BT-Drucksache 17/5157

Die Durchsetzung von Fluggastrechten

Vom 21. März 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5157
17. Wahlperiode 21. 03. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Markus Tressel, Nicole Maisch, Ingrid Hönlinger, Dr. Konstantin
von Notz, Viola von Cramon-Taubadel, Cornelia Behm, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn,
Undine Kurth (Quedlinburg), Friedrich Ostendorff, Hans-Josef Fell, Bettina
Herlitzius, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver
Krischer, Ingrid Nestle, Dr. Hermann Ott, Dorothea Steiner, Daniela Wagner,
Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Durchsetzung von Fluggastrechten

Die Bundesregierung hat es in der Antwort auf die Kleine Anfrage 17/4676 aus
datenschutzrechtlichen Gründen abgelehnt, die Fluggesellschaften offenzulegen,
gegen die in den bisher durchgeführten Bußgeldverfahren Bußgeldbescheide er-
gangen sind. Die Veröffentlichung der Daten stelle „einen Eingriff in die wirt-
schaftliche Tätigkeit des Unternehmens dar“, der einer entsprechenden Rechts-
grundlage bedürfe. Die Bundesregierung hat dabei missachtet, dass bereits mit
§ 1 Absatz 1 Satz 1 des Informationsfreiheitsgesetzes jeder, also jede juristische
oder natürliche Person, nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden
des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen hat. Auch
nach Ansicht von Datenschutz- und Reiserechtsexperten sind die vorgebrachten
datenschutzrechtlichen Einwände nur dann begründet, wenn natürliche Perso-
nen betroffen wären, da nur bei diesen ein entsprechender grundrechtlicher
Schutz besteht. Bei Fluggesellschaften handelt es sich ersichtlich um juristische
Personen. In jedem Fall überwiegt aber das öffentliche Interesse an einer solchen
Information die etwaigen datenschutzrechtlichen Gründe deutlich. Die in der
Kleinen Anfrage 17/4513 gestellten Fragen nach den bisher mit Bußgeld-
bescheiden belegten Fluggesellschaften sind also von der Bundesregierung zu
beantworten. Sollte dies verweigert werden ist jedenfalls eine stichhaltige juris-
tische Begründung vonnöten.

Artikel 16 Absatz 3 der Fluggastrechte-Verordnung fordert eine abschreckende
Sanktion bei Verstößen gegen die Regelungen der Verordnung. Bei einem Ver-
gleich der deutschen Bußgelder mit den eigentlich von der Verordnung vorgege-
benen Ausgleichszahlungen der Fluggesellschaften werden die finanziellen Vor-
teile deutlich, die für die Gesellschaften entstehen, wenn nicht alle Reisenden
entschädigt werden. So ergehen durchschnittlich Bußgeldbescheide zwischen
1 000 und 4 000 Euro. Dagegen liegen die ersparten Ausgleichszahlungen der
Fluggesellschaften, wie die Bundesregierung selbst in der Antwort zu Frage 6

der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/4676 erklärt, bei 80 000
Euro und mehr. Die von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene
Studie vom Februar 2010 zur Evaluation der Verordnung (EG) Nr. 261/2004
(durchgeführt von Steer Davies Gleave, einsehbar unter http://ec.europa.eu/
transport/passengers/studies/doc/2010_02_evaluation_of_regulation_2612004.
pdf) legt deshalb eine Erhöhung der möglichen Strafen auf ein abschreckendes

Drucksache 17/5157 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Maß nahe und fordert, dass die Einhaltung der Verordnung ein Kriterium für den
Erhalt der Lizenz werden müsse (Steer Davies Gleave, Evaluation of Regulation
261/2004, S. 4). Angeführt wird dort das Beispiel der USA (Steer Davies
Gleave, Evaluation of Regulation 261/2004, S. 4).

Die Evaluation verdeutlicht, dass die nationalen Durchsetzungsorgane, in
Deutschland das Luftfahrt-Bundesamt, die Fluggesellschaften nur ungenügend
maßregeln können. Sie können nur auf die vereinzelten Beschwerden Betroffe-
ner hin reagieren. Bei Bußgeldern von 1 000 bis 4 000 Euro könnte die beabsich-
tigte abschreckende Wirkung nur durch eine Vielzahl von Verfahren gewährleis-
tet werden. Weder ist das mit bislang 37 verhängten Bußgeldern der Fall
(Bundestagsdrucksache 17/4676, Antwort zu Frage 3) noch wäre die Abteilung
der Behörde mit ihren 4,5 Personalstellen (Bundestagsdrucksache 17/3107, Ant-
wort zu Frage 8) in der Lage, ein erhöhtes Beschwerdeaufkommen zu verarbei-
ten (Steer Davies Gleave, Evaluation of Regulation 261/2004, S. 99).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Gegen welche Fluggesellschaften richteten sich die bisher ergangenen
37 Bußgeldbescheide (bitte einzeln und namentlich auflisten)?

2. Gegen welche Vorgaben der Verordnung wurde in den zu Bußgeldbeschei-
den führenden Fällen verstoßen (bitte einzeln nach Fluggesellschaften auf-
listen)?

3. Gibt es hier auffällige Wiederholungstatbestände?

4. Auf welche Vorschriften der Verordnung, also Verstößen bei Verspätungen,
Annullierungen oder fehlender Information, bezogen sich die 1 716 in den
Jahren 2005 bis 2010 eingeleiteten Ordnungswidrigkeitsverfahren (bitte in
Tabelle darstellen)?

5. Wie ist die große Diskrepanz von 1 716 eingeleiteten Bußgeldverfahren zu
nur 37 in derselben Zeitspanne ergangenen Bußgeldbescheiden zu erklären?

6. Wie sind die nicht validen Daten zu erklären, die beim Vergleich der beiden
Tabellen in den Antworten zu den Fragen 1 und 3 auf Bundestagsdrucksache
17/4676 auffallen und wonach im Jahr 2005 ein Bußgeldbescheid erging,
obwohl im selben Jahr kein Verfahren eingeleitet wurde?

7. In welcher Höhe ergingen im Einzelnen die Bußgeldbescheide (bitte geord-
net nach Datum und Fluggesellschaft)?

8. Kann die Offenlegung der Namen der rechtswidrig handelnden Fluggesell-
schaften nach Auffassung der Bundesregierung neben Bußgeldern ein wei-
terer Anreiz für die Fluggesellschaften sein, sich an die einschlägigen Be-
stimmungen der Verordnung zu halten?

9. Sind bei der datenschutzrechtlichen Abwägung der Bundesregierung und
des für den Verordnungsvollzug zuständigen Luftfahrt-Bundesamtes auch
die von der Verordnung akzentuierten, abschreckenden Wirkungen der
Sanktionen berücksichtigt worden, die eine Offenlegung gegenüber der
eventuellen geschützten wirtschaftlichen Tätigkeit der Unternehmen hätten
rechtfertigen können?

10. Wie bewertet die Bundesregierung die Ergebnisse der von der Europäischen
Kommission in Auftrag gegebenen Studie zur Evaluation der Verordnung,
in der wiederholt die geringe Sanktionshöhe in einzelnen Mitgliedstaaten
bemängelt wird (Steer Davies Gleave, Evaluation of Regulation 261/2004,
S. 2, 4)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5157

11. Wie beurteilt die Bundesregierung das Ergebnis der Studie, dass solche
Sanktionen nur bei einer geringen Zahl der Verstöße verhängt werden und
teilweise die maximale Sanktionssumme geringer oder gleich den Einspa-
rungen sei, die eine Fluggesellschaft durch Nichtleistung der Ausgleichs-
zahlungen machen könne?

12. Wie ist die Antwort zu Frage 5 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdruck-
sache 17/4676, dass die verhängten Geldbußen in Höhe von durchschnitt-
lich 3 000 Euro „ausreichend präventiv und verhältnismäßig“ seien, zu
verstehen, wenn gleichzeitig gesagt wird, dass die „wirtschaftlichen Ver-
hältnisse“ und der „Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit“ ge-
zogen hat, in die Bemessung der Geldbußen einbezogen werden müssten?

13. Welche Möglichkeiten gibt es, die Bußgelder so zu erheben, dass der von
der Bundesregierung bestätigte wirtschaftliche Vorteil, der 80 000 Euro und
mehr betragen kann, ausreichend gewürdigt wird?

14. Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag (Steer Davies Gleave,
Evaluation of Regulation 261/2004, S. 4, 99), die Einhaltung der Verbrau-
cherrechte, wie in den USA, zu einer Anforderung für den Erhalt der Flug-
lizenz zu machen?

15. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag der Studie, dass ein Wan-
del weg von der bloßen Reaktion auf Beschwerden Betroffener hin zu einer
aktiven, präventiven Kontrolle der Fluggesellschaften erfolgen müsse, um
eine wirksame Durchsetzung der Verordnung zu gewährleisten (Steer
Davies Gleave, Evaluation of Regulation 261/2004, S. 99 f.)?

16. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag der Studie (Steer Davies
Gleave, Evaluation of Regulation 261/2004, S. 99), den Fluggesellschaften
den Nachweis, gemäß der Verordnung ihre Ausgleichsverpflichtungen
gegenüber allen Betroffenen erfüllt zu haben, „präventiv“ aufzuerlegen,
und so bei besserer Ausnutzung der begrenzten Mittel des Luftfahrt-Bun-
desamtes ein Mehr an Rechtsdurchsetzung zu erreichen?

17. Teilt die Bundesregierung die Beobachtung, dass die bisherigen Maßnah-
men zur Beschwerdenbearbeitung für die Fluggesellschaften eine „kosten-
effektive“ Lösung sind, da sich nur wenige Betroffene bei den nationalen
Stellen beschweren und insgesamt die Rechte der Verordnung nur selten
geltend gemacht werden?

18. Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass trotz der großen Beschwerde-
zahlen bei der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.
(söp) und dem Luftfahrt-Bundesamt nur wenige tatsächliche Bußgeld-
bescheide ergangen sind?

19. Gibt es, wie schon im zweiten Teil zu Frage 16 der Kleinen Anfrage auf
Bundestagsdrucksache 17/4513 gefragt wurde, der unbeantwortet blieb
(Bundestagsdrucksache 17/4676), eine Erklärung für die geringe Zahl an
Verfahren gegen deutsche Unternehmen bis zum Jahr 2010?

Berlin, den 18. März 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.