BT-Drucksache 17/4527

Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland und Europa sicherstellen

Vom 25. Januar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4527
17. Wahlperiode 25. 01. 2011

Antrag
der Abgeordneten Ulrich Kelber, Rolf Hempelmann, Dirk Becker, Dr. Matthias
Miersch, Ingrid Arndt-Brauer, Doris Barnett, Sören Bartol, Gerd Bollmann,
Marco Bülow, Edelgard Bulmahn, Martin Burkert, Petra Ernstberger, Michael
Gerdes, Iris Gleicke, Michael Groß, Hubertus Heil (Peine), Petra Hinz (Essen),
Oliver Kaczmarek, Dr. Bärbel Kofler, Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Holger
Ortel, Heinz Paula, Gerold Reichenbach, Frank Schwabe, Dr. Martin Schwanholz,
Wolfgang Tiefensee, Ute Vogt, Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Dr. Frank-Walter
Steinmeier und der Fraktion der SPD

Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland und Europa sicherstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

im Rahmen der Beratungen auf europäischer Ebene dafür einzutreten, dass die
Umstellung des Energiesektors auf Basis der erneuerbaren Energien auch und
gerade innerhalb Deutschlands gewährleistet wird, dazu die Funktionsfähigkeit
von Systemen mit nationalen Einspeisetarifen und Einspeisevorrang für erneu-
erbare Energien erhalten bleibt und damit den Belangen einer nachhaltigen und
subsidiären Entwicklung Rechnung getragen wird.

Berlin, den 25. Januar 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

Begründung

Mit den einzelnen Maßnahmen zur Förderung der erneuerbaren Energien ist
eine erfolgreiche Erneuerung des Energiesektors in Deutschland eingeleitet
worden.

Im Strombereich steht das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) im Zentrum.
Durch die Förderung entsprechender Erzeugung wird nicht nur eine klima- und

umweltverträgliche Stromerzeugung geschaffen. Mit dem EEG werden zudem
Beschäftigungseffekte in lokaler Wertschöpfung erreicht, erwirbt die heimische
Industrie auf allen Ebenen der Produktion technologische Kompetenz und
Marktanteile in wachsenden Branchen sowie Exportmöglichkeiten in die Märkte
in und außerhalb Europas. 340 000 Jobs sind so in Deutschland entstanden, bei
Fortsetzung der 1998 begonnenen Politik könnten es bis 2020 mehr als 500 000
Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien werden.

Drucksache 17/4527 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Das EEG ist eben auch ein Instrument der Standortförderung in Deutschland. Es
schafft eine hohe Wertschöpfung in strukturschwachen Regionen. Der Ausbau
der erneuerbaren Energien soll daher auch weiterhin an allen Standorten in
Deutschland gefördert werden, die ausreichende Bedingungen aufweisen, um
eine lohnende Ausbeute sicherzustellen. Dies schafft eine größtmögliche Import-
unabhängigkeit.

Gerade wenn man wachsende Strommengen aus erneuerbaren Energien in den
Markt überführen will, muss man das EEG mit seinem Einspeisevorrang und
den degressiv ausgestalteten Tarifen auf Sicht erhalten. Schließlich geht es um
die sorgfältige Ausgestaltung eines Prozesses, der über entsprechende Anreize,
Instrumente und Maßnahmen den Marktübergang erst ermöglicht.

Insgesamt ist das EEG als Instrument der Umweltpolitik inzwischen zu einem
bedeutenden Faktor in der Wirtschaftspolitik geworden. Dieser mehrdimensio-
nale Erfolg des EEG hat dazu geführt, dass die Regelung weltweit imitiert und
adaptiert wird. Andere Systeme, wie sie etwa in Großbritannien praktiziert wer-
den, haben sich als weniger zielführend und deutlich kostenintensiver erwiesen.

Seit der Bundestagswahl 2009 ist der Erfolg des Instruments auf verschiedenen
Ebenen bedroht:

● Mit den verlängerten Laufzeiten der Atomkraft ergeben sich absehbare Frik-
tionen zwischen den Bedingungen klassischer Grundlasterzeugung und den
Anforderungen an moderne Stromerzeugung.

● Mit dem „Energiekonzept“ der Bundesregierung wird zwar nominell das
EEG und dessen Funktionsbedingungen bekräftigt. Durch eine Reihe von
Prüfaufträgen und Absichtserklärungen ergibt sich jedoch die Gefahr, dass
essentielle Faktoren wie etwa der Einspeisevorrang für erneuerbare Energien
faktisch ausgehöhlt werden und damit deren Ausbau real abgebremst oder
gar nachhaltig gestört wird.

● Mit dem niedersächsischen Umweltminister Hans-Heinrich Sander hat sich
erstmals ein nennenswerter Mandatsträger aus den Reihen der im Bund
koalierenden Parteien offen für eine Beendigung des EEG ausgesprochen.

● Die Vorstandsvorsitzenden bedeutender Energieunternehmen in Deutschland
wie RWE Vertrieb AG, E.ON Vertrieb Deutschland AG und Vattenfall
Europe AG haben sich in jüngster Zeit dafür ausgesprochen, die Maßnahmen
im Klimaschutz zu straffen und im Kern auf den europäischen Emissions-
handel zu reduzieren oder die Erzeugung dort zu konzentrieren, wo die topo-
grafisch oder meterologisch besten Bedingungen herrschen.

● In diesem Sinne sind auch Vorschläge des EU-Kommissars Günther Oettinger
(CDU) angelegt, wonach die Fördersysteme in der EU untereinander harmo-
nisiert werden sollen. Im Ergebnis würde die Erzeugung auf Basis erneuer-
barer Energien letztlich an die Orte verlagert, die besonders hohe Werte bei
Sonneneinstrahlung, Windhöffigkeit oder Biomasseerzeugung bieten, ohne
dass – wegen hoher Netzkosten und weiterer Monopolisierung – die End-
kundenpreise sinken würden. Der Bundesminister für Wirtschaft und Tech-
nologie, Rainer Brüderle, hat sich inzwischen in ähnlicher Weise geäußert.
Auch Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat die Vorschläge von EU-Kom-
missar Günther Oettinger begrüßt.

Diese Entwicklung und politischen Diskussionen bedrohen die Erneuerung des
Energiesektors. Insbesondere die erneuerbaren Energien können nur dann we-
sentlich dazu beitragen, wenn der Einspeisevorrang nominell und faktisch erhal-
ten bleibt, wenn bei der Hebung der Kostensenkungspotentiale von kurzfristigen
und damit kurzsichtigen Effekten abgesehen wird und wenn mögliche Investo-

ren nicht durch ständige Debatten über veränderte Rahmenbedingungen verun-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4527

sichert werden. In der Folge steigen durch Risikoaufschläge die Kosten für den
Umbau des Energiesektors.

Mit dem europäischen Sondergipfel zur Energiepolitik am 4. Februar 2011 er-
gibt sich die Gelegenheit, solchen Tendenzen und den damit verbundenen Be-
fürchtungen offensiv entgegen zu treten. Auch innerhalb der schwarz-gelben
Bundesregierung sind die Vorschläge des deutschen EU-Kommissars Günther
Oettinger umstritten. Der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit, Dr. Norbert Röttgen, hat sich dazu im WDR wie folgt geäußert:
„Das wäre eine Kampfansage an die deutsche Energiepolitik […] Wenn es so
käme, dass mit dem Geld der Deutschen in Süditalien und Spanien Märkte ent-
wickelt werden und wir dabei bleiben, unsere Energie zu importieren, dann
würde die gesamte Transformation unsinnig, und sie würde auch die Akzeptanz
in Deutschland verlieren. Eine EU-weite Harmonisierung wäre auch das Aus für
das deutsche Energiekonzept. Das könnten wir in die Papiertonne werfen.“

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