BT-Drucksache 17/4706

Transporte von Waffen und Rüstungsgütern durch Deutschland

Vom 8. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4706
17. Wahlperiode 08. 02. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan van Aken, Christine Buchholz, Dr. Diether Dehm,
Annette Groth, Heike Hänsel, Andrej Hunko, Harald Koch, Stefan Liebich,
Niema Movassat, Paul Schäfer (Köln), Alexander Ulrich, Kathrin Vogler,
Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Transporte von Waffen und Rüstungsgütern durch Deutschland

Zwischen 250 und 300 Unternehmen in Deutschland produzieren oder handeln
mit Produkten und Dienstleistungen für Militär, Sicherheitsdienste und Polizei.
Ein bedeutender Teil der Produktion ist für den Export bestimmt. Allerdings
durchqueren und verlassen nicht nur in Deutschland gefertigte Waffen und Rüs-
tungsgüter tagtäglich das deutsche Staatsgebiet, sondern andere Länder wickeln
ihren eigenen Export ebenfalls über die deutschen Verkehrswege und -knoten-
punkte ab. Bei den Ein-, Aus- und Durchfuhren von Waffen und sonstigen
Rüstungsgütern sind deutsche Transporteure, Speditionen, Frachtunternehmen,
Flugzeuggesellschaften, Reedereien usw. sowie deutsche Frachtvermittler be-
teiligt. Aber nicht nur für den legalen Waffenhandel werden deutsche Verkehrs-
wege und -knotenpunkte genutzt, sondern auch für den illegalen Waffenhandel.
Der Zoll hat beispielsweise im Jahr 2008 insgesamt 6 273 illegal transportierte
Kriegswaffen beschlagnahmt. Darunter sogar zwei Luftabwehrraketen des Typs
SA-7 Grail. Über den gesamten Umfang der illegalen Durchfuhr von Waffen
und Rüstungsgütern durch das deutsche Staatsgebiet kann man nur spekulieren.

Eine effektive, umfassende und sorgfältige Kontrolle der Transporte und Trans-
porteure von Kriegswaffen und Rüstungsgütern ist zwingend erforderlich, weil es
sich um militärische Güter handelt, die zu schweren Menschenrechtsverletzun-
gen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht verwendet werden können.
In der Tat gibt es einige internationale Rechtsinstrumente sowie nationale Regel-
systeme (z. B. Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen – KrWaffKontrG),
die sich auf die Kontrolle des Transportes beziehen. Allerdings sind sie unzurei-
chend, denn es handelt sich dabei weder um ein aufeinander abgestimmtes Regel-
system noch sind die nationalen Regelwerke i. d. R. spezifisch auf die wirksame
Kontrolle und Überwachung von Waffentransporten ausgerichtet. Die Existenz
eines umfangreichen weltweiten illegalen Waffenhandels zeigt, dass erhebliche
Kontrolllücken bestehen.

Die unzureichende Kontrolle der Waffentransporte ist ein globales Problem, das
auch europäische Staaten betrifft, die sich selbst ein ausreichendes Kontroll-

system zuschreiben. Dies zeigen auch die jüngsten Studien der unabhängigen
Nichtregierungsorganisationen Oxfam International und Amnesty International
(Amnesty International: Deadly Movements, Juli 2010; Oxfam International:
Brokers without Borders; Oktober 2010).

In welchem Umfang deutsche Verkehrswege für den Transport und Export von
Waffen und Rüstungsgütern genutzt werden und welche Rolle Deutschland als

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Transitland für den legalen, internationalen Waffenhandel dient, ist der Öffent-
lichkeit bislang kaum bekannt. Ebenfalls besteht Informationsbedarf hinsicht-
lich der Frage, wie die rechtlichen und verwaltungstechnischen Vorgaben zur
Kontrolle der Beförderung von Waffen und Rüstungsgütern praktisch umge-
setzt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Staaten nutzten Deutschland als Umschlagplatz und als Transitland
für Waffen und sonstige Rüstungsgüter im Zeitraum von 2005 bis 2009
(bitte auflisten unter Angabe des Warenwerts der durchgeführten Güter)?

2. Wie viele Beförderungsgenehmigungen für Kriegswaffen wurden im Zeit-
raum von 2005 bis 2009

a) insgesamt zur Beförderung innerhalb des Bundesgebietes im Sinne des
§ 3 Absatz 1 bis 3 KrWaffKontrG,

b) zum Zweck der Durchfuhr durch Deutschland im Sinne des § 3 Absatz 1
bis 3 KrWaffKontrG,

c) zum Zweck des Imports nach Deutschland im Sinne des § 3 Absatz 1
bis 3 KrWaffKontrG und

d) in Form von „Allgemeinen Genehmigungen“ im Sinne des § 3 Absatz 4
KrWaffKontrG

erteilt?

3. Wie viele Beförderungsgenehmigungen zur Beförderung außerhalb des
Bundesgebietes im Sinne des § 4 Absatz 1 KrWaffKontrG, und wie viele
„Allgemeine Genehmigungen“ im Sinne des § 4 Absatz 2 KrWaffKontrG
wurden im Zeitraum von 2005 bis 2009 erteilt?

4. Welche Güter der Ausfuhrliste Teil I Abschnitt A (Liste für Waffen, Muni-
tion und Rüstungsmaterial) wurden im Zeitraum von 2005 bis 2009 in
Deutschland umgeschlagen bzw. durch Deutschland transportiert (bitte auf-
listen nach Jahr, Gegenstand, Wert und exportierendem/importierendem
Staat)?

5. Welche Güter der Ausfuhrliste Teil I Abschnitt C (Gemeinsame Liste der
Europäischen Union für Güter mit doppeltem Verwendungszweck) wurden
im Zeitraum von 2005 bis 2009 in Deutschland umgeschlagen bzw. durch
Deutschland transportiert (bitte auflisten nach Jahr, Gegenstand, Wert und
exportierendem/importierendem Staat)?

6. Wenn es keine statistische Erfassung (Fragen 1 bis 5) gibt, warum gibt es
keine solche Erfassung?

7. Welchen Anteil haben die Transportmittel Flugzeug, Schiff, Bahn und Lkw
bei der Beförderung von Waffen und sonstigen Rüstungsgütern, die nur
durch Deutschland durchgeführt werden, jeweils prozentual und wertmäßig?

8. Von welchen deutschen Überseehäfen werden Waffen und sonstige Rüs-
tungsgüter ausländischer Herkunft weiterverschifft?

9. Wie verteilte sich der Umschlag von Waffen und sonstigen Rüstungsgütern
auf die deutschen Überseehäfen prozentual und wertmäßig im Zeitraum
2005 bis 2009

a) bei für den Export bestimmten Waffen und sonstigen Rüstungsgütern
deutscher Herkunft, und

b) bei Waffen und sonstigen Rüstungsgütern, die durch Deutschland durch-

geführt werden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4706

10. Von welchen deutschen Binnenhäfen werden Waffen und sonstige Rüs-
tungsgüter ausländischer Herkunft weiterverschifft, und wie verteilte sich
der Umschlag auf die Binnenhäfen prozentual und wertmäßig im Zeitraum
2005 bis 2009?

11. Auf welchen deutschen Flughäfen werden Waffen und sonstige Rüstungs-
güter ausländischer Herkunft umgeschlagen, und wie verteilte sich der Um-
schlag auf die Flughäfen prozentual und wertmäßig im Zeitraum 2005 bis
2009?

12. Wie viele Beförderungen zwecks Durchführung von Waffen und sonstigen
Rüstungsgütern ausländischer Herkunft wurden von der Deutschen Bahn AG
bzw. durch private Anbieter auf der Schiene im Zeitraum 2005 bis 2009 vor-
genommen (bitte auflisten nach Jahr und ggf. nach Gesamtwert der trans-
portierten Güter)?

13. Wie viele Beförderungen zwecks Durchführung von Waffen und sonstigen
Rüstungsgütern ausländischer Herkunft wurden durch Deutschland auf der
Straße im Zeitraum 2005 bis 2009 vorgenommen (bitte auflisten nach Jahr
und ggf. nach Gesamtwert der transportierten Güter)?

14. Wie viele Beförderungen zwecks Durchführung von Waffen und sonstigen
Rüstungsgütern ausländischer Herkunft wurden im Rahmen der Binnen-
schifffahrt durch Deutschland im Zeitraum 2005 bis 2009 vorgenommen
(bitte auflisten nach Jahr und ggf. nach Gesamtwert der transportierten
Güter)?

15. In wie vielen Fällen wurde die Durchfuhr von Waffen und sonstigen Rüs-
tungsgütern ausländischer Herkunft im Zeitraum 2000 bis 2009 von staat-
lichen Stellen verweigert (bitte auflisten nach Jahr, Gegenstand, Wert und
exportierendem Staat)?

16. Welche Gründe lagen jeweils der Verweigerung zugrunde?

17. Sind Staaten, deren Unternehmen die Bundesregierung die Durchfuhr von
Waffen oder sonstigen Rüstungsgütern verweigert hat, an die Bundesregie-
rung herangetreten, um dieser Entscheidung zu widersprechen?

18. Welche Staaten oder Unternehmen, denen die Durchfuhr von Waffen oder
sonstigen Rüstungsgütern verweigert worden ist, haben Klage gegen
Deutschland beim Europäischen Gerichtshof eingereicht?

19. Welche Fälle von nicht genehmigten Durchfuhren von Waffen oder sonsti-
gen Rüstungsgütern sind der Bundesregierung im vergangenen Jahrzehnt
bekannt geworden?

20. Wie viele Ermittlungsverfahren, Bußgeldverfahren, Strafverfahren sowie
Verurteilungen hat es in den vergangenen zehn Jahren wegen der illegalen
Durchfuhr von Waffen oder sonstigen Rüstungsgütern durch die Bundes-
republik Deutschland gegeben?

21. Wie viele und welche Waffen und sonstige Rüstungsgüter, die illegal in die
Bundesrepublik Deutschland zum Zweck der Durchführung eingeführt
worden sind, sind in den Jahren 2005 bis 2009 beschlagnahmt worden?

22. Aus welchem Land wurden diese Güter jeweils eingeführt, wohin sollten
sie jeweils exportiert werden?

23. Von welcher Dunkelziffer geht die Bundesregierung bei illegalen Durch-
fuhren aus, und auf welchen Quellen beruht diese Einschätzung?

Drucksache 17/4706 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
24. Wie viele Fälle des illegalen Umschlags von Waffen und sonstigen Rüs-
tungsgütern (deutscher wie ausländischer Herkunft) im Hamburger Hafen
sind der Bundesregierung in den Jahren 2005 bis 2009 bekannt geworden,
und wie viele Ermittlungsverfahren, Bußgeldverfahren, Strafverfahren
sowie Verurteilungen hat es deshalb in diesem Zeitraum gegeben (bitte mit
Angabe zum exportierendem bzw. importierendem Staat)?

25. Gegen welche Gesetze und Embargos wurde jeweils verstoßen?

26. Welche Waffen und sonstigen Rüstungsgüter haben die USA bzw. US-
amerikanische Unternehmen im Zeitraum 2005 bis 2009 in Deutschland
umgeschlagen (bitte auflisten nach Jahr, Gegenstand, Wert und Endver-
bleibsland sowie Endnutzer und unter Ausschluss der Güter, die die US-
Streitkräfte zur Eigenverwendung in Deutschland umgeschlagen haben)?

27. Welche Anforderungen müssen deutsche Transporteure und welche Anfor-
derungen müssen ausländische Transporteure erfüllen, um die Genehmi-
gung zum Transport von Waffen oder sonstigen Rüstungsgütern zu erhalten?

28. In welchen Intervallen wird diese Genehmigung überprüft, und welche In-
formationen und Instrumente nutzt die Bundesregierung zur Überprüfung
und Beurteilung der Unternehmen?

29. In wie vielen Fällen wurde Unternehmen die Genehmigung zum Transport
von Waffen oder sonstigen Rüstungsgütern im Zeitraum 2005 bis 2009 ver-
wehrt (bitte auflisten nach Jahr, Unternehmen, Gut sowie Verweigerungs-
grund)?

30. Wie und mit welchen Mitteln werden solche Transporte gegen Diebstahl
und sonstige Gefahren gesichert, und auf welcher Informationsbasis und
durch welche Organe wird eine Gefahrenbewertung durchgeführt?

31. Durch welche nationalen Verordnungen und Verwaltungsvorschriften, durch
welches EU-Recht und durch welche internationalen Übereinkommen wird
die Beförderung von Waffen und sonstigen Rüstungsgütern geregelt?

32. Wer trägt die Kosten für die Sicherung der Durchführung von Transporten
von Waffen oder sonstigen Rüstungsgütern durch die Bundesrepublik
Deutschland?

33. Wie hat sich der Mitarbeiterbestand der für die Genehmigung bzw. für die
Kontrolle der Durchführung von Waffen und sonstigen Rüstungsgütern der
zuständigen Behörden in den Jahren von 2000 bis 2009 entwickelt (bitte
auflisten nach Behörde und in Korrelation zur Entwicklung der Fracht-
raten)?

34. Wie hat sich der Mitarbeiterbestand der mit der Verfolgung von illegalen
Durchfuhren befassten Ermittlungsbehörden in den Jahren von 2000 bis
2009 entwickelt?

35. Welche Gesetzesänderungen, Initiativen bzw. sonstige Vorhaben, auch in-
ternationale Vorhaben hat die Bundesregierung in den Jahren 2000 bis 2009
vorgenommen bzw. initiiert, um illegale Durchfuhren einzudämmen?

36. Welche Gesetzesänderungen, Initiativen bzw. sonstige Vorhaben plant die
Bundesregierung zu diesem Zweck in naher Zukunft auf nationaler wie auf
internationaler Ebene?

Berlin, den 8. Februar 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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