BT-Drucksache 17/5473

Einsetzung eines Sonderausschusses "Atomausstieg und Energiewende"

Vom 12. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5473
17. Wahlperiode 12. 04. 2011

Antrag
der Abgeordneten Rolf Hempelmann, Dr. Matthias Miersch, Dirk Becker,
Hubertus Heil (Peine), Ulrich Kelber, Ingrid Arndt-Brauer, Doris Barnett,
Sören Bartol, Gerd Bollmann, Marco Bülow, Edelgard Bulmahn, Martin Burkert,
Petra Ernstberger, Michael Gerdes, Iris Gleicke, Michael Groß, Petra Hinz (Essen),
Oliver Kaczmarek, Dr. Bärbel Kofler, Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Holger Ortel,
Heinz Paula, Gerold Reichenbach, René Röspel, Frank Schwabe, Dr. Martin
Schwanholz, Rita Schwarzelühr-Sutter, Wolfgang Tiefensee, Ute Vogt, Waltraud
Wolff (Wolmirstedt), Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Einsetzung eines Sonderausschusses „Atomausstieg und Energiewende“

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag setzt einen Sonderausschuss „Atomausstieg und Ener-
giewende“ ein.

I. Ausgangslage

Harrisburgh in den 70er-Jahren, Tschernobyl im Jahr 1986 und nun Fukushima
im Jahr 2011 sind Beispiele, die die unverantwortbaren Risiken der Atomtech-
nologie in aller Klarheit aufzeigen. Diese Katastrophen sind neben der bislang
weltweit ungeklärten Endlagerfrage des Atommülls bereits ausreichende Belege
dafür, dass ein unumkehrbarer Ausstieg aus der Atomkraft nicht nur aus
ethischen Gründen erfolgen muss.

Die Energieversorgung muss auf einer zukunftstauglichen Grundlage ausgerich-
tet werden. Die Frage der künftigen Energieversorgung beinhaltet international
und national zentrale ökologische, ökonomische und soziale Aspekte. Es muss
u. a. darum gehen, Abhängigkeiten von endlichen Energiequellen zu beenden,
eine gerechte und bezahlbare Nutzung von Energie zu gewährleisten und die
Energieversorgung der Wirtschaft und die anhängigen Arbeitsplätze in Deutsch-
land zu sichern. Die heutige Energieversorgung darf nicht für kommende Gene-
rationen zur Altlast werden. Eine sich an der Verantwortung für die Zukunft
orientierende Energiepolitik muss auf das Prinzip der Nachhaltigkeit setzen. Sie
muss stets den Menschen und die Natur im Blick haben.

Aus diesem Grund muss Deutschland wieder zurückfinden zu einem breiten ge-
sellschaftlichen Konsens in der Energiepolitik. Ein parteiübergreifender Kon-

sens in Fragen der Energiepolitik, der auch nach Regierungswechseln Bestand
hat, schafft nicht nur Planungssicherheit in einem durch langfristige Investitio-
nen geprägten Sektor, sondern kann auch Grundlage für einen breiten gesell-
schaftlichen Konsens sein. Nur wenn die Politik in zentralen Fragen der Ener-
giepolitik mit „einer Stimme spricht“, werden Menschen, die sich von
Investitionen in die Energieinfrastruktur in ihrem Lebensumfeld negativ betrof-

Drucksache 17/5473 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

fen fühlen, ihre persönlichen Bedenken dem unterordnen, was Politik und Ge-
sellschaft gemeinsam als für das Gemeinwohl notwendig festgestellt haben.

Die Beratungen über den Atomausstieg und über die künftige Energiepolitik ge-
hören in das Parlament. Die Entscheidungen darf sich kein Parlament durch aus-
gelagerte Kommissionen aus der Hand nehmen lassen. Die Verantwortung über
vertretbare oder eben nicht hinnehmbare Risiken in der Energieversorgung zu
entscheiden und die langfristigen Leitlinien der Energieversorgung zu konzipie-
ren, liegt beim Deutschen Bundestag. Diese Fragen können nur interdisziplinär
behandelt und beantwortet werden. Deshalb bildet der Sonderausschuss die
Möglichkeit, die fachspezifischen Bereiche zu bündeln und für den Deutschen
Bundestag eine Gesetzgebung vorzubereiten, die ganzheitlich angelegt ist und
der Verantwortung des Gesetzgebers Rechnung trägt.

II. Auftrag

In dem vom Deutschen Bundestag eingesetzten Sonderausschuss sollen alle Zu-
ständigkeiten gebündelt werden, die nötig sind, um die mit dem Atomausstieg
und der Energiewende verbundenen Gesetzgebungsmaßnahmen zügig und um-
fassend beraten zu können. Der Deutsche Bundestag beauftragt den Sonderaus-
schuss mit zwei Kernaufgaben:

a)

● Vorbereitung der notwendigen Änderungen des Atomgesetzes, um rechtzei-
tig zum Ende des „Moratoriums“ zu gewährleisten, dass die Abschaltung der
unsichersten Atomkraftwerke eine stabile gesetzliche Grundlage hat.

● Vorschlag an die Bundesregierung für die notwendigen Anpassungen der Si-
cherheitsanforderungen an den Betrieb von Atomkraftwerken.

Der Sonderausschuss kann dabei auf die umfangreichen Anhörungen der Fach-
ausschüsse des Deutschen Bundestages aus dem letzten Jahr zurückgreifen. Das
Gutachten der Bundesregierung, die Studien des Umweltbundesamtes, des
Sachverständigenrates für Umweltfragen, der Vereinigung Deutscher Wissen-
schaftler e. V. und des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie GmbH
sind weitere Grundlagen, die an Aktualität nicht verloren haben. Darüber hinaus
liegen zahlreiche Sicherheitsanalysen über die deutschen Atomkraftwerke und
eine Neufassung des kerntechnischen Regelwerks bereits vor.

b)

Die zweite Aufgabe des Sonderausschusses bildet das Aufzeigen eines Weges,
in der Bundesrepublik Deutschland noch in diesem Jahrzehnt aus der Nutzung
der Atomtechnologie vollständig auszusteigen. Der frühestmögliche Ausstieg
ist dabei unter Beachtung der ökologischen, ökonomischen und sozialen As-
pekte anzustreben.

Darüber hinaus geht es um die notwendigen Weichenstellungen dafür, schnellst-
möglich eine vollständige Energieversorgung Deutschlands mit erneuerbaren
Energien zu erreichen. Fragen der dezentralen Versorgung, des Energiemixes
der Zukunft, der notwendigen Netzinfrastruktur, der Effizienzpotenziale und
Einsparmöglichkeiten werden genauso Gegenstand der Beratungen sein müs-
sen, wie auch die Berücksichtigung der notwendigen Förderprogramme und
ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen.

Hier wird es notwendig sein, einen Dialog mit allen gesellschaftlichen Gruppen
und Akteuren zu organisieren. Ziel muss es sein, ein Energieprogramm für
Deutschland zu entwerfen, das auf den drei Säulen der nachhaltigen Entwick-

lung, der Bezahlbarkeit und der Versorgungssicherheit beruht und so über Legis-
laturperioden hinweg getragen wird.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5473

III. Beteiligung

Der Sonderausschuss bezieht in besonderem Maße die Öffentlichkeit in seine
Arbeit ein. Über die Arbeit wird regelmäßig und transparent auf der Internetseite
des Deutschen Bundestages informiert. Eine frühzeitige Koordination mit dem
Bundesrat ist sicherzustellen.

IV. Handlungsbedarf

Der Sonderausschuss soll den staatlichen Handlungsbedarf nach nationalen, eu-
ropäischen und internationalen Handlungsfeldern differenziert benennen.

V. Zusammensetzung

Dem Sonderausschuss gehören 17 Mitglieder an. Die Fraktion der CDU/CSU
benennt sechs Mitglieder, die Fraktion der SPD vier Mitglieder, die Fraktion der
FDP drei Mitglieder, die Fraktion DIE LINKE. zwei Mitglieder und die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zwei Mitglieder.

Für jedes Mitglied kann ein stellvertretendes Mitglied benannt werden.

VI. Zeitplan

Der Sonderausschuss soll sich unverzüglich konstituieren.

Die Beratungen im Zusammenhang mit der unter Buchstabe a darlegten Auf-
gabe sollen eine Beschlussfassung des Deutschen Bundestages bis zum Ende
des „Moratoriums“ ermöglichen.

Die hinsichtlich der unter Buchstabe b beschriebenen Aufgabe soll dergestalt
bearbeitet werden, dass bis zur Sommerpause 2012 abschließend Ergebnisse
und Handlungsempfehlungen vorliegen, damit noch in der 17. Wahlperiode
erste Umsetzungsschritte erfolgen können. Dabei sind konsensuale Zwischen-
ergebnisse zu früheren Zeitpunkten anzustreben.

Berlin, den 12. April 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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