BT-Drucksache 17/4753

Vermittlungsgutscheine und die Beauftragung Dritter in der Arbeitsvermittlung

Vom 10. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4753
17. Wahlperiode 10. 02. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Markus Kurth, Katrin Göring-Eckardt,
Beate Müller-Gemmeke, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, Britta Haßelmann,
Maria Klein-Schmeink, Elisabeth Scharfenberg und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Vermittlungsgutscheine und die Beauftragung Dritter in der Arbeitsvermittlung

Sowohl den Arbeitsagenturen als auch den Jobcentern stehen seit einigen
Jahren zwei Instrumente der privaten Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Sie
müssen beziehungsweise können unter bestimmten Voraussetzungen Vermitt-
lungsgutscheine ausgeben, mit denen ihre Empfängerinnen und Empfänger
Vermittlungsdienstleistungen von privaten Anbietern marktähnlich einkaufen
können. Die Vergütung der Privaten beträgt im Erfolgsfall 2 000 Euro, in be-
sonderen Fällen bis zu 2 500 Euro. Eine erste Rate in Höhe von 1 000 Euro
wird nach einer sechswöchigen und der Restbetrag nach einer sechsmonatigen
Dauer des Beschäftigungsverhältnisses an die Vermittler gezahlt. Das Instru-
ment der Vermittlungsgutscheine ist bis zum 31. Dezember 2011 befristet. Das
2008 neu gefasste zweite Instrument ermöglicht Arbeitsagenturen und Job-
centern die Beauftragung privater Dienstleistungsunternehmen mit Teilen des
Vermittlungsprozesses oder mit der gesamten Vermittlung. Während Arbeits-
lose im Rechtskreis des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) einen
Rechtsanspruch auf beide Maßnahmen haben, sind sie für Personen aus dem
Rechtskreis des SGB II als Ermessensleistungen ausgestaltet.

Sowohl die Wirkung der Beauftragung privater Dienstleister als auch der Ver-
mittlungsgutscheine wurden bereits mehrfach untersucht, zuletzt im Sach-
standsbericht zur Evaluation der arbeitsmarktpolitischen Instrumente durch das
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und das Bundesministerium für
Arbeit und Soziales. Darin wird festgestellt, dass sich die positiven Effekte je
nach Instrument auf einige wenige Gruppen konzentrieren und auch hier nur
begrenzte positive Auswirkungen haben. Die Beauftragung Dritter hat zum Teil
sogar zeitweise negative Auswirkungen auf die Eingliederungschancen.

Zwischen der Anzahl der ausgegebenen und der eingelösten Vermittlungs-
gutscheine besteht eine große Diskrepanz. Von den ausgegebenen Vermittlungs-
gutscheinen werden regelmäßig weniger als 10 Prozent eingelöst. Einige Grup-
pen, besonders Langzeitarbeitslose und Menschen mit Behinderung, profitieren
trotz erhöhtem finanziellen Anreiz unterdurchschnittlich von Vermittlungsgut-

scheinen. Sie werden kaum durch private Anbieter vermittelt. Durch die Kann-
Bestimmung für Personen aus dem Rechtskreis des SGB II sind deren Chancen,
durch die beiden Maßnahmen eine Beschäftigung zu finden, grundsätzlich ein-
geschränkt.

Drucksache 17/4753 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Sachstandsbericht stellt darüber hinaus fest, dass die Verbleibdauer im
Betrieb von mit Vermittlungsgutschein vermittelten Personen geringer ist als
die von Personen, die ohne Gutschein vermittelt wurden. Dieser Sachverhalt
legt Mitnahmeeffekte und Missbrauch nahe. In diesen Fällen können interne
Missbrauchswarnungen angelegt, gegebenenfalls Strafanzeigen gestellt und
Ordnungswidrigkeiten gemeldet werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie groß ist der Anteil der Personen aus dem Rechtskreis des SGB II und
der Anteil der Personen aus dem Rechtskreis des SGB III an den Empfänge-
rinnen und Empfängern von Vermittlungsgutscheinen jährlich seit Einfüh-
rung dieses Instrumentes (bitte in Prozent und absoluten Zahlen)?

2. a) Wie viele Personen aus dem Rechtskreis des SGB II haben jährlich min-
destens einen Vermittlungsgutschein beantragt?

b) Wie viele haben mindestens einen Vermittlungsgutschein erhalten?

c) Wie viele Anträge wurden abgelehnt (bitte in Prozent und absoluten Zah-
len)?

3. Nach welchen Kriterien wurden die Anträge auf Vermittlungsgutscheine oder
die Beauftragung Dritter mit Vermittlungsdienstleistungen von Personen aus
dem Rechtskreis des SGB II im Jahr 2010 bewilligt oder abgelehnt?

4. a) Wie viele Personen haben schon zwei oder mehr Vermittlungsgutscheine
erhalten?

b) Wie viele Personen haben zwei oder mehr Vermittlungsgutscheine ein-
gelöst (bitte sowohl nach Anzahl der Vermittlungsgutscheine als auch
nach empfangenen und eingelösten Vermittlungsgutscheinen getrennt
aufführen)?

5. Wie hoch ist der Anteil von jeweils ausgegebenen und eingelösten Vermitt-
lungsgutscheinen mit einem erhöhten Wert von bis zu 2 500 Euro an der
Gesamtzahl der jeweils ausgegebenen und eingelösten Vermittlungsgut-
scheine (bitte jährliche Angaben seit 2008, in Prozent und absoluten Zahlen,
aufgeschlüsselt nach Langzeitarbeitslosen und Menschen mit Behinderung)?

6. a) Wie oft wurde die erste Rate der Vermittlungsgutscheine (nach sechs
Wochen Beschäftigung) je Quartal in den Jahren 2009 und 2010 ausge-
zahlt?

b) Wie oft wurde die zweite Rate nach sechs Monaten Beschäftigung aus-
gezahlt (bitte aufgeschlüsselt nach 2 000-Euro- und 2 500-Euro-Wert dar-
stellen)?

c) Wie viele der seit 2005 durch Vermittlungsgutschein vermittelten Perso-
nen, für deren Vermittlung die zweite Rate ausbezahlt wurde, waren an-
schließend wieder arbeitslos bzw. arbeitsuchend gemeldet (bitte sowohl
nach Jahren als auch nach SGB II und SGB III darstellen)?

7. Welche Möglichkeiten sehen die Bundesregierung und die Bundesagentur
für Arbeit außer dem höheren finanziellen Anreiz, die Chancen zur Auf-
nahme und Vermittlung von schwer vermittelbaren Empfängerinnen und
-Empfängern von Vermittlungsgutscheinen durch private Arbeitsvermittler
zu verbessern?

8. Bei wie vielen durch Vermittlungsgutscheine vermittelten Personen wurden
seit 2005 pro Jahr zusätzliche Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik
angewendet, insbesondere Eingliederungszuschüsse (§§ 217 bis 221 SGB III),

Einstiegsgeld (§ 16b SGB II) und Entgeltsicherung (§ 421j SGB III)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4753

9. Wie viele der durch Vermittlungsgutscheine vermittelten Personen haben
2009 und 2010 innerhalb der ersten sechs Monate nach Aufnahme der
Tätigkeit ergänzend Arbeitslosengeld II bezogen (bitte in Prozent und ab-
soluten Zahlen)?

10. Wie viele Personen wurden jeweils 2009 und 2010 durch Vermittlungs-
gutscheine an Leiharbeitsunternehmen vermittelt (absolut und in Prozent
an allen durch Vermittlungsgutscheine vermittelten Personen)?

11. Wie viele Personen wurden jeweils 2009 und 2010 durch Vermittlungs-
gutscheine von Unternehmen vermittelt, die gleichzeitig als Leiharbeits-
unternehmen tätig sind?

12. Warum ist nach Auffassung der Bundesregierung der Anteil der eingelösten
Vermittlungsgutscheine an den ausgegebenen so gering?

13. Wie hoch ist nach Einschätzung der Bundesregierung der Anteil der Perso-
nen, die durch Vermittlungsgutscheine vermittelt wurden, aber auch ohne
Vermittlungsgutschein vermittelt worden wären (Mitnahmeeffekt)?

14. a) Nach welchen Kriterien werden Vermittlungsdienstleister auf interne
Missbrauchswarnlisten gesetzt?

b) Werden die betroffenen Unternehmen darüber informiert?

c) Welche (Rechts-)Mittel können sie dagegen einlegen?

15. Wie viele Vermittlungsdienstleister wurden bislang auf interne Miss-
brauchswarnlisten gesetzt, und in wie vielen Fällen haben die betroffenen
Unternehmen erfolgreich dagegen Rechtsmittel eingelegt?

16. Welche Konsequenzen ergeben sich aus den internen Missbrauchswarnlisten
für die Empfängerinnen und Empfänger von Vermittlungsgutscheinen, für
die Arbeitsagenturen und für die privaten Vermittlungsdienstleister?

17. Wie viele Strafanzeigen oder Anzeigen von Ordnungswidrigkeiten wurden
von den Arbeitsagenturen im Rahmen des Missbrauchs von Vermittlungs-
gutscheinen gegen Vermittlungsdienstleister seit 2002 pro Jahr gestellt?

18. Beabsichtigt die Bundesregierung im Zuge der geplanten Instrumenten-
reform den § 421g SGB III dahingehend zu ändern, dass auch über den
31. Dezember 2011 hinaus ein Anspruch auf Vermittlungsgutscheine be-
steht, und wenn ja, mit gegebenenfalls welchen weiteren Änderungen?

Wenn nein, warum nicht?

19. Wie hat sich die Zahl der an private Dienstleistungsunternehmen zur
Vermittlung überwiesenen Personen seit 2005 für die Personen aus dem
Rechtskreis des SGB II und SGB III jeweils nach den folgenden Kriterien
entwickelt?

a) Wie viele Personen wurden überwiesen?

b) Wie viele Personen konnten vermittelt werden (absolut und in Prozent)?

c) Wie viele Personen waren nach sechs Monaten noch beschäftigt (abso-
lut und in Prozent)?

20. Welche Maßnahmen wurden seit dem 1. Januar 2009 von den Trägern nach
§ 46 SGB III durchgeführt?

21. Wie hoch waren die jährlichen Kosten für die durch Träger nach § 46
SGB III durchgeführten Maßnahmen seit dem 1. Januar 2009?

Drucksache 17/4753 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
22. Welche Erfahrung hat die Bundesagentur für Arbeit mit der Anwendung
des § 46 SGB III seit seiner Einführung gemacht, besonders im Hinblick
auf die angestrebte Flexibilisierung der Anwendungsmöglichkeiten der
Maßnahmen?

23. Wie hat sich die Einführung des § 46 SGB III seit 2009 auf die Arbeits-
losenstatistik ausgewirkt (bitte in monatlichen Angaben aufführen)?

24. Bei wie vielen durch die Beauftragung privater Anbieter vermittelten Perso-
nen wurden seit 2005 pro Jahr zusätzliche Instrumente der aktiven Arbeits-
marktpolitik angewendet, insbesondere Eingliederungszuschüsse (§§ 217
bis 221 SGB III), Einstiegsgeld (§ 16b SGB II) und Entgeltsicherung
(§ 421j SGB III)?

25. Wie viele durch die Beauftragung privater Anbieter vermittelte Personen
haben 2009 und 2010 innerhalb der ersten sechs Monate nach Aufnahme
der Tätigkeit ergänzend Arbeitslosengeld II bezogen?

26. Wie viele Personen wurden 2009 und 2010 durch die Beauftragung priva-
ter Anbieter an Leiharbeitsunternehmen vermittelt (absolut und in Prozent
an allen durch § 46 SGB III vermittelten Personen)?

27. Beabsichtigt die Bundesregierung das Instrument der Beauftragung Dritter
mit Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach § 46
SGB III im Zuge der geplanten Instrumentenreform zu erhalten, und wenn
ja, mit gegebenenfalls welchen Änderungen?

Wenn nein, warum nicht?

28. Wie hat sich die Zahl der an private Dienstleistungsunternehmen zur
Vermittlung überwiesenen Personen mit Schwerbehinderungen seit dem
1. Januar 2005 für die Personen aus dem Rechtskreis des SGB II und
SGB III jeweils nach den folgenden Kriterien entwickelt?

a) Wie viele Personen wurden überwiesen?

b) Wie viele Personen konnten vermittelt werden (absolut und in Prozent)?

c) Wie viele Personen waren nach sechs Monaten noch beschäftigt (abso-
lut und in Prozent)?

29. a) Welche regionalen Einkaufszentren der Arbeitsagenturen haben bereits
Dritte mit Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung von schwer-
behinderten Menschen beauftragt (auf der Grundlage des § 46 Absatz 1
Satz 1 SGB III bzw. § 16 Absatz 1 SGB II i. V. m. § 46 Absatz 1 Satz 1
SGB III)?

b) Welche regionalen Einkaufszentren schreiben bereits solche Maß-
nahmen aus bzw. planen dies in den kommenden Monaten?

30. Ist der Bundesregierung bekannt, dass Integrationsämter die Verträge mit
Integrationsfachdiensten bereits aufgekündigt haben, obwohl bislang keine
Beauftragung Dritter mit Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung von
schwerbehinderten Menschen stattgefunden hat, und wie gedenkt die
Bundesregierung mit einer solchen Versorgungslücke umzugehen?

Berlin, den 10. Februar 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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