BT-Drucksache 17/4919

Probleme bei der Vereinbarkeit von Familie udn Arbeitswelt aus dem ersten Gleichstellungsbericht nutzen

Vom 24. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4919
17. Wahlperiode 24. 02. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jörn Wunderlich, Diana Golze, Werner Dreibus, Klaus Ernst,
Jutta Krellmann, Cornelia Möhring, Kornelia Möller, Sabine Zimmermann und der
Fraktion DIE LINKE.

Probleme bei der Vereinbarkeit von Familie und Arbeitswelt aus dem ersten
Gleichstellungsbericht nutzen

Am 25. Januar 2011 wurde das Sachverständigengutachten für den ersten Gleich-
stellungsbericht der Bundesregierung an das Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend übergeben. Der Sachverständigenbericht enthält
neben einer genauen Analyse detaillierte Vorschläge, wie die Arbeitswelt fami-
lienfreundlicher gestaltet werden kann. Neben der Frage um familienfreundliche
Arbeitszeiten geht es dabei um die Fragen der Kinderbetreuung und gesell-
schaftlich determinierte Anreize, an tradierten Familienformen festzuhalten.

Der Wunsch vieler Eltern nach familienfreundlichen Arbeitszeiten ist seit Lan-
gem bekannt. Mütter und Väter haben Interesse daran, ihre Arbeitszeitvolumina
anzunähern und die vorhandenen Unterschiede zu reduzieren. Die Bundesregie-
rung möchte ihrerseits mit der „Charta für familienbewusste Arbeitszeiten“ und
der „Initiative Familienfreundliche Arbeitszeiten“ die Bedingungen verbessern,
setzt dabei aber vor allem auf freiwilliges agieren der Akteure auf der bestehen-
den Rechtslage. Der Gleichstellungsbericht fordert hingegen auch gesetzliche
Regelungen, um zu mehr Geschlechtergerechtigkeit und einer familienfreund-
licheren Arbeitswelt zu gelangen, da lediglich 10 Prozent der Betriebe in der
Privatwirtschaft mittels tariflichen-, betrieblichen Vereinbarungen oder eigenen
Initiativen sich der Problematik annahmen.

Aber auch die hinreichend untersuchten und bekannten Begebenheiten, wie der
Mangel an Betreuungsmöglichkeiten für Kinder oder der unterschiedlichen Er-
werbssituation von Männern und Frauen in Familien mit den daraus häufig
resultierendem Festhalten an traditionellen Rollenbildern sind bei weitem nicht
behoben, wie der Gleichstellungsbericht zeigt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wird die Bundesregierung Anstrengungen außerhalb der Initiative „Fami-
lienbewußte Arbeitszeiten“ unternehmen, um die Attraktivität von Teilzeit-
arbeitsmodellen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu steigern und

somit eine familienfreundlichere Flexibilisierung der Arbeitszeiten zu errei-
chen, und wenn ja, welche, und wenn nein, warum nicht?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auffassung des Sachverständigenbe-
richts, wonach eine so genannte kurze Vollzeitbeschäftigung im Korridor
zwischen 30 und 35 Wochenstunden einen Beitrag zur Geschlechtergerech-
tigkeit und familienfreundlicher Arbeitszeiten leisten könnte, und welche
Schlussfolgerungen zieht sie daraus (bitte begründen)?

Drucksache 17/4919 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Wird die Bundesregierung die gesetzlichen Grundlagen für eine Flexibili-
sierung der Arbeitszeiten dahingehend verändern, dass insbesondere eine
erleichterte Rückkehr zur Vollzeitbeschäftigung ermöglicht wird, um die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf umfassender zu ermöglichen, wie es
viele Eltern wünschen und der Gleichstellungsbericht vorschlägt, und
wenn ja, welche, und wenn nein, warum nicht?

4. Warum hält die Bundesregierung an dem Ansatz des freiwilligen Agierens
der Wirtschaft fest, um zu familienfreundlicheren Arbeitszeiten zu gelan-
gen, wie die aktuelle Charta für familienbewusste Arbeitszeiten zeigt, wo
doch die Entwicklung der letzten Jahrzehnte gezeigt hat, dass mit Frei-
willigkeit alleine nur partiell Verbesserungen erreicht werden von denen
ca. 80 Prozent der erwerbstätigen Eltern nicht profitieren (bitte begründen)?

5. Sind der Bundesregierung Tarifverträge bekannt, die familienfreundliche
Arbeitszeiten zum Gegenstand haben, und wenn ja, auf welche Instrumen-
tarien wird dabei zurückgegriffen (bitte aufschlüsseln nach Region und
Branchen)?

Wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fallen in den Geltungsbe-
reich dieser Tarifverträge (absolut und relativ)?

6. Welche Schritte plant die Bundesregierung, um die bestehenden Anreize
(z. B. Lohnsteuerregelungen, Minijobs) für eine Einschränkung der Er-
werbsarbeit von (verheirateten) Frauen/Müttern zu reduzieren?

7. Wird die Bundesregierung wirksame Schritte unternehmen, um den Niedrig-
lohnbereich, von dem vor allem Frauen betroffen sind, wirkungsvoll einzu-
dämmen, und wenn ja, welche, und wenn nein, warum nicht?

8. Welchen Einfluss wird die Bundesregierung ausüben, um die traditionell
niedrigere Bezahlung von typischen Frauenberufen aufzuheben und somit
die Einkommensunterschiede (Lohnlücke) zwischen Müttern und Vätern zu
reduzieren, um die daraus resultierenden Anreize für ein Festhalten an einem
klassischen Familienbild (Vater: Ernährer, Mutter: Hausfrau) zu reduzieren
(bitte begründen)?

9. Wie wird die Bundesregierung sicherstellen, dass bis 2013 für 35 Prozent
der unter dreijährigen Kindern ein Kindergartenplatz vorhanden ist?

10. Auf welcher Basis kommt die Bundesregierung zu dem Ergebnis, dass ein
Quorum von 35 Prozent ausreichend ist, um die gesetzlichen Vorgaben des
Achten Buches Sozialgesetzbuch bezüglich der Kinderbetreuung von unter
dreijährigen Kindern 2013 zu erfüllen, wo es doch bereits deutliche Hin-
weise gibt, dass der Betreuungsbedarf größer ist?

11. Was wird die Bundesregierung unternehmen, um die Anzahl der Betreu-
ungsplätze auch über 2013 hinaus zu steigern, beispielsweise wenn die
dann vorhandenen 35 Prozent nicht ausreichen werden?

12. Was wird die Bundesregierung unternehmen, um die Öffnungszeiten der
Kindergärten und Betreuungsmöglichkeiten in den Schulen auf den zeit-
lichen Betreuungsbedarf der Eltern abzustimmen, um die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf zu verbessern?

13. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die Einführung eines Betreu-
ungsgeldes einen positiven Einfluss auf die Erwerbsquote von Müttern und
damit auf die Gleichberechtigung von Frauen und Männern haben wird,
und wenn ja, warum, und wenn nein, warum nicht?

14. Welche Studien liegen der Bundesregierung vor, die die Einführung eines
Betreuungsgeldes rechtfertigen (bitte ausführen)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4919

15. Wie viele Väter werden nach Einschätzung der Bundesregierung ein Be-
treuungsgeld in Anspruch nehmen?

16. Welche Projekte existieren derzeit, um Eltern, insbesondere aber den Müt-
tern, den Wiedereinstieg in das Berufsleben zu erleichtern, und wie werden
diese Projekte finanziert (bitte aufschlüsseln nach Region und Tätigkeit des
Projektes)?

Wie viele der Betroffenen nutzen diese Projekte (bitte aufschlüsseln nach
Region und Tätigkeit des Projektes)?

17. Wie werden die bestehenden Projekte evaluiert, und welche Erkenntnisse
haben sich der Bundesregierung daraus ergeben?

18. Wird die Bundesregierung die verbesserte Haushaltslage dazu nutzen, das
UVG-Neuregelungsgesetz (UVG: Unterhaltsvorschussgesetz), welches unter
anderem eine Anhebung der Altersgrenze der Kinder um zwei Jahre be-
inhaltet, nun doch umzusetzen?

Falls nicht, warum nicht?

19. Plant die Bundesregierung von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, mit-
tels des Vergaberechts bei der Vergabe und Gestaltung öffentlicher Aufträge
betriebliche Maßnahmen zur Gleichstellung von Männern und Frauen und
zur Vereinbarkeit von Sorgearbeit mit der Erwerbsarbeit mit zu berücksich-
tigen, um damit entsprechende Anreize zu schaffen und das Bewusstsein in
der freien Wirtschaft für diese Problematik zu schärfen?

Falls ja, welche?

Falls nein, warum nicht?

20. Gibt es Regelungen (Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen etc.) für die
Beschäftigten in den Bundesministerien und Bundesbehörden, welche fa-
milienfreundliche Arbeitszeiten und familienfreundlicher Arbeitsgestal-
tung zum Gegenstand haben, und wenn ja, welche, und wenn nicht, warum
nicht (bitte aufschlüsseln)?

21. Wann wird eine Stellungnahme der Bundesregierung zum Gleichstellungs-
bericht vorliegen?

Berlin, den 24. Februar 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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