BT-Drucksache 17/4310

Zukünftige Entwicklung und Bilanz des Bleiberechts für langjährig geduldete Menschen

Vom 17. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4310
17. Wahlperiode 17. 12. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Sevim Dag˘delen, Wolfgang Neskovic,
Petra Pau, Jens Petermann, Raju Sharma und der Fraktion DIE LINKE.

Zukünftige Entwicklung und Bilanz des Bleiberechts für langjährig geduldete
Menschen

Die Innenminister und -senatoren der Länder haben sich auf ihrer Konferenz
(Innenministerkonferenz – IMK) vom 18./19. November 2010 in Hamburg da-
für ausgesprochen, eine Bleiberechtsregelung für „gut integrierte Jugendliche
und Heranwachsende“ entsprechend der Regelung nach § 37 des Aufenthalts-
gesetzes (AufenthG) zu schaffen. Deren Eltern sollen jedoch nur dann ein Auf-
enthaltsrecht erhalten können, wenn der „Lebensunterhalt der Familie überwie-
gend“ durch „eigene Leistungen“ gesichert ist.

Die Innenminister und -senatoren nehmen damit sehenden Auges in Kauf, El-
tern von ihren Kindern nach einem langjährigen gemeinsamen Aufenthalt in
Deutschland zu trennen, weil die einen im eigenen Verwertungsinteresse als
„nützlich“ und die anderen als „unnütz“ erachtet werden. Solche Denkweise
und Politik widersprechen grundlegend dem Schutzauftrag nach Artikel 6 des
Grundgesetzes (GG), einem christlichen Familien- und Menschenbild ohnehin,
aber auch dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, in dem es
heißt: „Die Familie bleibt das Fundament unserer Gesellschaft, die auf Zusam-
menhalt gründet. Familien übernehmen generationenübergreifend Verantwor-
tung füreinander. Eltern zu stärken ist unser Ziel; denn starke Kinder brauchen
starke Eltern“.

Die von der IMK vorgeschlagene Regelung mutet Kindern zu, durch gute schu-
lische Leistungen ein Bleiberecht für ihre gesamte Familie zu erzielen und sich
dann mit Erreichen der Volljährigkeit gegebenenfalls für oder gegen ein weite-
res Zusammenleben mit ihren Eltern entscheiden zu müssen. Sie mutet Lehr-
kräften zu, mit schulischen Bewertungen zugleich über das Aufenthaltsrecht
ganzer Familien zu entscheiden. Und sie mutet den Eltern zu, sich im Zweifels-
fall von ihren Kindern zu trennen in der Hoffnung, dass diese in Deutschland
bessere Zukunftschancen haben werden, oder ihren hier aufgewachsenen und
sozialisierten Kindern die „Heimat“ zu nehmen, wenn sie sich für eine gemein-
same Ausreise entscheiden, um so die Familieneinheit sicherzustellen. Eine
solche familienfeindliche Regelung nach reinen Nützlichkeitserwägungen ist
nach Auffassung der Fragestellerinnen und Fragesteller schlicht unmenschlich.
Der Bundesgesetzgeber ist bei der Ausgestaltung einer Bleiberechtsregelung
selbstredend nicht an den Beschluss der IMK gebunden. Die Notwendigkeit
einer gesetzlichen Regelung für das weiterhin ungelöste Problem langjähriger
Kettenduldungen liegt auf der Hand: Immer noch sind etwa 60 000 Menschen
lediglich mit einer Duldung oder Aufenthaltsgestattung in Deutschland, obwohl
sie bereits länger als sechs Jahre hier leben, und der Anteil der langjährig Ge-
duldeten an allen Geduldeten ist mit 64 Prozent so hoch wie nie zuvor. Hinzu

Drucksache 17/4310 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

kommt eine große Zahl ausreisepflichtiger Personen ohne Duldung, die eben-
falls bereits länger als sechs Jahre in Deutschland leben: Laut der Antwort der
Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 17/1539 (zu Frage 10) sind dies
mehr als 50 000 Menschen, in ihrer Antwort auf Bundestagsdrucksache 17/3160
(zu Frage 6) behauptete die Bundesregierung jedoch, keine validen Angaben zu
dieser Gruppe machen zu können. Auch viele der im Rahmen der gesetzlichen
Altfallregelung bzw. der IMK-Bleiberechtsregelung häufig nur „auf Probe“
erteilten Aufenthaltserlaubnisse stehen unter dem Vorbehalt einer erneuten
Prüfung zum 31. Dezember 2011. Tausenden droht dann bei unveränderter Ge-
setzeslage trotz des dann bereits über zehn- bzw. zwölfjährigen Aufenthalts ein
Rückfall in die Duldung bzw. eine Abschiebung.

Alle Oppositionsfraktionen (SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) haben deshalb – unterschiedlich weitgehende – Vorschläge für eine
Änderung des Aufenthaltsgesetzes gemacht (vgl. z. B. Gesetzentwurf der Frak-
tion DIE LINKE., Bundestagsdrucksache 17/1557). Gemeinsam ist diesen Ini-
tiativen die Forderung nach einem Verzicht auf ausschließende Stichtagsregelun-
gen sowie nach lockereren Kriterien für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
nach länger geduldetem Aufenthalt. Bei einer Anhörung des Innenausschusses
des Deutschen Bundestages am 27. Oktober 2010 unterstützten alle regierungs-
unabhängigen Sachverständigen übereinstimmend dieses Grundanliegen der
Opposition.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung den genannten Beschluss der IMK vom
18./19. November 2010 zu Tagesordnungspunkt 25 (Aufenthaltsregelung für
integrierte Kinder und Jugendliche nach langjährigem Aufenthalt)?

2. Welche Rolle spielte der Bundesminister des Innern als „Gast“ der IMK
beim Zustandekommen dieses Beschlusses, und welche Position hat er in
den Gesprächen hierzu vertreten (etwa zur Frage, ob eine gesetzliche oder
eine erneute IMK-Regelung erforderlich ist und wie weitgehend diese sein
soll)?

3. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem genannten
Beschluss, sieht sie ihn als eine Aufforderung zur Erarbeitung einer Gesetzes-
initiative an, und gibt es insbesondere einen Zeitplan für die Vorlage eines Ge-
setzentwurfs (welchen genaueren Inhalts), der sich mit diesem Thema befasst,
gegebenenfalls auch unabhängig vom IMK-Beschluss (wenn ja, welchen)?

4. Denkt die Bundesregierung daran, für integrierte Kinder und Jugendliche
nach langjährig geduldetem Aufenthalt eine Regelung entsprechend § 37
AufenthG zu treffen, welche Gründe sprechen für, welche sprechen gegen
eine solche Regelung entsprechend § 37 AufenthG (bitte ausführen), oder
welche andere rechtliche Konstruktion hält die Bundesregierung gegebenen-
falls für vorzugswürdig (z. B. eine Regelung in § 25 Absatz 5 AufenthG,
entsprechend § 104a AufenthG oder in einem neuen Paragrafen)?

5. Ist der IMK-Beschluss nach Auffassung der Bundesregierung und in Kennt-
nis der Diskussionen beim Zustandekommen des Beschlusses so zu interpre-
tieren,

a) dass eine Regelung mit Rechtsansprüchen für Kinder bzw. Jugendliche
(und/oder ihre Eltern) oder eine Regelung im Ermessen der Behörden
nach der nahezu einhelligen Auffassung der IMK gewünscht wird (siehe
abweichende Protokollnotiz lediglich von Bayern),

b) dass nur die Eltern eine „überwiegende“ eigenständige Lebensunterhalts-
sicherung – zu welchem Zeitpunkt – nachweisen müssen, oder auch die

Kinder und Jugendlichen, und ist der Begriff „überwiegend“ ähnlich wie
im Rahmen der gesetzlichen Altfallregelung oder anders auszulegen,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4310

c) dass auch eine Rückkehr bereits abgeschobener oder ausgereister Kinder
(mit oder ohne Eltern) nach Deutschland, vergleichbar der Regelung nach
§ 37 AufenthG oder unter anderen Bedingungen, möglich sein soll,

d) dass in besonderen Fällen oder generell ein anerkannter Schulabschluss
genügen soll, oder/und soll auf die Dauer des Aufenthalts und/oder des
Schulbesuchs (wie lange) abgestellt werden,

e) und wie steht die Bundesregierung zu all diesen in den obigen Buchsta-
ben genannten Fragen, unabhängig davon, wie es von den Innenministern
und -senatoren beschlossen wurde bzw. gemeint war?

6. Wie ist der im IMK-Beschluss verwandte Begriff „erhebliche Straftaten“
beim möglichen Ausschluss von Eltern genauer zu interpretieren und auszu-
legen, und wie wird im Aufenthalts- oder Ausweisungsrecht dieser Begriff
„erhebliche Straftaten“ in anderen Zusammenhängen ausgelegt und konkre-
tisiert?

7. Sollen gut integrierte Kinder und Jugendliche auch gegen den Willen der
Eltern ein Bleiberecht beantragen können (bitte nach Alter bis 16 bzw. zwi-
schen 16 und 18 Jahren differenzieren), oder entscheiden letztlich die Eltern
für ihre Kinder bis zum Erreichen der Volljährigkeit – wie ist es nach Ansicht
der Bundesregierung von der IMK intendiert –, und wäre ein Antrag Minder-
jähriger gegen den Willen der Eltern mit der geltenden Rechtslage überhaupt
vereinbar?

8. Inwieweit hält die Bundesregierung die von der IMK geforderte Bleibe-
rechtsregelung für integrierte Kinder und Jugendliche nach langjährigem
Aufenthalt bzw. insbesondere die darin enthaltene Regelung zur möglichen
Trennung von angeblich nicht ausreichend integrierten Eltern trotz langjäh-
rig bestehender, enger Familienbeziehungen für vereinbar

a) mit Artikel 6 GG,

b) mit Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK),

c) der „christlich-jüdischen Tradition“, die zumindest nach der Auffassung
einer Regierungspartei die Grundlage für den Zusammenhalt der Gesell-
schaft und die „Leitkultur“ in Deutschland bilden soll,

d) und inwieweit sollen nach Auffassung der Bundesregierung die bei ein-
gewanderten Menschen häufig engeren Familienbindungen in diesem
Zusammenhang berücksichtigt werden

(bitte jeweils ausführlich begründen)?

9. Inwieweit teilt die Bundesregierung das Eckpunktepapier der Bundesministe-
rin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, zur Bleiberechtsdebatte,
und welchen Stellenwert und welche Bedeutung hat dieses Papier in der
regierungsinternen Debatte zum Thema Bleiberecht?

a) Inwieweit wird sich die Bundesregierung für einen sofortigen Abschie-
bestopp der potenziell Betroffenen einsetzen, wie in dem Eckpunktepa-
pier vorgesehen (bitte begründen)?

b) Inwieweit plant die Bundesregierung, eine gesetzliche Regelung bereits
in den Gesetzentwurf zur Zwangsheirat einzustellen, wie in dem Eck-
punktepapier vorgeschlagen?

c) Inwieweit teilt die Bundesregierung den Ansatz, dass keine starre Alters-
grenze oder Aufenthaltsdauer (von einer Mindestaufenthaltsdauer von
maximal drei Jahren abgesehen), sondern immer der „Grad der Integra-
tion“ entscheidend für ein Bleiberecht sein soll?

Drucksache 17/4310 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

d) Welche Kriterien sind nach Auffassung der Bundesregierung entschei-
dend, um den „Grad der Integration“ messen zu können, und wie soll
mit dem „Zirkelschluss“ umgegangen werden, dass es häufig von den
(ausschließenden oder integrierenden) Gesetzen bzw. der „Güte“ der je-
weiligen schulischen Institutionen abhängt, wie der jeweilige „Grad der
Integration“ bei den betroffenen Kindern ist?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung und wie beurteilt die Bundesbeauftragte
für Migration, Flüchtlinge und Integration den Vorschlag des Sachverstän-
digen Christian Storr, Leiter der Stabsstelle des Integrationsbeauftragten
der Landesregierung, Justizministerium Baden-Württemberg, zur Anhö-
rung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 27. Oktober
2010 zum Thema Bleiberecht (Ausschussdrucksache 17(4)100 G, S. 11),
Arbeitsverbote als Sanktion bei (angeblich) verhinderter Abschiebung nach
§ 11 der Beschäftigungsverfahrensverordnung abzuschaffen, weil es in
jedem Fall besser sei, wenn die Betroffenen ihren Lebensunterhalt im Zwei-
felsfall selbst bestreiten könnten?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung und wie beurteilt die Bundesintegra-
tionsbeauftragte die Auffassung des Sachverständigen Christian Storr
(Ausschussdrucksache 17(4)100 G, S. 8 ff.), wonach dem Kindeswohl „im
Ausländerrecht noch nicht ausreichend Rechnung getragen“ werde, und
wie steht sie insbesondere zu dessen Forderungen in diesem Zusammen-
hang nach

a) Anhebung der Handlungsfähigkeit im Asyl- und Aufenthaltsrecht auf
18 Jahre,

b) Änderung von § 25 Absatz 5 AufenthG (zwingende Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis bei unbegleitet Minderjährigen nach 18-monatiger
Duldung),

c) Schaffung einer Ermessensregelung im Sinne des Kindeswohls im Zu-
sammenhang von Ausweisungen,

und welche Schlussfolgerungen zieht sie hieraus?

12. Inwiefern hält es die Bundesregierung für sinnvoll und geboten, eine ge-
setzliche Regelung zur Umsetzung der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte zur Beachtung des Rechts auf Familien-
und Privatleben nach Artikel 8 EMRK bei Abschiebungen „faktischer“ In-
länder schon deshalb zu schaffen, um die diesbezügliche Behördenpraxis in
Deutschland zu vereinheitlichen und nicht der insofern uneinheitlichen
Rechtsprechung der einzelnen Gerichte bzw. den unterschiedlichen Wei-
sungsvorgaben auf Landesebene zu überlassen (bitte begründen, vgl. auch
die gutachterliche Stellungnahme von Dr. Klaus Dienelt, Ausschussdruck-
sache 17(4)100 E, S. 5)?

13. Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die konkreti-
sierenden Regelungen zum Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen
nach § 25 Absatz 5 AufenthG unter Berücksichtigung der Rechtsprechung
zu Artikel 8 EMRK im Bundesland Bremen, könnten diese ein Vorbild für
bundeseinheitliche Regelungen (etwa in den Verwaltungsvorschriften) sein,
bzw. in welchen konkreten Punkten hat die Bundesregierung eine andere
Einschätzung?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung den „Vorschlag für die künftige Gestal-
tung einer Bleiberechtsregelung“ des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge vom 18. März 2010 an das Bundesinnenministerium?

a) Welche Teilvorschläge könnten in eine künftige Regelung gegebenen-

falls übernommen werden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/4310

b) Wie steht die Bundesregierung insbesondere zu dem Vorschlag, zu ei-
nem möglichst frühen Zeitpunkt nach Feststellung der Ausreisepflicht
im Rahmen von § 25 Absatz 5 AufenthG über die Frage eines Bleibe-
rechts zu entscheiden, um „Integrationspotenziale beizeiten zu entde-
cken und zu fördern“?

c) Hält die Bundesregierung diesbezüglich eine Änderung des § 25 Ab-
satz 5 AufenthG, der eigentlich ohnehin zur Vermeidung von Ketten-
duldungen beitragen sollte, dies in der Praxis aber nicht bewirkt hat, für
sinnvoll (bitte begründen)?

d) Wie bewertet die Bundesregierung zu diesem Punkt die Einschätzung in
dem genannten Papier des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge,
wonach sich die „Verschuldensfrage“ (für die Unmöglichkeit der Aus-
reise) „als großes Hemmnis für die Anwendung des § 25 Absatz 5
AufenthG erwiesen“ habe, und hält es die Bundesregierung in diesem
Zusammenhang für sinnvoll, zu der bis 2005 geltenden Rechtslage zu-
rückzukehren, nach der bei der Frage, ob ein rechtmäßiger Aufenthalt
nach längerer Duldung erteilt werden kann, daran angeknüpft wurde, ob
die betreffende Person die Abschiebung (nicht die Ausreise) vorwerfbar
verhindert hat oder nicht (vgl. § 30 Absatz 4 des Ausländergesetzes a. F.),
da dies im Zweifelsfall „objektiv“ leichter festzustellen ist als die Frage,
ob eine „freiwillige“ Ausreise zumutbar ist oder nicht (bitte begründen)?

15. Wie bewertet die Bundesregierung die praktische Bedeutung und Funktio-
nalität der Regelung nach § 25 Absatz 5 AufenthG in Bezug auf das Ziel
einer Vermeidung von Kettenduldungen in Anbetracht des Umstands, dass
sich die Zahl der Personen mit einer hiernach erteilten Aufenthaltserlaubnis
von Ende 2006 bis Ende 2009 um lediglich 6 900 erhöht hat (vgl. Bundes-
tagsdrucksachen 16/8321 und 17/642, jeweils Frage 12) und dass die Zahl
der langjährig Geduldeten heute in etwa so hoch ist wie während des Ge-
setzgebungsverfahrens zum Zuwanderungsgesetz, und welche Schluss-
folgerungen zieht sie hieraus?

16. Wie viele Personen haben bis zum 30. September 2010 nach Angaben der
Bundesländer eine Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis im Rahmen
des IMK-Beschlusses vom 4. Dezember 2009 bzw. nach der „Altfallrege-
lung“ des § 104a AufenthG beantragt (bitte nach Bundesländern differen-
zieren und Personen mit Aufenthaltserlaubnissen „auf Probe“ gesondert
ausweisen, bezüglich Nordrhein-Westfalen bitte die Zahl der Verlänge-
rungsanträge entsprechend der dortigen Ausführungsregelung nennen)?

17. Wie viele dieser Anträge waren nach Angaben der Bundesländer zum
Stand 30. September 2010 noch nicht entschieden, wie viele hatten sich er-
ledigt, und wie viele waren zu diesem Datum abgelehnt (bitte nach Bundes-
ländern differenzieren und Personen mit Aufenthaltserlaubnissen „auf
Probe“ gesondert ausweisen), und welche genaueren Erkenntnisse gibt es
zu den Gründen der Ablehnung in welchem Umfang?

18. Wie viele Personen hatten nach Angaben der Bundesländer zum 30. Sep-
tember 2010

a) eine Aufenthaltserlaubnis infolge des IMK-Beschlusses von Ende 2009
nach § 23 Absatz 1 AufenthG wegen nachgewiesener oder glaubhaft ge-
machter Halbtagsbeschäftigung,

b) eine Aufenthaltserlaubnis infolge des IMK-Beschlusses von Ende 2009
nach § 23 Absatz 1 AufenthG wegen (voraussichtlich) erfolgreicher
Schul- oder Berufsausbildung,

Drucksache 17/4310 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

c) eine Aufenthaltserlaubnis infolge des IMK-Beschlusses von Ende 2009
„auf Probe“ nach § 23 Absatz 1 AufenthG wegen nachgewiesener Be-
mühungen um eine eigenständige Lebensunterhaltssicherung,

d) eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Absatz 1 Satz 2 i. V. m. § 23
Absatz 1 AufenthG, weil der Lebensunterhalt vollständig durch Er-
werbstätigkeit gesichert war,

e) eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Absatz 2 Satz 1 i. V. m. § 23
Absatz 1 AufenthG als bei der Einreise noch minderjährige, inzwischen
aber volljährige Kinder,

f) eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Absatz 2 Satz 2 i. V. m. § 23
Absatz 1 AufenthG als unbegleitete Minderjährige,

g) eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Absatz 5 AufenthG aufgrund
überwiegender eigenständiger Lebensunterhaltssicherung,

h) eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Absatz 6 AufenthG im Rahmen
einer Härtefallregelung für Auszubildende, Familien bzw. Alleinerzie-
hende mit Kindern u. a. (bitte soweit möglich differenzieren),

i) eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104b i. V. m. § 23 Absatz 1 AufenthG
als Minderjährige unter der Bedingung der Zusage einer Ausreise der
Eltern,

j) eine Aufenthaltserlaubnis aus sonstigem Grunde/auf sonstiger Rechts-
grundlage erhalten

(bitte jeweils nach Bundesländern differenzieren und Prozentangaben im
Vergleich zur Zahl der Anträge machen, bezüglich Nordrhein-Westfalen
bitte differenzierte Angaben entsprechend der dortigen Ausführungsrege-
lung machen)?

19. Wie viele in Deutschland lebende Personen verfügten nach Angaben des
Ausländerzentralregisters (AZR) zum Stand 30. September 2010 und zum
Stand 30. November 2010 über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a oder
104b AufenthG, z. T. i. V. m. § 23 Absatz 1 AufenthG (bitte – auch im
Folgenden – nach Bundesländern differenzieren)?

a) Wie viele von ihnen haben eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23
Absatz 1 i. V. m. § 104a AufenthG erhalten, weil der Lebensunterhalt
vollständig durch Erwerbstätigkeit gesichert war?

b) Wie viele von ihnen haben eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23
Absatz 1 AufenthG „auf Probe“ erhalten (bzw. – wie aus der Antwort
der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 17/1539 zu Frage 7
hervorgeht – eigentlich nach § 104a Absatz 5 bzw. Absatz 6 AufenthG?

c) Wie viele von ihnen haben eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23
Absatz 1 i. V. m. § 104a Absatz 2 Satz 1 AufenthG als bei der Einreise
noch minderjährige, inzwischen aber volljährige Kinder erhalten?

d) Wie viele von ihnen haben eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23
Absatz 1 i. V. m. § 104a Absatz 2 Satz 2 AufenthG als unbegleitete Min-
derjährige erhalten?

e) Wie viele von ihnen haben eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104b
i. V. m. § 23 Absatz 1 AufenthG als Minderjährige unter der Bedingung
der Zusage einer Ausreise der Eltern erhalten?

20. Wie viele Menschen befanden sich nach Angaben des AZR zu den Stich-
tagen 30. September 2010 und 30. November 2010 in Deutschland, deren

Aufenthalt lediglich geduldet oder gestattet wurde (bitte differenzieren),
und wie viele von ihnen lebten länger als sechs Jahre in Deutschland (bitte

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/4310

nach Bundesländern differenzieren und jeweils die Zahl bzw. den Anteil
der länger als sechs Jahre hier Lebenden an der Gesamtzahl in Prozent an-
geben)?

21. Welche genaueren Angaben lassen sich zum Alter der Geduldeten bzw. der
Geduldeten mit über sechsjährigem Aufenthalt in Deutschland (bitte diffe-
renzieren) zum Stand 30. November 2010 machen (mindestens und gege-
benenfalls annähernd sollten die Altersgrenzen 6, 12, 16, 18, 23, 26, 30, 40,
50, 60 und 65 Jahre berücksichtigt werden)?

22. Wie viele Personen lebten nach Angaben des AZR zum 30. November 2010
mit einer Aufenthaltserlaubnis nach Artikel 23 Absatz 1 Satz 1 AufenthG in
Deutschland, die nicht in Verbindung mit § 104a/§ 104b AufenthG erteilt
wurde?

23. Denkt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 16. November 2010 (1 C 20.09/1 C
21.09) zur (Nicht-)Berücksichtigung des Freibetrags nach § 11 Absatz 2
Satz 1 Nummer 6 i. V. m. § 30 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch bei der
Berechnung des Unterhaltsbedarfs im Anwendungsbereich der Familien-
zusammenführungsrichtlinie der Europäischen Union daran, nicht zuletzt
aus Gründen der Einheitlichkeit und Gleichbehandlung eine allgemeine
Klarstellung im Aufenthaltsgesetz oder in den Verwaltungsvorschriften zur
Nichtberücksichtigung der sozialrechtlichen Freibeträge bei der Lebens-
unterhaltssicherung vorzunehmen, und wenn nein, warum nicht?

24. Wie viele der laut der Antwort der Bundesregierung auf Bundestagsdruck-
sache 17/3328 (zu Frage 1) zum 30. Juni 2010 von den Bundesländern er-
fassten ausreisepflichtigen Personen aus dem Kosovo verfügten zu diesem
Zeitpunkt über eine Duldung, und wie viele nur über eine Grenzübertritts-
bescheinigung oder ähnliche Papiere (bitte nach Bundesländern und Min-
derheitenzugehörigkeit differenzieren)?

25. Wie sind die unterschiedlichen Antworten der Bundesregierung zur Be-
gründung der möglichen Unzuverlässigkeit der AZR-Daten hinsichtlich
der Gruppe der Ausreisepflichtigen ohne Duldung auf Bundestagsdruck-
sache 17/2269 einerseits bzw. 17/3160 andererseits (jeweils zu Frage 11)
zu erklären, und wie ist insbesondere die zuletzt genannte Antwort der
Bundesregierung zu Frage 11a zu verstehen, wonach (angeblich) Personen
als Ausreisepflichtige im AZR erfasst sind, obwohl sie über einen Aufent-
haltstitel verfügen, und an welche Konstellationen ist dabei zu denken?

26. Ist die Prüfung der Gründe für möglicherweise unzuverlässige AZR-Daten
hinsichtlich der Gruppe der Ausreisepflichtigen ohne Duldung inzwischen
abgeschlossen, und wenn nein, warum nicht, und wenn ja, mit welchem
Ergebnis?

27. Welche Rückschlüsse auf die Zahl der in Deutschland lebenden ausreise-
pflichtigen Personen ohne Duldung lassen sich nach Auffassung der Bun-
desregierung daraus ziehen, dass es zum 31. Dezember 2008 10 560 Leis-
tungsempfangende nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) gab,
die zur Gruppe der vollziehbar zur Ausreise Verpflichteten gezählt wurden
(Fachserie 13 Reihe 7 des Statistischen Bundesamtes)?

28. Wie erklärt die Bundesregierung die Differenzen zwischen den Angaben
des Statistischen Bundesamtes zu Leistungsempfangenden nach dem
AsylbLG (Fachserie 13 Reihe 7 des Statistischen Bundesamtes) bzw. des
Ausländerzentralregisters (vgl. Bundestagsdrucksache 16/12029) jeweils
zum Stand 31. Dezember 2008

Drucksache 17/4310 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
a) bezüglich der Zahl der Asylsuchenden, da im AZR lediglich 25 258 Per-
sonen mit einer Aufenthaltsgestattung erfasst waren, während nach An-
gaben des Statistischen Bundesamtes 32 040 als nach dem AsylbLG
leistungsberechtigte Personen mit einer Aufenthaltsgestattung erfasst
wurden,

b) bezüglich der Zahl Geduldeter, die im AZR mit 104 945 angegeben
wurde, während das Bundesamt nur 57 949 Geduldete als Leistungs-
empfangende nach dem AsylbLG registrierte,

c) und welche Kenntnisse hat die Bundesregierung dazu, in welchem Um-
fang Personen mit einer Aufenthaltsgestattung bzw. mit einer Duldung
teilweise oder gänzlich ohne Leistungen nach dem AsylbLG auskom-
men bzw. erwerbstätig sind?

29. Wie lautet die Zahl der im AZR zum 30. November 2010 gespeicherten
ausreisepflichtigen Personen ohne Duldung (bitte gesondert die Zahl derje-
nigen mit über sechsjährigem Aufenthalt angeben), unabhängig von der
Validität dieser Angabe?

30. Was genau sind die Unterschiede einer Eintragung im AZR zwischen
„Fortzug ins Ausland“, „Fortzug nach unbekannt“ und „nicht mehr aufhäl-
tig“, bzw. welche konkreten Fallsituationen sind hiervon jeweils betroffen
(Nachfrage zu Bundestagsdrucksache 17/3160, zu Frage 12b)?

Berlin, den 17. Dezember 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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