BT-Drucksache 17/4703

Regulierung des Grauen Kapitalmarkts und Einfluss von Lobbyisten im Finanzsektor

Vom 9. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4703
17. Wahlperiode 09. 02. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Carsten Sieling, Ingrid Arndt-Brauer, Sabine Bätzing-
Lichtenthäler, Lothar Binding (Heidelberg), Petra Ernstberger, Martin Gerster,
Iris Gleicke, Petra Hinz (Essen), Nicolette Kressl, Ute Kumpf, Thomas Oppermann,
Joachim Poß, Bernd Scheelen, Manfred Zöllmer, Dr. Frank-Walter Steinmeier und
der Fraktion der SPD

Regulierung des Grauen Kapitalmarkts und Einfluss von Lobbyisten im
Finanzsektor

Nach Angaben des VGF Verbandes Geschlossener Fonds e. V. verwalteten die
Anbieter dieser Produkte im Jahr 2010 mehr als 200 Mrd. Euro Anlegerver-
mögen in Deutschland. Weil weitgehend nicht reguliert und beaufsichtigt, ist der
Graue Kapitalmarkt für die Verbraucherinnen und Verbraucher besonders risiko-
reich.

Anfang März 2010 stellte der Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang
Schäuble, die Eckpunkte eines Gesetzentwurfs zur Stärkung des Anlegerschut-
zes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes vor. Die auf-
geführten Einzelmaßnahmen reichten vom Verbot ungedeckter Leerverkäufe bis
zur Erweiterung wertpapierhandelsrechtlicher Meldepflichten. Vor allem die
beabsichtigten Regelungen zum Schutz der Privatanleger stießen sofort auf hef-
tigen Widerspruch von Vertretern der Finanzbranche. Dies betraf nicht zuletzt
die Finanzprodukte des Grauen Kapitalmarkts.

Der Diskussionsentwurf des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgeset-
zes, den das Bundesministerium der Finanzen (BMF) Anfang Mai 2010 vor-
legte, sah wie angekündigt vor, Anteile an geschlossenen Fonds künftig als
Finanzinstrumente im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes einzuordnen. Ihr
Vertrieb würde dadurch der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleis-
tungsaufsicht (BaFin) unterfallen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie (BMWi) schloss sich jedoch der öffentlich geäußerten Kritik der
betroffenen Unternehmer an diesem Vorschlag an.

Nach monatelanger Diskussion verständigten sich die Ressorts im September
2010 darauf, die Regulierung des Grauen Kapitalmarkts auf ein späteres Ge-
setzgebungsvorhaben zu verschieben. Dabei soll die Aufsicht über die gewerb-
lichen Finanzanlagenvermittler und -berater bei den Gewerbeaufsichtsämtern
belassen werden. Wie diese Behörden das angestrebte einheitlich hohe Anle-

gerschutzniveau in Deutschland personell gewährleisten sollen, ist ungeklärt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wann fanden seit März 2010 auf Fachebene sowie auf Ebene der politischen
Leitungen Gespräche zur Regulierung des Grauen Kapitalmarkts zwischen
dem BMF, dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-

terin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Ilse Aigner,
die die Kontrolle des Vertriebs von Graumarktprodukten durch die Gewer-
beaufsichtsämter ablehnt und mit Unterstützung der Bundesländer fordert,
die Finanzaufsicht vollständig bei der BaFin anzusiedeln (vgl. Handelsblatt
Drucksache 17/4703 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

braucherschutz (BMELV) und dem BMWi statt, und zu welchen Ergebnis-
sen führten diese Treffen?

2. Welche Gespräche führten Vertreter des BMF, des BMELV und des BMWi
zur Regulierung des Grauen Kapitalmarkts seit März 2010 mit Verbänden
und Interessengruppen?

3. Welche Gründe gegen die vom Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang
Schäuble ursprünglich geplante Regulierung des Grauen Kapitalmarkts
wurden von welchen Verbänden bzw. Personen in diesen Gesprächen vor-
getragen, und wie bewertet die Bundesregierung diese Argumente?

4. Sofern die Bundesregierung der geäußerten Kritik an der ursprünglich ge-
planten Regulierung des Grauen Kapitalmarkts im Einzelnen zustimmt,
warum wurden diese Überlegungen nicht bereits bei der Erstellung der
Eckpunkte des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes vom
März 2010 berücksichtigt?

5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der bayerischen Staatsministerin
der Justiz und für Verbraucherschutz, Dr. Beate Merk, die aufgrund des
Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und FDP davon ausging, „dass
künftig alle Anlageberater und -vermittler von der BaFin überwacht werden“
(vgl. Pressemitteilung vom 9. September 2010), und wenn nein, warum
nicht?

6. Wie bewertet die Bundesregierung Pressemeldungen und -berichte, wonach
die Interessenvertreter gewerblicher Finanzdienstleister den Verzicht der
Bundesregierung auf die ursprünglich geplante Regulierung des Grauen
Kapitalmarkts als Erfolg ihrer Lobbyarbeit, nicht zuletzt „Unzähliger Hin-
tergrundgespräche in Ministerien und mit Abgeordneten (…)“, betrachten
(vgl. Pressemeldung des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung vom
8. September 2010: „Schäuble-Gesetz vom Tisch“ sowie Artikel der Frank-
furter Rundschau vom 9. Dezember 2010)?

7. Hätte der Kritik der gewerblichen Finanzanlagenvermittler und -berater an
der ursprünglich geplanten Regulierung des Grauen Kapitalmarkts durch
eine eingeschränkte Anwendung des Kreditwesengesetzes (KWG) Rech-
nung getragen werden können, und falls ja, warum wurde der Entwurf des
Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes nicht entsprechend
angepasst?

8. Welche Regelungen müsste ein solches „KWG-Light“ vorsehen, das bei-
spielsweise der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert?

9. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des früheren finanzpolitischen
Sprechers der Fraktion der CDU/CSU, Leo Dautzenberg, „mit einer deut-
lich erleichterten Aufsicht nach dem Kreditwesengesetz hätte der Verbrau-
cherschutz im Finanzdienstleistungsbereich deutlich verbessert werden
können“ (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 9. September 2010),
und wie begründet sie dies?

10. Teilt die Bundesregierung die von Interessenvertretern gewerblicher Finanz-
dienstleister vorgetragenen Bedenken, dass die BaFin ein „KWG-Light“ zu
einer umfassenden Kontrolle dieser Berufsgruppen missbrauchen könnte,
und wie begründet sie dies?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die jüngste Äußerung der Bundesminis-
vom 27. Dezember 2010)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4703

12. Wann wird das Bundeskabinett den ursprünglich bereits für Herbst 2010 in
Aussicht gestellten Gesetzentwurf zur Regulierung des Grauen Kapital-
markts beschließen (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 9. Septem-
ber 2010)?

13. Welche zusätzlichen Aufgaben sollen der Gewerbeaufsicht mit diesem Ge-
setz übertragen werden, welche unmittelbaren Kosten werden daraus resul-
tieren, und plant die Bundesregierung eine finanzielle Kompensation dieser
Mehraufwendungen der Gebietskörperschaften?

14. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Kosten, die zur Erreichung
und Sicherstellung eines einheitlichen Anlegerschutzniveaus für die Auf-
stockung und Qualifizierung des Personals der Gewerbeaufsichtsbehörden
aufgebracht werden müssen?

15. Bedarf der kommende Gesetzentwurf zur Regulierung des Grauen Kapital-
markts der Zustimmung des Bundesrates, und wenn nein, warum nicht?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag von Interessenvertretern
gewerblicher Finanzdienstleister, zusätzliche Aufgaben im Rahmen der
Regulierung des Grauen Kapitalmarkts nicht den Gewerbeämtern, sondern
den Industrie- und Handelskammern zuzuweisen?

17. Plant die Bundesregierung, den Finanzaufsichtsbehörden im Rahmen dieses
Vorhabens die Befugnis einzuräumen, die Öffentlichkeit nach dem Vorbild
des § 83b Absatz 7 des Versicherungsaufsichtsgesetzes vor unerlaubten
Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäften zu warnen, und wenn nein,
warum nicht?

18. Wie viele Institute und gewerbliche Vermittler und Berater vertreiben in
Deutschland derzeit Produkte des Grauen Kapitalmarkts?

19. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Betrag, den Privatkunden – ins-
gesamt und durchschnittlich – jährlich in Produkten des Grauen Kapital-
markts anlegen?

20. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Verlust, den Privatkunden – ins-
gesamt und durchschnittlich – jährlich aus der Anlage in Produkten des
Grauen Kapitalmarkts realisieren, und welcher Anteil hiervon geht auf
Anlagebetrug zurück?

21. Wie ist die staatliche Aufsicht über den Vertrieb von Graumarktprodukten
in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union geregelt (Angaben
bitte getrennt nach Staaten aufschlüsseln)?

22. Plant die Bundesregierung über die gesetzliche Regulierung hinaus weitere
Maßnahmen zur Verbesserung des Anlegerschutzes im Bereich des Grauen
Kapitalmarkts?

Berlin, den 9. Februar 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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