BT-Drucksache 17/4673

Internationale Ächtung des Söldnerwesens und Verbot privater militärischer Dienstleistungen aus Deutschland

Vom 8. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4673
17. Wahlperiode 08. 02. 2011

Antrag
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, Christine Buchholz, Sevim
Dag˘delen, Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Heike Hänsel,
Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Stefan Liebich, Niema Movassat,
Thomas Nord, Alexander Ulrich, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Internationale Ächtung des Söldnerwesens und Verbot privater militärischer
Dienstleistungen aus Deutschland

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Es besteht akuter Handlungsbedarf, sich auf nationaler als auch internationaler
Ebene mit privaten militärischen Dienstleistungsunternehmen zu beschäftigen.
Private Militärfirmen bzw. Tochterfirmen von transnationalen Konzernen, die
auch militärische Dienstleistungen anbieten, werden zunehmend von NATO-
Staaten in Kriegsgebieten eingesetzt. Unternehmen und Nichtregierungsorgani-
sationen beauftragen Firmen für den bewaffneten Schutz von Transporten oder
Standorten mitten in Kriegsgebieten. Eine Vielzahl von Regierungen bzw. Kon-
fliktparteien in bewaffneten Konflikten greifen seit 15 Jahren verstärkt auf die
militärischen Dienstleistungen von Unternehmen zurück mit katastrophalen
Folgen für die regionale und internationale Sicherheit.

Der Einsatz von privaten Militärfirmen bzw. Unternehmen, die militärische
Dienstleistungen anbieten, insbesondere für unbewaffnete und bewaffnete ope-
rative Gefechtsunterstützung, der militärischen Beratertätigkeit und Ausbildung
sowie der militärischen Informationsbeschaffung und Gewährleistung der mili-
tärischen Sicherheit, bedeutet in mehrfacher Hinsicht eine Gefahr für die inter-
nationale Sicherheit:
● Obwohl völkerrechtlich nicht als Kombattanten legitimiert, übernehmen

Angestellte von privaten Militärfirmen eindeutig Kombattantenaufgaben,
wie z. B. das Sammeln und Auswerten von Informationen, den Schutz von
militärischen Liegenschaften und militärischen Transporten in umkämpften
Regionen und die Ausbildung von Streitkräften. Von den US-Streitkräften
werden sie auch für die Verhöre von Gefangenen eingesetzt.

● Die privaten Militärfirmen höhlen das Prinzip der Rechenschaftspflicht aus.
Unter Umständen sind sie zwar eingebunden in militärische Befehlsketten,
aber das Personal unterliegt nicht den gleichen gesetzlichen und disziplinari-

schen Vorgaben wie das militärische Personal. Die militärische und politische
Führung ist ggf. nur eingeschränkt haftbar zu machen für Rechtsverstöße von
lediglich vertraglich gebundenen Unterauftragnehmern. Der Unternehmens-
sitz kann problemlos in andere Staaten mit einer laxeren oder steuerlich güns-
tigeren Gesetzgebung verlegt werden oder sich am Ende einfach durch
Insolvenz bzw. Neugründung entziehen, wie dies die Söldnerfirma Black-
water Worldwide (heute Xe Services LLC) vorexerziert hat.

Drucksache 17/4673 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

● Der Einsatz von privaten Militärfirmen trägt zur regionalen Destabilisierung
bei, indem dies zum einen den Aufbau bzw. die Legitimität des staatlichen
Gewaltmonopols untergräbt und zum anderen das Andauern bewaffneter
Konflikte fördert. Gerade in den ärmeren Staaten stehen private Militärfir-
men außerhalb der nationalen Gesetze, können attraktiveren Lohn anbieten
und haben ein finanzielles Eigeninteresse am Fortdauern des Konfliktes. In
vielen Fällen, wie z. B. in Sierra Leone in den 90er-Jahren, war zu beobach-
ten, dass die politische Führung der Konfliktparteien in Abhängigkeit zu den
privaten Militärfirmen gerät und erpressbar wird. Auch für die Streitkräfte in
Europa und den USA bedeutet die Renaissance privater Militärfirmen eine
erhebliche Herausforderung, da diese Firmen in direkter Konkurrenz um die
in den Streitkräften ausgebildeten Soldatinnen und Soldaten stehen und eine
bessere Bezahlung bieten können.

● Private Militärfirmen entziehen sich aufgrund ihrer Arbeitsweise und des in
vielen Staaten vorhandenen Schutzes unternehmerischer Interessen einer
wirkungsvollen Kontrolle und Transparenz. In der Regel wird das Personal
mit Zeitarbeitsverträgen und häufig über ein weitverzweigtes Netz von Toch-
terfirmen rekrutiert. Das heißt der rechtliche Status ist nur schwer zu bestim-
men, genauso wie die unternehmerische Haftung für die Handlungen ihrer
Angestellten. Die Qualifikation, inklusive der charakterlichen Eignung und
Vorgeschichte des Personals, z. B. im Hinblick auf Menschenrechtsverlet-
zungen bei früheren Arbeitgebern und Streitkräften, ist nicht überprüfbar.
Unklar bleibt auch, inwieweit die privaten Militärfirmen entweder selber
Eigentümer anderer Tochterfirmen sind, die auch wirtschaftliche Interessen
im Bereich der Rohstoffausbeutung oder des Waffenhandels haben, oder
selbst Tochterfirma eines größeren Konzerns in diesen Bereichen sind. Das
militärische Dienstleistungsunternehmen DynCorp International wurde z. B.
2010 von der Investmentgesellschaft Cerberus Inc aufgekauft, die wiederum
über die Tochterfirma „Freedom Group“ 13 Kleinwaffenhersteller besitzt und
über Pegasus International auch im Rohstoffgeschäft aktiv tätig ist.

Es ist zu begrüßen, dass inzwischen auf internationaler Ebene viele Akteure
auch einen Handlungsbedarf sehen. Sowohl die Vereinten Nationen, vor allem
über ihren Sonderberichterstatter über das Söldnertum, als auch der Europarat
und die Parlamentarische Versammlung der OSZE fordern die Staaten auf, die
Kontrolle über die Militärfirmen zu verschärfen und die UN-Konvention gegen
die Rekrutierung, Verwendung, Finanzierung und Ausbildung von Söldnern von
1989 endlich zu ratifizieren. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes
versucht insbesondere die größeren Interventionsmächte mit dem Montreux-
Prozess, der am 17. Juni 2008 zu der Annahme des „Montreux Document on
Pertinent International Legal Obligations and Good Practices for States related
to Operations of Private Military and Security Companies during Armed
Conflict“ geführt hat, in die Pflicht zu nehmen. Allerdings beschränken sich die
Mehrzahl der Initiativen vor allem auf freiwillige Selbstverpflichtungen der
Regierungen, nur „saubere“ militärische Dienstleistungen in Anspruch zu neh-
men, anzubieten. Umgekehrt hat auch der Verband der International Stability
Operations Association, ein Zusammenschluss verschiedener Sicherheitsunter-
nehmen, die auf direkte Aufträge bei UN-Missionen hoffen, 2001 bzw. 2009
einen freiwilligen Kodex verabschiedet, der Verlässlichkeit und Gesetzestreue
suggerieren soll, ohne aber konkrete Informationsverpflichtungen und Sank-
tionsmöglichkeiten einzuführen.

Haupthindernis für eine rechtliche verbindliche Ächtung von Söldnerfirmen
sind in erster Linie die Staaten, die diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen,
insbesondere in Asien und dem Nahen Osten, und/oder deren Unternehmen in
diesem lukrativen Bereich tätig sind, allen voran die USA und Großbritannien.

Insbesondere für die USA sind diese Dienstleister bereits ein fester Bestandteil
des außen- und sicherheitspolitischen Instrumentariums geworden. Das State

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4673

Department bezahlt diese Firmen für Ausbildungstätigkeiten und die Begleitung
im Einsatz von befreundeten Streitkräften, z. B. in Kolumbien. In Afghanistan
übernehmen sie einen Großteil der Ausbildung der Afghan National Police und
sind insbesondere bei den Operationen gegen die Drogenkriminalität involviert.
Im Irak und in Afghanistan werden sie außerdem für Personentransport und
Schutz der Logistik eingesetzt.

Auch in Deutschland entdeckt die Sicherheitsbranche zunehmend den Aus-
landsmarkt. Die Branche boomt. Derzeit geht der Bundesverband Deutscher
Wach- und Sicherheitsunternehmen von etwa 170 000 Angestellten in 3 700
Unternehmen aus, die einen Umsatz von etwa 4,3 Mrd. Euro erreichen. Aus ver-
einzelten Medienberichten geht hervor, dass deutsche Staatsbürger bereits im
Irak als Söldner für fremde Streitkräfte in bewaffnete Kämpfe verwickelt waren.
Zunehmend bieten auch deutsche Firmen gezielt Ausbildungsdienstleistungen
im Ausland an. Bekannt wurde die Ausbildung libyscher Sicherheitskräfte durch
die BDB Protection GmbH 2009 und ein ähnliches Geschäft der Firma Asgaard
German Security Group, die von einem Mitglied des Reservistenverbandes der
Bundeswehr geführt wird, mit einer Konfliktpartei in Somalia in 2010. Beide
Vorfälle zeigen, dass das Interesse in Deutschland wächst, private Sicherheits-
dienstleistungen mit Waffen auch im Ausland anzubieten. In beiden Fällen wa-
ren es zudem Kunden, bei denen eine solche Unterstützung eher zur Destabili-
sierung beigetragen hätte. Auffällig ist, dass es jeweils Netzwerke um ehemalige
Polizisten und Soldaten waren, die versucht haben, solche Aufträge zu erhalten.
Es gibt also in Deutschland einen Markt und es gibt einen Pool aktiver und ehe-
maliger Soldaten, die bereit sind, ihr tödliches Know-how zu verkaufen.

Begünstigt wird diese Entwicklung auch durch die Bundeswehr. Zum einen da-
durch, dass aufgrund der Beteiligung an Kampfeinsätzen in Afghanistan inzwi-
schen ein Pool von Soldatinnen und Soldaten, die aus dem Dienst ausscheiden,
über die erforderlichen Erfahrungen verfügt und damit auch für die transnatio-
nalen Militärfirmen interessant wird. Zum anderen wurde durch die Privatisie-
rung wertvolles Know-how ausgelagert, das auch bei Auslandseinsätzen benö-
tigt wird. Obwohl ursprünglich festgelegt wurde, nur inländische Aufgaben zu
privatisieren, übernehmen diese Firmen zunehmend auch Dienstleistungen im
Ausland, wie z. B. die BwFuhrparkService GmbH im Kosovo. In Afghanistan
wurden 2009 mehr als 150 Mio. Euro für nichtmilitärische Dienstleistungen
ausgegeben. Außerdem wird auch für den Liegenschaftsschutz in Mazar-e-
Sharif und Kundus auf private Sicherheitskräfte zurückgegriffen. 2009 wurden
264 Afghanen als Wachpersonal beschäftigt.

Dieser Entwicklung muss ein Riegel vorgeschoben werden. Im Unterschied zu
anderen Staaten, in denen sich bereits Abhängigkeiten herausgebildet haben, ist
es gerade in Deutschland noch möglich, die rechtlichen Grundlagen für ein um-
fassendes Verbot für die Erbringung von militärischen Dienstleistungen durch
Unternehmen im Ausland zu organisieren. Die Unternehmen agieren bislang
aufgrund der ungeklärten deutschen Rechtslage in einer (völker-)rechtlichen
Grauzone. Umso unverständlicher ist das fehlende Problembewusstsein auf Sei-
ten der Bundesregierung. Die Ratifizierung der 1989 vereinbarten „Internationa-
len Konvention gegen die Anwerbung, den Einsatz, die Finanzierung und die
Ausbildung von Söldnern“ wurde von ihr als „nicht prioritär“ bezeichnet (vgl.
Bundestagsdrucksache 17/4012, S. 9). Sie vertraut darauf, dass nachträglich be-
kannt gewordene Fälle gemäß dem Völkerrecht als Kriegsverbrechen geahndet
werden bzw. dass § 109h des Strafgesetzbuchs (Wehrdienst in fremden Streit-
kräften) ausreicht, um potentielle Söldner abzuschrecken. Jüngste Publikationen
haben aber gezeigt, dass dies nicht der Fall ist. Verschiedene Journalisten haben
über Deutsche in Diensten ausländischer Sicherheitsunternehmen berichtet.
Letztes Jahr wurde ein deutscher Staatsbürger als Angestellter eines britischen

Sicherheitsunternehmens in Afghanistan bei der Bewachung eines Büros einer

Drucksache 17/4673 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
US-Non-Governmental Organization erschossen. Hier hat ganz klar jegliche
Kontrolle versagt.

Sicherheit ist ein öffentliches Gut. Es muss ein zentrales Anliegen von Legisla-
tive, Exekutive und Judikative sein, dieses Prinzip wieder zu stärken und die Ver-
säumnisse der Vergangenheit zu korrigieren. Die staatliche Kontrolle lediglich
auf die Erfassung von Sicherheitsunternehmen in Deutschland zu beschränken
und ein Lizenzierungssystem für die Auslandstätigkeiten dieser Unternehmen
einzuführen, bedeutet dagegen die Chance für ein deutliches Signal gegen die
Aushöhlung des Kriegsvölkerrechts und das moderne Söldnertum zu verpassen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die „Internationale Konvention gegen die Anwerbung, den Einsatz, die Finan-
zierung und die Ausbildung von Söldnern“ von 1989 dem Deutschen Bun-
destag zur Ratifizierung vorzulegen und die deutschen Gesetze entsprechend
anzupassen;

2. die Erfassung und Kontrolle der Unternehmen, die in Deutschland Dienstleis-
tungen im Sicherheitssektor anbieten, zu gewährleisten und dem Deutschen
Bundestag jährlich einen Bericht sowohl über die in Deutschland ansässigen
als auch über ausländische private militärische Sicherheitsunternehmen vor-
zulegen, der folgende Elemente enthält: Übersicht der Eigentumsverhält-
nisse, Art und Umfang militärischer Dienstleistungen in Deutschland, Inan-
spruchnahme dieser Dienstleistungen durch die Bundesregierung und andere
Behörden;

3. die Erbringung militärischer Dienstleistungen in Deutschland, u. a. für unbe-
waffnete und bewaffnete operative Gefechtsunterstützung, der militärischen
Beratertätigkeit und Ausbildung sowie der militärischen Informationsbe-
schaffung und Gewährleistung der militärischen Sicherheit, nach den Krite-
rien des Kriegswaffenkontrollgesetzes zu erfassen;

4. die Auftragsannahme und Auftragserfüllung durch deutsche Staatsbürger
und Staatsbürgerinnen, soweit diese nicht Angehörige der offiziellen Streit-
kräfte oder anderer Behörden des Staates sind, durch in Deutschland regis-
trierte Unternehmen und ihre Angestellten sowie Vermittlungstätigkeiten für
militärische Unterstützungsleistungen im Ausland, u. a. bei unbewaffneter
und bewaffneter operativer Gefechtsunterstützung, der militärischen Berater-
tätigkeit und Ausbildung sowie der militärischen Informationsbeschaffung
und Gewährleistung der militärischen Sicherheit, gesetzlich zu verbieten;

5. keine militärischen Unterstützungsleistungen, u. a. bei unbewaffneter und be-
waffneter operativer Gefechtsunterstützung, der militärischen Beratertätig-
keit und Ausbildung sowie der militärischen Informationsbeschaffung und
Gewährleistung der militärischen Sicherheit, durch Unternehmen für die
Bundeswehr zu beauftragen;

6. keine deutschen Streitkräfte zu entsenden, wenn bei den Militärinterventio-
nen im Auftrag verbündeter Streitkräfte auch militärisch relevante Dienst-
leistungen von privaten Unternehmen übernommen werden;

7. sich auf internationaler Ebene mit dem Ziel der Ächtung des Söldnerwesens
für eine Verbesserung der rechtlichen und politischen Kontrolle und Regulie-
rung von Privatpersonen und Unternehmen einzusetzen, die militärische
Dienstleistungen erbringen.

Berlin, den 8. Februar 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.