BT-Drucksache 17/458

Todesopfer unter Flüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union im Jahr 2009

Vom 19. Januar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/458
17. Wahlperiode 19. 01. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Sevim Dag˘delen, Wolfgang Neskovic,
Petra Pau, Jens Petermann und der Fraktion DIE LINKE.

Todesopfer unter Flüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland und die
Europäische Union im Jahr 2009

Seit 1990 gab es zahlreiche Fälle, in denen Flüchtlinge an den Außengrenzen der
Bundesrepublik Deutschland tot oder verletzt aufgefunden wurden, teilweise in-
folge von Unfällen, infolge der Umstände der Flucht oder mittel- oder unmittel-
bar bedingt durch Grenzkontrollmaßnahmen. Diese Fälle haben in den vergange-
nen Jahren, insbesondere durch den Ausbau der Grenzüberwachung in den ost-
europäischen Nachbarländern, deutlich abgenommen.

In den Fokus der Öffentlichkeit sind verstärkt die Flüchtlinge gerückt, die bei ih-
rer Flucht über das Mittelmeer und den Atlantik in das Hoheitsgebiet der EU-
Mitgliedstaaten ums Leben kommen. Die Schätzungen belaufen sich auf über
10 000 ums Leben gekommene Flüchtlinge seit Ende der 90er Jahre. Viele ster-
ben bei der Überfahrt, weil ihre Boote untauglich sind oder ihre Vorräte an Trink-
wasser nicht ausreichen. Hinzu kommen diejenigen Flüchtlinge, die mittelbar
oder unmittelbar durch gewaltsames Einwirken der von der EU-Grenzschutz-
agentur FRONTEX koordinierten Grenzschutzeinheiten ums Leben kommen,
indem ihre Boote fahruntüchtig gemacht oder Lebensmittel- und Trinkwasser-
vorräte vernichtet werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2009

a) an den Landesgrenzen, Küsten, Seehäfen, Flughäfen bzw. im Grenzgebiet
der Bundesrepublik Deutschland,

b) an den Grenzen der Europäischen Union insgesamt

tot aufgefunden worden (bitte nach Datum und Ort des Auffindens, Nationali-
tät des Opfers und Todesart bzw. Umständen des Todes aufschlüsseln)?

2. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2009 mit
körperlichen Verletzungen durch Erfrierungen, Unterkühlungen, Hunger/
Durst o. Ä. aufgegriffen worden, die sie sich im Zuge ihres ggf. unerlaubten
Grenzübertritts
a) in die Bundesrepublik Deutschland,

b) in die Europäische Union

zugezogen hatten (bitte nach Datum und Ort, Nationalität des Opfers, Körper-
verletzungsart aufschlüsseln)?

Drucksache 17/458 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
3. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2009
im Zuge ihres ggf. unerlaubten Grenzübertritts

a) durch Bundespolizei- oder Zollbeamte in Deutschland,

b) durch Bundespolizei- oder Zollbeamte in der Europäischen Union

durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs bzw. im Zuge einer entspre-
chenden Nacheile körperlich verletzt?

c) Wie viele Ermittlungs- und Disziplinarverfahren wurden diesbezüglich
eingeleitet und mit welchem Ergebnis abgeschlossen (bitte aufschlüsseln)?

4. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2009

a) in der Bundesrepublik Deutschland,

b) in der Europäischen Union

im Zuge ihrer ggf. unerlaubten Grenzübertritte durch Privatpersonen (z. B.
Jäger, Angehörige so genannter Bürgerwehren oder rechtsextremer Gruppie-
rungen) körperlich verletzt bzw. getötet (bitte nach Datum und Ort, Nationa-
lität des Opfers und Todes- bzw. Verletzungsart aufschlüsseln)?

c) Wie viele Ermittlungsverfahren wurden diesbezüglich eingeleitet und mit
welchem Ergebnis abgeschlossen (bitte aufschlüsseln)?

5. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2009

a) in der Bundesrepublik Deutschland,

b) in der Europäischen Union

– tot aufgefunden worden, nachdem sie im Zuge ihres Versuchs der ggf. un-
erlaubten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bzw. EU in ihrem
Transportmittel Sauerstoffmangel, Hunger, Durst, Kälte Überhitzung o. Ä.
ausgesetzt waren (bitte nach Datum und Ort, Nationalität der Opfer, Trans-
portmittel und Todesart aufschlüsseln);

– verletzt aufgefunden worden, nachdem sie im Zuge ihres Versuchs der ggf.
unerlaubten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bzw. EU in ihrem
Transportmittel Sauerstoffmangel, Hunger, Durst, Kälte Überhitzung o. Ä.
ausgesetzt waren (bitte nach Datum und Ort, Nationalität der Opfer, Trans-
portmittel und Verletzungsart aufschlüsseln)?

6. Falls zu den Fragen 1 bis 5 keine auf amtlichen Daten basierende Antwort ge-
geben werden kann:

a) Welche Daten liegen der Bundesregierung dazu ansonsten vor, z. B. aus
den Berichten der bei FRONTEX eingesetzten Bundesbeamten oder ent-
sprechende Daten, mit denen etwa Einrichtungen wie das „Gemeinsame
Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration“ (GASiM) arbeiten?

b) Welche Daten von Nichtregierungsorganisationen hat die Bundesregie-
rung zur Kenntnis genommen, und welche Schlüsse zieht sie daraus?

c) Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass im Rahmen der Tätig-
keit der Europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX solche Daten syste-
matisch erhoben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, und
wenn nein, warum nicht?

d) Wie hat sich die Bundesregierung bislang in den zuständigen Gremien zur
Forderung der Regierung der Niederlande verhalten, dass eine Erhebung
solcher Daten stattfinden solle, und wie begründet sie ihre Haltung?

Berlin, den 19. Januar 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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