BT-Drucksache 17/519

zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zur internationalen Afghanistan-Konferenz am 28. Januar 2010 in London

Vom 26. Januar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/519
17. Wahlperiode 26. 01. 2010

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, Christine
Buchholz, Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Heike Hänsel,
Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Stefan Liebich, Niema Movassat,
Thomas Nord, Alexander Ulrich, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin
zur internationalen Afghanistan-Konferenz am 28. Januar 2010 in London

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. In der gegenwärtigen Konzeption wird die für den 28. Januar 2010 geplante
internationale Afghanistan-Konferenz in London keinen Beitrag für Frieden
und Wiederaufbau in Afghanistan leisten. Stattdessen ist davon auszugehen,
dass die geplanten massiven Truppenaufstockungen um etwa 30 000 US-
amerikanische und etwa 7 000 Soldatinnen und Soldaten anderer NATO-
Staaten durch weitere politische Absichtserklärungen legitimiert werden
sollen.

2. Die Konferenz in London droht, die Fehler der vergangenen Afghanistan-
Konferenzen zu wiederholen. Obwohl die Gesamtstärke der International Se-
curity Assistance Force (ISAF) innerhalb von acht Jahren von unter 10 000
auf etwa 90 000 angewachsen ist, ist die politische, soziale und militärische
Strategie der NATO gescheitert. Mit den angekündigten Truppenaufstockun-
gen rückt der Frieden erneut in weite Ferne.

3. Auf der internationalen Konferenz in London müssen andere Schwerpunkte
gesetzt werden, die ein wichtiges Signal auch gegenüber der afghanischen
Bevölkerung setzen: Frieden, Wiederaufbau und Selbstbestimmung in Afgha-
nistan und strikte Achtung des Völkerrechts. Ohne einen breiten gesellschaft-
lichen Friedensprozess unter Beteiligung der Konfliktparteien und ohne den
Abzug der ausländischen Truppen, die als Besatzer empfunden werden, wird
es weder Frieden noch Wiederaufbau in Afghanistan geben. Darüber hinaus
müssen auf der Konferenz die Weichen für eine bessere und ausschließlich
zivile Koordination und Durchführung der Wiederaufbaumaßnahmen gestellt
werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. auf der internationalen Afghanistan-Konferenz, unabhängig vom Verhalten
anderer Staaten, keine Zusagen über die Entsendung weiterer deutscher Sol-
daten nach Afghanistan zu tätigen,

2. den verbündeten Staaten mitzuteilen, dass Deutschland seine Truppen in die-
sem Jahr aus Afghanistan zurückziehen wird,

Drucksache 17/519 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
3. auf der NATO-Konferenz in Lissabon für eine Beendigung des NATO-Einsat-
zes in Afghanistan zu wirken, und die Aufhebung des Bündnisfalles nach Ar-
tikel 5 des NATO-Vertrages zu beantragen,

4. auf der internationalen Afghanistan-Konferenz dafür einzutreten, dass

a) der bestimmende Grundsatz für eine neue Strategie lautet: Nicht der Krieg,
sondern der Frieden muss afghanisiert werden;

b) die ausländischen Kriegsparteien umgehend aus Afghanistan abziehen.

5. die Initiative zu ergreifen, um sicherzustellen, dass auch für die zivilen Hilfen
das Selbstbestimmungsrecht Afghanistans Grundlage der Zusammenarbeit
wird und die katastrophale soziale Lage der Menschen in Afghanistan umge-
hend verbessert werden kann. Deshalb

a) sollen die Gelder, die bisher von den NATO-Staaten für den Kriegseinsatz
aufgebracht wurden, in gleicher Höhe für den zivilen Aufbau eingesetzt
werden;

b) soll in Kooperationen internationaler und afghanischer ziviler Hilfsorgani-
sationen eine Versorgungsinfrastruktur aufgebaut werden, die den Men-
schen in Afghanistan und der Produktion zur lokalen Versorgung zugute-
kommt und die Wasser- und Energieversorgung, Bildung, landwirtschaft-
liches Gerät und Saatgut beinhaltet;

c) muss die Praxis der zivil-militärischen Zusammenarbeit sofort beendet
und die Neutralität von Hilfsorganisationen strikt beachtet werden.
Hilfsorganisationen, die teilweise seit Jahrzehnten erfolgreich in Afgha-
nistan arbeiteten, dürfen nicht in Kriegshandlungen hineingezogen und
durch die Anwesenheit der Streitkräfte kompromittiert und gefährdet
werden;

d) sollen finanzielle Unterstützungen strikt an Rechtsstaatlichkeit und Trans-
parenz sowie an die Verhinderung paramilitärischer Strukturen und die
Ausschaltung von Korruption gebunden werden;

e) soll mit internationalen Mitteln besonders der Aufbau eines Vor-Ort-Bil-
dungssystems, von Hochschulen und beruflicher Ausbildung, die stärkere
Unterstützung von Frauenprojekten und Frauenförderung allgemein sowie
die Anstrengungen zur Reintegration der Flüchtlinge vorangetrieben
werden.

Berlin, den 26. Januar 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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