BT-Drucksache 17/4319

Rüstungsexportbericht 2009

Vom 20. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4319
17. Wahlperiode 20. 12. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan van Aken, Christine Buchholz, Sevim Dag˘delen, Annette
Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Niema Movassat, Thomas Nord, Harald Koch,
Paul Schäfer (Köln), Alexander Ulrich, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Rüstungsexportbericht 2009

Die Bundesrepublik Deutschland ist der drittgrößte Exporteur von Kriegswaffen
und sonstigen Rüstungsgütern weltweit.

Der nun vorliegende Bericht belegt erneut, dass die Rüstungsexportpolitik der
Bundesregierung maßgeblich durch außenwirtschaftliche und nationale indus-
triepolitische Interessen geleitet wird und globale friedens- und entwicklungs-
politische Notwendigkeiten dabei in den Hintergrund treten. So wurden bei-
spielsweise Waffen und Rüstungsgüter im Wert von knapp 1 Mrd. Euro allein
2009 an nahezu alle Länder des Nahen und Mittleren Ostens genehmigt, eine der
politisch instabilsten und hoch gerüstetsten Regionen der Welt. In die Entwick-
lungsländer und die ärmsten Entwicklungsländer wurden von 2001 bis 2009
Ausfuhren von insgesamt gut 4,5 Mrd. Euro genehmigt, in 2009 waren es allein
0,5 Mrd. Euro.

Der Deutsche Bundestag wird jedoch über Rüstungsexportgenehmigungen erst
nachträglich und nur sehr eingeschränkt informiert. Der Rüstungsexportbericht
der Bundesregierung für 2009 wurde erst Ende 2010 veröffentlicht, obwohl eine
zeitnahe Berichterstattung an den Deutschen Bundestag und die Öffentlichkeit
bis spätestens Juni des Folgejahres erfolgen soll. Und auch der vorliegende
Rüstungsexportbericht enthält nicht alle im Zusammenhang mit Rüstungsexpor-
ten verfügbaren Informationen und lässt viele Fragen offen, wie z. B. die Verein-
barkeit von Waffenexporten in bestimmte Länder mit den deutschen Export-
bestimmungen, die Ausgestaltung von Endverbleibserklärungen und wichtige
Informationen zu Kleinwaffen und zu Lizenzproduktionen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie begründet die Bundesregierung ihre Ausfuhrgenehmigungen in nahezu
alle Staaten des Nahen und Mittleren Ostens, vor dem Hintergrund der Poli-
tischen Grundsätze der Bundesregierung, in der sie festgelegt hat, dass Waf-
fenlieferungen in Länder, in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinander-
setzungen droht oder bestehende Spannungen und Konflikte durch den
Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden, nicht genehmigt
werden?

2. Wie begründet die Bundesregierung die Genehmigung von Waffenlieferun-
gen nach Mexiko, vor dem Hintergrund des Gemeinsamen Standpunkts
2008/944/GASP des Rates vom 8. Dezember 2008, in dem sich die Mitglied-
staaten der EU dazu bekennen, mit Entschlossenheit zu verhindern, dass
Militärtechnologie und Militärgüter ausgeführt werden, die zu interner Re-
pression eingesetzt werden können, angesichts der prekären Menschenrechts-

Drucksache 17/4319 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

situation in Mexiko, auf die Menschenrechtsorganisationen, wie Amnesty
International, regelmäßig hinweisen?

3. Welche Schritte hat die Bundesregierung seit den ersten Meldungen zu den
mutmaßlich illegalen G36-Exporten nach Mexiko durch Heckler & Koch
GmbH vom 16. August 2010 (DER SPIEGEL) unternommen, um den mut-
maßlichen Verstoß gegen die nach eigenen Angaben der Bundesregierung
regional eingeschränkten Endverbleibserklärungen für Mexiko aufzuklä-
ren?

4. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den von „Report
Mainz“ am 13. Dezember 2010 präsentierten Fakten, die zeigen, dass Ge-
wehre aus deutschen Lieferungen in Mexiko auch in Unruheprovinzen ein-
gesetzt werden, für die es nach Angaben der Bundesregierung keine Geneh-
migung gab, und die belegen, dass Mexiko unzuverlässig im Hinblick auf
die Einhaltung ihrer Endverbleibserklärungen ist?

a) Hat die Bundesregierung alle Genehmigungen für Rüstungsexporte nach
Mexiko ausgesetzt, bis der Vorfall endgültig aufgeklärt ist?

Wenn nicht, warum nicht?

b) Trifft es zu, dass die Bundesregierung die Position vertritt, dass Geneh-
migungen für Exporte ausgesetzt werden, wenn das Land bzw. die Lie-
ferfirma Anlass zum Misstrauen gegeben hat und die Einhaltung der
Endverbleibserklärungen nicht mehr überzeugend gewährleistet wird?

5. Wurden angesichts des Mexiko-Falles auch alle Genehmigungen für die
Firma Heckler & Koch GmbH ausgesetzt, bis der Vorfall geklärt ist?

Wenn nicht, warum nicht?

6. Warum wurde im Fall Mexiko eine regionale Beschränkung in die Endver-
bleibserklärungen aufgenommen?

7. Wird die Bundesregierung auch in Zukunft Endverbleibserklärungen mit
einer regionalen Einschränkung versehen, und wenn ja, was ist der Nutzen
dieser Einschränkung?

8. Bei wie vielen Empfängerländern und bei welchen werden Endverbleibs-
erklärungen mit einer Einschränkung hinsichtlich der lokalen Verwendung
der Exportgüter versehen?

9. Auf welcher rechtlichen Grundlage werden Endverbleibserklärungen regio-
nal eingeschränkt, und welche Kontroll- und Sanktionsmaßnahmen stehen
der Bundesregierung bei Verstoß gegen diese Einschränkung zur Verfü-
gung?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund des aktuellen Falls
in Mexiko die Wirksamkeit von Endverbleibserklärungen, die die Verwen-
dung von Waffen im Empfängerland regional einschränken?

11. Was spricht nach Ansicht der Bundesregierung dagegen, im Rüstungs-
exportbericht Angaben zu Maßnahmen der Exportförderung von Waffen-
geschäften zu machen, wie z. B. zu Hermes-Kreditbürgschaften, zur Mit-
nahme von Vorstandsmitgliedern von Rüstungskonzernen auf Reisen von
Mitgliedern des Kabinetts oder der Bereitstellung von Kampfflugzeugen
der Bundeswehr zu Demonstrationszwecken in Indien?

12. Was spricht nach Ansicht der Bundesregierung dagegen, im Rüstungs-
exportbericht Angaben zu der Vergabe von Lizenzproduktionen zu machen?

13. Hat die Bundesregierung Kenntnis von einer Lizenz von Heckler & Koch
GmbH für die Produktion von Sturmgewehren und/oder Maschinenpistolen
in Saudi Arabien, und wurde diese genehmigt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4319

14. Wie lange dauerten durchschnittlich einzelne Genehmigungsverfahren nach
dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen vom Zeitpunkt ihrer An-
tragstellung bis zum endgültigen Bescheid

a) im Jahr 2009,

b) im Jahr 1999?

c) Im Falle von Verfahrensverlängerungen zwischen 1999 und 2009:
Worauf lassen sie sich zurückführen?

15. Wie lange dauerten durchschnittlich einzelne Genehmigungsverfahren nach
dem Außenwirtschaftsgesetz vom Zeitpunkt ihrer Antragstellung bis zum
endgültigen Bescheid

a) im Jahr 2009,

b) im Jahr 1999?

c) Im Falle von Verfahrensverlängerungen zwischen 1999 und 2009:
Worauf lassen sie sich zurückführen?

16. Trifft es zu, dass im Einzelfall Genehmigungsverfahren auch sechs Monate
oder länger dauern können?

17. Wie viele Kleinwaffen wurden bislang aufgrund der „Neu-für-Alt“-Rege-
lung aus dem Verkehr gezogen?

18. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die „Neu-für-Alt“-Regelung
ein wichtiger Beitrag zur Kontrolle von Kleinwaffen ist, und bei wie vielen
Rüstungsexportgeschäften für Kleinwaffen konnte die „Neu-für-Alt“-Rege-
lung im Jahr 2009 angewendet werden?

19. Wenn bis heute keine statistische Erfassung über die Anwendung der Rege-
lung eingeführt wurde (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 16/5716),
wie begründet die Bundesregierung diese Entscheidung, und auf welche
Weise kommt die Bundesregierung zu ihrem Urteil hinsichtlich Erfolg und
Relevanz dieser Regelung?

20. Wie, wann und wo wurden wie viele dieser alten, nach Deutschland zurück
verbrachten Kleinwaffen vernichtet?

21. Ist ein Exportvorhaben für Kleinwaffen im Jahr 2009 daran gescheitert, weil
die Bundesregierung den Grundsatz „neu für alt“ zur Bedingung für den Ex-
port gemacht hat?

Wenn ja, welche?

22. Warum werden im Rüstungsexportbericht keine detaillierteren Angaben zur
Anwendung des Prinzips „neu für alt“ gemacht, und was spricht gegen eine
statistische Erfassung zu diesem Zweck?

23. Welchen Stückpreis hatten die im Jahr 2009 an Chile gelieferten 60 Leo-
pard-2-Panzer, welchen die 146 Schützenpanzer Marder (bitte sowohl den
Stückpreis bei Aussonderung aus Bundeswehrbeständen als auch den nach
der Umrüstung/Überholung auflisten)?

24. Für den Export welcher Produktionszeichnungen für Teile von Handfeuer-
waffen nach Indien wurden im Jahr 2009 Genehmigungen erteilt (bitte an-
geben, für welche Handfeuerwaffentypen die Teile bestimmt sind)?

25. Für welche Gefechtsköpfe im Einzelnen wurde im Jahr 2009 die Ausfuhr
von Fertigungsunterlagen nach Indien genehmigt, und welchen prozentua-
len Anteil am Gesamtwert des einzelnen Sprengkopfs werden in Zukunft
deutsche Zulieferungen haben?

Drucksache 17/4319 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
26. Für welche Gefechtsköpfe im Einzelnen wurde im Jahr 2009 die Ausfuhr
von Fertigungsunterlagen nach Südkorea genehmigt, und welchen prozen-
tualen Anteil am Gesamtwert des einzelnen Sprengkopfs werden in Zukunft
deutsche Zulieferungen haben?

27. Welchen Verwendungszweck hat die für Libyen genehmigte Kommunika-
tionsausrüstung, und kann die Bundesregierung ausschließen, dass sie zur
Kontrolle von Migrationsbewegungen genutzt wird?

Berlin, den 17. Dezember 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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