BT-Drucksache 17/5149

Aktueller Stand der Umsetzung des Förderprogramms für zusätzliches Pflegepersonal in Krankenhäusern

Vom 21. März 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5149
17. Wahlperiode 21. 03. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender,
Maria Klein-Schmeink, Kerstin Andreae, Katrin Göring-Eckardt,
Sven-Christian Kindler, Markus Kurth, Beate Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Aktueller Stand der Umsetzung des Förderprogramms für zusätzliches
Pflegepersonal in Krankenhäusern

Mit dem 2009 von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD beschlossenen
Krankenhausfinanzierungsreformgesetz werden nach § 4 Absatz 10 des Kran-
kenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) Neueinstellungen oder die Aufstockung
vorhandener Teilzeitstellen ausgebildeten Pflegepersonals in Krankenhäusern
für die Jahre 2009 bis 2011 finanziell gefördert. Die gesetzlichen Krankenkassen
übernehmen danach 90 Prozent der entstehenden Kosten, 10 Prozent müssen die
Krankenhäuser selbst aufbringen. Zur Erprobung neuer Arbeitsorganisations-
maßnahmen in der Pflege können bis zu 5 Prozent der Mittel verwendet werden.
Grundlage für die Förderung ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem
Krankenhaus und der Arbeitnehmerinnen- oder Arbeitnehmervertretung, wo-
nach der Personalbestand im Vergleich zum 30. Juni 2008 erhöht werden muss.
Die zweckentsprechende Verwendung der Mittel müssen die Krankenhäuser ge-
genüber den Krankenkassen zum 31. Dezember des jeweiligen Förderjahres
durch eine Bestätigung der Jahresabschlussprüferin bzw. des Jahresabschluss-
prüfers nachweisen.

Gut zwei Jahre nach Inkrafttreten des Programms mehren sich die Hinweise,
nach denen die zweckentsprechende Verwendung der Fördermittel in Frage ge-
stellt wird bzw. die Mittel nur sehr zurückhaltend abgerufen würden. So melde-
ten etwa die „STUTTGARTER NACHRICHTEN“ vom 22. bzw. 23. März 2011
(„Undurchsichtige Pflegeförderung“ bzw. „Mit guter Pflege kann man nichts
verdienen“), dass nach aktuellen Zahlen des Statistischen Landesamtes Baden-
Württemberg in 2009 dort lediglich 82 Vollzeitstellen im Pflegebereich geschaf-
fen worden seien. Da von Krankenhäusern in Baden-Württemberg insgesamt
24,3 Mio. Euro aus dem Förderprogramm beantragt wurden, hätten jedoch rund
470 Vollzeitstellen entstehen müssen. Eine bundesweite Online-Umfrage der
Bundesarbeitsarbeitsgemeinschaft Leitender Pflegepersonen (BALK) e. V. und
des Verbandes der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitäts-
kliniken und Medizinischen Hochschulen Deutschlands e. V. (VPU) unter

164 Krankenhäusern ergibt zudem, dass viele Kliniken das Programm gar nicht
oder nur teilweise nutzen. Etwa die Hälfte der an der Umfrage teilnehmenden
Häuser begründen dies damit, dass sie zum einen nicht genügend Fachkräfte
fänden, zum anderen mit der unklaren Situation nach Auslaufen des Programms
(vgl. Der Gelbe Dienst, 14. Februar 2011, S. 18).

Drucksache 17/5149 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Welche Kenntnisse besitzt die Bundesregierung zum heutigen Zeitpunkt
über die Umsetzung des Förderprogramms, und wie viele der von der
Bundesregierung avisierten 16 000 bis 17 000 Stellen konnten seit In-
krafttreten des Programms bisher im Pflegedienst geschaffen werden
(bitte aufschlüsseln nach Bundesländern)?

b) Wie viele Krankenhäuser haben bisher Mittel aus dem Programm abgeru-
fen?

c) Wie hoch ist die bisher ausgeschüttete Fördersumme?

2. a) Wie bewertet die Bundesregierung die in den „STUTTGARTER NACH-
RICHTEN“ vom 22. Februar 2011 angesichts der oben genannten Daten
geäußerte Kritik der Techniker Krankenkasse (TK) Baden-Württemberg,
dass ein beträchtlicher Teil der abgerufenen Mittel des Förderprogramms
nach § 4 Absatz 10 KHEntgG in Baden-Württemberg von den Kranken-
häusern nicht im Sinne des Gesetzes verwendet worden sei?

b) Zieht die Bundesregierung daraus die Schlussfolgerung, dass es in Baden-
Württemberg zu einem missbräuchlichen Einsatz der Mittel des Förder-
programms durch Krankenhäuser gekommen ist?

Falls ja, warum, und welche Maßnahmen gedenkt sie zu ergreifen, um sol-
chem Missbrauch entgegenzuwirken?

Falls nein, warum nicht?

3. Teilt die Bundesregierung die Haltung der Baden-Württembergischen Kran-
kenhausgesellschaft (BWKG) e. V., die von der TK Baden-Württemberg an-
geführten Zahlen des Statistischen Landesamtes seien nicht aussagekräftig,
weil sie den Personalbestand aller Krankenhäuser erfassten und nicht nur
jener, die Mittel des Förderprogramms beantragt hätten (vgl. STUTT-
GARTER NACHRICHTEN vom 22. Februar 2011)?

Falls ja, warum, und wie und wann gedenkt die Bundesregierung dann aus-
sagekräftige Daten über die zweckentsprechende Verwendung der Mittel zu
erheben/erheben zu lassen?

Falls nein, warum nicht?

4. Kommt es auch in anderen Bundesländern zu einer solch unklaren Datenlage
wie in Baden-Württemberg?

Falls ja, warum, und wie und wann gedenkt die Bundesregierung dann aus-
sagekräftige Daten über die zweckentsprechende Verwendung der Mittel zu
erheben/erheben zu lassen?

Falls nein, warum nicht?

5. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über den missbräuchlichen Einsatz
der Mittel des Förderprogramms durch Krankenhäuser in anderen Bundes-
ländern vor?

Falls ja, in welchen Bundesländern ist dies der Fall, um welche Formen des
Missbrauchs handelt es sich, und wie hoch ist die Summe der missbräuchlich
verwendeten Fördermittel?

Falls ja, welche Maßnahmen gedenkt sie zu ergreifen, um solchem Miss-
brauch entgegenzuwirken?

Falls nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5149

6. Teilt die Bundesregierung die Haltung der BWKG, die Mittel des Förder-
programms nach § 4 Absatz 10 KHEntgG dürften nicht nur für die Ein-
stellung von Pflegepersonal, sondern auch für die Einstellung von Arbeits-
kräften im Funktionsdienst verwendet werden (vgl. STUTTGARTER
NACHRICHTEN vom 22. Februar 2011)?

Falls ja, auf welche rechtlichen Grundlagen beruft sich die BWKG dabei,
warum hält die Bundesregierung diese Grundlagen für sinnvoll, und warum
werden diese Arbeitskräfte nicht in den Daten des Statistischen Landes-
amtes erfasst?

Falls nein, warum nicht, und welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregie-
rung zu ergreifen, um den Krankenhäusern den eigentlichen Regelungs-
gehalt des Förderprogramms nahezubringen?

7. Besitzt die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, wie viele der nach dem
Förderprogramm eingestellten Arbeitskräfte nicht im Pflegedienst, sondern
in Funktionsbereichen eingesetzt werden?

Falls ja, um wie viele Kräfte und um welche Funktionsbereiche handelt es
sich (bitte möglichst aufschlüsseln nach Bundesländern)?

Falls nein, warum nicht, und wie gedenkt die Bundesregierung entspre-
chende Erkenntnisse zu erlangen?

8. a) Wie viele Krankenhäuser mussten in 2009 und 2010 bereits erhaltene
Fördermittel aufgrund der Nichterfüllung der Kriterien des Förderpro-
gramms rückerstatten?

b) Auf welches Gesamtvolumen belief sich diese Rückerstattung?

c) Aus welchen Gründen im Einzelnen kam es zu den Rückerstattungen?

9. a) Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung darüber, wie viele
Krankenhäuser aufgrund des fehlenden Fachkräfteangebots in der Re-
gion Neueinstellungen bzw. Aufstockungen von Pflegepersonalstellen
nicht vornehmen konnten bzw. können, wie es die Ergebnisse der On-
line-Umfrage der BALK und des VPU nahelegen?

b) Um welche Bundesländer bzw. Regionen handelt es sich dabei?

c) Wie viele der betroffenen Krankenhäuser haben zuvor Mittel aus dem
Förderprogramm beantragt und müssen diese nun rückerstatten?

d) Welcher Fachkräftebedarf ergibt sich aus diesen Erkenntnissen (bitte
aufgeschlüsselt nach Bundesland)?

e) Sofern der Bundesregierung keine Erkenntnisse darüber vorliegen,
warum nicht, und welche Maßnahmen gedenkt sie zu ergreifen, um diese
Erkenntnisse zu erlangen?

10. Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung angesichts der Ergeb-
nisse der Online-Umfrage der BALK und des VPU zu ergreifen, um dem
Fachkräftemangel in der Pflege zu begegnen, und welchen Zeitplan sieht
die Bundesregierung zur Umsetzung dieser Maßnahmen vor?

11. a) Wie viele Krankenhäuser setzen die Fördermittel auch für die Erprobung
neuer Arbeitsorganisationsmaßnahmen nach § 4 Absatz 10 Satz 6
KHEntgG ein?

b) Werden dabei die im Gesetz vorgesehenen 5 Prozent der Fördermittel
ausgeschöpft?

Falls nein, wie hoch ist die Ausschöpfungsrate?

Drucksache 17/5149 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
c) Werden diese Maßnahmen wissenschaftlich begleitet und evaluiert?

Falls ja, in welcher Form?

Falls nein, warum nicht?

12. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den bisher ge-
wonnenen Erfahrungen zur Erprobung solcher geförderten Arbeitsorgani-
sationsmaßnahmen, und sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, ge-
gebenenfalls gesetzgeberische Schritte zur weiteren Beförderung solcher
Maßnahmen zu ergreifen?

Falls ja, wann, und in welcher Form?

Falls nein, warum nicht?

13. a) Welchen Stand hat die nach § 4 Absatz 10 KHEntgG vorgeschriebene
Erarbeitung von Kriterien zur Berücksichtigung eines erhöhten Pflege-
aufwands im Rahmen des Vergütungssystems der Diagnosis Related
Groups (DRG)?

b) Wird dieser rechtliche Auftrag fristgemäß erledigt werden?

Falls nein, warum nicht, und wie lange verzögert sich die Erarbeitung,
und wie gedenkt die Bundesregierung dann die zeitliche Lücke zwischen
dem Auslaufen des Förderprogramms und dem verzögerten Inkrafttreten
des überarbeiteten DRG-Vergütungssystems zu überbrücken?

Berlin, den 18. März 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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