einen Rahmen schaffen, in dem sich die Interessen aller Beteiligten in der För-
derung, im Handel und im Verbrauch begegnen. Dazu gehört auch unser Ein-
satz, für die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA).

Mit dem forcierten Ausbau von Effizienz und Erneuerbare-Energien-Technolo-
gien werden zudem im Inland Wertschöpfungsketten und Beschäftigung im er-
heblichen Umfang geschaffen. Energieaußenpolitik hat insoweit auch und ge-
rade die Aufgabe Außenwirtschaftsförderung zu organisieren. Indem Deutsch-
land im Inland voran geht, werden Voraussetzungen für neue Exportmärkte ge-
schaffen. Außenwirtschaftspolitik muss diese Entwicklung vorbereiten und sie
begleiten.

Zentrale Aktionsfelder zukünftiger Energieaußenpolitik sind:

● die Diversifizierung der Bezugsquellen, Transportwege und -arten;

● die Herstellung von Rechts- und Investitionssicherheit für privatwirtschaft-
liche Akteure;

Drucksache 17/5481 – 40 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

● die Einleitung und Intensivierung von Energiedialogen mit wichtigen Produ-
zenten-, Transit- aber auch Verbraucherstaaten sowie deren Weiterentwick-
lung zu strategischen Energiepartnerschaften.

Energie- und Entwicklungspolitik werden stärker miteinander verzahnt. Die
Entwicklungspolitik muss als eigenständiges und nachhaltiges Element in eine
umfassende und langfristig angelegte Energieaußenpolitik einbezogen werden,
die sowohl im Interesse der Entwicklungsländer als auch im Interesse Deutsch-
lands selbst eine nachhaltige Energieversorgung ermöglicht.

Die weltweiten Kohlevorräte werden noch viele Jahrzehnte reichen. Diese Res-
sourcen werden in vielen Teilen der Welt auch genutzt werden. Es geht also im
globalen Maßstab weniger um das „Ob“ als vielmehr um das „Wie“ der künfti-
gen Kohleverstromung. Die Bereitstellung CO2-armer Kraftwerke, kann die
globalen Emissionsminderungen mit den Vorteilen einer kostengünstigen
Stromerzeugung und der Sicherung regionaler Beschäftigung verbinden.

Eine wesentliche Erfolgsvoraussetzung für die Volkswirtschaften der Zukunft
wird in der Frage nach der Entkopplung von Produktion und Ressourcen-
verbrauch liegen. Das ambitionierte Ziel, die Energieproduktivität bis 2020 ge-
genüber dem Stand von 1990 zu verdoppeln, also mit dem gleichen Energie-
einsatz die doppelte Wirtschaftsleistung zu erzielen, weist hier in die richtige
Richtung. Wird das Ziel erreicht, wirkt es wie ein Fitnessprogramm für die hei-
mische Volkswirtschaft. Diese profitiert gegenüber weniger effizienten Wett-
bewerbern von der Ressourceneinsparung und erschließt sich zugleich neue
Exportmöglichkeiten in dem weltweit rasch wachsenden Markt der Energie-
und Effizienztechnologien, die schon heute für einen Gutteil unserer positiven
Außenhandelsbilanz stehen.

Parallel zu dem skizzierten energieaußenpolitischen Ansatz und der Herstel-
lung eines institutionellen Rahmens für die globalen Energiemärkte hängt der
Erfolg einer modernen Energieaußenpolitik entscheidend davon ab, die öko-
logischen Notwendigkeiten mit den ökonomischen Perspektiven, die aus den
beschriebenen Megatrends resultieren, zu verbinden und im Sinne einer vor-
wärtsgerichteten Industrie- und Technologiepolitik zu nutzen. Wenn Ressour-
cen knapper, damit auch absehbar teurer werden und ihre bislang praktizierte
Nutzung zunehmend in ein Spannungsverhältnis zu den Erfordernissen des
Klimaschutzes gerät, dann gibt dies einen Fingerzeig auf die wachsende Not-
wendigkeit, die weltweite Verbreitung regenerativer Energieerzeugungsarten
ebenso voranzutreiben wie die Steigerung der Energieeffizienz.

In beiden Bereichen kann Deutschland eine Vorreiterrolle übernehmen, auf der
Basis seiner technologischen Spitzenstellung ökonomisch in besonderem Maße
profitieren und über die Ausfuhr von hochqualitativen Energietechnologien
einen Beitrag zur globalen Ressourcenschonung leisten. Ein intelligentes Kon-
zept wird dabei auch Synergien zwischen der verantwortlichen Nutzung heimi-
scher Ressourcen und der Bewältigung der globalen Herausforderungen her-
stellen.

Projekte wie DESERTEC oder die Solarplaninitiative im Mittelmeerraum sind
hinsichtlich ihres Nutzens und ihrer Risiken im weiteren Prozess kritisch aber
ergebnisoffen zu untersuchen und stellen eine neue Herausforderung für die zu-
nehmend bedeutsamere deutsche Energieaußenpolitik dar. Diese Vorhaben
zielen darauf, neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien auch eine stabile
Energieversorgung im Inland aufzubauen.

Ein gelungenes Beispiel für die Energieaußenpolitik ist die Exportförderung für
erneuerbare Energien. Die „Exportinitiative Erneuerbare Energien“ als Förder-
titel im Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

(BMWi) unterstützt deutsche Unternehmen, sich auf internationalen Märkten
erfolgreich zu positionieren. Die Relevanz erneuerbarer Energien für die welt-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41 – Drucksache 17/5481

weite Energieversorgung hat sich in den letzten Jahren deutlich erhöht und wird
zukünftig weiter steigen. Auch die nationale und internationale Nachfrage nach
Produkten und Leistungen der Erneuerbaren Energien ist deutlich gestiegen.
Mit einem weiteren deutlichen Wachstum ist zu rechnen. Nach dem letzten Be-
richt der Bundesregierung von 2008 wird für 2020 von einem Marktvolumen
im Bereich von ca. 115 Mrd. bis zu 400 Mrd. Euro ausgegangen. Im internatio-
nalen Wettbewerb besitzen deutsche Unternehmen insgesamt eine führende
Position – jedoch nicht in allen Produktbereichen und auf allen EE-Märkten.
Die Stärken Deutschlands liegen insbesondere in den Bereichen technologische
Innovation, Produktqualität, System-Know-how, Referenzen am Heimatmarkt,
Anwendungserfahrung und Marktvorsprung. Diese Initiative von Rot-Grün soll
verstärkt und damit dafür gesorgt werden, dass sich das Erfolgsmodell der er-
neuerbaren Energien auch weltweit erfolgreich weiter entwickelt.

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