BT-Drucksache 17/4503

Nachträgliche Besteuerung von vereinnahmten Stückzinsen bei festverzinslichen Wertpapieren mit Anschaffung vor dem 1. Janaur 2009

Vom 21. Januar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4503
17. Wahlperiode 21. 01. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Harald Koch, Richard Pitterle, Dr. Axel Troost
und der Fraktion DIE LINKE.

Nachträgliche Besteuerung von vereinnahmten Stückzinsen bei festverzinslichen
Wertpapieren mit Anschaffung vor dem 1. Januar 2009

Mit der Ergänzung des § 52a Absatz 10 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) wollte der Gesetzgeber im Zuge des Jahressteuergesetzes 2010 die
steuerliche Behandlung von vereinnahmten Stückzinsen aus Wertpapieren mit
Anschaffung vor dem 1. Januar 2009 klarstellend regeln. Hinsichtlich deren
steuerlichen Behandlung existieren gegenläufige Rechtsauffassungen. So wird
teilweise argumentiert, dass es durch die Änderungen im Zuge der Unterneh-
mensteuerreform 2008 zu einer neuen steuerlichen Behandlung von Stückzinsen
in Altfällen gekommen ist. Daher seien diese nun aufgrund eines zu weiten An-
wendungsbereichs des § 52a Absatz 10 Satz 7 EStG alte Fassung steuerfrei ge-
stellt. Dieser Auffassung hat sich die Mehrheit der Kreditinstitute angeschlossen
und folglich in den Jahren 2009 und 2010 in entsprechenden Altfällen keinen
Kapitalertragsteuerabzug auf vereinnahmte Stückzinsen vorgenommen.

Mit dem Schreiben vom 16. Dezember 2010 hat das Bundesministerium der
Finanzen (BMF) geregelt, wie die Nachversteuerung der bisher unversteuerten
Stückzinsen zu erfolgen hat. Der Steuerpflichtige hat diese nach § 32d Absatz 3
EStG nachträglich zu deklarieren. Dies führt zu einem erheblichen bürokra-
tischen Mehraufwand für die Steuerpflichtigen und die Verwaltung. Die Proble-
matik zur Besteuerung von Stückzinsen in Altfällen waren der Bundesregie-
rung aber auch den Kreditinstituten bereits seit längerem bekannt. Gleichwohl
konnte zwischen beiden Parteien offenkundig innerhalb von zwei Jahren keine
Einigung hinsichtlich der geschilderten Problematik erzielt werden. Die Leid-
tragenden hiervon sind nun die Steuerpflichtigen, die eine nachträgliche Dekla-
ration der Einkünfte vornehmen müssen. Überdies besteht die Gefahr, dass in
bestimmten Konstellationen Steuersubstrat endgültig verloren geht. Es ist zu
hinterfragen, welche Schritte die Bundesregierung in der Vergangenheit unter-
nommen hat, um die aufgezeigte Problematik zu lösen, welche Alternativen zur
Lösung diskutiert wurden und wieso von einer Haftung der Banken für den feh-
lenden Kapitalertragsteuerabzug Abstand genommen wurde.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Steuerfälle sind nach Schätzungen der Bundesregierung von der
nachträglichen Deklaration der Stückzinsen jeweils in den Jahren 2009 und
2010 betroffen, welche Bemessungsgrundlage und welches Steueraufkom-
men ergeben sich hieraus (sofern keine exakten Daten vorliegen, bitte mit
Nennung einer Unter-/Obergrenze)?

Drucksache 17/4503 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Aus welchen Gründen wurde die gesetzliche Klarstellung zur Besteuerung
von Stückzinsen nicht in früheren Gesetzen, wie z. B. dem Bürgerentlas-
tungsgesetz oder dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz vorgenommen
(bitte mit Begründung)?

3. Welche Kreditinstitute sind der Bundesregierung bekannt, die Kapital-
ertragsteuer auf Stückzinsen einbehalten bzw. nicht einbehalten haben?

4. Wann hat die Bundesregierung erstmalig von der geschilderte Problematik
erfahren, und welche konkreten Schritte wurden seitdem unternommen, um
das Problem zu lösen (bitte mit Begründung)?

5. Wann hat die Bundesregierung erstmalig ihre Position zur steuerlichen
Behandlung der Stückzinsenproblematik dargelegt, und wurden hierzu Ge-
spräche mit den Kreditinstituten und den Verbänden geführt und wenn ja,
wann und mit welchen Ergebnissen?

6. Stimmt die Bundesregierung damit überein, dass die nun gefundene Lösung
gemäß Schreiben des BMF zu einer zusätzlichen Bürokratiebelastung der
Bürger führt, und stimmt die Bundesregierung weiterhin damit überein,
dass der Steuerbürger ohne tiefer reichende Steuerrechtskenntnisse und
ohne entsprechende Steuerbescheinigung der Bankinstitute nicht in der
Lage ist, die konkrete Höhe der vereinnahmten Stückzinsen zu ermitteln
(bitte mit Begründung)?

7. Welche weiteren Lösungsvorschläge zur nachträglichen Besteuerung der
Stückzinsen wurden mit Vertretern der Bankinstitute, mit Verbänden und
mit den obersten Finanzbehörden diskutiert, und aus welchen Gründen
wurde von einer Umsetzung dieser Abstand genommen (bitte mit Begrün-
dung)?

8. Wie ist der formlose Antrag des Steuerpflichtigen auf Erhöhung der Steuer
verfahrenstechnisch nach der Abgabenordnung (AO) zu werten, und nach
welchen Regelungen erfolgt eine nachträgliche Korrektur bestandskräftiger
Steuerbescheide (bitte mit Begründung)?

9. Bis zu welchem Zeitpunkt haben die Steuerpflichtigen den formlosen An-
trag nebst Bescheinigung der Banken an die Finanzämter zu senden, ohne
weitere Sanktionen befürchten zu müssen (bitte mit Begründung)?

10. Ist die verspätete Deklaration der Stückzinsen als leichtfertige Steuerver-
kürzung oder als Steuerhinterziehung zu werten, und wird die Zusendung
der Steuerbescheinigung zusammen mit dem formlosen Antrag als Selbst-
anzeige behandelt (bitte mit Begründung)?

11. Wie ist der Sachverhalt zu werten, wenn der Steuerpflichtige die erhaltene
Steuerbescheinigung nicht dem Finanzamt übersendet, und kann in diesen
Fällen das Kreditinstitut in Haftung genommen werden (bitte mit Begrün-
dung)?

12. Wie ist zu verfahren, wenn nicht mit Quellensteuer belegte Stückzinsen im
Rahmen einer beschränkten Steuerpflicht angefallen sind, bei welcher
grundsätzlich alle Kapitaleinkünfte mit abgeltender Besteuerung direkt an
der Quelle besteuert werden, und besteht in diesen Fällen die Gefahr, dass
die entsprechende Steuer nicht mehr eingetrieben werden kann (bitte mit
Begründung und unter Angabe der Anzahl der Fälle, die der Bundesregie-
rung bereits bekannt sind)?

13. Wie ist in den Fällen zu verfahren, in denen Stückzinsen ohne Quellen-
steuer auf Ebene von Investmentvermögen angefallen sind (bitte mit Be-
gründung)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4503

14. Wird es den Bankinstituten gestattet, entsprechende Stückzinsen auch im
Rahmen der regulären Bescheinigung für Kapitaleinkünfte dem Steuer-
pflichtigen bekanntzugeben, oder ist auch für das Jahr 2010 ein getrennter
Ausweis in zwei Bescheinigungen nötig (bitte mit Begründung)?

15. Aus welchem Grund werden die Bankinstitute verpflichtet, die Bescheini-
gung erst bis zum 30. April 2011 auszustellen, und können hierdurch Fall-
konstellationen entstehen, in denen Zinsen nach § 233a AO anfallen, wenn
zum 30. April 2011 die ausgestellte Bescheinigung dem Finanzamt zuge-
sandt wird (bitte mit Begründung und Schilderung der Fallkonstellation)?

16. Stimmt die Bundesregierung damit überein, dass bei Anfall von Zinsen
nach § 233a AO im Zusammenhang mit den nachdeklarierten Stückzinsen
der Steuerpflichtige diese aufgrund falscher Informationen nur bedingt zu
verschulden hat, und haben die Steuerbürger in derartigen Fällen einen An-
spruch gegenüber den Banken (bitte mit Begründung)?

17. Aus welchem Grund wird auf die Problematik hinsichtlich einer möglichen
Verzinsung im Muster unter den Hinweisen für den Steuerpflichtigen nicht
eingegangen (bitte mit Begründung)?

18. Aus welchem Grund wird unter den Hinweisen für den Steuerpflichtigen
nicht darauf eingegangen, welche ggf. auch strafrechtlichen Folgen das
Unterlassen der nachträglichen Deklaration der Stückzinsen nach sich zie-
hen kann (bitte mit Begründung)?

19. Wie ist in Fällen zu verfahren, in denen durch die nachträglich deklarierten
Stückzinsen negative Kapitaleinkünfte ausgeglichen werden können, so
dass eine Verlustbescheinigung nötig, hingegen die Frist zur Beantragung
bei den Banken bereits abgelaufen ist (bitte mit Begründung)?

20. Aus welchem Grund werden die Banken nicht zur steuerlichen Haftung des
fehlenden Steuerabzugs herangezogen, und bestünde hierzu steuerrechtlich
die Möglichkeit sowie welche Folgen hätte dies für eine nachträgliche Be-
steuerung der Steuerpflichtigen auch im Hinblick gegenüber dem Rechts-
verhältnis zwischen Bank und Steuerpflichtigem (bitte mit Begründung)?

21. Hat der fehlende Steuerabzug der Banken weitere ggf. auch strafrechtliche
Konsequenzen für diese, und welche Möglichkeiten bestehen allgemein,
dieses Vorgehen oder vergleichbare Fälle des bewussten Nichteinbehaltens
von Quellensteuern zu ahnden (bitte mit Begründung)?

22. Können die fehlenden Informationen zur Höhe vereinnahmter Stückzinsen
bei den Steuerpflichtigen mittels eines automatisierten Abrufs von Konto-
informationen gewonnen werden, und welche Möglichkeiten existieren,
eine vollständige Erhebung der bisher nicht deklarierten Stückzinsen
sicherzustellen (bitte mit Begründung)?

23. Zu welchem bürokratischem Mehraufwand bei der Verwaltung und den
Steuerpflichtigen führt die nachträgliche Deklaration von Stückzinsen und
die damit verbundene Korrektur von Steuerbescheiden (bitte unter Anwen-
dung des Standardkostenmodells mit Begründung)?

24. Stimmt die Bundesregierung damit überein, dass durch den falschen Kapi-
talertragsteuereinbehalt die Steuerpflichtigen Vertrauen in ein ordentliches
Funktionieren der Abgeltungsteuer verloren haben können (bitte mit Be-
gründung)?

25. Aus welchem Grund wurde das Schreiben des BMF vom 16. Dezember
2010 erst ca. drei Wochen später am 10. Januar 2011 der Öffentlichkeit per
Newsletter zur Verfügung gestellt (bitte mit Begründung)?

Drucksache 17/4503 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
26. Welche rechtlichen Ansprüche hat der Steuerpflichtige gegenüber den Kre-
ditinstituten, das Ausstellen der Bescheinigung vor dem 30. April 2011 zu
verlangen (bitte mit Begründung)?

27. Erstreckt sich die Korrektur von Steuerbescheiden bei nachträglicher De-
klaration von Stückzinsen auch auf weitere Aspekte, wie z. B. Änderungen
von gesonderten Verlustvorträgen, wenn diese nun infolge der erhöhten
Einkünfte ausgeglichen werden können, oder die Höhe der abzugsfähigen
Spenden, und wird es dem Steuerpflichtigen gestattet, Wahlrechte wie z. B.
§ 32d Absatz 4 EStG oder zur Veranlagung erneut zu seinen Gunsten und
ggf. abweichend zur bisherigen Entscheidung ausüben zu können (bitte mit
Begründung)?

28. Wie ist zu verfahren, wenn der Steuerpflichtige ohne Berücksichtigung der
Stückzinsen bisher keine Steuererklärung abgeben musste, durch die hin-
zugekommenen Stückzinsen nun aber eine Pflicht zur Einreichung einer
Steuererklärung besteht (bitte mit Nennung von möglichen Sanktionen,
verfahrensrechtlicher Handhabe, Fristen zur Einreichung der Steuererklä-
rung und Begründung)?

Berlin, den 21. Januar 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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