BT-Drucksache 17/5207

Gleiches Rentenrecht in Ost und West

Vom 23. März 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5207
17. Wahlperiode 23. 03. 2011

Antrag
der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Fritz Kuhn, Stephan Kühn,
Cornelia Behm, Katrin Göring-Eckardt, Monika Lazar, Dr. Harald Terpe,
Kerstin Andreae, Birgitt Bender, Kai Gehring, Maria Klein-Schmeink, Markus Kurth,
Beate Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer, Elisabeth Scharfenberg
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gleiches Rentenrecht in Ost und West

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit dem Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) wurden die Anwartschaften der
Versicherten in den neuen Bundesländern in das System der gesetzlichen Ren-
tenversicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) über-
führt. Im Grundsatz war damit in den alten und neuen Bundesländern ein ein-
heitliches Rentenrecht hergestellt. Das RÜG sah allerdings ausdrücklich vor,
dass „bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse“ eine Reihe
von rentenrechtlich maßgeblichen Rechengrößen und Verfahrensweisen für die
neuen und alten Bundesländer differenziert festgelegt und angewendet werden
sollten. Diese Differenzierungen führen bei Versicherten in Ost und West zur
Unzufriedenheit, verstetigen die gegenseitigen Vorbehalte und werden 19 Jahre
nach Gültigkeit dieses Gesetzes von vielen Bürgerinnen und Bürgern in den ost-
deutschen Bundesländern als ungerecht empfunden.

Zwei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung haben die als Übergangsregelung
gedachten rentenrechtlichen Unterschiede infolge der erheblichen Verlangsa-
mung des Angleichungsprozesses der Löhne und Gehälter immer noch Bestand.
Das unterschiedliche Rentenrecht wird ohne Eingriffe des Gesetzgebers noch so
lange existieren, bis sich die Entgelte und damit die Rentenwerte in den alten und
neuen Bundesländern vollkommen angeglichen haben. Dies kann aus heutiger
Sicht noch sehr lange dauern. Aus dem bestehenden System heraus ist auf kurze
bis mittlere Sicht keine wesentliche Angleichung zu erwarten. So wird im aktu-
ellen Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung angenommen, dass sich
die Durchschnittsentgelte bis zum Jahr 2015 kaum weiter annähern (vgl. Bun-
desministerium für Arbeit und Soziales: Rentenversicherungsbericht 2010, Bun-
destagsdrucksache 17/3900, S. 47 f.). Die einstige Übergangslösung droht zu
einer Dauerregelung zu werden, so dass sich die Frage stellt, ob und wie lange
noch ein unterschiedliches Rentenrecht angewendet werden soll.
CDU, CSU und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, noch in dieser
Legislaturperiode ein einheitliches Rentensystem in Ost und West einzuführen.
Konkrete Vorschläge ist die Koalition bisher schuldig geblieben. Aus Antworten
der Bundesregierung auf Schriftliche Fragen zur Schaffung eines einheitlichen
Rentensystems geht hervor, dass die Bundesregierung nicht absehen kann, wie
lange es noch dauern wird, bis der Anpassungsprozess der Rentensysteme in Ost
und West vollzogen ist, und sie in nächster Zeit keine Lösung präsentieren wird.

Drucksache 17/5207 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine grundsätzliche Vereinheitlichung aller
maßgeblichen Bezugsgrößen zur Entstehung und Berechnung der Rente in
Ost und West durchzuführen, die insbesondere folgende Eckpunkte enthält:

a) Der aktuelle Rentenwert Ost und die Beitragsbemessungsgrenze Ost wer-
den auf den aktuellen Rentenwert West und die Beitragsbemessungs-
grenze West angehoben.

b) Die Berechnungsfaktoren für die Hochgewichtung der in Ostdeutschland
in der Vergangenheit erworbenen Entgeltpunkte werden so reduziert, dass
sich die daraus resultierenden Rentenansprüche nicht ändern.

c) Die zukünftigen Entgeltpunkte werden bundeseinheitlich berechnet; auf
eine gesonderte Hochwertung der Entgeltpunkte in Ostdeutschland wird
verzichtet;

2. eine Garantierente einzuführen, die als Teil der Rentenversicherung für lang-
jährig Versicherte in Ost und West geringe Rentenansprüche auf ein Mindest-
niveau aufstockt, das über dem durchschnittlichen Grundsicherungsniveau
liegt. Die dafür anfallenden Kosten sind aus Steuermitteln zu finanzieren.

Berlin, den 22. März 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Das Ziel einer Vereinheitlichung der Rentenberechnung sollte sein, gleiche ren-
tenrechtliche Regelungen für Versicherte in den alten und neuen Bundesländern
herzustellen und damit die existierenden Ungleichbehandlungen zu beseitigen.
Eine einheitliche Berechnung sollte sich auch weiterhin am Äquivalenzprinzip
ausrichten, so dass gleich hohe Beitragszahlungen zu gleich hohen Renten-
anwartschaften führen. Von daher ist es erforderlich, die Ermittlung von Ent-
geltpunkten für alle Versicherten zu vereinheitlichen sowie einen einheitlichen
Rentenwert einzuführen. Eine solche einheitliche Berechnungsweise des Ren-
tenanspruchs würde auch zu höherer Akzeptanz und mehr Transparenz im Ren-
tensystem führen.

Die im Rahmen von Maßnahmen zur Vereinheitlichung der Rentenberechnung
bereits erworbenen Rentenanwartschaften sollen und können dabei nicht ge-
kürzt werden. Um diese in gleicher Höhe zu erhalten, müssen die Hochwer-
tungsfaktoren gerade um die Erhöhung des aktuellen Rentenwertes reduziert
werden. Um Geringverdienende besser vor Altersarmut zu schützen, wird an-
stelle der Aufwertung der Entgeltpunkte im Osten, die einkommensunabhängig
durchgeführt wurde, eine Garantierente eingeführt, durch die geringe Renten-
ansprüche in Ost und West auf ein Mindestniveau aufgestockt werden, denn
geringe Löhne gibt es nicht nur im Osten Deutschlands, sondern auch im Westen.

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