BT-Drucksache 17/5274

Mögliche Verwicklung von Grauen Wölfen in Mordserie an türkischen Kleinhändlern

Vom 22. März 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5274
17. Wahlperiode 22. 03. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Andrej Hunko, Niema Movassat, Jens Petermann,
Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Mögliche Verwicklung von Grauen Wölfen in Mordserie an türkischen
Kleinhändlern

Seit September 2000 starben acht türkische und ein griechischer Kleinhändler in
ihren Läden in Nürnberg, München, Rostock, Hamburg, Kassel und Dortmund
jeweils am hellen Tag durch einen Schuss aus nächster Nähe ins Gesicht. Die
Mordserie wurde in den Medien als „Döner-Morde“ bekannt. Das einzige ver-
bindende Element zwischen den Opfern scheint dieselbe bei all diesen Anschlä-
gen verwendete Tatwaffe, eine Ceska Typ 83, Kaliber 7,65 Millimeter zu sein.
Auch nach zehn Jahren Ermittlungsarbeit sind diese Morde ungeklärt.

Wie das Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“‘ in seiner Ausgabe 8/2011 be-
richtet, sind viele Fahnder der Sonderkommission der Polizei überzeugt, „dass
die Spur der Morde in Wirklichkeit in eine düstere Parallelwelt führt, in der eine
mächtige Allianz zwischen rechtsnationalen Türken, dem türkischen Geheim-
dienst und Gangstern den Ton angeben soll. Die Mordserie sei gestoppt worden,
als die Ermittlungsbehörden diesem Täterkreis nach der Erschießung eines In-
ternetcafé-Betreibers in Kassel im April 2006 nahe kam. Doch alle Ermittlungen
„endeten irgendwann an einer Mauer des Schweigens. Es herrsche, berichten die
Beamten, Angst – Angst vor dem ,tiefen Staat‘, einem Netzwerk aus Ultrana-
tionalisten, Militärs, Politikern und Justiz.“ Laut den aus diesem Milieu stam-
menden Informanten des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL“ gibt es in
Deutschland einen solchen Zusammenschluss türkischer Ultranationalisten und
Verbrecher, die auch hier gegen politische Gegner vorgehen und Landsleute für
ihre illegalen Geschäfte einspannen. „Auch mit Einschüchterung, Mord und
Drogenhandel wollen die Grauen Wölfe ein neues Türkenreich (,Turan‘) erschaf-
fen“, so „DER SPIEGEL“. Die Grauen Wölfe hätten ein Syndikat in Deutschland
aufgebaut. Wer sich geweigert habe, sein Geschäft für die Geldwäsche zur Ver-
fügung zu stellen, sei ermordet worden. Als Graue Wölfe werden türkische Ul-
tranationalisten und Rechtsextreme im Allgemeinen und konkret die Anhänger
der im türkischen Parlament vertretenen „Partei der Nationalistischen Bewe-
gung“ (MHP) bezeichnet, die sich in Deutschland in der „Türkischen Födera-
tion“ organisiert haben. Die Grauen Wölfe waren für die Ermordung zahlreicher
politischer Gegner verantwortlich.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Existenz und die
Aktivitäten eines als „tiefer Staat“ bezeichneten Netzwerks aus türkischen
Rechtsextremen, Geheimdienstkreisen und Verbrechern

a) in der Türkei,

b) in Deutschland?

Drucksache 17/5274 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Inwieweit war und ist ein solches als „tiefer Staat“ bezeichnetes Netzwerk
nach Kenntnis der Bundesregierung in Einschüchterungen und Morde von
politischen Gegnern in Deutschland verwickelt?

3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Verwicklung tür-
kischer Ultranationalisten und Rechtsextremisten in das organisierte Ver-
brechen in der Türkei und in Deutschland?

a) Inwieweit trifft nach Erkenntnissen der Bundesregierung die Behauptung
des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL“ 8/2011 zu, die Grauen Wölfe
seien in den Drogenhandel verwickelt und hätten ein Syndikat in Deutsch-
land aufgebaut?

b) Inwieweit trifft nach Erkenntnissen der Bundesregierung die Behauptung
des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL“ zu, die Grauen Wölfe würden
Geldwäsche für Drogengelder über türkische Restaurants, Reisebüros und
Geschäfte in Deutschland betreiben?

c) Inwieweit trifft nach Erkenntnissen der Bundesregierung die Behauptung
des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL“ zu, die Grauen Wölfe würden
türkische Geschäftsleute in Deutschland, die sich weigerten, ihre Ge-
schäfte für Geldwäsche zur Verfügung zu stellen, ermorden oder ermorden
lassen?

d) Inwieweit sind Mitglieder oder Funktionäre der „Türkischen Föderation“
und ihrer Mitgliedsvereine nach Kenntnis der Bundesregierung in Dro-
genhandel, Geldwäsche und andere Erscheinungsformen des organisier-
ten Verbrechens verwickelt?

4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über eine vom Nachrichten-
magazin „DER SPIEGEL“ behauptete Verwicklung eines Netzwerks von
türkischen Rechtsextremisten, Geheimdienstkreisen und Gangstern in die
sogenannten Döner-Morde?

5. Inwieweit haben türkische Regierungsstellen nach Kenntnis der Bundes-
regierung versucht, Einfluss auf das Ermittlungsverfahren im Falle der soge-
nannten Döner-Morde zu nehmen?

Berlin, den 22. März 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.