BT-Drucksache 17/4858

Neuregelung des Elterngelds

Vom 18. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4858
17. Wahlperiode 18. 02. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jörn Wunderlich, Diana Golze, Matthias W. Birkwald,
Klaus Ernst, Katja Kipping, Jutta Krellmann, Yvonne Ploetz, Ingrid Remmers,
Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Neuregelung des Elterngelds

Mit Wirkung zum 1. Januar 2011 wurde das Elterngeld- und Elternzeitgesetz
geändert. Neben einer Reduzierung des Elterngelds wurde das Elterngeld für
Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II),
die über kein Erwerbseinkommen vor der Geburt verfügten, gestrichen. Grund-
lage der Berechnung der Höhe des Elterngelds ist das Einkommen aus Erwerbs-
arbeit in den zwölf Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes. Erwerbs-
biographien, in denen geringes Einkommen, befristete Beschäftigungen und
wiederkehrende Erwerbslosigkeit Realität sind, haben in den vergangenen
Jahren zugenommen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit die
derzeitigen gesetzlichen Regelungen diese Situation berücksichtigen und eine
Benachteiligung von Familien in dieser Situation verhindert werden kann. Seit
Kurzem liegt auch der erste Gleichstellungsbericht vor, der in zahlreichen Fel-
dern Handlungsbedarf formuliert.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Elterngeldbescheide mussten im Rahmen der gesetzlichen Neu-
regelung zum 1. Januar 2011 neu beschieden werden?

Wie viele davon sind noch nicht neu beschieden worden und warum nicht
(bitte insgesamt und aufgeschlüsselt nach Bundesländern und Geschlecht)?

2. Falls eine Neubescheidung im Rahmen der gesetzlichen Neuregelung zum
1. Januar 2011 noch nicht abgeschlossen ist, bis wann wird dieser Vorgang
abgeschlossen sein und werden die Betroffenen Rechtssicherheit haben
(bitte insgesamt und aufgeschlüsselt nach Bundesländern und Geschlecht)?

3. In wie vielen Fällen wurde das Elterngeld entsprechend den Neuregelungen
gekürzt?

In wie vielen Fällen werden Rückzahlungen seitens der Elterngeldstellen
von den Empfängerinnen und Empfängern eingefordert, und wie hoch sind
die durchschnittlichen Rückzahlungen (bitte insgesamt und aufgeschlüsselt

nach Bundesländern und Geschlecht)?

4. In wie vielen Fällen wurde Widerspruch gegen die neuen Bescheide einge-
reicht, und wie wurden die Widersprüche begründet?

Wie hoch ist die Bewilligungs- und Ablehnungsquote, und wie viele Wider-
sprüche sind noch offen?

Drucksache 17/4858 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Wie viele Elterngeldempfängerinnen und Elterngeldempfänger haben an-
gesichts der Kürzung der Elterngeldbezüge zum 1. Januar 2011 von der
Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine in Anspruch genommene Verlänge-
rungsoption des Elterngeldes (nach § 6 des Bundeselterngeldgesetzes) zu-
rückzunehmen (bitte insgesamt und aufgeschlüsselt nach Bundesländern
und Geschlecht)?

6. Wie viele Elterngeldbezieherinnen und Elterngeldbezieher sind vor der
Geburt von befristeten Arbeitsverträgen mit temporärer Erwerbslosigkeit
betroffen?

Um wie viel unterscheidet sich die Höhe des Elterngeldanspruchs dieser
Gruppe im Vergleich zu Elterngeldbezieherinnen und Elterngeldbeziehern,
die vor der Geburt ohne Unterbrechung Erwerbseinkommen beziehen
konnten (bitte insgesamt und aufgeschlüsselt nach Bundesländern und Ge-
schlecht)?

7. Wie steht die Bundesregierung zu diesen Unterschieden, und plant sie
Maßnahmen gegen diese Unterschiede (bitte begründen)?

8. Wie hoch fallen die durchschnittlichen Kürzungen des Elterngelds auf
Grund der geplanten Erhöhung der Werbungskostenpauschale von 920 auf
1 000 Euro aus, und wie hoch werden die anteilmäßigen prozentualen Kür-
zungen in den statistisch erfassten Höhegruppen sein (300 bis 500 Euro/
500 bis 750 Euro/750 bis 1 000 Euro/1 000 bis 1 250 Euro/1 250 bis 1 500
Euro/1 500 bis 1 800 Euro/1 800 Euro und mehr – bitte insgesamt und auf-
geschlüsselt nach Bundesländern und Geschlecht)?

9. Wie viele Elterngeldbezieherinnen und Elterngeldbezieher werden auf
Grund der Anrechnung der erhöhten Werbungskostenpauschale auf die
Mindesthöhe von 300 Euro Elterngeld zurückfallen, und wie viele Eltern-
geldbezieherinnen und Elterngeldbezieher werden in eine niedrigere statis-
tisch erfasste Höhegruppe fallen (bitte insgesamt und aufgeschlüsselt nach
Bundesländern und Geschlecht)?

10. Wie steht die Bundesregierung zu dieser Kürzung der Elterngeldleistungen,
von der insbesondere geringe Einkommensbezieherinnen und Einkom-
mensbezieher betroffen sind?

11. Plant die Bundesregierung Maßnahmen, um einen Ausgleich sicherzustel-
len?

Falls ja, welche?

Falls nein, mit welcher Begründung?

12. Wie viele Elterngeldbescheide müssen im Rahmen der Erhöhung der Wer-
bungskostenpauschale neu beschieden werden (bitte insgesamt und aufge-
schlüsselt nach Bundesländern und Geschlecht)?

13. Bis wann wird dieser Vorgang abgeschlossen sein, und werden die Betrof-
fenen Rechtssicherheit haben?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung diese seit Einführung des Elterngelds
nahezu unveränderte Situation, wonach nach wie vor über 75 Prozent der
Väter lediglich zwei Monate Elternzeit und ca. 90 Prozent der Mütter
12 Monate Elternzeit nehmen?

15. Wie sieht die Bundesregierung in diesem Kontext die Empfehlungen aus
dem Gleichstellungsbericht, und welche konkreten Handlungsmöglichkei-
ten sieht sie und strebt sie an (bitte begründen)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4858

16. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die aus der Erwerbs-
situation hervorgehende unterschiedliche Elterngeldhöhe zwischen Vätern
und Müttern perspektivisch im Rahmen einer Gleichstellungspolitik zu re-
duzieren (bitte begründen)?

17. Wie beurteilt die Bundesregierung die geplante Einführung des Betreu-
ungsgeldes im Angesicht der unterschiedlichen Bezugsdauer des Eltern-
geldes von Müttern und Vätern vor dem Hintergrund der Analysen des
Gleichstellungsberichts?

18. Wie hoch müsste der Grundbetrag des Elterngelds heute sein, um einen In-
flationsausgleich (seit der Einführung 2007) sicherzustellen?

Plant die Bundesregierung entsprechende Schritte (bitte begründen)?

19. Hält die Bundesregierung die Neuregelung zum 1. Januar 2011, wonach
das Elterngeld bei der Berechnung von Leistungen nach dem Zweiten und
Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und § 6a des Bundeskindergeldgesetzes
(Kinderzuschlag) in voller Höhe als Einkommen zu berücksichtigten ist
mit Ausnahme der Fälle, in denen vor der Geburt des Kindes Erwerbsein-
kommen durch die elterngeldberechtigte Person erzielt wurde (Elterngeld-
freibetrag bis 300 Euro), für verfassungskonform im Sinne des Gleich-
behandlungsgrundsatzes im Grundgesetz, wenn in beiden Fällen (Eltern-
geldbezieherinnen und Elterngeldbezieher vor der Geburt länger als zwölf
Monate erwerbslos und Elterngeldbezieherinnen und Elterngeldbezieher
weniger als 12 Monate erwerbslos) auf Grund von Erwerbslosigkeit Hilfe-
bedürftigkeit und somit Anspruch auf SGB II-Leistungen besteht und in
einem Fall ein Freibetrag gewährt wird und in dem anderen Fall nicht (bitte
begründen)?

20. Wie viele SGB II-Bezieherinnen und -Bezieher sind von den Neuregelun-
gen betroffen (bitte insgesamt und aufgeschlüsselt nach Bundesländern und
Geschlecht)?

21. Wie viele der SGB II-Empfängerinnen und -Empfänger können keinen Frei-
betrag geltend machen, und wie viele können einen Freibetrag bis zu 50
Euro, über 50 bis 100 Euro, über 100 bis 150 Euro, über 150 bis 200 Euro,
über 200 bis 250 Euro sowie über 250 bis 300 Euro geltend machen (bitte
insgesamt und aufgeschlüsselt nach Bundesländern und Geschlecht)?

22. Falls eine Neubescheidung im Rahmen der gesetzlichen Neuregelung zum
1. Januar 2011 noch nicht abgeschlossen ist, bis wann werden diese Vor-
gänge abgeschlossen sein und die betroffenen SGB II-Empfängerinnen und
-Empfänger Rechtssicherheit haben (bitte insgesamt und aufgeschlüsselt
nach Bundesländern und Geschlecht)?

23. In wie vielen Fällen werden Rückzahlungen seitens der Jobcenter von den
Empfängerinnen und Empfängern eingefordert, und wie hoch sind die
durchschnittlichen Rückzahlungen (bitte insgesamt und aufgeschlüsselt
nach Bundesländern und Geschlecht)?

24. In wie vielen Fällen wurde Widerspruch gegen die neuen SGB II-Be-
scheide eingereicht, und wie wurden die Widersprüche begründet (bitte
insgesamt und aufgeschlüsselt nach Bundesländern und Geschlecht)?

25. Hält die Bundesregierung die Reduzierung des Freibetrages auf 300 Euro
bei Mehrlingsgeburten bei erwerbstätigen SGB II-Empfängerinnen und
-Empfängern, die auf ergänzende SGB II-Leistungen angewiesen sind, für
gerechtfertigt, so dass Eltern von Mehrlingen in prekären Beschäftigungs-
situationen (Niedriglohnbereich) offensichtlich benachteiligt werden gegen-
über Beschäftigten, die nicht auf ergänzende SGB II-Leistungen angewie-

sen sind (bitte begründen)?

Drucksache 17/4858 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
26. Wie viele Eltern von Mehrlingen sind von diesen Neuregelungen betroffen,
und wie hoch ist der tatsächliche durchschnittliche Elterngeldverlust in die-
ser Personengruppe (bitte insgesamt und aufgeschlüsselt nach Bundes-
ländern und Geschlecht)?

27. Wie rechtfertigt die Bundesregierung die Ungleichbehandlung, wenn in
einem Betrieb zwei Facharbeiter die gleichen Tätigkeiten im gleichen Um-
fang ausüben und gleichzeitig in den Erziehungsurlaub gehen und Eltern-
geld beantragen, aber auf Grund unterschiedlicher Tarifgefüge (Tarifvertrag
IG Metall und Zeitarbeitstarifvertrag Christliche Gewerkschaft Metall –
CGM), die eine Familie von dem bewilligten Elterngeld gut leben kann, die
andere aber auf Grund des geringeren Elterngelds auf ergänzende SGB II-
Leistungen angewiesen ist und somit finanziell deutlich schlechter gestellt
ist, im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Grundgesetz (bitte be-
gründen)?

28. Plant die Bundesregierung infolge des Berichts der „Süddeutschen Zei-
tung“ vom 7. Februar 2011 „Elterngeld für Reiche“ konkrete Maßnahmen,
um einen Missbrauch zu verhindern?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 18. Februar 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.