BT-Drucksache 17/4914

Zukunft des Tanzes in Deutschland

Vom 24. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4914
17. Wahlperiode 24. 02. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Ekin Deligöz, Katja Dörner, Kai Gehring,
Priska Hinz (Herborn), Monika Lazar, Tabea Rößner, Krista Sager
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zukunft des Tanzes in Deutschland

Obwohl der Tanz ein wesentlicher Bestandteil des kulturellen Lebens in
Deutschland ist, spiegelt sich die Wertschätzung dieses Berufsfeldes weder in
der Förderstruktur des Bundes noch in der sozialen Absicherung von Tänzerin-
nen und Tänzern wider.

Durch den „Tanzplan Deutschland“ wurden in den vergangenen fünf Jahren
künstlerische Aktivitäten im Bereich Tanz unter anderem auch durch Mittel der
Kulturstiftung des Bundes unterstützt. Nach dem Auslaufen des „Tanzplans“
zum Ende des Jahres 2010 gibt es von der Bundesregierung noch kein Konzept,
wie eine Förderung des Tanzes in Deutschland von Seiten des Bundes weiterge-
führt werden kann.

Zwei Drittel der Theater- und Tanzschaffenden in Deutschland leben unterhalb
der Armutsgrenze von 11 256 Euro im Jahr. Dies ergab eine Studie im Auftrag
des FONDS DARSTELLENDE KÜNSTE e. V. über die Einkommenssituation
von Theater- und Tanzschaffenden aus dem Jahr 2009. Der Tanz setzt nicht nur
geistige und kreative Höchstleistungen voraus, sondern erfordert auch enorme
physische Belastungen. Aufgrund der spezifischen Berufsanforderungen ist die
soziale und wirtschaftliche Lage von Tänzerinnen und Tänzern oft schwierig.
Ein Fünftel der Theater- und Tanzschaffenden sind sozial nur unzureichend
abgesichert (vgl. Report Darstellende Künste, Berlin 2010). In der Regel haben
freiberufliche Tänzerinnen und Tänzer erst sechs Wochen nach einer Erkran-
kung Anspruch auf Krankheitsgeld durch die Künstlersozialkasse, obwohl Aus-
fälle durch Sportverletzungen sich in diesem Beruf wegen der körperlichen Be-
anspruchung häufen und zur temporären Arbeitsunfähigkeit führen.

Als Folge der körperlichen Verschleißerscheinungen ist für die meisten Tänze-
rinnen und Tänzer ihre aktive Zeit mit durchschnittlich 35 Jahren beendet.

Viele Tänzerinnen und Tänzer haben nach Beendigung ihrer Tanzkarriere
Schwierigkeiten, einen neuen Beruf zu erlernen und auszuüben. Bei den Arbeits-
agenturen und den Jobcentern gelten Tänzerinnen und Tänzer oft als „ungelernt“,
da lediglich Bühnentänzerin/Bühnentänzer als Ausbildungsberuf gilt. Weiter-

bildungsmaßnahmen für Tänzerinnen und Tänzer in einen dem Tanz nahe-
stehenden, nicht zertifizierten Beruf wie Yoga-, Pilates- und Feldenkrais-Lehre-
rin/- Lehrer werden von den Arbeitsagenturen und den Jobcentern teilweise nicht
gefördert. Die Weiterbildung zum Physiotherapeuten wird nicht bezahlt, da die
Umschulung drei Jahre dauert und die Bundesagentur für Arbeit Umschulungs-
maßnahmen nur über zwei Jahre finanziert. Die Stiftung „TANZ – Transition
Zentrum Deutschland“, welche Tänzerinnen und Tänzer beim Übergang in einen

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neuen Beruf unterstützt, benennt Beispiele von Tänzerinnen und Tänzern, die
nach ihrer aktiven Karriere für eine Arbeit als Hausmeisterin/Hausmeister oder
Verkäuferin/Verkäufer an Supermarktkassen vermittelt wurden. Auf diese Weise
geht unserer Gesellschaft viel kreatives Potential verloren.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Begründung hat die Bundesregierung dafür, dass auf der Home-
page des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien der
Tanz bei den Informationen zur Kunst- und Kulturförderung weder unter
der institutionellen Förderung noch im Rahmen der Unterstützung von Ver-
bänden und Initiativen ausdrücklich genannt wird?

2. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Ergebnisse und Erfahrungen
des „Tanzplan Deutschland“ auszuwerten, zu welchem Zeitpunkt ist mit
Ergebnissen der Auswertung zu rechnen, und in welcher Form sollen diese
Ergebnisse in grundsätzliche Strukturverbesserungen übersetzt werden, um
die Lage der Tanzschaffenden in Deutschland zu verbessern?

3. Wie wird die Bundesregierung künstlerische Ausdrucksformen im Bereich
„Tanz“ nach dem Auslaufen des „Tanzplan Deutschland“ weiter fördern,
abgesehen von der Unterstützung der Stiftung „TANZ – Transition Zen-
trum Deutschland“ im Jahr 2011?

4. In welcher Form wird es eine Alternative zur Koproduktionsförderung des
„NATIONALEN PERFORMANCE NETZES“ geben, die bislang unter
anderem durch Mittel des „Tanzplan Deutschland“ finanziert wurde?

5. Welche Planungen gibt es von Seiten der Bundesregierung, um ein nationa-
les Initiativ- und Informationszentrum zur Bereitstellung eines Service-
und Beratungsangebots für Tanzschaffende einzusetzen, das der Verbesse-
rung der Kommunikation zwischen nationalen Tanzorganisationen, inter-
nationalen Tanz-Zentren und der Politik dient?

6. Plant die Bundesregierung eine Laufbahnberatung für Tänzerinnen und
Tänzer wie sie z. B. bereits jetzt für Sportlerinnen und Sportler an Olym-
piastützpunkten existiert?

7. Plant die Bundesregierung die Einrichtung eines Dokumentations- und In-
formationsportals „Kulturerbe Tanz“ für die Pflege, Wahrung und Vermitt-
lung des deutschen Kulturerbes Tanz?

8. Mit welchem jährlichen Betrag sollen Projekte durch den Fonds „Tanz-
erbe“ der Kulturstiftung des Bundes gefördert werden, welche Förderkrite-
rien sollen bei der Projektauswahl gelten, und wird im Rahmen des Fonds
„Tanzerbe“ auch die Digitalisierung von Quellen und Dokumenten mit ein-
bezogen?

9. Welche Evaluierungen zu der Ausbildungssituation im Tanz sind der Bun-
desregierung bekannt bzw. werden von ihr geplant?

10. Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für notwendig und geeignet,
um die Berufschancen von Tänzerinnen und Tänzern nach Beendigung ih-
rer Tanzkarriere zu verbessern?

11. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie viele Tänzerinnen und
Tänzer aller Tanz-Sparten ihre Ausbildung an einer privaten Schule bzw.
an einer staatlichen Hochschule absolvieren, und falls ja, wie ist der letzte
aktuelle Stand dieses Verhältnisses in Zahlen?

12. Wie viele zertifizierte Träger bzw. Weiterbildungsmaßnahmen, welche

durch die Bundesagentur für Arbeit gefördert werden können, gibt es in
den Bereichen Tanzpädagogik sowie Yoga, Pilates und Feldenkrais?

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13. Welche Weiterbildungsberufe werden von Tänzerinnen und Tänzern bei
der Bundesagentur für Arbeit besonders oft nachgefragt, und wie ist das
Verhältnis der am häufigsten nachgefragten Berufe zum bestehenden An-
gebot auf dem Arbeitsmarkt (Angaben bitte jeweils für die Jahre 2006 bis
2010)?

14. In wie vielen Fällen wurde seit Einführung der „kurzen Anwartschaftszeit“
zum 1. August 2009 Arbeitslosengeld nach § 123 Absatz 2 des Dritten
Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) von Künstlerinnen und Künstlern und
Kulturschaffenden beantragt (alle Angaben bitte quartalsweise und diffe-
renziert nach Sparten, insbesondere auch bezogen auf Tänzerinnen und
Tänzer)?

a) Wie viele dieser Anträge wurden bewilligt?

b) Wie viele dieser Anträge wurden mit welcher Begründung abgelehnt?

c) Wie bewertet die Bundesregierung diese Ergebnisse, und welche Not-
wendigkeit sieht die Bundesregierung, um § 123 Absatz 2 SGB III so zu
ändern, dass kurz befristet Beschäftigte, insbesondere auch Tänzerinnen
und Tänzer, davon tatsächlich profitieren?

15. Wie bewertet die Bundesregierung die Einführung einer befristeten Zeit-
spanne, in der es Menschen im Arbeitslosengeld-I- und -II-Bezug ermög-
licht wird, sich ausschließlich eigenständig auf ihre berufliche Integration
zu konzentrieren, um so beispielsweise auch Tänzerinnen und Tänzern zu
ermöglichen, sich intensiv auf ihr nächstes Engagement oder Projekt vor-
zubereiten?

16. Plant die Bundesregierung in absehbarer Zeit Änderungen am System der
Künstlersozialkasse, um den branchenspezifisch unterschiedlichen Anfor-
derungen innerhalb der künstlerischen Berufsfelder besser gerecht zu wer-
den, und welche Konsequenzen haben diese Änderungen gegebenenfalls
für die Berufsgruppe der Tänzerinnen und Tänzer?

Berlin, den 24. Februar 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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