BT-Drucksache 17/4441

Richterliche Mediation - Entlastung der Justiz

Vom 12. Januar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4441
17. Wahlperiode 12. 01. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ingrid Hönlinger, Katja Dörner, Kai Gehring, Dr. Hermann Ott,
Wolfgang Wieland, Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Richterliche Mediation – Entlastung der Justiz

Das Europäische Parlament und der Rat haben am 21. Mai 2008 über be-
stimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen die Richtlinie
2008/52/EG erlassen. Ziel dieser Richtlinie ist es, den Zugang zur alternativen
Streitbeilegung zu erleichtern und die gütliche Beilegung von Streitigkeiten zu
fördern, indem zur Nutzung der Mediation angehalten und für ein ausgewoge-
nes Verhältnis zwischen Mediation und Gerichtsverfahren gesorgt wird. Die
Richtlinie ist bis zum 21. Mai 2011 umzusetzen. Der Anwendungsbereich gilt
zwar primär nur für grenzüberschreitende Streitigkeiten. Den Mitgliedstaaten
wurde jedoch freigestellt, mögliche Maßnahmen zur Förderung der Nutzung
der Mediation auf innerstaatlicher Ebene einzuleiten.

Das Verfahren der Mediation ist in Deutschland noch nicht gesetzlich geregelt.
Dennoch wird es bereits in vielen Bereichen als alternative Konfliktlösungs-
methode zum Gerichtsverfahren praktiziert. Insbesondere im Familienrecht,
Erbrecht, Wirtschaftsrecht und Zivilrecht wird das Mediationsverfahren ver-
stärkt angewandt.

Das Bundesministerium der Justiz hat Anfang August 2010 einen Referenten-
entwurf zu einem deutschen Mediationsgesetz vorgelegt. In diesem wird ein
Teil der regelungsbedürftigen Aspekte aufgegriffen. Der Entwurf sieht unter
anderem eine Rechtsgrundlage für die richterliche Vermittlung/Mediation vor.
Dabei wird innerhalb des Gerichts von einem nicht entscheidungsbefugten
Richter mit mediativen Techniken auf eine einvernehmliche Lösung hinge-
wirkt.

Die 76. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 29. bis
30. Juni 2005 in Dortmund hat beschlossen, dass die richterliche Vermittlung/
Mediation als Übergangslösung ein lohnender Weg ist, um konsensuale Streit-
beilegung zu fördern. Daraufhin wurden in verschiedenen Bundesländern Pilot-
projekte zu richterlicher Vermittlung/Mediation gestartet. Dieses Verfahren hat
sich in vielen Bundesländern unterschiedlich stark etabliert. Für die Parteien
entstehen keine zusätzlichen Gerichtskosten.
Mit der Einführung des neuen Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen
und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) am
1. September 2009 wurde die außergerichtliche Mediation erstmals ins Gesetz
mit aufgenommen. Das Gericht kann in Scheidungs- und Folgesachen ein kos-
tenfreies Informationsgespräch über Mediation anordnen und in Kindschafts-
sachen auf Mediation hinweisen (§§ 135, 156 FamFG). In diesen Fällen findet
das Mediationsverfahren selbst außerhalb des Gerichts statt und wird von

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Mediatorinnen und Mediatoren aus den juristischen oder psychologisch-päda-
gogischen Berufen durchgeführt. Bisher existiert keine Mediationskostenhilfe
für anfallende Kosten für Mediationsverfahren außerhalb des Gerichtsverfah-
rens.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welchen Bundesländern wird die richterliche Mediation praktiziert

a) an welchen Gerichten,

b) auf welchen Rechtsgebieten?

2. a) Wie werden nach Kenntnis der Bundesregierung in den Bundesländern
an den jeweiligen Gerichten die einzelnen Mediationsfälle verteilt (als
Justizverwaltungssache oder durch Präsidiumsbeschluss)?

b) Welche typischen Organisationsabläufe gibt es insoweit?

3. Wie viele Richterinnen und Richter arbeiten nach Kenntnis der Bundesregie-
rung an dem jeweiligen Gericht als Mediatorinnen und Mediatoren (Gesamt-
zahl der Richterinnen und Richter und der richterlichen Mediatorinnen und
Mediatoren)?

4. a) Wie viel Zeit wird für eine Mediation am Gericht durch eine Richterme-
diatorin oder einen Richtermediator durchschnittlich gebraucht?

b) Wie wird die Zeit bemessen?

c) Wird bei dem jeweiligen Gericht eine bestimmte Zeitdauer zugrunde
gelegt, innerhalb der die richterliche Mediation abgeschlossen werden
sollte?

Wenn ja, welche Zeitdauer?

5. Gibt es Vergleichszahlen bezüglich des Zeitaufwands der Richterin bzw. des
Richters, der für die Erledigung eines Verfahrens durch ein streitiges Verfah-
ren bzw. durch eine richterliche Mediation zu veranschlagen ist?

6. a) Wie viele Verfahren gehen pro Jahr bei dem jeweiligen die richterliche
Mediation anbietenden Gericht neu ein?

b) Wie viele Fälle hiervon muss jede Richterin bzw. jeder Richter pro Jahr
bearbeiten?

c) Wie viele Fälle muss die richterliche Mediatorin bzw. der Mediator pro
Jahr bearbeiten?

7. a) Wie umfassend ist die Aus- und Fortbildung der richterlichen Mediato-
rinnen und Mediatoren nach Anzahl der Stunden?

b) Wird die Aus- und Fortbildung von externen Trägern oder von anderen
Richterinnen und Richtern durchgeführt?

c) Wird auch externe Supervision angeboten?

d) Gibt es weitere Aus- und Fortbildungsangebote?

8. a) Übernehmen die Länder die Kosten der Aus- und Fortbildung für die
richterlichen Mediatorinnen und Mediatoren, und wenn ja, in welchem
Umfang?

b) Übernehmen die Länder die Kosten für eine Supervision für die richter-
lichen Mediatorinnen und Mediatoren?

9. Inwiefern wird der Justizhaushalt in den jeweiligen Ländern durch die Pilot-
projekte der richterlichen Mediation an den Gerichten in personeller und

finanzieller Hinsicht tatsächlich entlastet?

Welchen Umfang hat die konkrete personelle und finanzielle Einsparung?

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10. a) Wie häufig und in welchem Umfang machen die Gerichte von der Mög-
lichkeit der Anordnung einer Information über Mediation nach § 135
FamFG Gebrauch?

b) Nach welchen Grundsätzen und wohin vermitteln die Gerichte die Par-
teien in diesen Fällen?

11. Wie hoch wären die konkreten personellen und finanziellen Einsparpoten-
ziale, wenn z. B. 10 Prozent der Fälle generell an freie Mediatorinnen und
Mediatoren verwiesen würden?

12. a) Welche Länder haben geprüft, ob es sinnvoll und möglich ist, Koordi-
nierungsstellen für die außergerichtliche Streitbeilegung einzurichten,
die die Konfliktparteien bei der Suche nach einer geeigneten, außerge-
richtlichen Stelle für Mediation oder eine andere Form der außergericht-
lichen Konfliktlösung unterstützen?

b) Welche Länder haben geprüft, ob sie nach dem Vorbild der Gerichte in
den Niederlanden sog. Mediationskoordinatoren bestellen, die die Kon-
fliktparteien bei der Suche nach einer geeigneten, außergerichtlichen
Stelle für Mediation oder eine andere Form der außergerichtlichen Kon-
fliktlösung unterstützen können?

c) Welche Ergebnisse hatten diese Prüfungen?

13. An welchen Gerichten des Bundes und in welchen Rechtsgebieten wird die
richterliche Mediation praktiziert?

14. Wie sind die Fragen 2 bis 9 und 11 für die an den Bundesgerichten prakti-
zierte Mediation zu beantworten?

Berlin, den 12. Januar 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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