BT-Drucksache 17/5362

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -17/4679- Für ein offenes, rechtsstaatliches und gerechtes europäisches Asylsystem b) zu dem Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Viola von Cramon-Taubadel, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -17/4886- Für wirksamen Rechtsschutz im Asylverfahren - Konsequenzen aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ziehen

Vom 5. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5362
17. Wahlperiode 05. 04. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Matthias W. Birkwald,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/4679 –

Für ein offenes, rechtsstaatliches und gerechtes europäisches Asylsystem

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler,
Viola von Cramon-Taubadel, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/4886 –

Für wirksamen Rechtsschutz im Asylverfahren – Konsequenzen aus der
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ziehen

A. Problem

Zu Buchstabe a

Die Fraktion DIE LINKE. kritisiert in ihrem Antrag die Asylpolitik der Europäi-
schen Union. Der Deutsche Bundestag solle die Bundesregierung auffordern,
sich für eine Verbesserung des europäischen Asylsystems einzusetzen. Insbe-
sondere müsse eine Abschaffung der EU-Rückführungsrichtlinie sowie ein an-
deres Verantwortungsteilungsprinzip innerhalb der EU gefordert werden.

Zu Buchstabe b

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN greift die Entscheidung des Euro-
päischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) auf, in der der Gerichtshof
u. a. feststellte, dass Belgien gegen Artikel 13 der Europäischen Menschen-
rechtskonvention (EMRK) verstoßen habe, indem es dem Beschwerdeführer
keine Möglichkeit gegeben habe, gegen die Entscheidung, ihn nach Griechen-

land zu überstellen, ein wirksames Rechtsmittel einzulegen. Mit dieser Recht-
sprechung sei die deutsche Regelung, wonach die aufschiebende Wirkung von
Rechtsmitteln gegen Überstellungen im Rahmen der Dublin-II-Verordnung
ausgeschlossen sei, nicht vereinbar. Der Deutsche Bundestag solle daher die
Bundesregierung insbesondere auffordern, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der
den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln im Asylverfah-
ren aufhebt.

Drucksache 17/5362 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/4679 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

Zu Buchstabe b

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/4886 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme der Anträge.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5362

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 17/4679 abzulehnen,

b) den Antrag auf Drucksache 17/4886 abzulehnen.

Berlin, den 23. März 2011

Der Innenausschuss

Wolfgang Bosbach
Vorsitzender

Reinhard Grindel
Berichterstatter

Rüdiger Veit
Berichterstatter

Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Josef Philip Winkler
Berichterstatter

DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag abzulehnen. mit den gerichtlichen Entscheidungen vorhanden sei.
Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat in seiner 35. Sitzung am 23. März 2011 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die
Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/

Die Fraktion DIE LINKE. fordert die Bundesregierung
auf, Vorschläge zur Verbesserung des Asylsystems auf euro-
päischer Ebene nicht weiter zu blockieren, und sich für
eine Verantwortungsverteilung innerhalb der Europäischen
Drucksache 17/5362 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Reinhard Grindel, Rüdiger Veit, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Ulla Jelpke und Josef Philip Winkler

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 17/4679 wurde in der
90. Sitzung des Deutschen Bundestages am 10. Februar
2011 an den Innenausschuss federführend sowie an den
Rechtsausschuss, den Ausschuss für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe und den Ausschuss für die Angelegenhei-
ten der Europäischen Union zur Mitberatung überwiesen.

Der Antrag auf Drucksache 17/4886 wurde in der
96. Sitzung des Deutschen Bundestages am 17. März 2011
an den Innenausschuss federführend sowie an den Rechts-
ausschuss, den Ausschuss für Menschenrechte und humani-
täre Hilfe und den Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union zur Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der Rechtsausschuss hat in seiner 37. Sitzung am
23. Februar 2011 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags empfohlen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat in seiner 32. Sitzung am 23. Februar 2011 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP ge-
gen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimment-
haltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfoh-
len, den Antrag abzulehnen.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat in seiner 32. Sitzung am 23. Februar 2011 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP ge-
gen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimment-
haltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die
Ablehnung des Antrags empfohlen.

Zu Buchstabe b

Der Rechtsausschuss hat in seiner 41. Sitzung am 23. März
2011 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des An-
trags empfohlen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hil-
fe hat in seiner 34. Sitzung am 23. März 2011 mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stim-
men der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Innenausschuss hat die Anträge in seiner 36. Sitzung am
23. März 2011 abschließend beraten.

Als Ergebnis der Beratungen empfiehlt der Innenausschuss
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.
bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, den Antrag auf Drucksache 17/4679 abzulehnen.

Den Antrag auf Drucksache 17/4886 empfiehlt der Innen-
ausschuss mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abzulehnen.

Die Fraktion der CDU/CSU hebt hervor, die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verabschiede sich mit ihrem
Antrag von dem Asylkompromiss von 1992/1993. Dies wäre
eine völlig falsche Botschaft, die nur Schleppern und Schleu-
sern helfen würde. Außerdem sei ein Zustrom an Flücht-
lingen zu befürchten, der die Kommunen unzumutbar belas-
ten würde. Damit Integration funktioniere, seien gewisse
Rahmenbedingungen erforderlich. Integration setze insbe-
sondere auch die Aufnahmebereitschaft einer Gesellschaft
voraus, was 1992 bei 432 000 Asylbewerbern problematisch
gewesen sei. Heute bestünden dagegen Rahmenbedingun-
gen, die eine Integration vereinfachten. Die Anträge der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN würden diese Rah-
menbedingungen wieder verschlechtern.

Die Fraktion der SPD lehnt den Antrag der Fraktion DIE
LINKE. ab, da eine generelle Abschaffung der Rückfüh-
rungsrichtlinie und der Agentur FRONTEX nicht zu unter-
stützen sei. Zwar sei eine Änderung der Lastenverteilung zu
befürworten. Die Rückführungsrichtlinie habe für manche
Mitgliedstaaten dennoch gewisse Fortschritte gebracht und
FRONTEX erfülle auch sinnvolle, insbesondere humanitäre
Aufgaben, wie zum Beispiel die Seenotrettung. Die Um-
setzung der Rechtsprechung des EGMR und die Gleichstel-
lung von subsidiär Geschützten sei dagegen dringend gebo-
ten. Die SPD-Fraktion werde deshalb dem Antrag der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen.

Die Fraktion der FDP lehnt den Antrag der Fraktion DIE
LINKE. ebenfalls ab. Denn die Forderung, die Rückfüh-
rungsrichtlinie und FRONTEX abzuschaffen, sei nicht nach-
vollziehbar. Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN stelle sicherlich zu Recht fest, dass eine Ausein-
andersetzung mit der Rechtsprechung des EGMR und auch
des Bundesverfassungsgerichts erforderlich sei. Dies tue die
Bundesregierung aber. Gerade die Aussetzung von Rückfüh-
rungen nach Griechenland zeige, dass ein sensibler Umgang
DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD
die Ablehnung des Antrags empfohlen.

Union einzusetzen. Das Urteil des EGMR richte sich nicht
nur gegen Griechenland und Belgien, sondern gegen alle

Berlin, den 23. März 2011

Reinhard Grindel
Berichterstatter

ems-Murr)

Ulla Jelpke
Berichterstatterin
Rüdiger Veit
Berichterstatter

Hartfrid Wolff (R
Berichterstatter

Josef Philip Winkler
Berichterstatter

misses, sondern um die Vereinbarkeit des deutschen Richtli-
nienumsetzungsgesetzes mit der durch das Urteil des EGMR
geänderten Rechtslage.

Die Bundesregierung erklärt, Deutschland werde seiner hu-
manitären Verantwortung gerecht. Dies belegten die Zahlen.
2010 habe Deutschland 41 332 Asylbewerber aufgenom-
men. Die Schutzquote sei zudem in Deutschland höher als in
anderen Mitgliedstaaten der EU. 2010 erhielten 7 704 Per-
sonen die Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer
Flüchtlingskonvention. Das seien 16 Prozent aller Asylbe-
werber. 2 691 Personen, nämlich 5,6 Prozent, erhielten einen
subsidiären Schutz. Außerdem sei unklar, nach welchen
Kriterien ein Verteilungsschlüssel eingeführt werden könne.
Jeder Mitgliedstaat der EU habe die Genfer Flüchtlingskon-
vention unterschrieben. Diese humanitäre Verantwortung
könne nicht unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt wer-
den. Für Deutschland gelte aber auch das Prinzip der Solida-
rität. Deutschland helfe daher u. a. beim Aufbau des Euro-
päischen Asylunterstützungsbüros und mit dem Euro-
päischen Flüchtlingsfonds. Selbstverständlich reagiere die
Bundesregierung auch, wenn sich abzeichne, dass es in
einem grundsätzlich sicheren Drittstaat Probleme gebe. So
habe die Bundesregierung Überstellungen nach Griechen-
land ausgesetzt und unterstütze parallel das Ziel, dass Asyl-
verfahren in Griechenland wieder ordnungsgemäß durchge-
führt würden.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/5362

Mitgliedstaaten der EU. Aus dem Urteil folge, dass sowohl
die deutsche Drittstaatenregelung als auch der Ausschluss
der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln gegen Über-
stellungen aufgrund der Dublin-II-Verordnung mit der
EMRK unvereinbar sei. Außerdem sei ein Verteilungs-
schlüssel zu befürworten, der etwa auch die wirtschaftliche
Entwicklung eines Landes berücksichtige.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betont, das
Rechtsschutzverfahren habe erst das EU-Richtlinienumset-
zungsgesetz von 2007 abgeschafft und nicht bereits der
Asylkompromiss. Es sei wegweisend und historisch, dass
die Große Kammer des EGMR einstimmig und letztinstanz-
lich entschieden habe, dass ein Mitgliedstaat der EMRK
Rechtsschutz im Asylverfahren nicht ausschließen dürfe. Es
gehe daher nicht um eine Aufkündigung des Asylkompro-

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